Alice Keller |
Elektronische Zeitschriften: Entwicklungen in
den verschiedenen Wissenschaftszweigen
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Abstract |
Die elektronischen Zeitschriften
haben sich mittlerweile in allen Fachgebieten durchgesetzt und genießen
dank ihrer hohen Benutzerfreundlichkeit eine breite Akzeptanz. Ein
Überblick über die Entwicklungsgeschichte der elektronischen
Zeitschrift zeigt allerdings, dass sich das neue Medium nicht in allen
Fachgebieten gleichermaßen schnell und einfach etablieren konnte.
Nach einer inhaltlichen Analyse der wichtigsten Pionierprojekte der
80er Jahre befasst sich der Aufsatz vor allem mit den Trends des letzten
Jahrzehnts. Alle Untersuchungen unterscheiden zwischen den Entwicklungen
im Bereich der digitalen Parallelausgaben und der reinen Online-Zeitschriften.
Ebenfalls berücksichtigt werden retrospektiv digitalisierte Zeitschriften,
die während der letzten acht Jahre stark an Bedeutung zugenommen
haben. Eine Diskussion des Stellenwertes reiner Online-Zeitschriften
rundet den Aufsatz ab. |
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Website des 'Journal des Scavans' |
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Historische Entwicklung der wissenschaftlichen
Fachzeitschriften |
<1>
Die Anfänge des Zeitschriftenwesens gehen ins 17. Jahrhundert
zurück und sind in der Literatur sehr umfassend beschrieben [1].
Die Zeitschriften der Frühzeit können als allgemeinwissenschaftliche
Organe charakterisiert werden, die Aufsätze und Fortschrittsberichte
aus allen Zweigen der Wissenschaften veröffentlichten. Die ersten
wissenschaftlichen ‘Fachzeitschriften’ hingegen entstanden
erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Die zunehmende Auffächerung der Wissenschaften in Disziplinen,
die steigende Professionalisierung sowie die Gründung von Fachgesellschaften
und –institutionen begünstigten die Gründung von Fachblättern
anstelle von umfassenden allgemeinwissenschaftlichen Zeitschriften.
Zu den ersten fachlich spezialisierten, heute noch laufenden Zeitschriften
gehören beispielsweise die ‘Annales de chimie’ (gegründet
Paris 1798). |
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Website der 'Annales de chimie' |
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<2>
Gemäß Jean-Claude Guédon galt die Gründung
einer eigenen Zeitschrift als beste Basis für die Demonstration
der Selbständigkeit einer neuen Disziplin [2].
Mit der Herausgabe eines eigenen Fachorgans gelang es den neu sich
formierenden Fachgesellschaften und Berufsgruppen, eine ‘permanent
voice’ zu finden. Bis heute trägt die Zeitschrift als Publikationsform
maßgeblich zur ‘Emanzipation’ neuer Disziplinen
oder Subdisziplinen bei. Dieser Aufsatz beschäftigt sich allerdings
nicht mit der Gründungsgeschichte von Print-Zeitschriften, sondern
vielmehr mit der Frage, welchen Stellenwert die elektronische Zeitschrift
in den einzelnen Wissenschaftszweigen einnimmt. |
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Inhaltliche Analyse der elektronischen
Pionierzeitschriften |
<3>
Die ersten elektronischen Zeitschriften stammen aus den frühen
80er Jahren. Generell gilt der US-amerikanische Titel ‘Mental
Workload’ als erste funktionsfähige elektronische Zeitschrift
(gegründet 1980). Die Publikation war Teil des Projektes Electronic
Information Exchange System (EIES) und befasste sich inhaltlich mit
der Analyse der Interaktion zwischen Mensch und Maschine bei der Bedienung
komplexer Systeme [3]. Das Erscheinen dieser experimentellen
Zeitschrift wurde nach Veröffentlichung zweier Aufsätze
eingestellt.
Auch der Inhalt der weltweit zweiten elektronischen Zeitschrift im
Jahre 1982 war der Beziehung Mensch-Maschine gewidmet: die Publikation
‘Computer Human Factors’ entstand im Rahmen des britischen
Projektes BLEND (Birmingham and Loughborough Electronic Network Development)
[4]. |
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<4>
Die Entwicklungsgeschichte der elektronischen Zeitschrift zeigt, dass
während dieser Pionierphase vor allem organisatorische, technische
und administrative Probleme den reibungslosen Ablauf des elektronischen
Publizierens behinderten. Allgemein fehlte es an leistungsfähigen
und robusten Telekommunikationssystemen, an benutzungsfreundlicher
Anwendungssoftware und an qualitativ zufriedenstellenden Bildschirmgeräten.
