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  3 (2004), Nr. 3: Inhalt
Anette Baumann
Der Aufbau einer Reichskammergerichtsprozessakte
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Während der über dreihundert Jahre dauernden Geschichte des Reichskammergerichts gab es in Bezug auf die äußere Form der Akten zwar große Unterschiede in der Schrift und dem Umfang der Akten, aber nicht in ihrem inneren Aufbau.

Abb. 1

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Einer der Gründe dafür war sicherlich die Schriftlichkeit des Verfahrens.
Die Anwälte des Gerichts, die Prokuratoren, reichten die einzelnen Schriftsätze der von ihnen vertretenen Parteien in den wöchentlich mehrmals stattfindenden 'Audienzen' (Sitzungen) des Gerichts, die öffentlich waren, ein. Im Laufe der Zeit wuchsen die zu den verschiedenen Verfahren eingehenden Produkte stetig an. Sie wurden in wiederholten Zeitabständen "komplettiert", d. h. aus der Fülle der eingegangenen Akten formierten Kanzleibedienstete die zu einem Prozess gehörenden Schriftsätze zu einer Einzelakte und versahen sie mit einer Art Inhaltsverzeichnis, dem sog. 'Spezialprotokoll'.

Abb. 2

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Das Spezialprotokoll enthält in chronologischer Reihenfolge Auszüge aus den allgemeinen Sitzungsprotokollen, die speziell den genannten Prozess betrafen. Die Schriftstücke wurden mit dem Einreichungstermin im Spezialprotokoll gekennzeichnet und am linken Blattrand mit einer quadratisch eingerahmten Ziffer durchnummeriert. Diese quadratisch eingerahmten Ziffern nennt man in der Fachsprache 'Quadrangel'. Mit den einzelnen Schriftstücken wurde nun in gleicher Weise verfahren.

Abb. 3

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Durch diese 'doppelte Buchführung' kann heute noch mit Hilfe des Spezialprotokolls die Vollständigkeit einer Akte überprüft werden. Jedoch muss beachtet werden, dass das Spezialprotokoll gelegentlich vor dem Ende des Prozesses abbricht.
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Die einzelnen Akten sind je nach Prozessart immer nach dem gleichen Schema aufgebaut:
Im erstinstanzlichen Verfahren enthält der Akt das Ladungsschreiben, ab 1654 die Bitte um Erkenntnis eines Prozesses als gesondertes Schriftstück, die Vollmacht der Prokuratoren und die Serie der von den Parteien im Wechsel vorgebrachten Einreden und Gegendarstellungen. Sie werden Exzeptionen, Replik, Duplik, Triplik etc. genannt. Danach folgen die Konklusions- und Submissionsschriften mit der abschließenden Stellungnahme der Parteien und die Bitte um ein Urteil. Begleitet sind die Schriftstücke von einer mehr oder weniger großen Anzahl beweiserheblicher Unterlagen. Zu nennen sind hier Urkunden, Bilanzen, Stammbäume, Karten, Pläne, Testamente, Inventare und vieles mehr.
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Handelt es sich um ein Appellationsverfahren kommen noch das Kompulsorial- und das Inhibitionsschreiben an die Vorinstanz hinzu. Es handelt sich dabei um den Befehl der Herausgabe der Vorakten oder das Verbot an die Vorinstanz in dieser Sache weiter zu verfahren. Hinzu kommen das Appellationslibell mit den Beschwerdegründen sowie das Appellationsinstrument über die Einhaltung der Formalien bei der Einlegung der Appellation und die oft sehr umfangreichen Vorakten. Urteilsausfertigungen sind dagegen in den Akten grundsätzlich nicht vorhanden. Manchmal erscheint jedoch der Tenor der Zwischen- und Endurteile im Spezialprotokoll. Daneben wurden die Urteile in chronologisch geführte Urteilsbücher eingetragen, die ab 1573 jedoch mit Lücken erhalten sind. Die Entscheidungsgründe finden sich nur in Senatsprotokollen, deren kontinuierliche Überlieferung erst 1711 einsetzt, so dass nur für das 18. Jahrhundert die Urteilsfindung der Assessoren erschlossen werden kann.
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Dieses Ordnungsprinzip, das nur selten unterbrochen wurde, macht es auch heute leicht, sich mühelos in den Akten aus den verschiedenen Epochen zu Recht zu finden, zumal auch die Erschließung der Akten durch modernere Verzeichnisse inzwischen wohl zu vier Fünfteln abgeschlossen ist. Siehe hierzu den Artikel 'DFG-Verzeichnung der Reichskammergerichtsakten'.
Literatur
Elisabeth Noichl: Einführung in die Bayerischen Archivinventare, hg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns, 50/1, Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 1, Nr. 1-428 (Buchstabe A), bearb. von Barbara Gebhardt und Manfred Hörner, München 1994.
Sönke Lorenz: Das Reichskammergericht. Ein Überblick für den angehenden Benutzer von Reichskammergerichts-Akten über Geschichte, Rechtsgang und Archiv des Reichsgerichtes mit besonderer Berücksichtigung des südwestdeutschen Raumes, in: ZWLG (43) 1984, 175-203.
Bettina Dick: Die Entwicklung des Kameralprozesses nach den Ordnungen von 1495 bis 1555 (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 10), Köln / Wien 1981.

Autorin:
Dr. Anette Baumann M.A.
Leiterin der Forschungsstelle
der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung
Rosengasse 16
35578 Wetzlar
forschungsstelle@reichskammergericht.de

Empfohlene Zitierweise:

Anette Baumann: Der Aufbau einer Reichskammergerichtsprozessakte, in: zeitenblicke 3 (2004), Nr. 3, [13.12.2004], URL: <Bitte fügen Sie hier aus der Adresszeile des Browsers die aktuelle URL ein.>

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