Günter Herzog
Das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels e. V. (ZADIK)
<1> Für das erst 1992 vom Bundesverband deutscher Galerien (BVDG)
gegründete Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (ZADIK) e. V. sind
die neuen Medien nicht nur unersetzlich für den Archivbetrieb, in welchem die
Archivalien über eine Datenbank erschlossen werden, sondern vor allen Dingen
auch als preiswerte Publikationsmedien für ein bisher von der Kunstgeschichte
noch weitgehend unentdecktes Quellenreservoir. Nur übers Internet wird es
möglich werden, einem größeren Fachpublikum die besonderen Qualitäten des
ZADIK und seiner Bestände überhaupt erst zur Kenntnis zu bringen.
<2> Das ZADIK ist das bis heute weltweit einzige Spezialarchiv
zur Geschichte des Kunsthandels. Es sammelt in erster Linie Vor- und Nachlässe
bedeutender Galerien und Kunsthändler/innen, ihre Geschäfts- und
Künstlerkorrespondenz und sämtliche Materialien, die Aufschluss geben über
den Galeriebetrieb, seine Ausstellungs- und Öffentlichkeitsarbeit und seine
Arbeit mit den Künstlern. Ergänzend dazu sammelt das ZADIK auch Vor- und
Nachlässe von Kunstkritiker/innen, Sammler/innen und Fotograf/innen. Hierzu
kommen noch ein stetig wachsendes Pressearchiv, eine Plakatsammlung (mit etwa
3000 Plakaten), ein Fotoarchiv mit inzwischen weit über 300.000 Fotos, ein sehr
großer Bestand an nationalen und internationalen Auktionskatalogen und eine
Spezialbibliothek zur Geschichte des Kunsthandels. Damit bietet das ZADIK ein
Sammlungsrepertoire, das von traditionellen kunsthistorischen Archiven nicht
gepflegt wird.
<3> Die Aktivitäten des ZADIK sind damit unersetzbar für die
Erhaltung und Erforschung eines Kulturgutes, dessen Bedeutung für die
Kunstgeschichte Untersuchungen wie die von Michael Montias und Michael North
über den niederländischen Kunstmarkt des 17. Jahrhunderts oder Svetlana Alpers’ Buch
Rembrandt
als Unternehmer belegen. Von der Tätigkeit der römischen Kunstagenten und
des englischen Kunstmarktes im 18. Jahrhundert über die Rolle Paul Durand-Ruels
als Impresario der Impressionisten und Daniel-Henry Kahnweilers Bedeutung
für den Kubismus bis zu Marktmechanismen der Gegenwart eröffnet sich hier ein
bislang stark vernachlässigtes Forschungsfeld. Mit dem Beginn des modernen
Kunsthandels und Galerienwesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
entwickelten sich die Avantgarde-Galeristen zu einer neuen Instanz zur
Feststellung der Kunstqualität. Für den Künstler wurde die Galerie zur
Eingangstür in das Kunstsystem und in die Öffentlichkeit - für das Museum
und die wissenschaftliche Kunstgeschichte wurden die Galerien und die von den
Galeristen betreuten Sammler zu den Institutionen, die das Neue in die Kunst
einbrachten. <4> Anhand der Geschäftsakten der Galeristen, wie zum Beispiel ihrer
Korrespondenz mit Künstlern, Sammlern und Museen, lassen sich die Handelswege
von Kunstwerken und ihre oft spektakulären Preisentwicklungen verfolgen. Es
ergeben sich Einblicke in die Beziehungen zwischen Künstler, Händler und
Sammler, in den Produktionsprozess von Kunstwerken und die Entstehung und
Lancierung von Kunstrichtungen, wie etwa der Konzeptkunst, die man als Reaktion
der Kunst auf ihre eigene Vermarktung verstehen kann, als eine Kunstrichtung,
deren wesentliches Programm nicht zuletzt darin besteht, sich ihrer Vermarktung
zu entziehen. Gerade für die Kunstentwicklung nach 1945 besitzt das ZADIK
Quellen, die (in dieser Konzentration) in keiner anderen Institution vorhanden
sind, darunter sehr viele Briefe von Künstlern, zum Teil mit Zeichnungen,
Projektskizzen, Skizzen für den Ausstellungsaufbau oder für Installationen in
der Galerie. Aus der Happening- und Fluxus-Zeit gibt es viele
Künstlerkorrespondenzen, Happening-Partituren, Fotos und andere Dokumente, aus
denen sich Aktionen und andere ephemere Kunstwerke rekonstruieren lassen, die
sich überwiegend in den Galerien selbst abgespielt haben.