Die Akzeptanz bei Autoren und Lesern war entsprechend schlecht. Von
Anfang an war somit klar, dass das neue Medium nur erfolgreich sein
würde, wenn das Verhältnis von Mensch zu Maschine optimiert
werden könnte [5]. |
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<5>
Auf Grund dieser Erkenntnis befasste sich das nächste britische
Projekt QUARTET (als Nachfolgeprogramm von BLEND, mit einer Laufzeit
von 1986-1989) intensiv mit den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten
moderner Informationstechnologien wie E-Mail, Computerkonferenzen,
Online-Datenbanken, elektronisches Publizieren und automatisierte
Dokumentenlieferung. Resultat dieses Projektes war unter anderem das
Produkt ‘HyperBIT’, eine digitale Version der gedruckten
Zeitschrift ‘Behaviour and Information Technology’. |
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<6>
Betrachtet man diese Pionierzeitschriften als Ganzes, so fällt
der enge Bezug zwischen Zeitschrifteninhalt und Forschungsgegenstand
auf. Die ersten elektronischen Zeitschriften befassten sich inhaltlich
intensiv mit der Schnittstelle Mensch-Maschine und galten gleichzeitig
als Experimente zur Untersuchung dieser Relation. Diese Zeitschriften
können sozusagen als ‘Selbstversuche’ angesehen werden
– der Barbier, der sich die Haare selber schneidet. Dieser enge
Zusammenhang zwischen Inhalt und Forschungsobjekt überrascht
eigentlich nicht wirklich. Zudem muss man bedenken, dass die erforderliche
technische Infrastruktur (nämlich Computer / Netzanschluss) zu
dieser Zeit keineswegs an allen Arbeitsplätzen zur Verfügung
stand. So hatten diejenigen Zeitschriften am ehesten Chance, überhaupt
beachtet zu werden, deren potenzielle Leser sich bereits intensiv
mit den neuen Technologien auseinander setzten. |
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<7>
Wie weiter unten gezeigt wird, behandelten auch viele elektronische
Zeitschriften der frühen 90er Jahre inhaltlich die Beziehung
Mensch-Maschine. Vor der Diskussion dieser Phase drängt sich
jedoch eine Betrachtung der Entwicklungen der späteren 80er Jahre
auf. Hier entdeckt man einen zweiten Entwicklungsstrang, der außerhalb
der universitären Forschungslabore verläuft und von den
Zeitschriftenverlegern initiiert und angetrieben wurde. |
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Erstes Aufkommen von elektronischen
Parallelausgaben |
<8>
Die Entwicklungen im Bereich des elektronischen Publizierens wurden
von Anfang an von den wissenschaftlichen Verlagen beobachtet und verfolgt.
Dies zeigt sich an den frühen Aktivitäten einzelner kommerzieller
und nichtkommerzieller Verlage. Im Gegensatz zu den Versuchen im Forschungslabor
waren die Verlage weniger daran interessiert, neue Titel zu gründen,
als vielmehr vorhandene Zeitschriften über neue Kanäle anzubieten.
Um dieses Ziel zu erreichen, suchten einzelne Verlage Partnerschaften
mit kommerziellen Datenbankanbietern. Letztere verfügten über
wertvolle Erfahrungen im Bereich der elektronischen Datenspeicherung,
-verwaltung und -übermittlung und setzten mit Erfolg komplexe
Suchsysteme ein. |
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<9>
Diese neuen Partnerschaften zwischen Verlegern und Datenbankanbietern
führten dazu, dass in erster Linie Zeitschriften, die bereits
in großen Datenbanken erschlossen waren, über das neue
Medium angeboten wurden. Gleichzeitig galt es einen Leserkreis zu
finden, der Zugang hatte zu leistungsfähigen Rechnern und geübt
war im Umgang mit Datenbankrecherchen. |
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<10>
Die ersten Zeitschriften, die als Volltexte über Datenbankanbieter
zur Verfügung standen, stammten von den Verlagshäusern Elsevier
Science und American Chemical Society (alle frei geschaltet 1983).
Es waren digitale Parallelausgaben zu medizinischen, biomedizinischen
und chemischen Zeitschriften.
Eine ähnliche Stoßrichtung verfolgte das Projekt ADONIS,
das an Stelle von Online-Datenbanken die neue Technologie der CD-ROM
einsetzte. Das vom Verlag Elsevier initiierte Projekt wollte Verlegern
die Möglichkeit geben, einzelne Artikel gegen Gebühr in
Form von ‘controlled electrocopies’ interessierten Endnutzern
zur Verfügung zu stellen. Hierzu wurden die Inhalte einer beachtlichen
Anzahl von biomedizinischen Zeitschriften vollständig gescannt
und auf CD-ROM an Bibliotheken geliefert, die ihrerseits bei Bedarf
Artikel einzeln ausdrucken konnten [6]. |
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<11>
Aufgrund der fachlichen Ausrichtung des Titelspektrums, der eingesetzten
Technologien sowie der Preismodelle kann man bei allen in diesem Abschnitt
beschriebenen Projekten davon ausgehen, dass die chemische oder pharmazeutische
Industrie zu den Hauptkunden gehörte. Die digitalen Parallelausgaben
sollten diesen Kunden ermöglichen, schnell und einfach auf Zeitschriftenaufsätze
zuzugreifen, die für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit benötigt
wurden. Für Hochschulbibliotheken waren diese Modelle wenig geeignet,
da die traditionelle Archiv- und Sammelfunktion einer Bibliothek nicht
unterstützt wurde. |
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Entwicklungen der frühen
90er Jahre |
<12>
Obwohl bis Ende der 80er Jahre wichtige Meilensteine bei der Entwicklung
und Akzeptanz von elektronischen Zeitschriften erreicht waren, konnte
man bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einem eigentlichen Durchbruch
sprechen. Diese Ausgangssituation änderte sich grundlegend in
den frühen 90er Jahren, als das Potenzial der wissenschaftlichen
Netzwerke, insbesondere des Internets, für die Verbreitung von
elektronischen Publikationen erkannt wurde.
Bereits zu dieser Zeit beobachtete Ann Okerson zwei Entwicklungsströmungen,
die unterschiedliche Ziele verfolgten: (a) das Aufkommen der elektronischen
Parallelausgabe zur gedruckten Zeitschrift und (b) die Neugründung
von ausschließlich elektronischen Publikationen mit erweiterten
Funktionalitäten [7]. |
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<13>
Zur Beschreibung der Entwicklungen ab 1991 kann auf das erstmals im
Jahr 1991 erschienene Verzeichnis ‘Directory of Electronic Journals,
Newsletters and Academic Discussion Lists’ der US-amerikanischen
Association of Research Libraries (ARL) zurückgegriffen werden.
Dieses umfassende Verzeichnis lieferte von Anfang an wichtiges Datenmaterial
für Studien zu Titelwachstum und Entwicklungstendenzen elektronischer
Publikationsformen. |
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Website der 'Association of
Research Libraries' |
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<14>
Bei der im Jahr 1990 von der ARL und den North Carolina State University
Libraries einberufenen Gründungsveranstaltung zum ‘Directory’
waren acht elektronische Zeitschriften vertreten [8].
(Herausgeber von digitalen Parallelpublikationen waren nicht eingeladen).
