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2 (2003), Nr. 1: Inhalt
Abstract
Von der Information zum Wissensraum
Vier Ebenen des Wissensraumes
Informationsraum
Explorativer Raum
Partizipationsraum
Vermittlungsraum
Zusammenfassung
Anmerkungen
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Monika Fleischmann, Wolfgang Strauss

netzspannung.org: Kollektiver Wissensraum und Online-Archiv

Abstract   

Die Forschungsgruppe Media Arts Research Studies (MARS) am Fraunhofer Institut für Medienkommunikation hat sich die Erforschung der Möglichkeiten elektronischer Medien hinsichtlich der Wissenserschließung und vermittlung für das Feld der Kunst und der Neuen Medien zum Ziel gesetzt. Dabei geht es im weitesten Sinne darum, Informationen zu visualisieren und zu vernetzen, um - interaktiv und in Echtzeit - begehbare ‚Wissensräume’ zu schaffen, die sich dem Nutzer spielerisch erschließen. Hierfür werden experimentelle Methoden, Online-Werkzeuge und Interfaces entwickelt, die zwischen digitalem und physikalischem Raum vermitteln und neue Formen der Wissensfindung erproben. In diesem Artikel wird die Internet-Plattform ‚netzspannung.org’ vorgestellt und die Anforderungen an ein Medienlabor im Internet formuliert, das nicht nur eine qualitativ anspruchsvolle Sammlung von Informationen über digitale Kultur und mediale Inszenierung aufbaut, sondern diese Informationen verknüpft, in einen Kontext stellt und - mit Hilfe seiner Mitglieder und Partner diesen neuen kollektiven Wissensraum ständig erweitert und als einen öffentlichen Bildungsraum für die Lehre zur Verfügung stellt.

Von der Information zum Wissensraum

<1>
Digitale Medien, Informations- und Netzwerktechnologien implizieren bedeutende Veränderungen für die Möglichkeiten der Wissenskonstruktion und der Wissensvermittlung. Das Internet als stetig wachsendes ‚Netz der Netze’ schafft einen Raum, in dem Lernende und Lehrende zeit- und ortsunabhängig, aus einem universellen Archiv schöpfend, in gemeinsamer Arbeit neue Formen von Wissen konstruieren und darstellen können. In diesem Sinne ist das Internet ein wild wachsendes Online-‚Archiv’ und das ‚kulturelle Gedächtnis’ all derer, die an das Netz angeschlossen sind. Es ist ein Raum telematischer Präsenz und erfüllt eine ‚Globalisierungsfunktion’, die ein Gefühl von kultureller Zusammengehörigkeit unabhängig von räumlicher Nähe erzeugen kann. Adäquate Methoden und allgemein benutzbare Werkzeuge, die den Zugang zu dieser komplexen neuen Wissenswelt gestatten, gibt es noch kaum. Beispielhaft zu nennen sind hier jedoch künstlerische Experimente für Online-‚Werkzeuge’ wie netomat (1999) von Maciej Wisniewski; Smart Money (1998) von Martin Wattenberg; They Rule (2001) von Josh On oder Poetry Machine (2001) von David Link.

<2>
Ausgehend von der These, dass das Internet einen vernetzten Bildungsraum darstellt, haben wir 1998 begonnen, mit neuen Formen und Methoden der Vermittlung zu experimentieren. Mit der Planung und dem Aufbau der Internet-Plattform netzspannung.org wurde es möglich, das Potential digitaler Medien für kollektive Wissensräume auszuloten. Netzspannung.org ist ein ständig wachsendes Online-Archiv für mediale Inszenierung, künstlerische Produktion und intermediale Forschung. Künstler, Mediengestalter und Informatiker publizieren und präsentieren ihre Arbeiten im ‚netzspannung.org/netzkollektor’. Dabei werden ähnliche Inhalte zueinander in Beziehung gesetzt und inhaltliche Verbindungen in verschiedenen graphischen Interfaces visualisiert. Die von uns entwickelten ‚Knowledge Discovery Tools’ strukturieren Informationsströme und Archive auf der Basis semantischer Zuordnung und bilden einen erweiterten Wissensraum. Die Plattform bietet zudem Module zur Förderung digitaler Kultur wie den Hochschulwettbewerb ‚digital sparks’ mit Produktionspreisen für Studenten; die ‚Mobile Unit’ zur Liveübertragung und Archivierung von Vorträgen (Tele-Lectures) und Mixed Reality-Interfaces für die Realisierung datenbankunterstützter, begehbarer Wissensräume.

