Im Titel dieses Aufsatzes steckt eine These. Diese lautet, dass sowohl die Toten des Ersten Weltkrieges als auch die heute lebenden Träger des 'kommunikativen Gedächtnisses' in Ostbelgien 'Opfer' sind. Die Toten des Ersten und Zweiten Weltkrieges wurden zu Gedächtnisopfern im Sinne einer 'kulturellen Herstellung von Vergessen'. Dieser selektive Prozess sozialer Erinnerung diente im Gegenzug dazu, das Selbstbildnis der Ostbelgier als 'Opfer' der Geschichte zu schaffen. [1] Ziel dieses Aufsatzes ist es, am Beispiel des Erinnerns an den Ersten und Zweiten Weltkrieg die funktionale Beziehung zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis auf der einen und dem Vergessen auf der anderen Seite aufzuzeigen. Als 'sozialer Rahmen' für diese 'Rahmenanalyse des Erinnerns und Vergessens' wird der heute als Ostbelgien bezeichnete deutschsprachige Teil Belgiens gewählt. [2] Dieses Gebiet, welches die früheren reichsdeutschen Kreise Eupen, Malmedy sowie das territorialstaatliche Kuriosum Neutral Moresnet umfasst, wurde den Belgiern im Anschluss an die Versailler Friedensverhandlungen am 20. September 1920 vom Völkerbund als Reparationsleistung zugesprochen.
Auf Grund der Bedeutung des Ersten Weltkrieges und seiner politischen Folgen könnte man vermuten, dass die Erinnerung an diese Ereignisse eine wichtige Rolle im 'kollektiven Gedächtnis' der Ostbelgier spiele. Dass dem – im Gegensatz zum Rest Belgiens, wo die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg durch zahllose Memorialpraktiken bis heute aufrecht erhalten wird – nicht so ist, verlangt nach einer historischen Spurensuche. Warum gibt es im heutigen Ostbelgien so gut wie keine lebendigen Erinnerungsorte? Wie erklärt sich diese krasse Differenz in der Wahrnehmung und Interpretation der Bedeutung des Ersten Weltkrieges zwischen Ostbelgien und Innerbelgien? Um diese Fragen zu beantworten, soll ein historischer Interpretationsbogen gespannt werden, der vom Ende des Ersten Weltkrieges bis in die Gegenwart reicht. Da wir es beim Erinnern und Vergessen mit einem kommunikativen Prozess zu tun haben, der zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen sozialen Gruppen dominiert wird, gilt es im Folgenden, diesen fortlaufenden Prozess der 'Überschreibung' des historischen Sinns, die ständige Reinterpretation historischer Ereignisse zu sezieren. In diesem andauernden Prozess können retrospektiv fünf aufeinander folgende Phasen unterschieden werden, die eng an die politische Geschichte der Region angelehnt sind und wie folgt charakterisiert werden können:
1918-1925: die koloniale Phase
1925-1940: die Phase nationaler Bewusstseinsspaltung
1940-1945: die totalitäre Phase
1945-1973: die Phase forcierter Assimilation
1973-heute: die Phase der Emanzipation
Jede dieser Phasen, so die These, zeichnet sich durch jeweils dominante Formen des Erinnerns und des Vergessens aus. Das kulturelle und kommunikative Gedächtnis wurde in jedem Zeitabschnitt von bestimmten politischen und sozialen Gruppen dominiert, die ihre Interpretation der Vergangenheit als 'offizielles Gedächtnis' im Sinne einer aktiven Geschichts- oder Vergangenheitspolitik zu etablieren suchten. [3]
Der Aufsatz gliedert sich in drei Teile: Nach einer kurzen Begriffsbestimmung, in der die zentralen Ansätze der neueren Erinnerungshistorie vorgestellt werden, folgt eine Analyse der fünf Phasen ostbelgischer Erinnerungs- und Vergessensarbeit, die am Ende des Artikels in eine allgemeinere Betrachtung über die Bedeutung des historischen Bewusstseins für die Suche nach einer kulturellen Identität der deutschsprachigen Belgier mündet.
Die wissenschaftliche Literatur zum Thema Erinnerung und Gedächtnis ist nahezu unüberschaubar geworden. [4] Gerade aus diesem Grunde scheint es angebracht, einige Begriffsbestimmungen vorzunehmen. Zum einen gilt es, den subjektiven Akt des Erinnerns von dem des autobiographischen und kollektiven Gedächtnisses zu unterscheiden. Zahllose philosophische, neurobiologische und wahrnehmungspsychologische Studien haben in den letzten Jahrzehnten den konstruktiven Charakter des subjektiven Aktes der Erinnerung analysiert. Sich erinnern bedeutet demnach ein kontextbezogenes Wiederaufrufen der im autobiografischen Gedächtnis abgelegten Spuren vergangener Empfindungen oder Erfahrungen. [5] Sich erinnern ist gleichbedeutend mit einer ständigen Neuinterpretation der vergangenen Erlebnisinhalte in einem gegenwartsbezogenem Gemütszustand. Das Resultat dieses individuellen Erinnerungsprozesses – das autobiografische Gedächtnis – steht aus diesem Grunde nicht selten in Konflikt mit den Forschungsresultaten 'professioneller' Erinnerer, der Historiker. [6]
Stellt der Vorgang subjektiver Erinnerung als Resultat eines doppelten Selektionsprozesses (selektive Wahrnehmung beim Erlebnisvorgang und selektives Aktivieren der Wahrnehmungsspuren) die Historiker vor die schwierige Frage, welche quellenkritische 'Qualität' die Produkte dieses Erinnerungsprozesses für die wissenschaftliche Geschichtsschreibung haben können, welche Vorsicht ist dann erst geboten, wenn man sich dem Phänomen der 'kollektiven Erinnerung' als Summe unzähliger individueller Erinnerungsmomente nähert. Fußte der von Maurice Halbwachs entwickelte Begriff des "kollektiven Gedächtnisses" auf der Überlegung, dass es sich bei diesem Phänomen um eine Art Kollektivsubjekt handelte, wurde diese Übertragung individualpsychologischer Strukturen auf eine gesamtgesellschaftliche Ebene in der Folge mehrfach kritisiert. [7]
Will man die komplexe Verzahnung zwischen individueller Erinnerung und 'offiziellem Gedächtnis' begreifen, so die These von Robert Frank in seinem Aufsatz über das 'vergiftete Gedächtnis', gilt es beide Ebenen zueinander in Beziehung zu setzen:
"Si Halbwachs a raison de nous expliquer qu'il n'est de mémoire que collective, tant l'individuelle est marquée par les cadres que lui assigne la société, il n'en est pas moins vrai qu'en dernière analyse, c'est l'individu qui se souvient: sans écho dans le plus grand nombre de consciences individuelles, la mémoire socialement encadrée risque d'être un cadre vide dont la durée de vie serait comptée." [8]
Da der Begriff des 'kollektiven Gedächtnisses' trotz seiner terminologischen Unschärfe bis heute nichts von seiner Wirkmächtigkeit eingebüßt hat, haben Autoren wie Jan Assmann oder Robert Frank begriffliche Differenzierungen entwickelt, um das Phänomen gruppenspezifischer Erinnerung präziser zu erfassen. Jan Assmann unterscheidet in diesem Sinne zwei Formen kollektiver Erinnerung: das 'kulturelle Gedächtnis' und das 'kommunikative Gedächtnis'. [9] Das kommunikative Gedächtnis, von Frank 'mémoire vivante' genannt, ist das von 'Zeitgenossen' getragene Gedächtnis. Dieser durch persönlich verbürgte und kommunizierte Erfahrung gebildete 'Erinnerungsraum' entspricht ungefähr drei bis vier Generationen. Jede Generation hat demnach ihr spezifisches kommunikatives Gedächtnis, oder, mit anderen Worten: Mit jeder Generation, die stirbt, stirbt auch eine spezifische Form des Erinnerns bestimmter historischer Ereignisse. Dagegen handelt es sich beim kulturellen Gedächtnis um einen stark strukturierten Erinnerungsmodus, der sich in Ritualen oder Zeremonien widerspiegelt. Träger des kulturellen Gedächtnisses sind nicht nur 'Zeitzeugen', sondern ebenso Monumente, Traditionen oder Riten. Wie Otto Gerhard Oexle zu Recht bemerkt, können sich beide Formen 'kollektiven Gedächtnisses' in bestimmten Erinnerungskontexten mischen, so zum Beispiel bei Totengedenkfeiern. Die Erinnerungskultur eines Landes, einer religiösen Gemeinschaft, eines Dorfes oder eines Veteranenverbandes ist demnach das Resultat eines komplexen Zusammenspiels verschiedener Erinnerungskontexte und Gedächtnisträger. [10]
Auf den hier zu Grunde liegenden Untersuchungsgegenstand übertragen bedeutet dies, dass es im Folgenden darum gehen muss,
- die verschiedenen Träger des kommunikativen Gedächtnisses während jeder der fünf Phasen zu bestimmen,
- den Erinnerungsdiskurs über den Ersten Weltkrieg am Beispiel kultureller Gedächtnisformen (Monumente und Gedenkfeiern) zu analysieren
- sowie eine Interpretation der Bedeutung der Erinnerungskultur für die Herausbildung einer 'ostbelgischen Identität' anzubieten.