Die meisten E-Journals galten als universitäre Forschungsprojekte
und ließen sich inhaltlich den Geistes- und Sozialwissenschaften
zuordnen. Dru Mogge geht davon aus, dass die beschränkten Möglichkeiten
bei der Volltextwiedergabe am Bildschirm (das heißt nur ASCII-Text,
keine Abbildungen) dazu führten, dass vorerst kaum naturwissenschaftliche
oder technische Fachjournale über diesen neuen Publikationskanal
angeboten wurden. |
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<15>
Ein Blick in die dritte Auflage des ‘Directory’ aus dem
Jahr 1993 zeigt 45 elektronische Zeitschriften [9].
Das Fächerspektrum hat sich ausgeweitet und reicht nun von der
Astronomie bis hin zum Tourismus. Auffallend ist jedoch die Häufung
der Zeitschriften in den Fachgebieten Pädagogik (10 Titel) und
Informationswissenschaften (7 Titel). Der thematische Schwerpunkt
bei den pädagogischen Zeitschriften liegt im Bereich des computerunterstützten
Lernens. Die informationswissenschaftlichen Titel befassen sich vornehmlich
mit dem Themengebiet elektronisches Publizieren bzw. Einsatz von neuen
Medien in Bibliotheken. Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass
die Hochschullehrer und Bibliothekare sich zu diesem Zeitpunkt recht
intensiv mit dem neuen Medium auseinander zu setzen begannen. |
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<16>
Dieser fachliche Schwerpunkt bekräftigt auch die Beobachtungen
aus den 80er Jahren. Weiterhin gehörte die Schnittstelle zwischen
Mensch und Maschine im engeren oder weiteren Sinn zum wichtigsten
inhaltlichen Thema der frühen elektronischen Zeitschriften. Bei
den Arbeiten der 90er Jahre stehen allerdings nicht mehr die technischen
Abklärungen zur Machbarkeit im Vordergrund, sondern vielmehr
die durch die neuen Technologien ausgelösten Veränderungen
in den gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Kommunikationsprozessen.
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<17>
Dieser thematische Schwerpunkt gilt übrigens auch für eine
der ersten Web-basierten Zeitschriften des deutschsprachigen Raums.
Die von der Universität Konstanz bzw. vom Hochschulverband für
Informationswissenschaft herausgegebene, englischsprachige Zeitschrift
‘Review of Information Science (RIS)’ [10]
bezeichnete sich selbst als interdisziplinäres Publikationsforum
zur Erforschung der Veränderungen in der wissenschaftlichen Kommunikation
[11].
Die fünfte Auflage des ‘Directory’ aus dem Jahr 1995
zeigt übrigens die steigende Verbreitung und Bedeutung des Internet-Zugangs
außerhalb des universitären Bereiches. Auffallend ist die
starke Zunahme der ‘zines’ und ‘ezines’, die
in ihrer Eigenschaft als nicht-wissenschaftliche Magazine ein sehr
breites Interessensspektrum abdeckten [12]. |
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Website der 'Review of Information
Science' |
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Fortschritte ab Mitte der 90er
Jahre |
<18>
Die Entwicklungen ab Mitte der 90er Jahre werden durch das Aufkommen
des weltweiten Netzes World Wide Web dominiert. Obwohl verschiedene
WWW-Anwendungen bereits im Jahr 1994 verbreitet waren, dauerte es
noch weitere zwei Jahre, bis die ‘Web-Phase’ für
elektronische Zeitschriften wirklich einsetzte und diese in großer
Zahl auf das neue Medium übertragen wurden.
Parallel zur Entwicklung des Webs als idealer Internetdienst für
elektronische Publikationen konnte sich auch das Datenformat PDF als
hervorragendes Präsentationsformat durchsetzen. Während
der Jahre 1996/1997 gelang es einigen bedeutenden Verlagen, eine beachtliche
Zahl an Zeitschriften im PDF-Format über das Internet zur Verfügung
zu stellen [13]. Obwohl die ersten digitalen Parallelausgaben
bereits in den 80er Jahren lanciert worden waren (vergleiche oben
die Abschnitte <8> bis <11>), setzte
der Siegeszug dieser Doppelgänger erst jetzt wirklich ein! |
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<19>
Ein Blick auf die Liste der Verlage, die zu den frühen Anbietern
von digitalen Parallelausgaben gehörten, zeigt die starke Präsenz
der großen STM-Verlage [14]. Es handelt sich
vorwiegend um finanzstarke, kommerzielle Verlage, die in der Lage
waren, innerhalb kurzer Zeit die notwendigen Investitionen zu tätigen
und den Wechsel auf das neue Medium voranzutreiben. Die starke Zersplitterung
des Zeitschriftenwesens in den Geistes- und Sozialwissenschaften auf
eine Vielzahl Klein- und Kleinstverlage begünstigte den Wandel
hin zur neuen, elektronischen Erscheinungsform natürlich nicht.
Dieser Unterschied wird im nächsten Abschnitt noch im Detail
analysiert.
Währenddem die Fortschritte bis Mitte der 90er Jahre sehr gut
durch das ‘Directory of Electronic Journals, Newsletters and
Academic Discussion Lists’ dokumentiert sind, bietet die Elektronische
Zeitschriftenbibliothek eine ausgezeichnete Datenbasis zur Untersuchung
späterer Entwicklungsphasen [15]. |
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Fachliche Analyse aufgrund
der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) |
<20>
Die von der Universitätsbibliothek Regensburg entwickelte Elektronische
Zeitschriftenbibliothek (EZB) gilt als bedeutendstes Verzeichnis von
E-Journals im deutschsprachigen Raum [16]. Dieser
Internetdienst beinhaltet im Wesentlichen ein umfassendes und aktuelles
Titelverzeichnis, das Bibliothekaren und Benutzern den schnellen und
einfachen Zugang zur gewünschten Zeitschrift ermöglicht.