<3>
Kollaborativer Wissensraum für Medienkunst und technologie
Informationen über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und Entwicklungen an der Schnittstelle von Medienkunst und Medientechnologie sind im Internet oft nur verstreut zu finden. Bestehende Informationskanäle wenden sich lediglich an spezielle Nutzergruppen, sodass kaum ein fachübergreifender interdisziplinärer Austausch gelingt, der als wichtige Voraussetzung für Innovationen im Bereich Medientechnologie und Medienkultur angesehen wird. Für den Aufbau des netzspannung.org Online-Kompetenzzentrums und Archivs für digitale Kultur verfolgen wir verschiedene konzeptuelle Ansätze:

die Durchführung eigener inhaltlicher Aktivitäten und Produktionen (digital sparks-Wettbewerb, cast-Konferenz, Workshops, Online-Ausstellungen)
den Aufbau eines multimedialen Online-Archivs mit Künstlerbeiträgen und künstlerisch-wissenschaftlichen Vorträgen (netzkollektor, Tele-Lectures)
die Bereitstellung von Partizipationsmöglichkeiten für Künstler, Kuratoren, Informatiker (Expertendatenbank, netzkollektor)
die Entwicklung eines kollaborativen Wissensraums (workspaces, Timeline, Semantic Map)
den Aufbau einer Infrastruktur für vernetzte Medienproduktion (verteilte Informationsarchitektur)

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Ein Online-Kompetenzzentrum für Medienkunst ist für diesen relativ jungen Bereich insbesondere wichtig, um vorhandene Aktivitäten, Institutionen und Ausbildungsstätten an einem Punkt recherchierbar zu machen. Medienkünstlern wird die Möglichkeit gegeben, sich in einem redaktionell betreuten Fachkontext zu präsentieren und in einem Umfeld zu positionieren, in dem ihre Arbeit sowohl im Kunstkontext als auch von Forschung und Industrie wahrgenommen wird. Mit den netzspannung.org Tele-Lectures zu Themen aus Kunst, Forschung und Medientheorie wird eine Mediathek aktueller künstlerisch-wissenschaftlicher Vortragsreihen aufgebaut, die für alle interessierten Nutzer jederzeit online abrufbar sind. Diese Aktivitäten bilden die Basis, um netzspannung.org perspektivisch zu einer medienkulturellen Bildungsplattform auszubauen.

Vier Ebenen des Wissensraumes

<5>
Im Folgenden werden vier ineinandergreifende Kategorien von Wissensräumen dargestellt, die auf der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsarbeit der beiden langjährigen Forschungsprojekte ’CAT - Communication of Art & Technology’ und ’AWAKE - Networked Awareness for Knowledge Discovery’ des MARS Exploratory Media Lab aufbauen und aus denen sich das Konzept vom Informationsraum zum Wissensraum zu neuen Bildungs- und Handlungsräumen’ zusammensetzt.

Im ’Informationsraum’ wird das infrastrukturelle Netzwerk eines Datenarchivs mit standardisierten Eingabe-Interfaces und kategorisierter Information (Metadaten) zur Erzeugung eines Datenkörpers aufgebaut.
Im ’Explorativen Raum’ ermöglichen Werkzeuge zur Wissenserkundung, Knowledge Discovery Tools wie Semantic Map und Timeline, ein überschauendes Betrachten und Auswerten des Datenkosmos.
Im ’Partizipationsraum’ erlauben visuelle, hörbare, greifbare und unsichtbare Interfaces einen experimentellen Zugang zu begehbaren Wissensräumen in Form von Mixed Reality Installationen und Ambient Media Lounges.
Der ’Vermittlungsraum’ schließlich thematisiert die Bedeutung des sozialen Kontextes auf der Grundlage von Online- und Onsite-Workshops.