In der Zeitungsbeilage der Eupener Nachrichten vom 15. Februar 1915 mit dem Titel 'Vom Krieg und Daheim' findet sich der Nachruf für den im Weltkriege zuerst den Heldentod gestorbenen Eupener aktiven Soldaten Jakob Ponten. [Siehe Abb. 1][11] Mit Jakob Ponten, der bereits am 28. August 1914 in Frankreich gefallen war, begann in den 1815 preußisch gewordenen Kreisen Eupen und Malmedy das offizielle Gedenken der Toten des bereits als 'Weltkrieg' bezeichneten Krieges. Der Stimmung im gesamten Deutschen Reich entsprechend, hatte auch die Bewohner dieser beiden an der westlichsten Grenze des Reiches gelegenen Kreise die Kriegsbegeisterung gepackt. Die unmittelbare Grenznähe zu Belgien machte die Region jedoch auch zu einem der ersten Schauplätze der neuen 'Qualität' dieses ersten 'totalen Krieges'. Im belgischen Baelen, nur wenige Kilometer von der Kreisstadt Eupen entfernt, wurden in der Nacht vom 8. auf den 9. August siebzehn Zivilisten Opfer einer "entfesselten deutschen Soldateska". [12]
Die Franc-Tireur-Psychose, die Marc Bloch bereits 1921 in seinem Aufsatz über "Falschmeldungen im Krieg" so brillant analysiert hat, kostete in nur vier Wochen mehr als 6.000 belgische Zivilisten das Leben. [13] Auch die 'Eupener Nachrichten' legen von dieser Psychose Zeugnis ab. In einem Artikel mit der Überschrift 'Eupen beim Einzug der Deutschen nach Belgien' vom 31. Oktober 1914 heißt es: "Gefährlich für unsere vorgehenden Truppen war das Verhalten der Zivilbevölkerung. Heimtückisch beteiligte sie sich am Kampf, selbst Frauen vergaßen sich soweit. Aus dem Hinterhalt feuerte die Bevölkerung auch auf Ärzte, Sanitätssoldaten und Verwundete". [14] Unterschied sich das Erleben des Krieges in den Kreisen Eupen und Malmedy – abgesehen von der unmittelbaren Grenzlage – somit kaum von dem in anderen Gebieten des Reiches, sollte sich die Erinnerung an die 'Urkatastrophe' bereits unmittelbar nach Kriegsende in deutlich divergierenden Kontexten bewegen.
Wurde der Erinnerungsdiskurs an den Ersten Weltkrieg in der unmittelbaren Nachkriegszeit in weiten Teilen des ehemaligen Reiches von der 'Schuldfrage' dominiert, wurde in Eupen-Malmedy der Artikel 34 des Versailler Vertrages zum Zentrum der politischen 'Vergangenheitsbewältigung'. Dieser sah vor, dass Deutschland die Souveränität über die beiden Kreise an Belgien abtreten musste. Zwar sah derselbe Artikel auch vor, dass eine so genannte 'Volksbefragung' stattzufinden habe, in der die Bevölkerung Eupen-Malmedys über ihre zukünftige staatliche Zugehörigkeit abstimmen solle. Diese 'Volksbefragung' stand jedoch nicht unter der Aufsicht des neu gegründeten Völkerbundes, sondern es waren die Behörden der belgischen Besatzungsmacht, die mit der Beaufsichtigung und Durchführung der Befragung beauftragt wurden.
Statt freier 'Selbstbestimmung der Völker' im Sinne der Wilsonschen Doktrin wurde den stimmberechtigten Einwohnern von Eupen-Malmedy lediglich ein öffentlicher Protest gegen die Übertragung des Gebietes an das belgische Königreich zugestanden. Wie zahlreiche historische Studien dieses völkerrechtlichen Kuriosums belegen, haben die mit der Befragung beauftragten belgischen Behörden nichts unversucht gelassen, um das Ergebnis der Abstimmung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. [15] Das Resultat der Volksbefragung spricht eine deutliche Sprache: von den 34.000 Stimmberechtigten trugen sich letztlich nur 271 Personen in die öffentlichen Protestlisten ein. Trotz internationaler Proteste beim Völkerbund sprach dieser das Gebiet um Eupen-Malmedy am 20. September 1920 offiziell Belgien zu.
Bereits im September 1919 hatte das belgische Parlament ein Dekret über das zukünftige politische Statut Eupen-Malmedys verabschiedet, das die Einrichtung eines 'régime provisoire' vorsah. Dieses mit legislativer und exekutiver Gewalt ausgestattete 'régime provisoire' (es war lediglich dem König und dem Parlament rechenschaftspflichtig) hatte den Auftrag, die Integration der "wieder gefundenen Brüder und Schwestern" zu "erleichtern". An die Spitze dieses eigenständigen Verwaltungsdistrikts wurde der ehemalige General Herman Baltia berufen, der seine militärischen Ehren vor allem in der belgischen Kolonie Kongo erworben hatte. Es müssen wohl diese Erfahrungen gewesen sein, die ihn in den Augen des belgischen Premierministers Delacroix für die Ausübung dieses Postens qualifizierten. In einem Brief an Baltia kurz vor dessen Amtsantritt im Januar 1920 schrieb Delacroix: "Prenez soin que tout marche sans problème et que les coûts restent raisonnables. Vous serez comme le gouverneur d'une colonie qui est directement en contact avec la patrie." [16]
Mit "kolonialen Vollmachten" ausgestattet, setzte der als Gouverneur eingesetzte Herman Baltia in den fünf Jahren seiner Amtszeit alles daran, den "wiedergewonnenen Brüdern und Schwestern" die Integration in das neue Vaterland zu "erleichtern". Eine der ersten – und im Sinne einer aktiven Vergangenheitspolitik symbolträchtigen – Amtshandlungen Baltias war die Demontage eines an den französisch-preußischen Krieg von 1870/71 erinnernden Denkmals in seiner Residenzstadt Malmedy. [17] Einen folgenreichen Eingriff in die öffentliche Auseinandersetzung über den Ersten Weltkrieg und seine Folgen ('Volksbefragung') stellte die massive Zensur der Presse dar. Die Pressezensur, aufrecht erhalten bis zum Ende der 'Regierung Baltia' im März 1925, kann als eine Form verordneter Amnesie gedeutet werden. Ein öffentlicher Erinnerungsdiskurs über den Ersten Weltkrieg und die Folgen des Versailler Vertrages in den regionalen Presseorganen wurde qua Verordnung unterbunden.
