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Wer kennt nicht die Überschriften "Die Telekom-Konzerne konzentrieren sich auf den Schuldenabbau" [1] oder "Baukonzern Holzmann steht vor der Insolvenz", "Holzmann-Gläubiger werden erst in fünf Jahren ausgezahlt"? [2] Schulden, die wie hier und heute im großen, aber auch im kleinen Stil streitig sind oder deren Begleichung ungewiss ist, und aus diesen und anderen Gründen gerichtshängig werden, sind durchaus kein modernes Phänomen. Auch die Reichsgerichte hatten sich mit Schulden auseinander zu setzen.
Wer kennt nicht die Überschriften "Die Telekom-Konzerne konzentrieren sich auf den Schuldenabbau" [1] oder "Baukonzern Holzmann steht vor der Insolvenz", "Holzmann-Gläubiger werden erst in fünf Jahren ausgezahlt"? [2] Schulden, die wie hier und heute im großen, aber auch im kleinen Stil streitig sind oder deren Begleichung ungewiss ist, und aus diesen und anderen Gründen gerichtshängig werden, sind durchaus kein modernes Phänomen. Auch die Reichsgerichte hatten sich mit Schulden auseinander zu setzen.
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Schulden stellen die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber seinem Gläubiger zu einer (Geld-) Leistung dar, die im Rahmen eines Schuldverhältnisses begründet wurde. Von Reichsgerichtsakten als Quelle für Erkenntnisse über Schulden sprechen zu können, bedingt mehrere Aspekte: Sowohl begrifflich als auch inhaltlich wurden erst mit der Rezeption die Prinzipien des Konsensualvertrages nach römischem Recht und der Klagbarkeit aller Verträge nach kanonischem Recht eingeführt und mittelalterliche Vorstellungen überwunden. [3] Hierzu zählt insbesondere, dass die persönliche Haftung, etwa in Form der Schuldknechtschaft, in den Hintergrund trat und nunmehr vornehmlich auf das schuldnerische Vermögen zurückgegriffen wurde. Prozessual korrespondierte diese Entwicklung mit der Bildung und Ausformung von Klagemöglichkeiten auf Erfüllung von Geld, verbunden mit der Fortentwicklung von Vollstreckungsmöglichkeiten. Schließlich setzten Schulden als reichsgerichtlicher Streitgegenstand gedanklich voraus, dass das maßgebliche Rechtsgeschäft kein Bargeschäft war, sondern die Erfüllung der Schulden im Rahmen eines Schuldvertrages für verbindlich erklärt wurde, ohne dass sich die Zahlung unmittelbar angeschlossen hätte. Dementsprechend häufig legte die klagende Partei zum Beweis ihrer behaupteten Forderung einen Schuldbrief vor, also eine Urkunde, in der sich der Schuldner zu einer zu zahlenden Schuld bekannte. [4] Nicht selten liegen den Gerichtsakten die Originale solcher Urkunden bei. Mindestens ebenso reizvoll sind aber auch andere Beilagen wie etwa Kaufmannsbücher. Spätestens damit rücken Reichsgerichtsakten, die ihre Entstehung Verfahren wegen streitigen Schuldverhältnissen zu verdanken haben, auch in das Blickfeld von Wirtschaftshistorikern. Denn mit Hilfe solcher Aktenkonvolute kann auch einer Vielzahl nichtjuristischer Fragen nachgegangen werden, die, bezogen auf die Reichsgerichtsakten als Quelle, in weiten Teilen noch als Forschungsdesiderate zu bezeichnen sind. Hierzu zählen ökonomische Entwicklungslinien, die mit Hilfe von Prozessakten sozusagen mikrohistorisch nachgezeichnet werden können. Zudem geben die Quellen Einblicke in spezielle Kaufmannsgebaren und regionale wie überregionale Handelsverbindungen, um nur einige wenige Stichworte zu nennen.