Nachgewiesen sind sowohl kostenlose als auch kostenpflichtige wissenschaftliche
Zeitschriften, deren Artikel im Volltext im Internet zur Verfügung
stehen. Die Titel werden im WWW in alphabetischer und fachlicher Gliederung
angeboten. Diese sachliche Gliederung in 41 Sachgruppen lässt
eine sehr detaillierte Betrachtung der Entwicklung der elektronischen
Zeitschrift in den verschiedenen Fachgebieten zu. |
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Website der 'Elektronischen
Zeitschriftenbibliothek' |
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<21>
Bereits im Jahr 1998 stellte die Universität Regensburg eine
zahlenmäßige Dominanz der Zeitschriften in den STM-Fachgebieten
fest. Dennoch war Evelinde Hutzler erfreut, dass es eine “nicht
unerhebliche Anzahl von E-Journals in den geistes- und sozialwissenschaftlichen
Fächern” gab [17].
Von Anfang an berücksichtigte die EZB sowohl reine Online-Zeitschriften
als auch digitale Parallelausgaben. Auffallend ist der hohe Anteil
an digitalen Doppelgängern: im Jahr 1998 waren es 79,9%; im Frühjahr
2003 sogar 88,1%. Im Folgenden soll die Entwicklung dieser zwei Kategorien
sowohl gemeinsam als auch einzeln betrachtet werden. |
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<22>
Um die Entwicklungen in den verschiedenen Disziplinen zu analysieren,
werden die 41 Sachgruppen in fünf übergeordnete Fachgebiete
[18] eingeteilt:
- Allgemeines
- Geisteswissenschaften
- Medizin
- Naturwissenschaften und Technik
- Sozialwissenschaften |
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1. Fachliche Analyse des Gesamtangebotes
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<23>
Abbildung 1 zeigt den zahlenmäßigen Anstieg der Zeitschriftentitel
in allen Fachgebieten aufgrund der Eintragungen in der EZB (Zeitspanne
1998 bis 2003) [19]. |
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Abb. 1: Zahlenmäßige
Entwicklung der elektronischen Zeitschriften (total)
in den fünf Fachgebieten (Quelle EZB) |
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<24>
Alle Fachgebiete weisen seit den letzten sechs Jahren ein lineares
Wachstumsverhalten auf. Eine Ausnahme bildet das Fachgebiet ‘Allgemein’,
das jedoch nur sehr wenige Titel umfasst. Allerdings sind die Steigerungsraten
in den verschiedenen Fachgebieten recht unterschiedlich. Das stärkste
Wachstum weisen die Geisteswissenschaften mit 1.700% auf; dem gegenüber
liegt die Steigerungsrate bei den Naturwissenschaften und Technik
‘nur’ bei 850%. Trotzdem bleibt letztere zahlenmäßig
die stärkste Gruppe. |
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<25>
Geht man davon aus, dass es sich bei den allermeisten elektronischen
Zeitschriften um Parallelausgaben zu gedruckten Publikationen handelt,
so zeigt die Wachstumskurve in Abbildung 1 lediglich, dass immer mehr
konventionelle Zeitschriften in elektronischer Form erscheinen! Der
Trend geht sicherlich dahin, dass möglichst viele wissenschaftlich
relevante Zeitschriften während der nächsten Jahre über
das Internet zugänglich gemacht werden. Das heißt, die
Kurven in Abbildung 1 werden voraussichtlich so lange ansteigen, bis
die Zahl der gedruckten Zeitschriften annähernd erreicht ist.
Allerdings wird das Wachstum vermutlich stark verlangsamt, sobald
der Großteil der wissenschaftlich relevanten Titel elektronisch
verfügbar ist. |
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<26>
Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich bei über 80% der
elektronischen Zeitschriften um digitale Parallelausgaben. Diese elektronischen
Zeitschriften weisen nur ein beschränktes Innovationspotenzial
auf, da es sich eigentlich um die Fortsetzung der konventionellen
Zeitschrift in modernem Gewand handelt. Das größere Innovationspotenzial
dürfte eher bei den reinen Online-Zeitschriften zu finden sein.
Deshalb drängt sich eine gesonderte Betrachtung dieser Zeitschriftenformen
auf. |
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2. Fachliche
Analyse der reinen Online-Zeitschriften |
<27>
Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Zahl der reinen Online-Zeitschriften,
die in der EZB nachgewiesen sind – aufgegliedert nach Sachgebiet
[20]. Auffallend ist hier die sehr hohe Zahl an
Zeitschriften der Sozialwissenschaften. Die Naturwissenschaften und
Technik liegen bei dieser Auswertung nur an zweiter Stelle. |
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Abb. 2: Zahlenmäßige
Entwicklung der reinen Online-Zeitschriften
in den fünf Fachgebieten (Quelle EZB) |
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<28>
Obwohl die Zahl der reinen Online-Zeitschriften in allen Fachgebieten
(außer ‘Allgemein’) stark zugenommen hat, ist der
Anteil an ausschließlich online verfügbaren Titeln im Vergleich
zur Gesamtzahl aller E-Journals während der letzten sechs Jahre
in allen Fachgebieten gesunken (Abbildung 3). |
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Abb. 3: Anteil der reinen Online-Zeitschriften
in Vergleich zur Gesamtzahl
der elektronisch verfügbaren Zeitschriften (Quelle EZB) |
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<29>
Es scheint, dass in allen Fachgebieten die reinen Online-Zeitschriften
durch das massive Wachstum an digitalen Parallelpublikationen verdrängt
werden. Dennoch ist der deutliche Unterschied zwischen den STM-Fachgebieten
einerseits (knapp 8%) und den Geisteswissenschaften (knapp 30% reine
Online-Zeitschriften) klar erkenntlich. Die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
bewegen sich in der unteren Mitte (15%).