Hatten die Eupen-Malmedyer somit keine Möglichkeit, einen öffentlichen Erinnerungsraum mitzugestalten, wurden sie im Gegenzug 'Opfer' einer Geschichtspolitik, die von namhaften Historikern und Politikern im Landesinneren betrieben wurde. Eine der bekanntesten Stimmen in diesem Versuch, die 'Wiederangliederung' der Gebiete Eupen, Malmedy und St.Vith historisch zu legitimieren, war die des Historikers und Politikers Pierre Nothomb. Nothomb war in der belgischen Öffentlichkeit bekannt als Gründer des 'Comité de Politique Nationale', welches sich zum Ziel gesetzt hatte, das belgische Volk für die vom Comité geforderten territorialen Reparationsleistungen zu sensibilisieren. [18]
Im Umfeld dieser geschichtspolitisch motivierten Öffentlichkeitsarbeit entstand auch der Begriff der 'Cantons rédimés', der die deutschsprachige Bevölkerung Eupen-Malmedys zu Belgiern der ersten Stunde machte. Mit der Intention, eine historische Legitimation für die Angliederung der ehemals spanischen, österreichischen (habsburgischen), französischen, preußischen und schließlich reichsdeutschen Region an den belgischen Staat zu erfinden, wurde der Begriff der 'Cantons rédimés' so erfolgreich vermarktet, dass er heute noch im belgischen Sprachgebrauch verankert ist. [19] Die Konstruktion dieses "kleinen belgischen Elsass-Lothringen" (Jacques Bariéty) lehnte sich argumentativ an die Verhandlungsstrategie des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau an, der sich während der Versailler Friedensverhandlungen auf die napoleonischen Reunionsadressen berufen hatte, um die pro-französische Haltung der Rheinländer zu 'beweisen'. [20]
Ein anschauliches Beispiel dieser historischen Rechtfertigungsversuche lieferte 1930 der ehemalige belgische Senator Albert Renard, der auch Mitglied der außenpolitischen Kommission des Senats war. In seinem Buch mit dem Titel "Paix ou Guerre? Eupen-Malmedy, Alsace-Lorraine, l'Anschluss, Pays-Bas et Belgique", das mit einem Vorwort des französischen Präsidenten Raymond Poincaré eingeleitet wurde, präsentierte Renard folgende Interpretation der Eupen-Malmedy Frage:
"Allons, nos amis, nos compatriotes, nos mécontents, enfants terribles d'Eupen, de Malmedy et de Saint-Vith, soyons sérieux – tout de même, un moment arrive où il faut l'être! Soyons donc sincères, francs et raisonnables. Non pas 'l'Allemagne au-dessus de tout', mais bien la vérité avant tout. Sans justice, point de paix ...Eh quoi! Vous vous plaignez! [...] Depuis que vous êtes redevenus ou devenus Belges, vos affaires sont meilleures qu'au temps où vous étiez Allemands. Malgré les fameux gendarmes, vous faites partie de l'État le plus libre du monde [...] Malgré tout, vous êtes, enfin! des citoyens libres. Retenez que, si vous objectez la question des langues, on vous répondra qu'après tout la chose sera, avec un peu de bonne volonté, facilement arrangée; et que, si vous avez été un peu bousculés dans vos habitudes, la liberté engendre souvent le désordre [...] vous êtes de cette Belgique de l'honneur au lieu d'être toujours de cette Allemagne du crime de 1914." [21] Was Renard 1930 nicht ahnen konnte, war, dass es erst der Verbrechen der Nationalsozialisten und der deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg bedurfte, ehe sich die Eupen-Malmedyer bereitwillig zu jener Vergangenheit bekannten, die sie zu Bürgern des ehrenhaften belgischen Staates machte.
Erst nach dem Ende des Baltia-Regimes und der damit einhergehenden Aufhebung der Pressezensur konnte sich in den neubelgischen Kantonen Eupen, Malmedy und St.Vith ein öffentlicher Erinnerungsdiskurs entwickeln. Kreiste der politische Diskurs während der Baltia-Zeit um die mit dem Staatenwechsel verbundenen Probleme und Fragen, begann mit der Aufhebung des politischen Sonderstatuts auch der Versuch einer öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Erster Weltkrieg. Die neue Dimension dieses ersten 'totalen Krieges', die sich unter anderem in der horrenden Zahl der Opfer ausdrückte, stellte alle an diesem Krieg beteiligten Länder vor die schwierige Frage, wie man der Opfer bzw. der Toten dieses Krieges angemessen gedenken konnte. Die Massen von Toten, die dieser industrialisierte und maschinisierte Krieg hervorgebracht hatte, stellten die 'demokratische Form' des Gedenkens in Frage, die sich seit der Französischen Revolution ausgeprägt hatte. Reinhart Koselleck hat diese neue Form des Gedenkens in mehreren Studien als einen Prozess der Säkularisierung des kulturellen Gedächtnisses beschrieben. [22]
Bis zum 18. Jahrhundert waren Soldaten zwar auf allen Siegesmonumenten verewigt, die Mahn- und Denkmale der Toten waren aber den Prinzen und Adligen vorbehalten. Der Eintritt in die Moderne war laut Koselleck mit einer doppelten Modifikation der Kriegsdenkmäler verbunden: Die mit der Säkularisierung verbundene Zurückdrängung rein christlich geprägter Memorialpraktiken ermöglichte zum einen neue Formen politischer und sozialer Erinnerungsformen; zum anderen war dieser Prozess mit einer Demokratisierung der Erinnerung verbunden. Jeder gefallene Soldat war nun würdig, namentlich auf einem Monument des Gedenkens zu erscheinen. Diese demokratische Form des Erinnerns spiegelt sich auch in den zahllosen Erinnerungsmonumenten des Ersten Weltkrieges, die sich in nahezu jedem belgischen Dorf oder Stadtviertel finden. Eine besondere Antwort auf die gewaltige Zahl von Gefallenen liefert auch eine neue Form von Denkmälern: die Denkmäler für den 'unbekannten Soldaten'.
Da Kriegsdenkmäler eine herausgehobene Stellung im Erinnerungsdiskurs des Ersten Weltkrieges einnehmen, wird diesen im folgenden Abschnitt besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Für die Bewohner Eupen-Malmedys stellte der Bau von Kriegsdenkmälern eine besondere Herausforderung dar: Wie konnte der für Deutschland gefallenen Soldaten im neuen 'Vaterland' Belgien gedacht werden? Diese Frage drängt sich umso mehr auf, wenn man – wie von Heidi Christmann und anderen herausgearbeitet – die Zwischenkriegsjahre als Phase der politischen Radikalisierung pro-belgischer und pro-deutscher Gruppierungen in Eupen-Malmedy deutet. [23] Liest man die Kriegerdenkmale im Sinne Kosellecks einerseits als ein Identitätsangebot für die Toten (als Heroen, Opfer, Märtyrer oder Kameraden), andererseits als Rechtfertigungsgebot für die Überlebenden ('mortui viventes obligant'), war es vor allem die Frage der Rechtfertigung des Krieges bzw. der Opfer dieses Krieges, die die Bevölkerung Eupen-Malmedys vor ein Loyalitätsproblem stellte. Da das 'Sterben für' nur im Nachhinein begründet werden kann, stellt es immer einen in der Gegenwart der Erinnerer stattfindenden Akt der Vergangenheitsinterpretation dar. Kriegsdenkmäler spiegeln somit die Erinnerungskultur eines Landes, Dorfes oder sozialen Gruppe und können als materielle Symbole des kulturellen Gedächtnisses gedeutet werden.
Am Beispiel der Einweihung des Kriegerdenkmals in Eupen am 1. November 1931 kann gezeigt werden, wie gespalten das Nationalbewusstsein der Eupener Bevölkerung elf Jahre nach der 'Belgischwerdung' war und welche Probleme diese nationale Bewusstseinsspaltung für das offizielle Gedenken darstellte. Alle drei Eupener Zeitungen, die 'Eupener Zeitung', die 'Eupener Nachrichten' und das 'Grenz-Echo', widmeten diesem Ereignis ihre Titelseiten. Trotz unterschiedlicher politischer Couleur glichen sich die Artikel: Alle drei Blätter stellten die Trauer um die Toten und die Hoffnung auf zukünftigen Frieden in den Mittelpunkt ihrer Berichte. Da es sich um einen höchst sensiblen politischen Akt handelte, muss man zwischen den Zeilen lesen, um die in religiöse Rhetorik verpackten politischen Botschaften zu entziffern.