Schulden stellen die Verpflichtung eines Schuldners gegenüber seinem Gläubiger zu einer (Geld-) Leistung dar, die im Rahmen eines Schuldverhältnisses begründet wurde. Von Reichsgerichtsakten als Quelle für Erkenntnisse über Schulden sprechen zu können, bedingt mehrere Aspekte: Sowohl begrifflich als auch inhaltlich wurden erst mit der Rezeption die Prinzipien des Konsensualvertrages nach römischem Recht und der Klagbarkeit aller Verträge nach kanonischem Recht eingeführt und mittelalterliche Vorstellungen überwunden. [3] Hierzu zählt insbesondere, dass die persönliche Haftung, etwa in Form der Schuldknechtschaft, in den Hintergrund trat und nunmehr vornehmlich auf das schuldnerische Vermögen zurückgegriffen wurde. Prozessual korrespondierte diese Entwicklung mit der Bildung und Ausformung von Klagemöglichkeiten auf Erfüllung von Geld, verbunden mit der Fortentwicklung von Vollstreckungsmöglichkeiten. Schließlich setzten Schulden als reichsgerichtlicher Streitgegenstand gedanklich voraus, dass das maßgebliche Rechtsgeschäft kein Bargeschäft war, sondern die Erfüllung der Schulden im Rahmen eines Schuldvertrages für verbindlich erklärt wurde, ohne dass sich die Zahlung unmittelbar angeschlossen hätte. Dementsprechend häufig legte die klagende Partei zum Beweis ihrer behaupteten Forderung einen Schuldbrief vor, also eine Urkunde, in der sich der Schuldner zu einer zu zahlenden Schuld bekannte. [4] Nicht selten liegen den Gerichtsakten die Originale solcher Urkunden bei. Mindestens ebenso reizvoll sind aber auch andere Beilagen wie etwa Kaufmannsbücher. Spätestens damit rücken Reichsgerichtsakten, die ihre Entstehung Verfahren wegen streitigen Schuldverhältnissen zu verdanken haben, auch in das Blickfeld von Wirtschaftshistorikern. Denn mit Hilfe solcher Aktenkonvolute kann auch einer Vielzahl nichtjuristischer Fragen nachgegangen werden, die, bezogen auf die Reichsgerichtsakten als Quelle, in weiten Teilen noch als Forschungsdesiderate zu bezeichnen sind. Hierzu zählen ökonomische Entwicklungslinien, die mit Hilfe von Prozessakten sozusagen mikrohistorisch nachgezeichnet werden können. Zudem geben die Quellen Einblicke in spezielle Kaufmannsgebaren und regionale wie überregionale Handelsverbindungen, um nur einige wenige Stichworte zu nennen.
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Die Parteien rekrutierten sich nach ihrem Rechtsstatus zum überwiegenden Anteil aus dem privaten Bereich, nur vereinzelt traten Territorien, Ritterorden, kirchliche Institutionen, Staatsorgane eines Territoriums oder Ortschaften als Gläubiger bzw. Schuldner in Erscheinung. Meist handelte es sich um Stadtbewohner, viele von ihnen waren Kaufleute. Nicht zuletzt auch mit der Profession der Verfahrensparteien hängt die Prozesshäufigkeit im Hinblick auf ihr Herkunftsgebiet zusammen. Zumindest grob lässt sich feststellen, dass Schuldklagen am häufigsten von größeren Städten ausgehend, insbesondere Handelsstädten wie zum Beispiel Köln oder Frankfurt, rechtshängig gemacht wurden und so an die höchsten Gerichte des Reiches gelangten. [5]
Die Parteien rekrutierten sich nach ihrem Rechtsstatus zum überwiegenden Anteil aus dem privaten Bereich, nur vereinzelt traten Territorien, Ritterorden, kirchliche Institutionen, Staatsorgane eines Territoriums oder Ortschaften als Gläubiger bzw. Schuldner in Erscheinung. Meist handelte es sich um Stadtbewohner, viele von ihnen waren Kaufleute. Nicht zuletzt auch mit der Profession der Verfahrensparteien hängt die Prozesshäufigkeit im Hinblick auf ihr Herkunftsgebiet zusammen. Zumindest grob lässt sich feststellen, dass Schuldklagen am häufigsten von größeren Städten ausgehend, insbesondere Handelsstädten wie zum Beispiel Köln oder Frankfurt, rechtshängig gemacht wurden und so an die höchsten Gerichte des Reiches gelangten. [5]
