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Forschungen zum Alten Reich zeigen traditionell wenig Interesse an der Geschichte des südlichen Ostseeraumes. Die dort liegenden Herzogtümer Holstein, Sachsen-Lauenburg, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz sowie Vor- und Hinterpommern, die Reichsstadt Lübeck, die Bistümer Lübeck, Ratzeburg, Schwerin und Kammin werden bis in die Gegenwart hinein häufig pauschal als reichsfern klassifiziert, ohne näher zu erklären, nach welchen Kriterien diese Einschätzung zustande kam oder ob sie für die gesamte Frühe Neuzeit aufrecht erhalten werden kann. Ein Grund für diese Sicht mag darin liegen, dass die entsprechenden Territorien an dem staatlich-organisatorischen Verdichtungsprozess des Reiches im Spätmittelalter nicht teilgenommen haben und erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts in "Reichstagsdeutschland" integriert wurden. [1] Ein anderer Grund kann in der Zwitterstellung wichtiger Territorien in diesem Raum gesehen werden. Holsteins enge Verbindungen zum Herzogtum Schleswig und somit auch zum Königreich Dänemark rührten aus dem Mittelalter her, Vorpommern geriet im Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges unter schwedische Herrschaft. Beide nordischen Mächte versuchten natürlich auf vielfältige Weise, diese Reichslehen in ihre Gesamtstaaten zu integrieren und wirkten somit den Integrationsbemühungen in das Alte Reich bewusst entgegen. Es galt daher zu untersuchen, welche integrativen Bemühungen erfolgreicher waren.
Forschungen zum Alten Reich zeigen traditionell wenig Interesse an der Geschichte des südlichen Ostseeraumes. Die dort liegenden Herzogtümer Holstein, Sachsen-Lauenburg, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz sowie Vor- und Hinterpommern, die Reichsstadt Lübeck, die Bistümer Lübeck, Ratzeburg, Schwerin und Kammin werden bis in die Gegenwart hinein häufig pauschal als reichsfern klassifiziert, ohne näher zu erklären, nach welchen Kriterien diese Einschätzung zustande kam oder ob sie für die gesamte Frühe Neuzeit aufrecht erhalten werden kann. Ein Grund für diese Sicht mag darin liegen, dass die entsprechenden Territorien an dem staatlich-organisatorischen Verdichtungsprozess des Reiches im Spätmittelalter nicht teilgenommen haben und erst im Verlauf des 16. Jahrhunderts in "Reichstagsdeutschland" integriert wurden. [1] Ein anderer Grund kann in der Zwitterstellung wichtiger Territorien in diesem Raum gesehen werden. Holsteins enge Verbindungen zum Herzogtum Schleswig und somit auch zum Königreich Dänemark rührten aus dem Mittelalter her, Vorpommern geriet im Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges unter schwedische Herrschaft. Beide nordischen Mächte versuchten natürlich auf vielfältige Weise, diese Reichslehen in ihre Gesamtstaaten zu integrieren und wirkten somit den Integrationsbemühungen in das Alte Reich bewusst entgegen. Es galt daher zu untersuchen, welche integrativen Bemühungen erfolgreicher waren.
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Auf Initiative des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Greifswald (Prof. Michael North, PD Dr. Martin Krieger, Dr. Nils Jörn, Tobias Freitag M. A.), in Verbindung mit dem Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg (Prof. Wolfgang E. J. Weber) und dem Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Kiel (Prof. Olaf Mörke) untersuchten daher die beteiligten Historiker, ob es überhaupt eine Integration des südlichen Ostseeraumes in die Strukturen des Alten Reiches gab, wann sie einsetzte, auf welche Weise sie umgesetzt wurde und wie fest der untersuchte Raum in den Strukturen des Alten Reiches verankert war. Gefördert von der Volkswagenstiftung wurden zunächst Kriterien entwickelt, an denen die Integration / Desintegration messbar wurde. Davon ausgehend, dass Integration 1. durch die Zentralisation von Entscheidungen und damit durch eine Verlagerung von Entscheidungen von einer territorialen auf eine gesamtstaatliche Ebene, 2. durch die Zunahme politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verflechtungen, 3. durch die Ausbildung gemeinsamer Strukturen, Institutionen und Werte gekennzeichnet ist, wurden Untersuchungsgebiete gesucht, in denen diese Formen der Integration nachweisbar sind. [2] Schließlich wurden die Nutzung der höchsten Reichsgerichte, die Teilnahme an den Reichstagen, [3] die Zahlung von Reichssteuern, [4] die Präsentation von qualifizierten Juristen an die höchsten Reichsgerichte, [5] die Wahrnehmung und Verteidigung der nördlichen Reichsgrenzen [6] sowie der Beitrag zur Reichspublizistik bzw. das Gewicht, das norddeutsche Fragen in der Reichspublizistik einnahmen, [7] als wichtige Kriterien für die Integration der genannten Territorien in das Alte Reich erkannt und von den einzelnen Mitarbeitern schwerpunktmäßig bearbeitet.