Dieses Resultat lässt vermuten, dass das Innovationspotenzial,
das heißt die Bereitschaft, sich mit innovativen Publikationsformen
zu befassen, in den Geisteswissenschaften erheblich größer
ist als im STM-Fachbereich. |
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<30>
Die Gründe für diese Diskrepanz dürften komplex und
vielschichtig sein. Auf der einen Seite sind Wissenschaftler in STM-Fächern
nach dem Motto ‘Publish or Perish’ stärker darauf
angewiesen, in renommierten, viel zitierten Zeitschriften zu publizieren.
Das heißt mit anderen Worten, die Bereitschaft in neuen, wenig
bekannten Journalen zu publizieren, ist klein. Auf der anderen Seite
nehmen alternative Publikationsplattformen in den STM-Fachgebieten
eine relativ große Bedeutung ein. Hierzu zählen Preprint
oder E-Print Archive, die nicht als elektronische Zeitschriften gelten,
aber dennoch sehr ähnliche Funktionen wahrnehmen. Die Schiene
der Innovation läuft nach Ansicht der Autorin im naturwissenschaftlich-technischen
Bereich eher über alternative Publikationsformen als über
die Neugründung von reinen Online-Zeitschriften! |
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<31>
Des Weiteren dürfte die starke Marktposition der großen
Zeitschriftenverlage im STM-Bereich mehr oder weniger bewusst verhindern,
dass sehr viel Raum für innovative Zeitschriftenformen bleibt.
Wie die Entwicklungsgeschichte der elektronischen Zeitschrift zeigt,
haben diese Verlage bereits sehr früh versucht, Einfluss auf
die Entwicklungen im Bereich des elektronischen Publizierens zu nehmen.
Dennoch ist es schade, dass gerade in denjenigen Fachgebieten, wo
sich die Zeitschriftenkrise am stärksten manifestiert, die Bereitschaft,
sich mit innovativen Zeitschriftenformen auseinander zu setzen, am
geringsten ist! |
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Retrospektive Digitalisierung |
<32>
Die ‘Halbwertszeit’ von Literatur in den Geistes- und
Sozialwissenschaften ist bedeutend länger als in den naturwissenschaftlich-technischen
Disziplinen [21]. Aufgrund dieser Erkenntnis könnte
man davon ausgehen, dass die Zeitschriften der Geistes- und Sozialwissenschaften
besonders prädestiniert wären für Aktivitäten
im Bereich der retrospektiven Digitalisierung. Analysiert man jedoch
die Titelpakete der großen Digitalisierungsinitiativen im Detail,
stellt man fest, dass auch in diesem Bereich die STM-Fachgebiete dominieren
bzw. bald dominieren werden. |
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<33>
Projekte zur retrospektiven Digitalisierung sind vor allem seit der
Gründung der US-amerikanischen Initiative Journal Storage (JSTOR)
[22] im Jahr 1995 verbreitet. Die Gründer von
JSTOR wollten in ihrem Projekt ein fachliches Schwergewicht auf Zeitschriften
der Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften legen, da diese
Disziplinen bis zu jenem Zeitpunkt in Projekten des elektronischen
Publizierens kaum berücksichtigt worden waren [23].
So bildeten zehn Zeitschriften der Wirtschaftswissenschaften und Geschichte
den Grundstock der Sammlung [24]. Allerdings wurden
bald auch Zeitschriften anderer Fachgebiete integriert. So gehörten
auch verschiedene Fachgesellschaften der Mathematik und Ökologie
als Herausgeber von wichtigen Zeitschriften zu den frühen Partnern
in JSTOR. Heute bietet JSTOR mit sechs Sammlungen und insgesamt 322
Titeln ein sehr umfassendes Titelspektrum mit Zeitschriften aus allen
Wissensgebieten an, die allerdings nicht frei im Netz zugänglich
sind. |
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Website von 'Journal Storage'
(JSTOR) |
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<34>
In Europa sind ebenfalls in verschiedenen Ländern Zeitschriften
digitalisiert worden, allerdings erreichten diese Projekte nie den
Umfang und Bekanntheitsgrad von JSTOR. Zu erwähnen ist hier beispielsweise
die britische Initiative Internet Library of Early Journals, im Rahmen
derer je drei Zeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts digitalisiert
wurden [25].
Im deutschen Sprachraum ist das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft
unterstützte Projekt DigiZeitschriften zu nennen, das mittlerweile
circa 60 wissenschaftliche Fachzeitschriften als Digitalisate umfasst
[26]. Wie in JSTOR ist auch in diesem Projekt ein
fachlicher Schwerpunkt in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu
erkennen. Dieser Schwerpunkt ergibt sich unter anderem aus der Zusammensetzung
der Initiativgruppe, bzw. aus den Sondersammelgebieten der teilnehmenden
Bibliotheken. |
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Website der 'DigiZeitschriften' |
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<35>
Bei den oben genannten Digitalisierungsprojekten handelt es sich um
Initiativen von Non-Profit-Organisationen oder Bibliotheken. Allerdings
blieben diese Aktivitäten nicht lange ausschließlich in
den Händen von nichtkommerziellen Unternehmen oder Einrichtungen.
Einige der großen Datenbankanbieter und kommerziellen Verlage
haben dieses neue Geschäftsfeld sozusagen entdeckt und eigene
Projekte lanciert. Die Datenbank PCI Full Text (Chadwyck-Healey) bietet
beispielsweise Links zu über 230 digitalisierten Zeitschriften
und Elsevier Science möchte bis Ende 2004 sämtliche Verlagszeitschriften
lückenlos ab dem ersten Jahrgang über das Internet anbieten. |
|
<36>
Man kann mit gutem Recht behaupten, dass die Aktivitäten der
retrospektiven Digitalisierung von den Geistes- und Sozialwissenschaften
ausgingen. Allerdings werden diese Sammlungen vom Umfang her mit hoher
Wahrscheinlichkeit bald überrollt sein von den ambitiösen
Programmen der großen, finanzstarken STM-Verlage oder Fachgesellschaften. |
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Exkurs: Bedeutung von reinen Online-Zeitschriften
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<37>
Es wäre ein Versäumnis diesen Aufsatz abzuschließen,
ohne die allgemeine Rolle der reinen Online-Zeitschriften in Wissenschaft
und Forschung zu diskutieren. In den Abschnitten <27>
bis <31> wurden die Zahl
und der Anteil an reinen Online-Zeitschriften als Indikator für
das Innovationspotenzial in den verschiedenen Fachgebieten genutzt
[27]. Allerdings wurde nicht diskutiert, welchen
Stellenwert diese Publikationen heute in der wissenschaftlichen Kommunikation
und Information einnehmen bzw. in Zukunft einnehmen werden. |
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<38>
Reine Online-Zeitschriften sind heute in der Regel weder kosten- noch
lizenzpflichtig: sie sind also im Internet frei zugänglich [28].