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Die vor den Reichsgerichten verhandelten Schuldverträge sind unterschiedlichster Natur und treten mit wechselnder Häufigkeit auf. Es zählten zu den Schulden u.a. solche aus Kaufverträgen, Bürgschaften, Darlehen, Gülten, Hypotheken, Kautionen oder Wechseln. Im 16. Jahrhundert nahmen die städtischen Grundschulden den breitesten Raum ein, in den darauf folgenden Jahrhunderten stammten die Schulden bei einem Blick auf die Zusammensetzung des Gesamtaufkommens der Schuldklagen zu einem größeren Teil aus Darlehen oder aus Wechseln. Diese Spitzen korrespondierten im Allgemeinen mit gesamtwirtschaftlichen bzw. reichs- oder territorialpolitischen Entwicklungen und Tendenzen. [6]
Die vor den Reichsgerichten verhandelten Schuldverträge sind unterschiedlichster Natur und treten mit wechselnder Häufigkeit auf. Es zählten zu den Schulden u.a. solche aus Kaufverträgen, Bürgschaften, Darlehen, Gülten, Hypotheken, Kautionen oder Wechseln. Im 16. Jahrhundert nahmen die städtischen Grundschulden den breitesten Raum ein, in den darauf folgenden Jahrhunderten stammten die Schulden bei einem Blick auf die Zusammensetzung des Gesamtaufkommens der Schuldklagen zu einem größeren Teil aus Darlehen oder aus Wechseln. Diese Spitzen korrespondierten im Allgemeinen mit gesamtwirtschaftlichen bzw. reichs- oder territorialpolitischen Entwicklungen und Tendenzen. [6]
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Nach der Einschätzung von Paul Wigand, dem königlich preußischen Stadtgerichtsdirektor in Wetzlar, der seit 1839 mit der Aufteilung des Reichskammergerichtsarchivs auf die einzelnen Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes beschäftigt war, handelte es sich bei den Schuld- und Wechselklagen um einen der am häufigsten auftretenden Streitgegenstände. [7] Und tatsächlich: moderne Erhebungen mittels der so genannten "historisch-quantitativen Analyse" [8] haben gezeigt, dass geldwirtschaftliche Prozesse mit rund 20% schon im 16. Jahrhundert und ab 1600 für die folgenden zwei Jahrhunderte mit durchschnittlich über 30% und einer Spitze von knapp 53% in den 1640er-Jahren den größten Teil der reichskammergerichtlichen Verfahren insgesamt darstellen.
Nach der Einschätzung von Paul Wigand, dem königlich preußischen Stadtgerichtsdirektor in Wetzlar, der seit 1839 mit der Aufteilung des Reichskammergerichtsarchivs auf die einzelnen Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes beschäftigt war, handelte es sich bei den Schuld- und Wechselklagen um einen der am häufigsten auftretenden Streitgegenstände. [7] Und tatsächlich: moderne Erhebungen mittels der so genannten "historisch-quantitativen Analyse" [8] haben gezeigt, dass geldwirtschaftliche Prozesse mit rund 20% schon im 16. Jahrhundert und ab 1600 für die folgenden zwei Jahrhunderte mit durchschnittlich über 30% und einer Spitze von knapp 53% in den 1640er-Jahren den größten Teil der reichskammergerichtlichen Verfahren insgesamt darstellen.
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Am Reichskammergericht wurden Schuldforderungen nicht nur zweitinstanzlich im Rahmen von Appellationen verhandelt - freilich mit einem verhältnismäßig großen Aufkommen von rund 80% -, sondern die Parteien strengten deswegen auch Mandats- und Zitationsverfahren an. Gerade Mandatsprozesse, die einstweiligen Rechtsschutz herbeiführen sollten, lassen sich bei eingeklagten Schulden häufiger zuordnen. Die Anträge lauteten u.a. auf Arrestanlage bzw. -aufhebung oder Befriedigung des Gläubigers aus hinterlegter Kaution, auf Verhaftung des flüchtigen Schuldners, auf Verfügungen zur Rechtshilfe oder Durchführung von Vollstreckungshandlungen.