<5> Im ZADIK recherchiert man, wenn man als Restaurator wissen will, welchen Autolack Anthony
Caro für seine Plastiken benutzt hat, hier findet man Baupläne für Arbeiten
von Donald Judd, die Entwürfe für Max Ernsts von der Galerie Der Spiegel
edierte Histoire naturelle und die gesamte damit verbundene
Korrespondenz, Baupläne für die Multiples der Edition MAT, die
komplette Geschäftskorrespondenz für die Beuys-Aktion 7000 Eichen, die vollständige Dokumentation der Gründungs- und
Entwicklungsgeschichte der weltweit ersten Messe für moderne Kunst, Kunstmarkt
Köln 1967, oder etwa - noch dreißig Jahre gesperrt - die Prozessakten
der von der Art Cologne ausgeschlossenen Galerien.
<6> Alle digitalen Projekte des ZADIK haben
zum Ziel, die Institution und ihre Bestände bekannt und möglichst leicht
nutzbar zu machen.
Begonnen werden soll mit dem online-setzen der Bestandslisten
und der Findbücher der einzelnen Bestände. Je nach Zugangsregelung und nach Relevanz sollen Dokumente in
digitalisierter Form als Fotos einsehbar sein. Eine komplette Digitalisierung
erscheint - unabhängig von den jeweiligen Zugangsbeschränkungen - derzeit
unwirtschaftlich und auch nicht sinnvoll.
<7> Sinnvoll und dringend ist jedoch die
digitale Erschließung und online-Veröffentlichung der Fotosammlung. Die
Fotosammlung des ZADIK ist, da noch unveröffentlicht, nur wenigen Fachleuten
bekannt. Dabei wäre sie eine Fundgrube für Kunst-, Kultur- und Zeithistoriker
und Journalisten. Die Fotosammlung umfasst zur Zeit mehr als 300.000 Fotos.
Davon sollen nur jene digitalisiert werden, die Künstler bei der Arbeit und in
anderen Zusammenhängen porträtieren oder Ausstellungen, Vernissagen,
Installationen, Happenings, Performances oder sonstige Kunstereignisse
dokumentieren.
<8>
Gerade die Zeit der sechziger und siebziger Jahre, in
der sich - etwa in den Bewegungen von Happening und Fluxus - die entscheidenden
künstlerischen Entwicklungsschritte in den zahlreichen neu entstandenen (zum
Teil non-profit arbeitenden) Galerien ereigneten, ist in besonders reichem Maße
vertreten. In diesem Bereich ist auch, bedingt durch den zur Zeit erfolgenden
Generationswechsel, in den kommenden Jahren mit großen Zuwächsen zu rechnen.
Zunächst sollen ca. 5000 Fotos digitalisiert und ins Internet gesetzt werden,
wobei die digitale Verwaltung, Präsentation, Zugangs- und
Veröffentlichungsregelung an den Beispielen bereits existierender
Bilddatenbanken orientiert werden soll. Die digitale Erschließung des
Fotobestandes ist auch deshalb besonders dringend, weil die Benennung der
fotografierten Personen und Ereignisse nur durch Zeitzeugen erfolgen kann, die
allmählich "wegsterben".
<9> Neben diesen dringendsten Projekten
verfolgt das ZADIK weitere digitale Vorhaben, wie etwa, gemeinsam mit dem
sachverwandten Archiv für moderne Kunst Nürnberg, die Einrichtung einer
Nationalen Künstlerdatenbank, in welcher sämtliche Dokumente aus den
Beständen des Archivs für moderne Kunst Nürnberg und dem ZADIK, die sich auf
dem Gebiet der Künstlerdokumentation (jenseits der bloßen bibliothekarischen
Dokumentation) vorzüglich ergänzen, aufgelistet und, wenn möglich, online
einsehbar gemacht werden sollen.