Auf Initiative des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Greifswald (Prof. Michael North, PD Dr. Martin Krieger, Dr. Nils Jörn, Tobias Freitag M. A.), in Verbindung mit dem Institut für Europäische Kulturgeschichte der Universität Augsburg (Prof. Wolfgang E. J. Weber) und dem Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Kiel (Prof. Olaf Mörke) untersuchten daher die beteiligten Historiker, ob es überhaupt eine Integration des südlichen Ostseeraumes in die Strukturen des Alten Reiches gab, wann sie einsetzte, auf welche Weise sie umgesetzt wurde und wie fest der untersuchte Raum in den Strukturen des Alten Reiches verankert war. Gefördert von der Volkswagenstiftung wurden zunächst Kriterien entwickelt, an denen die Integration / Desintegration messbar wurde. Davon ausgehend, dass Integration 1. durch die Zentralisation von Entscheidungen und damit durch eine Verlagerung von Entscheidungen von einer territorialen auf eine gesamtstaatliche Ebene, 2. durch die Zunahme politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verflechtungen, 3. durch die Ausbildung gemeinsamer Strukturen, Institutionen und Werte gekennzeichnet ist, wurden Untersuchungsgebiete gesucht, in denen diese Formen der Integration nachweisbar sind. [2] Schließlich wurden die Nutzung der höchsten Reichsgerichte, die Teilnahme an den Reichstagen, [3] die Zahlung von Reichssteuern, [4] die Präsentation von qualifizierten Juristen an die höchsten Reichsgerichte, [5] die Wahrnehmung und Verteidigung der nördlichen Reichsgrenzen [6] sowie der Beitrag zur Reichspublizistik bzw. das Gewicht, das norddeutsche Fragen in der Reichspublizistik einnahmen, [7] als wichtige Kriterien für die Integration der genannten Territorien in das Alte Reich erkannt und von den einzelnen Mitarbeitern schwerpunktmäßig bearbeitet.
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Ein zentrales Anliegen des Projekts war die Untersuchung der Frage, inwieweit die Bewohner des südlichen Ostseeraumes die höchsten Reichsgerichte, Reichskammergericht und Reichshofrat, in Anspruch genommen haben. Dazu untersuchte Bernhard Diestelkamp, der das Projekt freundschaftlich begleitete und wichtige Anregungen gab, zunächst die Nutzung des Reichskammergerichts. Er bezog dabei mit Livland und Preußen auch Territorien ein, die außerhalb des eigentlichen Untersuchungsraumes lagen. [8] Anhand von Aussagen zu Gerichtsorganisation, kaiserlichen Appellationsprivilegien und Nutzung des Reichskammergerichts entwickelte er Thesen zur Inanspruchnahme dieses Gerichts aus den Territorien des Ostseeraumes.
Ein zentrales Anliegen des Projekts war die Untersuchung der Frage, inwieweit die Bewohner des südlichen Ostseeraumes die höchsten Reichsgerichte, Reichskammergericht und Reichshofrat, in Anspruch genommen haben. Dazu untersuchte Bernhard Diestelkamp, der das Projekt freundschaftlich begleitete und wichtige Anregungen gab, zunächst die Nutzung des Reichskammergerichts. Er bezog dabei mit Livland und Preußen auch Territorien ein, die außerhalb des eigentlichen Untersuchungsraumes lagen. [8] Anhand von Aussagen zu Gerichtsorganisation, kaiserlichen Appellationsprivilegien und Nutzung des Reichskammergerichts entwickelte er Thesen zur Inanspruchnahme dieses Gerichts aus den Territorien des Ostseeraumes.
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Gestützt auf die maßgeblichen Vorarbeiten Filippo Ranieris zur statistischen Auswertung der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. und 17. Jahrhundert, erforschten Nils Jörn und Tobias Freitag, [9] die Nutzung der höchsten Reichsgerichte durch Territorien und Bewohner des südlichen Ostseeraumes im Zeitraum von 1495 bis 1806. Sie nutzten dafür die Inventarisierung der Reichskammergerichtsprozessakten in den Archiven von Lübeck, Hamburg, Schleswig und Schwerin, das Ablieferungsverzeichnis der pommerschen Akten aus dem Wetzlarer Staatsarchiv und unternahmen eigene Recherchen in den Findbehelfen zu den verschiedenen Serien der Reichshofratsakten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Die beiden Forscher prüften, wie lange die Reichsgerichte brauchten, um Fälle aus den einzelnen Territorien Norddeutschlands zu erledigen, wie sich die Prozessgegenstände verteilten und ob sie sich auffällig von der durch Ranieri festgestellten Gesamtheit der Inanspruchnahme unterschieden. Sie untersuchten auch, wie häufig die unterschiedlichen sozialen Schichten der verschiedenen Territorien die Reichsgerichte bemühten. Diese Hauptfragen verfeinerten sie durch zahlreiche Vernetzungen, indem sie u. a. analysierten, wie lange die Reichsgerichte durchschnittlich zur Erledigung einzelner Prozessgegenstände benötigten, wie sich dies im Laufe des Bestehens der Gerichte veränderte, welche sozialen Schichten vorrangig letztinstanzlich prozessierten und ob standesbedingte Unterschiede in der Erledigungszeit der Prozesse nachzuweisen sind. Dabei wurden die Erkenntnisse Ranieris permanent mit den eigenen Ergebnissen für den südlichen Ostseeraum verglichen.