Informationsraum:
netzspannung.org

<6>
Mit der Internetplattform netzspannung.org wurden die technischen und strukturellen Grundlagen einer datenbankgestützten Wissensplattform im Internet konzipiert und realisiert, die eine homogene Vernetzung verschiedenartiger Bezugsquellen von bereits existierenden Online-Archiven ermöglichen. Von besonderer Bedeutung hierbei ist die Beschreibung der Datenobjekte (Metadaten) also jene kategorisierte Information, die das Auffinden eines Objektes in einer Datenbank ermöglicht.
Das Gros bereits existierender Archive im Bereich der Medienkultur verwendet - sofern sie überhaupt online zugänglich sind - hochspezialisierte und proprietäre Verarbeitungssysteme. Bisher besitzen diese Archive noch keinen einheitlichen Standard bei der Indizierung der Archivobjekte durch Metadaten.
Die Medienkunst mit ihren spezifischen Bedürfnisse bedarf im Prinzip einer eigenen standardisierten Beschreibungssprache. Diese spezifischen Anforderungen der Medienkunst führen in letzter Konsequenz zum Modell eines ’Datenkörpers’, der den digitalen Wissensraum bewohnt. Der Datenkörper bindet sämtliche relevanten Daten an sich, bildet sie ab und ist an den Kontext des Autors bzw. des Projekts gebunden.



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<7>
Das multimediale Online-Archiv netzspannung.org verortet die Medienkunst im Schnittfeld von Kunst, Wissenschaft, Technologie und Kommunikation. Begriffe wie Produktion, Distribution, Konnektivität, Kollaboration, Kommunikation, Theoriebildung, Publikation, Bildung, Archive und öffentliche Sichtbarkeit bezeichnen die Grundanforderung der internationalen Electronic Arts Community an eine Internetplattform für Medienkunst. Diese Anforderungen wurden in der CAT-Machbarkeitsstudie von 1998 als die zehn wichtigsten Merkmale zur Produktion von Medienkunst durch eine Email-Umfrage innerhalb der Community ermittelt.

<8>
Kuratierte Module der netzspannung.org-Plattform bilden die Basis der wachsenden Datenbestände und Inhalte. Der jährliche Nachwuchsförderwettbewerb digital sparks ist eines der Module, das mittels eines Online-Gutachterverfahrens qualitativ hochwertige Projekte von Studenten und betreuenden Professoren anfordert, begutachtet und so das Online-Archiv mit aktuellen Inhalten füllt.

<9>
Die Veranstaltungsreihen der Tele-Lectures schaffen mittels Breitband-Streaming und Archivierung von Vorlesungen hochrangiger Referenten einen zeitweilig erweiterten Hörsaal und ein nachhaltiges kulturelles Gedächtnis. Die seit dem Sommersemester 2002 laufende interdisziplinäre Vortragsreihe ’Iconic Turn’ der Burda Akademie und der Ludwig-Maximilians-Universität München wird live von netzspannung.org in weitere Hochschulen übertragen und anschließend auf der Plattform archiviert und indiziert. Weitere Vortragsreihen wurden netzspannung.org von Partnern zur Verfügung gestellt, zum Beispiel:

1. ’Museum als Medium - Medien im Museum. Perspektiven der Museologie’ vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Stuttgart.
2. ’Frames of Viewing / Wahrnehmung, Erfahrung, Urteil’ vom Haus der Kulturen der Welt, Berlin in Zusammenarbeit mit dem Getty Research Institute, Los Angeles.
3. ’Bildersturm und Bilderflut / Image War and Image Floods’ vom Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe.

<10>
Konferenzen, Workshops und (Online-) Ausstellungen sind weitere Quellen für relevante Beiträge und aktuelle Informationen zur digitalen Kultur auf netzspannung.org, die bisher im Rahmen unserer Forschungsprojekte durchgeführt wurden. Ab 2003 sind Konferenzen, Workshops und Ausstellungen auch mit externen Partnern geplant, wie dem Goethe Forum, dem Haus der Kulturen der Welt, der Fraunhofer Geschäftsstelle in Berlin, dem Künstlerhaus Schloss Balmoral in Bad Ems, mit V2 in Rotterdam oder der Ars Electronica in Linz. Sie alle werden auf netzspannung.org dokumentiert.
Die Plattform bietet auch offene Publikationskanäle und damit eine Infrastruktur zur Publikation eigener Arbeiten (netzkollektor, Expertendatenbank). Zudem erstellt das Redaktionsteam zusammen mit eingeladenen Kuratoren eigene Inhalte. Netzspannung.org stellt somit einen stetig wachsenden Informationspool einer spezifischen Interessengruppe dar, der sich auch an ein größeres Publikum aus dem professionellen und universitären Umfeld von Kunst und Neuen Medien richtet.

