Dorothea Merkel
Memories of Slavery - Trauma and Representation in
European and African art and visual culture 17th - 21st century
Die Datenbank untersucht die bildliche Aufarbeitung der
Geschichte und Nachgeschichte des transatlantischen Sklavenhandels in der
europäischen und westafrikanischen Kunst und die auffällige Aktualität des
Themas in der internationalen Gegenwartskunst.
Bilder der Sklaverei in der europäischen Kunstgeschichte vom 17. zum 19. Jahrhundert
<1>
Hautfarbe und Inkarnat
Der malereigeschichtliche Terminus Inkarnat definiert seit
der Renaissance Haut als farbige Oberfläche, Hülle und Grenze des Körpers.[1]
Koloristisch orientierte Maler (wie Tizian, Veronese, Rubens oder Reynolds)
drücken mittels der Hautfarbe sexuelle und ethnische Differenz aus.
Stellvertretend sind hier die Figuren des infantilen Mohrenpagen in der Bildnis-
und der schwarzen Dienerin in der Historienmalerei zu nennen. Untersucht werden
soll, wie Hautfarbe im Kontext eines expandierenden Sklavenhandels gedeutet wird
und welche Rolle dabei die medizinisch-ästhetischen Diskussionen um den
"Rassebegriff" spielen.
Abolition und Emanzipation
<2> Die Bildpublizistik gegen die Sklaverei zwischen 1760 und
1848 stellt im Emblem der Abolitionisten ("Am I not a man and brother?")
den Schwarzen als Objekt der patriarchalen Fürsorge dar. Untersucht werden soll
weiterhin die quantitativ kleine, aber bedeutende Gruppe von Gemälden und
Graphiken der Bildnisse emanzipierter SklavInnen. Diese changieren zwischen den
Extremen einer totalen Anpassung an Europa und der Projektion europäischer
Phantasmen über Afrikanität auf den porträtierten Körper.[2]
Nach der Abolition: verleugnete Erinnerung in der Kunst/
Visuellen Kultur der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
<3> Denkmäler, Gedenk-Medaillen, Schmuckblätter, Historien-
und Genregemälde feiern das Verbot der Sklaverei als Triumph der westlichen
Zivilisationen und als nationale Kulturleistung, ohne die Leiden der SklavInnen
und die Grausamkeit der Sklavenhalter darzustellen. Dies weist darauf hin, dass
die soziale Praxis der Sklaverei nicht in ein positives, historisches
Selbstverständnis integriert werden konnte. Diese Leerstelle soll verdeutlicht
und Ausnahmen wie William Turners Gemälde "Slaveship" aus dem Jahr
1840 auf die "Undarstellbarkeit des Phänomens Sklaverei" hin
untersucht werden.[3]
<4>
Orte der Erinnerung
Das Projekt greift hier Theorien über das kulturelle
Gedächtnis auf, das durch "lieu de memoires" gebildet wird. Zunächst
soll ein Katalog der Orte aufgestellt werden, an denen auf unterschiedlichen
lokalen, nationalen und internationalen Ebenen Erinnerung praktiziert wird. In
einem zweiten Schritt soll die Inszenierung dieser Erinnerung (durch
Architektur, Denkmäler, Skulpturen oder museale Präsentation) untersucht
werden. Erinnerung an die Sklaverei ist in Westafrika an die berühmten
"Sklavenburgen" und Hafenstädte der "Sklavenküste"
gebunden, die seit den siebziger Jahren sukzessive in das world heritage-Programm der UNESCO aufgenommen werden.
<5>
SklavInnen als Künstler
Der Grundgedanke dieses Schwerpunktes ist es, SklavInnen als
Produzenten ihrer eigenen Kunst zu dokumentierten. Künstlerische Kreativität
und Autorschaft galt seit Vasaris Viten als männliches, europäisches Privileg
und Ausdruck von Autonomie und Freiheit. Die Forschungen von Adandé zur
Hofkunst von Dahomey haben jedoch gezeigt, dass die hoch entwickelte
Textilkunst, Lehmreliefs und Metallskulpturen von Sklaven hergestellt wurden.[4]
<6> Internationale Gegenwartskunst und lokale Produktion
Seit Mitte der achtziger Jahre setzen sich afroamerikanische,
afrobritische und afrikanische KünstlerInnen (beispielsweise Georges Adéagbo,
Romuald Hazoumé, Kara Walker...) auf dem internationalen Kunstmarkt mit der
Erinnerung an die Geschichte der Sklaverei auseinander. Die Arbeiten stellen
Fragen wie: Wer kontrolliert das kollektive Bildgedächtnis? Wie kann die von
Sexismus, Rassismus und Kolonialismus geprägte Ikonographie der Sklaverei
postkolonial gedeutet werden? Welche Rollen spielen die Institutionen des
Museums und des Kunstbetriebes?