Bereits einen Tag vor der offiziellen Einweihung hieß es in einem Artikel der 'Eupener Nachrichten' vom 31. Oktober 1931 [Siehe auch Abb. 3]:
"In Ruhe gebettet. Liegt darin nicht auch eine tröstliche Verheißung? Dann wird der Tod zum lebenskeimenden Schlaf, werden aus den Verstorbenen Schläfer, die auf ihrem letzten Ruhelager einem lichten Morgen entgegenschlummern, der sie zu neuem Leben, zu neuer Wirksamkeit erwecken wird. [...] Nicht hoffnungslos ist unsere Trauer; eine christliche Trauer erfüllt unser Herz, die aus dem starken Glauben an eine Auferstehung, an eine Wiedervereinigung in der Ewigkeit kommt." [24]
Macht man sich den politikhistorischen Kontext dieser Einweihungsfeier klar, so lassen Signalwörter wie 'Verheißung', 'lebenskeimender Schlaf', 'Schläfer' oder 'Wiedervereinigung' keinen Zweifel an der in religiöse Metaphern versteckten politischen Botschaft des Textes. Die religiöse Kommemoration wird zur politischen Veranstaltung. In den Worten Kosellecks: "Was ehedem der kirchlichen Messe anvertraut war, das jenseitige Heil der Seele zu erbeten, wird zur diesseitigen Aufgabe des politischen Totenkults: Im gewaltsamen Tod jedes Einzelnen liegt bereits seine Rechtfertigung, solange er das politische Heil des ganzen Volkes für die Zukunft verbürgen hilft." [25] Auch wenn der religiöse Kontext (Messe, Prozession zum Friedhof, Segnung des Denkmals etc.) im streng katholischen Gebiet von Eupen-Malmedy erhalten blieb, ist die in religiöse Metaphern verpackte politische Verheißung unverkennbar: die von großen Teilen der Bevölkerung ersehnte 'Wiedervereinigung' mit Deutschland ('Heim ins Reich'). Der Glaube an die Auferstehung wurde verbunden mit dem Glauben an die Wiedervereinigung.
Die Phase zwischen 1925 und 1940 kann im psychologischen Sinne somit als Phase der nationalen Bewusstseinsspaltung gedeutet werden. In diesem Zeitraum durchlebten die Menschen in Eupen-Malmedy eine doppelte Modernisierungskrise: Zum einen teilten sie die Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise mit vielen anderen Menschen in der Welt, hinzu kam jedoch eine Krise des nationalen Zugehörigkeitsgefühls. Es ist selbstverständlich diese zweite Modernisierungskrise, welche sich im Erinnerungsdiskurs spiegelt. Das wohl signifikanteste Beispiel dieser 'nationalen Bewusstseinsspaltung' liefert das Kriegerdenkmal in der Ortschaft Raeren. Das Denkmal trägt die Namen von ungefähr zwei Dutzend gefallenen deutschen Soldaten des Ortes. Der steinerne Soldat, der einen Kranz zum Gedenken an die Gefallenen ablegt, trägt jedoch die Uniform eines belgischen Soldaten! [Siehe Abb. 4]
Das Denkmal wird so zum Versuch, die deutsche Vergangenheit – die man nicht dem Vergessen opfern möchte – mit der belgischen Gegenwart zu versöhnen. Ein Symbol, das sicherlich nicht nur wegen der unmittelbaren Grenznähe Raerens zu Deutschland von politischer Bedeutung war, sondern auch als Botschaft der Versöhnung an die in ein pro-belgisches und ein pro-deutsches Lager gespaltene Raerener Bevölkerung verstanden werden kann. Einen ähnlichen Wunsch hatte der Herbesthaler Bürgermeister Schmitz bereits während der Einweihung des Kriegerdenkmals der Pfarre Herbesthal am 29. November 1929 geäußert: "Lehret Eure Kinder die Sprache verstehen", so Schmitz, "welche dieses große Wahrzeichen redet, auf daß endlich wahrer Friede und wahre Versöhnung wiederkehren, nicht nur unter den Völkerstämmen, sondern auch unter den Bewohnern ein und desselben Landes, wie aber auch derselben Gemeinde". [26]
Der Einmarsch der deutschen Truppen am 10. Mai 1940 machte diese friedvollen Absichten endgültig zunichte. Eupen-Malmedy wurde dem deutschen Reichsgebiet angeschlossen, ein großer Teil der Bevölkerung empfing die deutschen Truppen als 'Befreier'. Die 'Heimkehr ins Reich' war von pro-deutschen und nationalsozialistisch gesinnten Gruppierungen wie der 'Heimattreuen Front' aktiv vorbereitet worden. Finanziell und logistisch wurden die verkappten nationalsozialistischen Aktivitäten der 'Heimattreuen Front' oder anderer Vereine, wie beispielsweise des 'Segelflugvereins' oder der 'Bogenschützen' (beide Vereine waren im Grunde Ableger der Hitlerjugend), vom 'Verein für das Deutschtum im Ausland' (VDA) unterstützt. [27] Die 'Heimattreue Front' konnte bei den letzten Parlamentswahlen in Belgien 1939 mit 45,2% der Stimmen ungefähr die Hälfte aller Wählerstimmen auf sich vereinigen und war somit mit Abstand die stärkste politische Kraft in Eupen-Malmedy.
Obwohl man die weit verbreitete pro-deutsche Einstellung vieler Eupen-Malmedyer von einer nationalsozialistischen Gesinnung unterscheiden muss – vor allem die anti-katholische Tendenz der Nationalsozialisten brachte viele pro-deutsch eingestellte Ostbelgier in Gewissenskonflikte –, fand die Rückkehr des Gebietes in das deutsche Vaterland breite Zustimmung. Die Deutschwerdung Eupen-Malmedys zog eine Gleichschaltung sämtlicher Medien mit sich, sodass der offizielle Erinnerungsdiskurs – ähnlich wie wenige Jahre zuvor unter dem Baltia-Regime – politisch instrumentalisiert wurde. Die pro-belgische Zeitung 'Grenz-Echo' wurde verboten, ihr Chefredakteur Henri Michel wurde sogar ins Konzentrationslager Oranienburg / Sachsenhausen deportiert. Die 'Eupener Nachrichten' und die 'Eupener Zeitung' wurden kurzerhand zu Außenstellen des 'Westdeutschen Beobachters'. Innerhalb weniger Monate war die 'Gleichschaltung' perfekt – die 'Cantons rédimés' waren statt zu Belgien wieder zu Deutschland 'zurückgekehrt'! Obwohl die Einverleibung Eupen-Malmedys in das Deutsche Reich noch während des Krieges von belgischer Seite kritisiert wurde, wurden viele Eupen-Malmedyer ab 1942 in die deutsche Wehrmacht eingezogen, womit die 'Wiedervereinigungsfreude' meist einen deutlichen Dämpfer erfuhr.
Waren die Bemühungen der belgischen Regierung in der Zwischenkriegszeit wenig erfolgreich, die 'wiedergewonnenen Brüder und Schwestern' aus Eupen-Malmedy emotional an das neue Vaterland zu binden, kehrte sich die Lage nach dem Zweiten Weltkrieg um. Nun waren es die Eupen-Malmedyer selbst, die eine verstärkte Assimilierung suchten. Inwieweit diese Assimilierungsanstrengungen eine Reaktion auf die rigiden Säuberungsmaßnahmen der 'Armée Blanche' und die teils harten Urteile der belgischen Justiz im Rahmen von Entnazifizierungsprozessen waren, muss an dieser Stelle offen bleiben. [28] Tatsache ist, dass es auf Seiten der einheimischen Bevölkerung zu verstärkten Assimilierungsanstrengungen kam, die bis zur Verkennung jeglichen 'Deutschseins' reichen konnten.