<11>
Nach einjährigem Betrieb (10/2001 - 10/2002) umfasste die zweisprachige Plattform bereits ca. 300 Projekte in Form von Media-Files, Texten, Bildern und Videos sowie 100 Stunden aufgezeichneter Vorträge, den Tele-Lectures. Im Zeitraum eines Jahres ist dabei eine Community von rund 1700 registrierten Benutzern des netzspannung.org-Datenpools entstanden; von September bis November 2002 waren beispielsweise 22.000 Besucher auf der Site zu verzeichnen. Eine Auswertung der Nutzerzugriffe hinsichtlich des inhaltlichen Angebots zeigt, dass die Plattform besonders dort stark frequentiert wird, wo Texte und ganze Broschüren zum Herunterladen zur Verfügung stehen (Workshops/Konferenzen, Wettbewerbe, Journal) oder Videos von Vorträgen hochrangiger Referenten im Real Player Format zur freien Ansicht zur Verfügung stehen (Mediathek/Tele-Lectures).

<12>
netzspannung.org: Informationsarchitektur
Die Informationsarchitektur von netzspannung.org kann als Netzwerksystem und die Plattform insgesamt als ’Internet-Festplatte’ verstanden werden. Die Architektur der Plattform ist in Abb. 2 in einem Drei-Schichten Modell dargestellt. Es zeigt als erste Schicht die offenen, dokumentierten Standard-Interfaces, die den Mitgliedern der Plattform erlauben, ihre eigenen Projekte einzubringen. Die zweite Schicht, die Anwendungsebene, erlaubt fortgeschrittenen Benutzern, ihre eigenen Anwendungen mit ihren eigenen Interfaces anzudocken. Diese Ebene ist insbesondere als Infrastruktur für Netzprojekte von Bedeutung. Die dritte Ebene schließlich ist die Datenbank selbst mit ihren gespeicherten Informationen. Standardformate wie XML, aber auch selbst definierte Datenmodelle können gespeichert werden. Die Architektur unterstützt verschiedene Protokolle wie Corba, Soap und http. Sie ist sehr flexibel und bietet unterschiedliche Levels von Komplexität oder Einfachheit. Dadurch ist sie attraktiv für Anfänger wie für erfahrene Mitglieder.



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<13>
Ziel zukünftiger Entwicklungen ist es, netzspannung.org mit anderen Archiven zu vernetzen. Um dieses Ziel technisch zu erreichen, werden einerseits Schnittstellen als Web-Services definiert, andererseits wird ein ’Dynamischer Archivadapter’ entwickelt. Hierbei sind insbesondere Web-Technologien von Nutzen, die auf semantischer Ebene automatisch eine Metastruktur aufbauen zwischen heterogenen Inhalten und den Systematiken unterschiedlicher Archive. Netzspannung.org ermöglicht dann mit einem einzigen Interface den zentralen Zugriff auf ein dezentrales Netzwerk verschiedener Archive und wird - im Wortsinn - zum Portal.

Explorativer Raum:
Werkzeuge zur Wissenserkundung

<14>
So wie große Teleskope den Astronomen das Sehen ermöglichen, benötigen digitale Kulturen - und insbesondere ein kollaborativ wachsendes Online-Archiv - neue Instrumente zum Sichten, Überschauen und Bewerten der unübersichtlich schnell und wild wuchernden Datenmengen. Mit der Semantic Map und der Timeline wurden auf netzspannung.org Knowledge Discovery Tools als eine "Teleskopanlage zur Betrachtung und Auswertung des Datenkosmos" geschaffen. So kommentierte der Astronom Roger Malina 2002 in Paris unsere Visualisierungswerkzeuge, die Wissensräume erschließen helfen.
Knowledge Discovery Tools sind spezielle Werkzeuge, die eine Gesamtschau auf große heterogene Datenmengen ermöglichen, weil sie die Datenbestände als kontextualisierte Informationsräume visualisieren. Da sie zusätzlich noch das aktive Strukturieren, Aufbereiten und Kommunizieren unterstützen, sind sie zugleich eine Methode des Erkennens. Dem Nutzungskontext entsprechend wurden bislang drei verschiedene Interfaces realisiert, die zur Konstruktion von Wissen beitragen.