<10> Die tägliche Archivarbeit im ZADIK mit den meist papierenen
Dokumenten schärft den Blick für die archivarischen Probleme, die sich aus der
derzeitigen medialen Revolution ergeben. Große Teile der Geschäfts- und
Künstlerkorrespondenz erfolgen heute übers Internet. Vorbei sind die Zeiten,
in denen Max Ernst noch kleine Zeichnungen auf seine Briefe malte,
ganz zu schweigen von den kalligraphischen Explosionen auf dicken
Büttenpapieren von Georges Mathieu - aber demnächst werden die Künstler,
wenn sie die neuen Medien besser beherrschen, vielleicht kleine Bilddateien
anhängen oder kleine digitale Kunstscherze erfinden.
<11>
Einstweilen aber gehen
digitale Korrespondenzen ebenso verloren wie die per E-Mail verschickten
Ausstellungseinladungen oder die Homepages der Galerien, die an die Stelle der
früheren konventionellen Öffentlichkeitsarbeit auf Papier getreten sind. Aus
den Gesprächen mit den Galeristen ergibt sich, dass kaum jemand daran denkt,
diese digitalen Dokumente zu archivieren. Hier bemüht sich das ZADIK, ein
Bewusstsein für die Notwendigkeit der Archivierung auch der digitalen
Geschäftsdokumente zu entwickeln und entwickelt zur Zeit ein Projekt zur
zentralen digitalen Archivierung der Homepages der Galerien und Auktionshäuser
und zur zentralen digitalen Archivierung der Online-Auktionskataloge.
<12> Die Findbücher der einzelnen Bestände sind folgendermaßen aufgebaut:
· |
Kurzer Überblick über den Bestand: Titel, Bestandsnummer, Herkunft, Umfang, Standort |
· |
Verwaltungsinformationen: Erschließungsgeschichte, Zugangsbeschränkungen, Veröffentlichungsrechte, Verbindliche Zitierweise |
· |
Geschichte/Biographie der einliefernden Institution oder Person |
· |
Ausführlicher Überblick über den Inhalt des Bestandes nach
der Systematik des Zentralarchivs:
I |
Einladungen (eigene), Veranstaltungs-Infos |
II |
Kataloge, Publikationen (eigene) |
III |
Plakate (eigene), Werbeträger |
IV |
Geschäftsakten bzw. Korrespondenz (einschließlich Messen) |
V |
Künstlerkorrespondenz (auch Privatkorrespondenz) |
VI |
Geschäftsakten mit nichtspezifischen Institutionen (Verbände, Räte, Städte etc.) |
VII |
Gästebücher, Terminkalender, Journale (auch Adressbücher und Adresskarteien) |
VIII |
Materialsammlung zu Künstlern und Veranstaltungen der Galerie (Ankündigungen, Infos, Werkmappen, auch Preislisten etc.) |
IX |
Manuskripte, Reden, Entwürfe, eigene Artikel, Rundbriefe (auch Korrekturbögen, Andrucke) |
X |
Fotos, einzelne (Eröffnungsfotos, Installationsfotos, Ektas etc.) |
XI |
Videos, Filme, Tonbänder, Disketten, Schallplatten,
CDs |
XII |
Druckvorlagen (Klischees, Druckstöcke) |
XIII |
Chronologien, Presse, sonstige Kritiken, kleine Kataloge, Broschüren |
XIV |
Handbibliothek (auch Kataloge anderer) |
XV |
Handbibliothek (auch Kataloge anderer) |
XVI |
Einladungen und Postkarten anderer Institutionen |
XVII |
Materialsammlungen zu Themen, Galerien, Ausstellungen, Orten, Sachverhalten |
XVIII |
Kassenbücher, Buchführung (einzeln), Bilanzen, Kontoauszüge, Steuerliches, Juris |
XIX |
Inventarbücher, Sammlerlisten, -karteien,
Außenstände, Preislisten, Provenienzlisten |
XX |
Sonstiges |
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