Diese Assimilierungsanstrengungen auf Seiten der einheimischen Bevölkerung waren häufig mit einer Verdrängung der Vergangenheit verbunden, wie das Beispiel des Eupener Bürgermeisters Hugo Zimmermann zeigt. In einer Rede am 7. April 1945, bei der auch der belgische Minister für zivile Kriegsopfer Pauwels anwesend war, erklärte Zimmermann: "Alle Eupener wollen nunmehr offen und ehrlich belgisch denken und belgisch fühlen." Um Eupen endgültig zu einer wahren belgischen Stadt zu machen, sei es notwendig, so Zimmermann weiter, "dass neue Bevölkerung aus dem Inneren des Landes sich unter unsere gegenwärtige Bevölkerung mischt, sie aufsaugt und dadurch endgültig unserer Stadt den Charakter nimmt, den unsere Stadt durch die lange deutsche Herrschaft aufgenommen hat, sodass unsere liebe Stadt Eupen so denken, fühlen und handeln wird, wie alle Mitbürger aus dem Inneren des Landes denken, fühlen und handeln." [29]
Der verordnete Patriotismus Zimmermanns ging soweit, dass offen zur Denunziation aufgerufen wurde. In einem Königlichen Erlass vom 20. Juni 1945 wurde bekannt gegeben, dass die Bevölkerung nun die "äußerst günstige Gelegenheit" habe, zu zeigen, "dass sie als solche wirklich niemals etwas mit dem Nationalsozialismus und seinen Untaten gemein hatte". [30] Denunziation als oberste Bürgerpflicht und Bedingung für den neuen nationalen Aufbau – so der ostbelgische Historiker Freddy Cremer – hinterließen Narben im 'kollektiven Gedächtnis' der Ostbelgier, die zum Teil bis heute nicht verheilt sind.
Die Erklärungen Zimmermanns sind ein gutes Beispiel für die Bedeutung, die Politiker in der Konstruktion eines 'offiziellen Gedächtnisses' haben können. "La fonction de la mémoire officielle", so Robert Frank, "celle des autorités qui s'expriment par des discours ou à travers des commémorations, est précisément de donner une unité à cet ensemble hétérogène, agité de forces centrifuges. C'est elle qui donne ou refuse le droit de cité aux mémoires de groupes. Mémoire structurante, elle est particulièrement sélective, et son choix du passé est mis au service de sa fonction de base: assurer l'union et maintenir l'identité de la communauté dont les autorités ont la charge – la cité, la nation." [31]
Wie bereits erwähnt, ging das verordnete Geschichtsbild einher mit Bemühungen von Seiten der Bevölkerung, ihren Platz in der 'Nation Belge' zu finden. Für viele Ostbelgier stellte die Möglichkeit, sich in den 1950er-Jahren offiziell zu Belgien zu bekennen, auch eine verführerische Perspektive dar, sich der unbequemen nationalsozialistischen Vergangenheit zu entledigen. Dies geschah jedoch nicht in Form eines öffentlichen Erinnerungsdiskurses, sondern durch eine zwar sprachlose, nicht aber bedeutungslose Form der Kommunikation: durch Schweigen! Das Schweigen wurde zum vorherrschenden Modus des 'kommunikativen Gedächtnisses'. Das Verschweigen historischer Tatsachen prägt bis heute das kommunikative Gedächtnis in Ostbelgien, wie eine kurze Charakterisierung des Erinnerungsdiskurses der letzten Phase (1973 bis heute) zeigen wird.
Auch wenn die Wahl des Jahres 1973 als 'Zäsur' des ostbelgischen Erinnerungsdiskurses konstruiert wirkt, lassen sich einige Gründe anführen, die diese Periodisierung sinnvoll erscheinen lassen. Es ist vor allem die Gründung des 'Rates der deutschen Kulturgemeinschaft' am 23. Oktober 1973, die heute von vielen Politikern als Zeichen eines wieder erwachten kulturellen Selbstbewusstseins der deutschsprachigen Belgier interpretiert wird. Dabei handelt es sich eher um politisches Wunschdenken im Sinne von Hobsbawms 'Erfindung von Traditionen'. Dass es zur Gründung dieses Rates kam, war keineswegs den Forderungen ostbelgischer Politiker zu verdanken, seine Entstehung muss vielmehr als 'Abfallprodukt' der wallonisch-flämischen Konflikte gedeutet werden, die Belgien seit Mitte der 1950er-Jahre in Atem hielten. Der aus diesen Kompetenz- und Sprachstreitigkeiten erwachsende Föderalisierungsprozess des Landes bescherte unverhofft auch den deutschsprachigen Belgiern ungeahnte Autonomie. [32] Premierminister Leo Tindemans musste die frischen Ratsmitglieder am 9. Juli 1974 geradezu auffordern, sich selbstbewusst am Föderalisierungsprozess zu beteiligen. "Kämpfen Sie für Ihr gutes Recht", so Tindemans, "und den Ihnen gebührenden Platz an der Sonne. Viele in Belgien werden Ihren Kampf mit Sympathie und Verständnis verfolgen." [33]
Nach einem Kampf um Autonomie war den arg gebeutelten Ostbelgiern zu diesem Zeitpunkt kaum zu Mute. Lediglich die 1971 gegründete Partei der deutschsprachigen Belgier (PDB), die selbstverständlich nicht über eine parteipolitische Lobby in Innerbelgien verfügte, forderte öffentlich mehr kulturelle Autonomie und politisches Mitspracherecht für die deutschsprachigen Belgier. Statt eines 'kämpferischen' Eintretens für die Rechte der deutschsprachigen Minderheit, wie es Tindemans gefordert hatte, dominierte – vor allem was die Vergangenheitspolitik anging – ein ganz anderes Bild den öffentlichen Umgang mit der Geschichte: das Bild der Ostbelgier als 'Opfer' der Geschichte, [33] als Opfer imperialistischer Großmachtbestrebungen französischer oder deutscher Ausprägung, Opfer der Versailler Reparationspolitik, Opfer des Nationalsozialismus oder der belgischen Säuberungspolitik. Aus dieser 'Opferlogik' folgte ein 'Opferselbstbild', welches die Eupen-Malmedyer zu 'Objekten' der Weltgeschichte reduzierte, zu einem 'Spielball' der Weltpolitik, auf die man selbst nie Einfluss gehabt habe. Aus der Sicht der ostbelgischen Politiker, die zu den prominentesten Trägern des 'kommunikativen Gedächtnisses' zählen, ist diese Interpretation der Geschichte verständlich, reduziert sie doch die lokalen politischen Akteure zu passiven Objekten der Geschichte, die jeglicher historischer Verantwortung enthoben sind.
Ein anschauliches Beispiel dieser Selbststilisierung zu 'Opfern' der Geschichte bietet eine Rede des amtierenden Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Karl-Heinz Lambertz. In seiner Rede zum Tag der Deutschsprachigen Gemeinschaft am 15. November 2000 hieß es:
"Die Generation unserer Väter, Groß- und Urgroßväter und -mütter hat vor genau 80 Jahren am eigenen Leib erfahren müssen, was Grenzveränderungen bedeuten können. Auf Grund des Versailler Vertrages mussten sie die Staatsangehörigkeit wechseln und konnten sich dazu nur in seltsamer Weise äußern, indem sie sich in Listen eintrugen.
Die mit erneuten Grenzverschiebungen verbundenen Wirren des Zweiten Weltkrieges haben den Menschen unserer Heimat unsägliches Leid angetan. Hätte irgendeiner unserer Vorfahren damals ahnen können, dass sich unsere Grenzlage einmal als Chance, ja gar als Trumpfkarte erweisen würde?
Für uns, die Kinder, Enkel und Urenkel, entpuppt sich die Zugehörigkeit zu Belgien und die Lage an der Schnittstelle zwischen vier Staaten, Kulturen und Sprachen inzwischen als ein wahrer Glücksfall der Geschichte." [35]
In Anwesenheit des belgischen Premierministers, des Parlamentspräsidenten und eines Kommissars der Königin entwirft Lambertz ein Geschichtsbild, das – so sei unterstellt – ganz bewusst darauf abzielte, die Vergangenheit zum Ziele politischer Opportunität umzudeuten. Das Generationenmodell, das der Ministerpräsident vorstellte, erinnert an die mathematische Operation der Multiplikation zweier negativer Zahlen, deren Summe eine positive Zahl ergibt! In Formelsprache übersetzt:
(Opfer von Versailles) x (Opfer des Zweiten Weltkriegs) = Glücksfall der Geschichte !