<15>
Die Semantic Map fasst Inhalte semi-automatisch in Clustern zusammen und ermöglicht eine explorative Navigation in fachübergreifenden Zusammenhängen, ein visuelles Suchen und Stöbern auf der Basis semantischer Relationen. Die Timeline ordnet Inhalte parallel in verschiedenen vordefinierten Kategorien auf einem Zeitstrahl, sodass zeitliche Relationen zwischen verschiedenen Inhaltsfeldern entdeckt werden können. Der Knowledge-Explorer schließlich ist ein komplexeres Werkzeug für Experten-Communities. Experten können damit Datenpools strukturieren, aber auch persönliche Wissenskarten anlegen und sie anderen Mitgliedern der Community zur Verfügung stellen, die sich damit wiederum unbekannte Informationspools erschließen können. In einer nächsten Entwicklungsstufe sollen die Knowledge Discovery Tools personalisiert und online genutzt werden können. Die Mitglieder von netzspannung.org können sie dann einsetzen, um mit eigenen Inhalten und einem selbst gewählten Informationspool individuelle Wissenskarten zu erstellen. Nachfolgend wird exemplarisch für die Knowledge Discovery Tools die Semantic Map detaillierter beschrieben.

<16>
Die Semantic Map ist ein Interface, das die semantischen Bezüge aufgrund einer Textanalyse zwischen einzelnen Dokumenten der Datenbank von netzspannung.org auswertet, in Clustern mit ähnlichen Inhalten zusammenfasst und visualisiert. Durch die interaktive Visualisierung wird ein Überblick über die Kontexte und Zusammenhänge zwischen den Daten sowie der Zugriff auf einzelne Dokumente ermöglicht, die aufgrund eines Zooming-Verfahrens dann genauer betrachtet werden können. Für die vom MARS Exploratory Media Lab organisierte Konferenz ’cast01/living in mixed realities’ und deren Teilnehmer dient die Semantic Map als gut recherchierbare Übersicht der Konferenzbeiträge. Die folgende Abbildung stellt den Aufbau der Karte dar:



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1. Jedes Dokument ist als kleines blaues Quadrat in der Karte repräsentiert.
2.  Schlagworte geben Auskunft über den Inhalt eines Clusters.
3. Dokumente mit größerer inhaltlicher Verbindung sind in Cluster zusammengefasst.
4. Der Visualisierung liegt ein neuronales Netzwerk-Verfahren zugrunde, die Kohonen Map: Sie setzt alle Dokumente zu allen in Beziehung und ordnet sie entsprechend ihrer semantischen Verbindungen in einem zweidimensionalen Raster an.

Partizipationsraum:
Murmuring Fields – Mixed Reality Installation

<17>
Wie können online-Archive nicht nur metaphorisch-virtuell, sondern auch physikalisch-real als begeh- und begreifbare Wissensräume umgesetzt werden? Diese Frage wird mit der von uns entwickelten Mixed-Reality Methode der Durchdringung und Überlagerung physikalischer und elektronischer Räume aufgegriffen. Das ’electronic Multi-User Stage Environment’ (eMUSE) beschreibt ein Mixed-Reality-Raumkontinuum, in dem beispielsweise in der Raum-Installation ’Murmuring Fields [1], ein begehbares Audio-Archiv den Eindruck eines konzertanten Raumes entstehen lässt. Der interaktive Klangraum für mehrere Benutzer erscheint als ein "Raum möbliert mit Daten" [2].



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<18>
Mixed Reality Interfaces eröffnen die Möglichkeit, digitale Informationsstrukturen von der zweidimensionalen Darstellung in die räumliche Dimension des physikalischen Raumes zu überführen. Der Begriff ‚Mixed Reality’ wurde 1994 von Paul Milgram und Fumio Kishino geprägt, mit dem Ziel das begrenzte Anwendungsfeld der Virtual Reality zu erweitern [3]. Die Anwender einer Mixed Reality-Installation befinden sich im Zentrum des Geschehens, jedoch ohne aus ihrer physikalischen Umgebung per Daten- oder Stereobrille ausgeschlossen zu sein. Stattdessen bewegen sie sich in einem bekannten Handlungsraum mit erweiterten (elektronischen) Möglichkeiten, im Gegensatz zu einer immersiven und abgeschlossenen, virtuellen Umgebung.

<19>
Mit der performativen Installation ’Murmuring Fields’ entwickelten wir 1998-2000 einen Klangraum für die Bühne und gleichzeitig ein Mixed Reality-Audioarchiv. Datenraum und Handlungsraum werden hier durch ein unsichtbares optisches Tracking Verfahren (Videokamera-Interface) miteinander verbunden. Im interaktiven Klangraum ‚Murmuring Fields’ spielen die Akteure mit ihren Körpern durch Bewegung im Raum mit dem virtuellen Klangraum wie mit einem Instrument.