Am Reichskammergericht wurden Schuldforderungen nicht nur zweitinstanzlich im Rahmen von Appellationen verhandelt - freilich mit einem verhältnismäßig großen Aufkommen von rund 80% -, sondern die Parteien strengten deswegen auch Mandats- und Zitationsverfahren an. Gerade Mandatsprozesse, die einstweiligen Rechtsschutz herbeiführen sollten, lassen sich bei eingeklagten Schulden häufiger zuordnen. Die Anträge lauteten u.a. auf Arrestanlage bzw. -aufhebung oder Befriedigung des Gläubigers aus hinterlegter Kaution, auf Verhaftung des flüchtigen Schuldners, auf Verfügungen zur Rechtshilfe oder Durchführung von Vollstreckungshandlungen.
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Eine abschließende quantitative Untersuchung des reichshofrätlichen Aktenbestandes steht noch aus. Einige territoriale Untersuchungen, die den Reichshofrat mit einbeziehen, weisen jedoch jetzt schon darauf hin, dass Schuldenklagen auch am Wiener Gericht den Hauptstreitgegenstand bildeten. [9]
Eine abschließende quantitative Untersuchung des reichshofrätlichen Aktenbestandes steht noch aus. Einige territoriale Untersuchungen, die den Reichshofrat mit einbeziehen, weisen jedoch jetzt schon darauf hin, dass Schuldenklagen auch am Wiener Gericht den Hauptstreitgegenstand bildeten. [9]
[1] | Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 15. Februar 03, Wirtschaft. |
[2] | Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21. März 02 u. 28. März 02, Wirtschaft, Rhein-Main-Zeitung. |
[3] | Zu diesen Karl Otto Scherner: Schuld. I. Allgemein und Deutsches Recht, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München / Zürich 1995, 1575-1577. |
[4] | Zum Begriff des Schuldbriefs Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, Nachdruck der Erstausgabe1899, München 1999, Bd. 15, 1894 f. |
[5] | Hierzu und zu den folgenden Gesichtspunkten Filippo Ranieri: Recht und Gesellschaft im Zeitalter der Rezeption. Eine rechts- und sozialgeschichtliche Analyse der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. Jahrhundert, zwei Bände (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 17/I u. II), Köln 1985, hier II, 482-487, 505-507; Anette Baumann: Die Gesellschaft der Frühen Neuzeit im Spiegel der Reichskammergerichtsprozesse. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung zum 17. und 18. Jahrhundert (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 36), Köln / Weimar / Wien 2001, 84f., 153, 158f.; Anja Amend in der noch nicht erschienenen Habilitationsschrift über Schuldklagen aus Wechseln. |
[6] | Allgemein dazu Anette Baumann: Gesellschaft (wie Anm. 5), 85 f. Speziell im Hinblick auf Wechselschulden Anja Amend. (wie Anm. 5) |
[7] | Paul Wigand: Denkschrift, das ehemalige deutsche Reichskammergerichts-Archiv zu Wetzlar betreffend und der königlich preußischen Regierung am 23. Juli 1852 überreicht, in: Ders.: Denkwürdigkeiten für die deutsche Staats- und Rechtswissenschaft, für Rechtsalterthümer, Sitten und Gewohnheiten des Mittelalters, gesammelt aus dem Archiv des Reichskammergerichts in Wetzlar / Leipzig 1854, § 11, S. XXI. |
[8] | Die erstmals Mitte der siebziger Jahre von Ranieri auf Reichskammergerichtsakten angewendete Methode beschränkte sich weitgehend auf das 16. Jahrhundert und auf Prozesse, bei denen der Nachname des Klägers mit dem Buchstaben A beginnt. Diese Analyse wurde von Baumann, Gesellschaft, auf das 17. und 18. Jahrhundert und auch inhaltlich auf die Anfangsbuchstaben A bis E erweitert. (wie Anm. 5) |
[9] | Nils Jörn / Michael North (Hg.): Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 35), Köln / Weimar / Wien 2000; Eva Ortlieb: Im Auftrag des Kaisers. Die kaiserlichen Kommissionen des Reichshofrats und die Regelung von Konflikten im Alten Reich (1637-1657) (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 38), Köln / Weimar / Wien 2001; Siegrid Westphal: Kaiserliche Rechtsprechung und herrschaftliche Stabilisierung. Reichsgerichtsbarkeit in den thüringischen Territorialstaaten 1648-1806 (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 43), zugleich Univ. Habil.-Schr. Jena 2001, Köln / Weimar / Wien 2002. |