Abgesehen von der Tatsache, dass solche nebulösen Umschreibungen wie "und konnten sich dazu nur in seltsamer Weise äußern, indem sie sich in Listen eintrugen" wohl wenig zur dringend gebotenen Aufklärung über die 'Consultation populaire' des Jahres 1920 beitragen, gehört die nachträgliche und undifferenzierte Stilisierung der Ostbelgier zu "Opfern" des Zweiten Weltkrieges zu einem beliebten Topoi verklärender Geschichtsdeutung in ehemals reichsdeutschen oder 'heimgekehrten' Gebieten. Der Opfer-Status ist zum bestimmenden Faktor institutioneller Erinnerungskultur geworden, auch dort, wo die Geschichte der Täter eine mindestens gleichberechtigt mahnende Erinnerung verdiente.
Ziel dieses Aufsatzes war es, den Umgang der Ostbelgier mit ihrer Geschichte im 20. Jahrhundert am Beispiel der Erinnerung an den Ersten und Zweiten Weltkrieg zu thematisieren. Dabei zeigte sich, dass der öffentliche Erinnerungsdiskurs durch zwei Muster geprägt war, die man als verordnetes und selbst auferlegtes Beschweigen bestimmter historischer Ereignisse beschreiben könnte. Dominierten in der ersten Hälfte des Jahrhunderts Formen verordneten Schweigens bzw. politische Strukturen, die den Erinnerungsrahmen für eine Vergangenheitspolitik im Sinne nationalistischer Geschichtsinteressen bildeten, ist die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg durch Formen selbstauferlegten Schweigens bzw. durch eine Vergangenheitspolitik gekennzeichnet, deren primäres Ziel die Stilisierung der Ostbelgier als 'Opfer' der Geschichte war. Wurden in der Zwischenkriegszeit historische Ereignisse umgedeutet, damit sie in ein entsprechend politisiertes Geschichtsbild passten ('Cantons rédimés'), wurde in der Nachkriegszeit besonders die nationalsozialistische Vergangenheit tabuisiert, um sich dieser belastenden Vergangenheit zu entledigen und endlich 'belgisch denken, fühlen und handeln' zu können. In beiden Fällen wurde vor allem die Fähigkeit aufrichtiger Erinnerung 'Opfer' divergierender vergangenheitspolitischer Interessen. Denn, wie Micha Brumlik treffend formuliert, "beim Erinnern ist der Wille zur Wahrhaftigkeit eine notwendige Voraussetzung wahrer Erkenntnis". [36]
Zu welchen 'Gedächtnisopfern' vor allem die Träger des offiziellen Gedächtnisses bereit waren – und leider haben die Träger der 'mémoire savante' (z.B. Geschichtsvereine und Lokalhistoriker) dieser Tendenz wenig 'Wahrhaftigkeit' entgegengesetzt –, zeigt sich eindrucksvoll an der Umbenennung des 'Rates der deutschen Kulturgemeinschaft' in 'Rat der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens' im Jahr 1980. Während der Debatte im Rat am 30. Juni 1980 ergriff der Sozialist Bernd Eicher, Mitglied des belgischen Senats und des 'Rates der deutschen Kulturgemeinschaft', das Wort: "Unsere Eigenart ist nicht 'deutsch'", so Eicher, "sondern die deutsche Sprache, und darauf sind wir stolz! [...] Um unserer Bevölkerung das Vergessen leichter zu machen, fordere ich die Ratsmitglieder auf, nicht für den Begriff 'deutsche Gemeinschaft', sondern für den Begriff 'deutschsprachige Gemeinschaft' zu stimmen." [37] Eichers Überlegungen lassen sich treffend mit der von Helmut Dubiel geprägten Metapher als "Entsorgungsmentalität" beschreiben!
Zu Recht behauptet der ostbelgische Historiker Hubert Jenniges in seinem Buch 'Hinter ostbelgischen Kulissen', dass derartige Verrenkungen wohl der Ausdruck eines "schizophrenen Psychogramms" seien, und zitiert hierzu eine Stellungnahme des Löwener Professors Rudolf Kern: "Sah man anfänglich die Sicherung der Loyalität zu Belgien durch den politischen Abstand gegenüber Deutschland erfüllt, so ging man mit der Aufgabe der deutschen Volkszugehörigkeit einen großen Schritt weiter. [...] Die Bezeichnung 'deutschsprachige Belgier' ist fortan belgisches Loyalitätssymbol 'par excellence' geworden". [38] Obschon man in Ostbelgien also größte Schwierigkeiten damit hat, ein unbefangenes Verhältnis zur eigenen Geschichte zu entwickeln, ist das Bedürfnis nach Geschichte in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Die zahlreichen Dorfchroniken sind Zeuge dieser Entwicklung. Pierre Nora deutet diese 'Archivierwut' als Zeichen der Angst vor dem Verschwinden des Gedächtnisses, das man als Geschichte bewahren wolle: "Unsere Gesellschaft ist zwar durch das Ausmaß der Veränderungen ihrem Gedächtnis entrissen, aber um so besessener, sich historisch zu begreifen, und dazu verurteilt, den Historiker zu einer immer zentraleren Gestalt zu machen, weil sich in ihm vollzieht, worauf sie verzichten möchte und doch nicht verzichten kann: der Historiker ist derjenige, der die Geschichte daran hindert, nur Geschichte zu sein." [39]
Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es aber einer Anstrengung, die sowohl von den Trägern des lebendigen Gedächtnisses als auch von den professionellen Erinnerern geleistet werden muss. Die im Rahmen vergangenheitspolitischer Grabenkämpfe gebrachten Gedächtnisopfer müssen aus der Vergessenheit geholt werden, damit eine aufrichtige Erinnerung im Sinne Micha Brumliks möglich wird. Nur der kritische und distanzierte Blick auf die eigene Vergangenheit wird dabei helfen können, den Mythos einer historisch legitimierten "ostbelgischen Identität" zu entzaubern und die Wandelbarkeit politischer oder staatlicher Zugehörigkeitsgefühle zu zeigen. Genau diese Beobachtungsdistanz hatten die Alliierten 1947: Auf die Anfrage des Hauptquartiers der Kontrollkommission für Deutschland in Berlin, ob denn nun die Eupen-Malmedyer als Belgier oder Deutsche zu behandeln seien, bekam man von der zuständigen amerikanischen Verwaltung in Düsseldorf folgende Antwort: "The area Eupen-Malmedy presents many problems. The inhabitants of this area have changed their nationality about three times in the last thirty odd years, according to the changing fortunes of war and the claimants of the respective Belgian and German Authorities. It remains that the population of Eupen and Malmedy have alternated between beeing good Belgians and good Germans. At the moment these people are good Belgians..." [40]
wird.