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<20>
Auf der Basis der eMUSE-Technologie werden für einen ’Begehbaren Wissensraum’ die Knowledge Discovery Tools für den physikalischen Raum adaptiert. In ersten Studien bewegen sich die Rezipienten über eine Bodenprojektion der Semantic Map, die nun von der Bildschirmanwendung zu einer ’lebensgroßen’ kartografischen Landschaft wird. Der Datenraum - nun ein in den Raum projiziertes Archiv - wird durch Navigation, also durch die eigene Bewegung im Raum, erkundet. In dynamischer Wechselwirkung werden Inhalte (Text, Bild, Video, Klang) gestenbasiert ausgewählt und dargestellt. Derzeit wird ein begehbarer ’Wissensraum’ für das Haus der Kulturen der Welt in Berlin entworfen, der dann zunächst mit Besuchern evaluiert wird.



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Vermittlungsraum

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Konzepte elektronischer Wissensvermittlung können sich nicht allein mit der Integration neuer technischer Konzepte begnügen, sondern müssen auch soziale Kontexte des Lehrens und Lernens untersuchen. Die vom MARS Lab initiierten Workshops sind experimentelle Lehrveranstaltungen, die sich nicht an klassischen Unterrichtssituationen orientieren. Im Folgenden werden an zwei Beispielen (Tele-Lectures, Mixed Reality Klassenzimmer) neue Lehr-/Lernmethodenvorgestellt, die hochschulübergreifende, interdisziplinäre sowie projekt- und handlungsorientierte Ansätze in der medienkulturellen Bildung beinhalten. Im klassischen Schulsystem werden Heranwachsende nach wie vor mehrheitlich auf verbal fixierte Denk- und Auseinandersetzungsmethoden geschult. Auch wenn diese effiziente Lehr- und Lernmethode weiterhin von fundamentaler Bedeutung ist, so zeigt die gegenwärtige Entwicklung in der Bildungsarbeit, wie wichtig das Wissen über individuelle Kompetenzen beim bildhaft-assoziativen oder kinästhetischen Denken ist, um in der Medienrealität unserer Gesellschaft bestehen zu können.

<22>
Tele-Lectures
Unser Konzept einer dezentralen Vernetzung der Hörsäle verschiedener Universitäten reagiert auf finanzielle und personelle Probleme der aktuellen Lehrsituation in Deutschland: Mit den ’Tele-Lectures’ verbindet das MARS Lab die Hörsäle mehrerer beteiligter Medien- und Kunsthochschulen via Breitband-Internet-Streaming zu einem telematischen Raum. Ein Vortrag, der an einem Ort stattfindet, wird in die Hörsäle der beteiligten Universitäten übertragen und dort von den jeweiligen Fachbereichen moderiert und diskutiert. Alle Lectures werden darüber hinaus aufgezeichnet, archiviert und im Anschluss in der Mediathek von netzspannung.org im Internet öffentlich zugänglich. Im Gegensatz zu konventionellen Internet-Streamings liegt der Fokus der Tele-Lectures auf dem gemeinschaftlichen Erlebnis der Live-Übertragungen vor Ort, in der inhaltlichen Einbettung in den Kontext der universitären Lehre und in der nachhaltigen Archivierung und Verwertung.
Die Weiterentwicklung des Tele-Lecture Formates beinhaltet unter anderem die Einrichtung eines Rückkanals, der die Kommunikation zwischen Vortragendem und den an verschiedenen Orten sitzenden Zuhörern ermöglicht. In Zukunft wird es wichtig sein, für die Ausstattung von Hörsälen eine Grundausrüstung für ankommende und abgehende Live-Übertragungen einzuplanen. Diese Infrastruktur sollte - möglichst wartungsfrei und leicht bedienbar - einen audiovisuellen Austausch zwischen Universitäten ermöglichen. Die sogenannte ’Mobile Unit’ des MARS Lab ist als mobiles Multimedia Streaming Labor ein Prototyp für das vernetzte Klassenzimmer [4].