Es handelt sich vorwiegend um Zeitschriften, die von Universitäten,
Forschungseinrichtungen oder Fachgesellschaften herausgegeben und
finanziert werden. Viele sind zumindest während ihrer Anfangsphase
Teil eines Projektes. Bei diesen Zeitschriften steht das kommerzielle
Interesse nicht im Vordergrund. |
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Website der 'sehepunkte' |
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<39>
Typisch hierfür sind die reinen Online-Zeitschriften ‘sehepunkte’
und ‘zeitenblicke’
[29], die zum Teil durch DFG-Förderung finanziert
werden und deren Redaktionen einer Universität angegliedert sind.
Wie bei sehr vielen nichtkommerziellen E-Journals dürfte auch
hier die Arbeit auf den Schultern von wenigen engagierten und initiativen
Wissenschaftlern lasten, die diese Aufgaben oftmals auf freiwilliger
Basis neben den eigentlichen Kernaufgaben leisten. Die Frage ist sicher
berechtigt, ob solche Zeitschriften langfristig finanzierbar sind
und somit über Jahre hinaus fortgeführt und archiviert werden
können. Insofern hängt die Bedeutung von reinen Online-Zeitschriften
stark mit ihren zukünftigen Überlebenschancen zusammen.
Kein Autor will in einer Zeitschrift publizieren, die möglicherweise
in fünf bis zehn Jahren nicht mehr greifbar ist. Eine aktuelle
Analyse der Zeitschriftentitel der dritten Auflage (1995) des ‘Directory
of Electronic Journals, Newsletters and Academic Discussion Lists’
zeigt, dass von den 45 nachgewiesenen Titeln 24 noch laufen, 14 abgeschlossen
(aber noch greifbar) und 7 nicht mehr zu eruieren sind. |
|
<40>
Kooperationsprojekte mit (National-)Bibliotheken sind zweifellos ein
sehr sinnvoller Lösungsansatz zur Sicherstellung der langfristigen
Verfügbarkeit bzw. Lesbarkeit von reinen Online-Zeitschriften.
Erfreulicherweise gibt es hinsichtlich der Langzeitarchivierung für
die Zeitschriften ‘sehepunkte’ und ‘zeitenblicke’
Kooperationsmodelle mit der Bayerischen Staatsbibliothek. |
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<41>
Für Wissenschaft und Forschung relevant sind vor allem diejenigen
Zeitschriften, die ein vollständiges Peer-Review durchlaufen,
das heißt Publikationen, deren Beiträge einem anonymen
Begutachtungsverfahren unterzogen werden. Die Delphi-Studie zur Entwicklung
der elektronischen Zeitschriften zeigte, dass trotz aller Veränderungsprozesse
die zentrale Rolle der Zeitschriften bzw. des Peer-Review als Instrument
der Qualitätskontrolle unbestritten ist. [30].
Manche Experten gehen sogar davon aus, dass die Funktion des Peer-Review
in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen wird.
Leider ist kein aktuelles Verzeichnis bekannt, das eine einfache Auswertung
von reinen Online-Zeitschriften nach Peer-Review erlaubt. Eine ältere
Untersuchung zu diesem Thema basiert auf Daten des inzwischen eingestellten
‘Directory of Electronic Journals, Newsletters and Academic
Discussion Lists’. Gemäß den Herausgebern des ‘Directory’
setzen lediglich 20-25% der E-Journals ein traditionelles Begutachtungsverfahren
ein [31]. |
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<42>
In seinem Aufsatz "Seeking Philosophy Journals on the Web"
hat Bob Persing den Stellenwert von reinen Online-Zeitschriften im
Fachgebiet Philosophie untersucht [32]. Als problematisch
beschreibt er die mangelhafte traditionelle Erschließung und
Indexierung von E-only-Journals der Philosophie. Diese Lücke
dürfte für viele reine Online-Zeitschriften aller Fachgebiete
gelten. Solange E-only-Journals nicht vollständig ausgewertet
werden, bleiben sie für viele potenzielle Leser unsichtbar und
damit irrelevant. |
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<43>
Bis heute haben es nur wenige reine Online-Zeitschriften geschafft,
in den großen Fachdatenbanken ausgewertet zu werden. Obwohl
diese Datenbankenanbieter die Aufnahme von reinen Online-Zeitschriften
nicht a priori ausschließen, scheinen nur wenige Titel den strengen
Anforderungen zu genügen |
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<44>
Zu hoffen bleibt, dass der Bekanntheitsgrad der reinen Online-Zeitschriften
durch die intensive Nutzung von Suchmaschinen erhöht wird. Die
Erfahrungen aus der eigenen Bibliothek zeigen nämlich, dass immer
mehr Benutzer zur Informationssuche Suchroboter einsetzen. Die Nutzungsstatistiken
des Dokumentenservers der ETH-Bibliothek zeigen beispielweise, dass
mehr Zugriffe auf Suchanfragen über Suchmaschinen (vor allem
Google) als auf Recherchen in bibliographischen Datenbanken zurückzuführen
sind [33]. Somit dürften gerade frei zugängliche
Online-Zeitschriften, deren Artikel nicht lizenzgeschützt sind,
von der Indexierung durch Suchroboter stark profitieren! |
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Schlussfolgerung |
<45>
Dieser Aufsatz untersuchte die Entwicklung der elektronischen Zeitschriften
in den verschiedenen Fachgebieten. Die Entwicklungstendenzen im Bereich
der digitalen Parallelausgaben und der reinen Online-Zeitschriften
wurden einzeln betrachtet.