[*] | Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine überarbeitete und erweiterte Fassung eines französischsprachigen Aufsatzes, der unter dem Titel „De la 'Sibérie de la Prusse' aux 'Cantons rédimés': L'ombre diffuse de la Grande Guerre dans la mémoire collective des belges germanophones“ in dem Sammelband "14-18: Une guerre totale? La Belgique dans la Première Guerre mondiale. Nouvelles tendances de la recherche historique" (hg. von Serge Jaumain, Bruxelles 2004) erscheinen |
[1] | Der Begriff des 'Gedächtnisopfers' und die mit ihm verbundenen Überlegungen sind einem Aufsatz von Egon Flaig über "Die sozialen Bedingungen des kulturellen Vergessens" entlehnt. In: Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd. 3, Berlin 1999, 31-100. |
[2] | Jan Assmann spricht in Anlehnung an Maurice Halbwachs'
Begriff der 'cadres sociaux' und Erwin Goffmans Methode der
'Rahmenanalyse' von einer 'Rahmenanalyse des Erinnerns'. "Der Vorteil dieser Theorie liegt darin", so Assman, „dass
sie zugleich mit der Erinnerung auch das Vergessen zu
erklären vermag. Wenn ein Mensch – und eine Gesellschaft – nur das zu erinnern imstande ist, was an Vergangenheit
innerhalb der Bezugsrahmen einer jeweiligen Gegenwart
rekonstruierbar ist, dann wird genau das vergessen, was in
einer solchen Gegenwart keine Bezugsrahmen mehr hat. Mit anderen Worten: das individuelle Gedächtnis baut sich in einer bestimmten Person kraft ihrer Teilnahme an kommunikativen Prozessen auf. Es ist eine Funktion ihrer Eingebundenheit in mannigfaltige soziale Gruppen, von der Familie bis zur Religions- oder Nationsgemeinschaft. Das Gedächtnis lebt und erhält sich in der Kommunikation; bricht diese ab, bzw. verschwinden oder ändern sich die Bezugsrahmen der kommunizierten Wirklichkeit, ist Vergessen die Folge." Siehe Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1999, 36f. |
[3] | Zum Thema politische Instrumentalisierung der Geschichte siehe u.a. die Arbeiten von Edgar Wolfrum: Geschichte als Waffe. Vom Kaiserreich zur Wiedervereinigung, Göttingen 2001; Jean-Maurice Bizière / Pierre Vayssière: Histoire et historiens. Antiquité, Moyen-Age, France moderne et contemporaine, Paris 1995; Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, München 1997. |
[4] | Einen guten Überblick über das Thema Erinnerung und Geschichtswissenschaft im Bereich der Zeitgeschichte liefert Peter Fritzsche: The Case of Modern Memory, in: The Journal of Modern History 73 (2001)/ 1, 87-117. Eine kritische Replik auf den 'Memory-Boom' liefert Jay Winter: Die Generation der Erinnerung. Reflexionen über den 'Memory-Boom' in der zeithistorischen Forschung, in: Werkstatt Geschichte 30 (2001), 5-16. Eine theoretische Gesamtschau über neue Ansätze der Erinnerungs- und Gedächtnisforschung findet sich bei Harald Welzer: Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München 2002. |
[5] | Zum konstruktiven Charakter der subjektiven Erinnerung siehe Daniel Schacter: Searching for memory. The brain, the mind and the past, New York 1996; Hans Markowitsch: Dem Gedächtnis auf der Spur. Vom Erinnern und Vergessen, Darmstadt 2002. Siehe auch den Inhalt des Heftes 2/2002 der Zeitschrift BIOS (betreut von Harald Welzer), in dem sich sieben Aufsätze mit dem Thema autobiografisches Gedächtnis aus kulturwissenschaftlicher, historischer und neurobiologischer Perspektive auseinandersetzen. |
[6] | Zu diesen Spannungen zwischen subjektiver Erinnerung bzw. autobiografischem Gedächtnis und 'mémoire savante', wie Robert Frank es nennt, siehe Hans-Günther Hockerts: Zugänge zur Zeitgeschichte. Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 28 (2001), 15-30. |
[7] | Siehe hierzu Dirk Reinhardt: 'Kollektive Erinnerung' und 'kollektives Gedächtnis'. Zur Frage der Übertragbarkeit individualpsychologischer Begriffe auf gesellschaftliche Verhältnisse, in: Clemens Wischermann (Hg.): Die Legitimität der Erinnerung und die Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1999, 87 100, sowie Micha Brumlik: Individuelle Erinnerung – kollektive Erinnerung. Psychosoziale Konstitutionsbedingungen des erinnernden Subjekts, in: Hanno Loewy / Bernhard Moltmann (Hg.): Erlebnis, Gedächtnis, Sinn. Authentische und konstruierte Erinnerung, Frankfurt a.M. / New York 1996, 31-46. |
[8] | Siehe Robert Frank: La mémoire empoisonnée, in: Jean-Pierre Azéma / François Bédarida (Hg.): La France des années noires, tôme 2 (De l'occupation à la libération), Paris 2000, 545. |
[9] | "Das kommunikative Gedächtnis umfasst Erinnerungen, die sich auf die rezente Vergangenheit beziehen. Es sind dies Erinnerungen, die der Mensch mit seinen Zeitgenossen teilt. Der typische Fall ist das Generationen-Gedächtnis. [...] Das kulturelle Gedächtnis richtet sich auf Fixpunkte in der Vergangenheit. Auch in ihm vermag sich Vergangenheit nicht als solche zu erhalten. Vergangenheit gerinnt hier vielmehr zu symbolischen Figuren, an die sich die Erinnerung heftet. [...] Der Unterschied zwischen Mythos und Geschichte wird hier hinfällig." Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, 50 u. 52. |
[10] | "Unter Erinnerungskultur schließlich sei die jeweilige Gesamtheit von Denkformen, sozialem Handeln und Institutionenbildung verstanden, die für Gedächtnis, Erinnerung und Gedenken eines Einzelnen, einer Gruppe oder einer bestimmten Gesellschaft spezifisch sind." Otto Gerhard Oexle: Memoria und Erinnerungskultur im Alten Europa – und heute, in: Alexandre Escudier (Hg.): Gedenken im Zwiespalt. Konfliktlinien europäischen Erinnerns, Göttingen 2001, 9-32, hier 12. |
[11] | "Der im Weltkriege zuerst den Heldentod gestorbene Eupener aktive Soldat: Jakob Ponten", in: Vom Krieg und Daheim, Beilage der Eupener Nachrichten vom 15. Februar 1915, in: Staatsarchiv Eupen, Archiv der Stadt Eupen / Eupener Nachrichten / Beilage 1914 1916 'Vom Krieg und Daheim'. |
[12] | "Die wüsten Ausschreitungen einer entfesselten deutschen Soldateska gegenüber der Zivilbevölkerung hielten den ganzen August und auch zu Beginn des Septembers an. Massenexekutionen von Zivilisten waren an der Tagesordnung: Dörfer und Städte wie Battice, Herve, Visé, Andenn, Tamins, Aerschot etc. wurden dem Erdboden gleichgemacht. Am bekanntesten sind die Vorkommnisse in Löwen: Zwischen dem 25. und 28. August kamen dort nicht nur 209 Zivilpersonen zu Tode, sondern auch die weltberühmte Universitätsbibliothek wurde ein Raub der Flammen. Das schlimmste deutsche Kriegsverbrechen im Ersten Weltkrieg in Belgien fand wohl in Dinant an der Maas statt. Dort wurden in der letzten Augustwoche 1914 von ca. 6.000 Einwohnern 671, darunter Säuglinge und Greise, von deutschen Soldaten ermordet und über etliche Hundert in ein Lager bei Kassel verschleppt." Siehe Herbert Ruland: Belgien: Zeitgeschichte und Erinnerung in einem komplizierten Land, in: Bildungswerk der Humanistischen Union NRW (Hg.): Gemeinsames Erinnern an den Nationalsozialismus? Gedenkorte und Geschichtsprojekte in den Niederlanden, Belgien und Nordrhein-Westfalen (= Werkhefte für politische Bildung und Arbeitnehmerweiterbildung 7), Recklinghausen 2000, 22-38, hier 23. |