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<23>
Ausblick in Mixed Reality-Lernumgebungen
In unseren aktuellen Projekten ist geplant, die in diesem Artikel beschriebenen Ebenen des Wissensraumes - Informationsraum, explorativer Raum, Partizipationsraum, Vermittlungsraum - zu einem den digitalen und physikalischen Raum überbrückenden Raum für medienkulturelle Bildung zu verknüpfen.
Mixed Reality-Lernumgebungen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Integration aus, da vertraute physikalische Umgebungen mit alltäglichen Artefakten durch die Möglichkeiten digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien erweitert werden. Dabei können Konzepte wie das der ’Affordances’ ("properties of the world that are compatible with and relevant for people’s interactions") genutzt werden, um elektronische Funktionalität verständlich und begreifbar zu machen und einen "direct link between perception and action" zu etablieren [5]. Die uns bekannte dingliche und begreifbare Umwelt wird genutzt, um kognitiv wie emotional Zugang und Interaktion zu ermöglichen. Die an den Raum und die uns umgebenden Gegenstände gebundenen bestehenden Strukturen und Verhaltensmuster werden übernommen und erweitert. Sie stehen nun als Schnittstellen zum Datenraum zur Verfügung.

<24>
Mixed Reality-Klassenzimmer
Das Konzept des Mixed Reality-Klassenzimmers bietet Lernenden und Lehrenden die Möglichkeit, sich zu einer bestimmten Zeit online und onsite zu treffen und kollaborativ zusammen zu lernen und zu arbeiten, aber nicht alle müssen unbedingt am gleichen Ort sein. Das Zentrum des Raumes ist eine große Tafel, die mit herkömmlicher Kreide beschrieben wird. Die Inhalte werden erfasst, digitalisiert und live im Internet publiziert[6]. Überlagernde Projektionen auf der Tafel ermöglichen Ad hoc-Interaktion wie das Annotieren, Kommentieren und Remote Publishing. Weitere Projektionen auf den Boden, beispielsweise die einer personalisierten Semantic Map, ermöglichen Vortragenden, parallel zu ihrem Referat das Navigieren durch ihren persönlichen Wissensraum und den Zugriff auf persönliche Arbeitsbereiche. Das Klassenzimmer fungiert dabei als zentrale Kommunikationsschnittstelle. Verteilt können sich individuelle Nutzer oder Gruppen dazugesellen und ebenfalls teilnehmen. Dabei können gemeinsam Wissenskarten erstellt und ausgetauscht werden. Das Mixed Reality-Klassenzimmer ist prädestiniert für den Zusammenschluss mehrerer Hochschulen zu gemeinsamen Tele-Lectures.



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Online/Onsite-Campus
Der online/onsite-Campus hat das Ziel, eine kohärente Einheit von Infrastruktur und Infostruktur an Universitäten zu schaffen. Über das Konzept des Mixed Reality-Klassenzimmers hinaus werden in größerem Maßstab verschiedene und denkbar heterogene Aspekte der an einer Universität vorzufindenden Infrastruktur verknüpft. Denkbar ist die Vernetzung verorteter Kiosksysteme und mobiler Geräte (Handys, Palms), öffentlich zugänglicher Archive und privater Datenbestände, kollektiv genutzter Videobeamer oder individuell belegter Workstations unter Beachtung von Informations- und Handlungsbedürfnissen der Studierenden und Lehrenden. Ein in dieser Weise auf mehrere Universitäten und Fachbereiche ausgedehntes Netzwerk würde zudem eine übergreifende Ressourcennutzung ermöglichen. Zugleich besteht die Chance, gemeinsam Ansätze und Vermittlungskonzepte für interdisziplinäre und medienkulturelle Inhalte zu entwickeln [7].