Die ersten E-Journals wurden in den universitären Forschungslaboren
gegründet und befassten sich inhaltlich hauptsächlich mit
der Beziehung Mensch-Maschine. Bei den frühen digitalen Parallelausgaben,
bei denen das kommerzielle Interesse der Verleger im Vordergrund stand,
dominierten hingegen die Fachgebiete Chemie, Medizin und Biochemie.
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<46>
Zahlenmäßig führend sind heute die Fachgebiete Science,
Technology & Medicine (STM). Diese Dominanz erstaunt nicht wirklich,
denn die Zeitschrift als Publikationsform genießt in diesen
Disziplinen einen außerordentlich hohen Stellenwert. Bei der
überwiegenden Mehrheit an elektronischen STM-Zeitschriften handelt
es sich um digitale Parallelausgaben zu gedruckten Zeitschriften (92%).
Betrachtet man das inhaltliche Spektrum der reinen Online-Zeitschriften,
so sind hier – in absoluten Zahlen gesehen – die Sozialwissenschaften
führend. Untersucht man jedoch das Verhältnis zwischen reinen
Online-Zeitschriften und digitalen Parallelpublikationen, so bieten
die Geisteswissenschaften die höchste Quote an E-only-Journals.
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<47>
Bei den Aktivitäten im Bereich der retrospektiven Digitalisierung
standen anfangs Zeitschriften der Geistes- und Sozialwissenschaften
bewusst im Vordergrund. Es handelte sich vorwiegend um Projekte aus
Non-Profit-Organisationen oder Bibliotheken. Allerdings werden diese
Projekte zunehmend überrollt von den ambitiösen Programmen
der großen, finanzstarken STM-Verlage oder Fachgesellschaften.
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<48>
Schließlich wurde der Stellenwert der reinen Online-Zeitschriften
untersucht. Diese Zeitschriften sind alle per definitionem sehr jung
und generell schlecht erschlossen. Zudem ist die langfristige Verfügbarkeit
der Inhalte häufig nicht gesichert. Unklar ist leider, welcher
Anteil an E-only-Journals über ein vollständiges Begutachtungsverfahren
und damit eine Qualitätskontrolle verfügt. Diese offenen
Fragen führen dazu, dass diese Zeitschriften häufig nicht
wahrgenommen werden und somit häufig nur eine eingeschränkte
Relevanz für Wissenschaft und Forschung haben. |
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Anmerkungen: |
[1]
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Zur geschichtlichen Entwicklung
der Druckzeitschrift vgl. Heinz-Dietrich Fischer (Hg.): Deutsche
Zeitschriften des 17. bis 20. Jahrhunderts (= Publizistik-Historische
Beiträge 3), Pullach bei München 1973; Joachim Kirchner:
Das deutsche Zeitschriftenwesen: seine Geschichte und seine
Probleme, 2 Bde., Wiesbaden 1958/1962; Jill Lambert: Scientific
and Technical Journals, London 1985. |
|
Vgl. Jean-Claude Guédon: Electronic Academic
Journals: From Disciplines to ‘Seminars’, in: T.M.
Harrison (ed.): Computer Networking and Scholarly Communication
in the Twenty-First-Century University, Albany NY 1996, 335-350. |
[3] |
Vgl. Murray Turoff / Starr Roxanne Hiltz: The
Electronic Journal: A Progress Report, in: Journal of the American
Society for Information Science 33 (July 1982), 195-202. |
[4] |
Vgl. Brian Shackel: Progress of the Blend-Linc
Electronic Journal Project, in: 7th International Online Information
Meeting, London 1983, 131-145. |
[5] |
Vgl. Alice Keller: Elektronische Zeitschriften:
Eine Einführung (= Bibliotheksarbeit 9), Wiesbaden 2001.
|
[6] |
Die Einführung der CD-ROM im Jahr 1988
und die Entwicklung kostengünstiger PCs trugen ganz wesentlich
zum Erfolg des Systems bei. Im Jahr 1992 umfasste ADONIS 219
Titel, im Jahr 1995 waren es 648 biomedizinische Zeitschriften
von 68 verschiedenen Verlagen. Abonnenten erhielten wöchentlich
eine große Anzahl Seitenimages mit Titel- und Autorenindex
auf CD-ROM. |
[7] |
Vgl. Ann Okerson: The Electronic Journal: What,
Whence, and When, in: The Public-Access Computer Systems Review
2 (1991)/1, 5-24 (http://info.lib.uh.edu/pr/v2/n1/okerson.2n1). |
[8] |
Vgl. Dru Mogge: Seven Years of Tracking Electronic
Publishing: The ARL Directory of Electronic Journals, Newsletters
and Academic Discussion Lists; Erstpublikation in: Library Hi
Tech 17 (1999)/1, 17-25 (http://dsej.arl.org/dsej/2000/mogge.html). |
[9] |
Parallelausgaben zu gedruckten Zeitschriften
wurden weiterhin nicht im ‘Directory’ verzeichnet. |
[10]
|
Von der Zeitschrift ‘Review of Information
Science’ erschienen während zweier Jahre (1996/1997)
im Ganzen vier Nummern mit insgesamt 15 Aufsätzen (http://www.inf-wiss.uni-konstanz.de/RIS/).