[13] | Marc Bloch: Réflexions d'un historien sur les fausses nouvelles de la guerre, in: Revue de synthèse historique, 1921. Auf Deutsch erstmals publiziert in: Peter Schöttler (Hg.): Marc Bloch. Aus der Werkstatt des Historikers. Zur Theorie und Praxis der Geschichtswissenschaft, Frankfurt a.M. / New York 2000, 187-211. |
[14] | Eupener Nachrichten vom 31.Oktober 1914, in: Staatsarchiv Eupen, Archiv der Stadt Eupen / Eupener Nachrichten. |
[15] | Siehe u.a. J.P.D. van Banning: Gebiedsovergang en zijn gevolgen, getoest aan de praktijk van de inlijving van Eupen Malmedy door Belgie, Schaesberg 1949; Klaus Pabst: Eupen-Malmedy in der belgischen Regierungs- und Parteienpolitik 1914-1940, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 76 (1964), 206-515 (auch als Sonderdruck, Aachen 1964); Heinz Doepgen: Die Abtretung des Gebietes von Eupen-Malmedy an Belgien im Jahre 1920, Bonn 1966. |
[16] | Siehe Freddy Cremer / Werner Mießen: Spuren. Materialien zur Geschichte der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Eupen 1995, 9. |
[17] | Siehe Freddy Cremer: Verschlusssache Geschichte. Über den Umgang mit der eigenen Vergangenheit, in: Carlo Lejeune / Andreas Fickers / Freddy Cremer: Spuren in die Zukunft. Anmerkungen zu einem bewegten Jahrhundert, Büllingen 2001, 18. |
[18] | Diese Reparationsforderungen gingen weit über das tatsächlich in Versailles ausgehandelte Resultat hinaus. Sie sahen die Einverleibung des Großherzogtums Luxemburg und großer Teile der südlichen Niederlande vor. Zur Person Nothombs und der Arbeit des Comité de Politique Nationale siehe Carlo Lejeune: Die deutsch-belgischen Kulturbeziehungen 1925-1980. Wege zur europäischen Einigung?, Köln / Weimar / Wien 1992. |
[19] | Siehe Maurice Lang: Une expression impropre qui a la vie
dure: Les 'Cantons rédimés', in: Folklore Stavelot, Malmedy,
St.Vith 49-51 (1970-72)/ 34-36, 6-10. Dass heutige Politiker diesen Begriff zudem in einem falschen historischen Kontext gebrauchen, scheint symptomatisch für das mangelnde historische Bewusstsein vieler Politiker zu sein. Der Beauftragte der französischen Gemeinschaft und der wallonischen Region in Paris, Roger Hotermans, erklärte am 20. März 2003 in einem Vortrag vor Studenten der École des Hautes Etudes Politiques in Paris, dass der Begriff 'Cantons rédimés' "le retour de ces cantons dans le giron belge en 1945, après la libération du joug nazi" umschreibe! Siehe Roger Hotermans: Institutions de la Belgique. La formule du 3+3+6+7, in: Amitiés Francophones 2 (mai 2003). Lettre mensuelle d'information publiée par l'Ambassadeur de France Bernard Dorin. |
[20] | Zum dem 'kleinen belgischen Elsass-Lothringen' siehe Jacques Bariéty: Le projet de rétrocession d'Eupen-Malmedy par la Belgique à l'Allemagne, et la France (1925-1926). Un cas d'utilisation de l'arme financière en politique internationale, in: Actes du colloque de Metz: Les relations franco belges de 1830 1934, Metz 1975, 325-349. Zu den napoleonischen Reunionsadressen siehe Josef Smets: Der Rhein, Deutschlands Strom, aber Frankreichs Grenze. Zur Rheinmythologie in Frankreich und Deutschland vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 24 (1998), 29. |
[21] | Albert Renard: Paix ou guerre? Eupen-Malmedy, Alsace-Lorraine, L'Anschluss, Pays-Bas et Belgique, Bruxelles 1930, 119f. |
[22] | Siehe Reinhart Koselleck: Les monuments aux morts, lieux de fondation de l'identité des survivants, in: ders.: L'expérience de l'histoire, Paris 1997, 135-160; sowie Reinhart Koselleck / Michael Jeismann (Hg.): Kriegerdenkmäler in der Moderne, München 1994. |
[23] | Siehe beispielhaft Heidi Christmann: Presse und gesellschaftliche Kommunikation in Eupen Malmedy zwischen den beiden Weltkriegen, München 1974. |
[24] | Unseren Kriegstoten zum Gedenken, Eupener Nachrichten vom 31. Oktober 1931, 23. Jahrgang, Nr. 251, 1. In: Staatsarchiv Eupen / Archiv der Stadt Eupen / Eupener Nachrichten. |
[25] | Reinhart Koselleck: Einleitung, in: ders. / Michael Jeismann: Der politische Totenkult. Kriegerdenkmäler der Moderne, München 1994, 14. |
[26] | Siehe 'Eupener Nachrichten' vom 29.November 1929, 2, in: Staatsarchiv Eupen / Archiv der Stadt Eupen / Eupener Nachrichten. |
[27] | Zu den Aktivitäten des VDA und der 'Heimattreuen Front' in Eupen-Malmedy siehe Bruno Kartheuser: Die 30er-Jahre in Eupen Malmedy. Einblick in das Netzwerk der reichsdeutschen Subversion, Neundorf 2001. |
[28] | Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden bei ca. 25% der Eupen-Malmedyer Untersuchungen über deren politische Aktivitäten vor und während des Krieges angestellt. Davon wurden 1.503 Personen rechtskräftig verurteilt, was 2,41% der Bevölkerung ausmacht (N.B.: Der belgische Durchschnitt lag bei 0,64%). Zusätzlich wurden 1.346 Eupen-Malmedyer expatriiert. Diese Personen, die jegliche Bürgerrechte verloren, wurden im Jargon der 1950er-Jahre als "inciviques" bezeichnet. Über 250 Lehrpersonen mussten ihren Beruf aufgeben. Einen guten Überblick zu diesem bislang kaum thematisierten Kapitel ostbelgischer Geschichte liefern Cremer / Mießen: Spuren 19-29; sowie Pierre Maxence: Les atouts gaspillés ou le drame des Cantons de l'Est, St. Nicolas 1951. |
[29] | Siehe Freddy Cremer: Von den 'Inciviques' zu den 'Modellbelgiern'. Als man den aufrechten Gang wieder lernen musste, in: Lejeune / Fickers / Cremer, 99-116, hier 102. |
[30] | Siehe Grenz-Echo vom 10. Juli 1945, zitiert in: Cremer: Von den 'Inciviques' zu den 'Modellbelgiern', 103. |
[31] | Robert Frank: La mémoire empoisonnée, 555. |
[32] | Zur Geschichte der Autonomie siehe Hubert Jenniges: Hinter Ostbelgischen Kulissen. Stationen auf dem Weg zur Autonomie des deutschen Sprachgebiets in Belgien (1968-72), Eupen 2001. Eine lesenswerte Analyse des Föderalisierungsprozesses aus politikwissenschaftlicher Perspektive bieten Fank Berge / Alexander Grasse: Belgien – Zerfall oder föderales Zukunftsmodell? Der flämisch-wallonische Konflikt und die Deutschsprachige Gemeinschaft, Opladen 2003. |
[33] | Rat der deutschen Kulturgemeinschaft. Ausführliche Berichte (1974). Plenarsitzung vom 9. Juli 1974, 216. |
[34] | Zum Thema 'Opferselbstbildnis' als Topoi der Vergangenheitsbewältigung siehe die aufschlussreichen Arbeiten von Gesine Schwan: Politik und Schuld. Die zerstörerische Macht des Schweigens, Frankfurt a.M. 1997; sowie Peter Reichel: Vergangenheitsbewältigung in Deutschland. Die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur von 1945 bis heute, München 2001. |
[35] | Karl-Heinz Lambertz: Rede zum Tag der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens am 15. November 2000, in: www.dglive.be |
[36] | Micha Brumlik: Individuelle Erinnerung – kollektive Erinnerung. Psychosoziale Konstitutionsbedingungen des erinnernden Subjekts, in: Hanno Loewy / Bernhard Moltmann (Hg.): Erlebnis, Gedächtnis, Sinn. Authentische und konstruierte Erinnerung, Frankfurt a.M. / New York 1996, 34. |
[37] | Rat der deutschen Kulturgemeinschaft. Ausführliche Berichte. Sitzungsperiode 1979-1980, Plenarsitzung vom 30. Juni 1980, 396. |
[38] | Jenniges: Hinter ostbelgischen Kulissen, 174. |
[39] | Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1998, 31. |
[40] | Brief des Direktors der Reiseerlaubnis-Verwaltung, R. Staneley, an die Abteilung "Political Division" in Berlin, 5. März 1947, in: Public Record Office (London), Signatur FO 1049/933. |