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Zusammenfassung

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Mit dem Beispiel der Internetplattform netzspannung.org wurde ein Bündel infrastruktureller Maßnahmen vorgestellt, die ein Fundament für Aktivitäten im Bereich E-Learning und medienkulturelle Bildung darstellen. Die Knowledge Discovery Tools zeigen Möglichkeiten der Informationsvisualiserung, des explorativen Erkundens von großen Datenmengen und des Anlegens von persönlichen Wissenskarten als eine wichtige Navigationshilfe und Methode zur Durchforstung und Sichtung des Datenraumes. Die Grenzen zweidimensionaler Benutzerschnittstellen erweisen sich zunehmend als unzureichend. Der uns umgebende Raum und uns umgebende Objekte können mit digitalen Kapazitäten versehen zu einem erweiterten Raum - zur Mixed Reality Umgebung - werden. Schließlich wurde auf die Bedeutung sozialer Kontexte für Vermittlungskonzepte hingewiesen, ohne die Lernen und Lehren auch unter dem Buchstaben "E" kaum möglich ist. Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept des Wissensraumes eingeführt und Szenarien für Mixed Reality-Lernumgebungen vorgestellt, die sämtliche zuvor benannten Tendenzen aufgreifen: infrastrukturelle Maßnahmen, Überblick gewährende Tools, die Erweiterung unseres Umgebungsraumes, sowie die Bedeutung direkter sozialer Interaktion in Gruppen.
Als nächste Produktion bereiten wir eine online-Präsentation zum Thema ’Cultural Heritage’ vor, die Anwendungsbeispiele digitaler Technologien zur Vermittlung des kulturellen Erbes aufzeigen wird.
Der entscheidende nächste technische Entwicklungsschritt besteht darin, die Plattform so zu erweitern, dass Nutzer den Datenbestand in persönliche Wissenskarten und im Rahmen von E-Learning-Modulen zur Vermittlung ihres Wissens nutzen können.
Dazu werden nutzerspezifische (Meta-) Daten mit medienspezifischen (Meta-) Daten verknüpft, sodass Medien ohne Redundanz in verschiedene Kontexte integriert und damit wieder verwendet werden können. Unter Nutzung standardkonformer Metadaten-Elemente lassen sich beispielsweise SMIL-Dokumente als Onlinekurs erzeugen, in denen Medien derart verknüpft werden können, dass auch Steuerungsoptionen in Bezug auf den zeitlichen und ereignisbasierten Ablauf integriert werden können. Grundlage dieses Szenarios ist ein hochmodularer (Medien-)Datenpool, dessen Assets in komplexen Metastrukturen vielschichtig klassifiziert werden.

Anmerkungen

1 Vergleiche Monika Fleischmann / Wolfgang Strauss / Jasminko Novak: Murmuring Fields Rehearsals - Building up the Mixed Reality stage. Proceedings of KES, Brighton 2000.
2Wolfgang Strauss / Monika Fleischmann und andere: Staging the space of mixed reality - reconsidering the concept of a multi-user environment. VRML99, Paderborn 1999.
3 Paul Milgram / Fumio Kishino: A taxonomy of mixed reality visual displays, IEICE Transactions on Information Systems, Volume E77-D, Dezember 1994.
4 Vergleiche Jörg Pfuhl / Pedrag Peranovic: Mobile Streaming Lab - leading to a modular Learning Environment, conference proceedings, VSMM 2002 Creative Digital Culture, Gyeongju 2002.
5 William W. Gaver: Technology Affordances. Human factors in computing systems conference proceedings on Reaching through technology, New Orleans 1991, 79 – 84.
6 Vergleiche Quentin Stafford-Fraser / Peter Robinson: BrightBoard - a video augmented environment. Proceedings of Conference on Human Factors in Computing Systems, Vancouver. 
G. Abowd: Teaching and learning as multimedia authoring: The classroom 2000 project. Proceedings of the fourth ACM international conference on Multimedia, New York 1996. 
R. Rojas, L.Knipping, U. Raffel, G. Friedland: Elektronische Kreide: Eine Java-Multimedia-Tafel für den Präsenz- und Fernunterricht. Institut für Informatik, Freie Universität Berlin: Technical report B-17/2000. 
T. Moran u. a. : Design and technology for Collaborage: Collaborative collages of information on physical walls. Proceedings of the 12th annual ACM symposium on User interface software and technology, New York 1999.
7 Phillippe Carrard / Maia Engeli:  ETH world conceptual competition - Virtual and physical presence, Zürich 2001.
G. Griswold u. a.: ActiveCampus - Sustaining educational communities through mobile technology. UCSD CSE technical report, CS2002-0714, 2002.

Autoren

Monika Fleischmann
Fraunhofer Institut für Medienkommunikation
E-Mail: monika.fleischmann@imk.fhg.de
Web: http://www.imk.fraunhofer.de/sixcms/detail.php?template=&id=1187; http://netzspannung.org/

Wolfgang Strauss
MARS-Exploratory Media Lab
E-Mail: wolfgang.strauss@imk.fhg.de
Web: http://www.imk.fraunhofer.de/sixcms/detail.php?template=&id=1236/
http://netzspannung.org/

Empfohlene Zitierweise:

Monika Fleischmann, Wolfgang Strauss: netzspannung.org: kollektiver Wissensraum und Online Archiv, in: zeitenblicke 2 (2003), Nr. 1 [08.05.2003],
URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/01/fleischmann/index.html>

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ZEITENBLICKE ISSN: 1619-0459
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