|
[11]
|
Vgl. Zhongdong Zhang: Building Electronic Scholarly
Journals as Communication Forums, Bergtheim bei Würzburg
1999. |
[12]
|
Vgl. Mogge: Seven Years of Tracking. |
[13] |
Zu diesen Verlagen gehörten: Academic Press
(175 Titel), Blackwell Publishers (134 Titel), Blackwell Science
(155 Titel), Springer-Verlag (220 Titel), International Thomson
(über 140 Titel), MCB University Press (98 Titel). |
[14] |
STM steht für Science, Technology &
Medicine. |
[15] |
Die letzte gedruckte Ausgabe des ‘Directory’
erschien im Jahre 2000; die elektronische Version wurde noch
bis Januar 2002 aktualisiert. |
[16] |
Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB):
http://rzblx1.uni-regensburg.de/ezeit/. |
[17] |
Vgl. Evelinde Hutzler: Angebot und Nutzung elektronischer
Zeitschriften. Erfahrungen aus einem Projekt an der Universitätsbibliothek
Regensburg (Vortrag gehalten Berlin, 1998) (http://www.iuk-initiative.org/b98/rf/ezbnutz.htm). |
[18] |
Die Unterscheidungen zwischen Geisteswissenschaften und
Sozialwissenschaften folgen den Definitionen der Enzyklopädie
Brockhaus.
Geisteswissenschaften: Wissenschaften, die die Ordnungen
in Staat, Gesellschaft, Recht, Sitte, Erziehung, Wirtschaft,
Technik und die Deutungen der Welt in Sprache, Mythos, Religion,
Kunst und Philosophie zum Gegenstand haben.
Sozialwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, befassen
sich mit den Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens.
Im engeren Sinne zählen zu den Sozialwissenschaften vor
allem Soziologie, Politikwissenschaften und Wirtschaftswissenschaften
sowie ergänzend Ethnologie, Anthropologie und Sozialpsychologie.
Zum weiteren Bereich gehören auch Rechts- und Geschichtswissenschaften,
Psychologie und Pädagogik. |
[19] |
Quellen: Hutzler: Angebot und Nutzung; Stephanie
Klötgen: Elektronische Zeitschriften in ausgewählten
Wissenschaftsgebieten: ein Vergleich. Fachhochschule Köln,
Fachbereich Bibliotheks- und Informationswesen, Köln 2000;
Hutzler 2003 (private Korrespondenz). |
[20] |
Vgl. ebd. |
[21] |
Gemäß Heinz Hauffe beträgt die
‘Halbwertszeit’ wissenschaftlicher Literatur in
der Medizin 3,5 Jahre (das heißt, die Hälfte der
Referenzen in medizinischen Zeitschriften ist jünger als
3,5 Jahre), in der Physik 4,7, in der Geologie 11,8 oder in
der Klassischen Philologie 20 Jahre; vgl. Heinz Hauffe: Langfristige
Verfügbarkeit elektronischer Medien, Referat am Kolloquium
"Speicherbibliotheken - Digitale Bibliotheken", Graz,
3. April 1997 (http://www.uibk.ac.at/sci-org/voeb/texte/hhgraz.html). |
[22] |
JSTOR: http://www.jstor.org/. |
[23] |
Vgl. Daniel Holden: JSTOR: 1999 and Beyond,
in: Ariadne 18 (Dezember 1998) (http://www.ariadne.ac.uk/issue18/jstor/). |
[24] |
Vgl. William G. Bowen / Kevin M.Guthrie: 1995
JSTOR Update. Report of The Andrew W. Mellon Foundation (http://www.mellon.org/js95pr.html). |
[25] |
In der Internet Library of Early Journals stehen
je drei Zeitschriften des 18. Jahrhunderts (‘Gentleman’s
Magazine’, ‘The Annual Register, Philosophical Transactions
of the Royal Society’) und des 19. Jahrhunderts (‘Notes
and Queries’, ‘The Builder’, ‘Blackwood’s
Edinburgh Magazine’) zur Verfügung. |
[26] |
DigiZeitschriften: http://docserver.digizeitschriften.de/. |
[27] |
Genauer gesagt, drückt die Zahl der reinen
Online-Zeitschriften die Bereitschaft der wissenschaftlichen
Community aus, sich mit innovativen Publikationsformen auseinander
zu setzen. |
[28] |
Selbstverständlich gibt es auch hier Ausnahmen,
allerdings handelt es sich um Einzelfälle. So kostet beispielsweise
ein Abonnement für das ausschließlich elektronisch
verfügbare ‘Journal of Turbulence’ (IOP) jährlich
US$ 540.00. |
[29] |
‘sehepunkte’: http://www.sehepunkte.historicum.net/;
‘zeitenblicke’: http://www.zeitenblicke.historicum.net/. |
[30] |
Alice Keller: Elektronische Zeitschriften im
Wandel: Eine Delphi-Studie (= Bibliotheksarbeit 10), Wiesbaden
2001. |
[31] |
Electronic Publishing Explodes on the Web, in:
Bimonthly Newsletter of Research Library Issues and Actions
187 (August 1996), Washington, DC: ARL (http://www.arl.org/newsltr/187/explode.html). |
[32] |
Bob Persing: Seeking Philosophy Journals on
the Web: Scholarly, Full-Text, and Free, in: Serials Review
28 (2002)/3, 225-231. |
[33] |
Diese Erkenntnis basiert auf den Erfahrungen
mit dem Dokumentenserver ETH E-Collection der ETH-Bibliothek.
Die Nutzungsdaten zeigen, dass die meisten Aufrufe nicht auf
eine direkte Recherche in der Sammlung oder im Bibliothekskatalog
zurückzuführen sind, sondern auf Zugriffe über
Suchmaschinen. |
|
|
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Dr. Alice Keller
Head of Collection Management
Bodleian Library
Broad Street
Oxford OX1 3BG England
alice.keller@ouls.ox.ac.uk
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Anmerkung der Redaktion:
Wenn nicht anders vermerkt, gilt als Referenz-Datum für Inhalt und
Funktionalität aller im Text genannter Links der 17.10.2003.
Empfohlene Zitierweise:
Alice Keller: Elektronische Zeitschriften: Entwicklungen in den
verschiedenen Wissenschaftszweigen, in: zeitenblicke 2 (2003),
Nr. 2 [22.10.2003], URL: <http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/02/keller.html>
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