<7> Ebenso sollen auch KünstlerInnen und KunsthandwerkerInnen,
die keinen Zugang zum internationalen Markt haben, sich jedoch in Benin dem
Tabu-Thema Sklaverei widmen, untersucht werden. Diese Arbeiten richten sich an
ein lokales Publikum und an Touristen (Airportart). Es geht darum, einen Bereich
zu skizzieren, der den globalen Anspruch der West-Kunst in Frage stellt und die
fließenden Übergänge zwischen Populär- und Galeriekunst thematisiert.
<8> Die Datenbank Memories of Slavery arbeitet mit dem Programm
WIRE (Word & Image Retrieval Environment), das in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum
für elektronische Erschließung und Publikationsverfahren in den
Geisteswissenschaften der Universität Trier von Dr. Martin Raspe (Fachbereich
Kunstgeschichte) entwickelt wurde. Es handelt sich um ein Datenbanksystem zur
wissenschaftlichen Materialsammlung in den Bildwissenschaften. WIRE dient der
integrierten Erfassung, Erschließung und Bearbeitung. Einfache Bedienung, eine
mehrsprachige Benutzeroberfläche sowie Standard- und Open-Source-Software
(Microsoft Word, MySQL, Perl, Netscape) waren die Leitlinien für die Konzeption
des Systems. Die Eingabe des Materials erfolgt über eine spezielle
Dokumentvorlage mit Makros in Microsoft Word; die Erschließung über
beschreibende und analysierende Texte sowie über hierarchisch strukturierte
Schlagwörter-Tabellen (Thesauri). Für die nähere Zukunft ist eine neue,
stabilere Version auf Basis des integrierten Internet-Informationssystems ZOPE
geplant.
Mittlerweile wird WIRE an mehreren Lehrstühlen im Fach
Kunstgeschichte der Universität Trier verwendet (siehe http://ntskg01.uni-trier.de).
<9> Die Datenbanken sind via Internet zugänglich und eignen sich
daher gut zur Präsentation auch außerhalb der Universität Trier. WIRE bietet
gegenüber der herkömmlichen Bild- und Textsammlung durch Zettelkästen und
ähnliche Aufbewahrungs- und Verwaltungssysteme mehrere Vorteile: über die
unterschiedlichen Schlagwortkategorien ist nicht nur eine gezielte Ordnung
möglich, es lassen sich zudem durch die Verlinkung mit gleichen Schlagwörtern
inhaltliche oder formale Zusammenhänge optisch deutlich machen. Eine gezielte
Suche innerhalb des Materials ist dadurch nicht nur nach Basisdaten wie
Künstlerzuschreibungen oder ikonographischen Motiven, sondern auch nach
interpretatorischen Gesichtspunkten möglich.
<10> Speziell für unser interdisziplinär und interkulturell
angelegtes Projekt ist der Einsatz einer Datenbank von großem Vorteil: über
das Medium Internet ist die Vernetzung lokal sehr weit auseinander liegender
Forschungsinstitutionen und Länder wie Deutschland-Afrika-Canada leichter
möglich. Die Datenbank soll als Kommunikationsmedium dienen, das allen
Beteiligten Einblick in das durch die Projektpartner gesammelte Material bieten
kann. Die Interpretation der besprochenen Kunstwerke kann dann in einem Forum
direkt kommentiert, kritisiert oder erweitert werden. Ein weiterer Vorteil liegt
darin, dass ansonsten schwer zugängliches Material einem breiteren
Interessentenkreis einsehbar wird: ein solches Beispiel stellen die Kunstobjekte
des Hofes von Dahomey/Benin dar, die in Europa kaum bekannt sind. Die
mehrsprachige Benutzeroberfläche trägt der Internationalität des Projektes
Rechnung: eine gezielte Suche ist bis jetzt auf Deutsch und Englisch möglich,
aber auf beliebige andere Sprachen erweiterbar.
Im jetzigen Stadium ist die Datenbank zwar via Netz erreichbar, wird jedoch
primär universitätsintern benutzt. Mit zunehmender Ausweitung sind
statistische Erhebungen über das Benutzerprofil vorgesehen.
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