Gestützt auf die maßgeblichen Vorarbeiten Filippo Ranieris zur statistischen Auswertung der Tätigkeit des Reichskammergerichts im 16. und 17. Jahrhundert, erforschten Nils Jörn und Tobias Freitag, [9] die Nutzung der höchsten Reichsgerichte durch Territorien und Bewohner des südlichen Ostseeraumes im Zeitraum von 1495 bis 1806. Sie nutzten dafür die Inventarisierung der Reichskammergerichtsprozessakten in den Archiven von Lübeck, Hamburg, Schleswig und Schwerin, das Ablieferungsverzeichnis der pommerschen Akten aus dem Wetzlarer Staatsarchiv und unternahmen eigene Recherchen in den Findbehelfen zu den verschiedenen Serien der Reichshofratsakten im Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien. Die beiden Forscher prüften, wie lange die Reichsgerichte brauchten, um Fälle aus den einzelnen Territorien Norddeutschlands zu erledigen, wie sich die Prozessgegenstände verteilten und ob sie sich auffällig von der durch Ranieri festgestellten Gesamtheit der Inanspruchnahme unterschieden. Sie untersuchten auch, wie häufig die unterschiedlichen sozialen Schichten der verschiedenen Territorien die Reichsgerichte bemühten. Diese Hauptfragen verfeinerten sie durch zahlreiche Vernetzungen, indem sie u. a. analysierten, wie lange die Reichsgerichte durchschnittlich zur Erledigung einzelner Prozessgegenstände benötigten, wie sich dies im Laufe des Bestehens der Gerichte veränderte, welche sozialen Schichten vorrangig letztinstanzlich prozessierten und ob standesbedingte Unterschiede in der Erledigungszeit der Prozesse nachzuweisen sind. Dabei wurden die Erkenntnisse Ranieris permanent mit den eigenen Ergebnissen für den südlichen Ostseeraum verglichen.
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Auf diese Art ließen sich für das Reichskammergericht relativ sichere Erkenntnisse gewinnen, die u.a. zeigen, dass die Parteien erst vergleichsweise spät dauerhaft das Gericht nutzten, dass sich die zeitliche Inanspruchnahme jedoch seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts exakt wie im Rest des Reiches entwickelte. Außerdem erledigte das Reichskammergericht wesentlich zügiger als gedacht - nämlich schneller als im von Ranieri ermittelten Reichsdurchschnitt - die Fälle aus dem Norden. Zudem war die Prozessstruktur stark von Fällen aus den Bereichen Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe geprägt, ein Befund, den man für den agrarisch geprägten Norden nicht vermutet hätte. Die Parteien wussten sehr genau darüber Bescheid, wann die Arbeit des Reichskammergerichts ruhte und verhielten sich dementsprechend. Es konnte festgestellt werden, dass sich - wie im Rest des Reiches - die soziale Struktur der Kläger/Appellanten gemessen an der Sozialstruktur der Gesamtbevölkerung umgekehrt proportional abbildete. Für den Reichshofrat konnten, aufgrund der unbefriedigenden archivarischen Erschließung der Prozessakten und der daraus resultierenden entsprechenden Forschungslage, nur erste Thesen im Vergleich zum Reichskammergericht aufgestellt werden, für einen reichsweiten Vergleich fehlten entsprechende Arbeiten. Das Projekt war jedoch in der Lage, erste Aussagen zur quantitativen Nutzung des Reichshofrates durch die einzelnen Territorien des Reichsnordens zu formulieren, die mit der fortschreitenden Verzeichnung der Wiener Akten erweitert und geprüft werden können.
Auf diese Art ließen sich für das Reichskammergericht relativ sichere Erkenntnisse gewinnen, die u.a. zeigen, dass die Parteien erst vergleichsweise spät dauerhaft das Gericht nutzten, dass sich die zeitliche Inanspruchnahme jedoch seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts exakt wie im Rest des Reiches entwickelte. Außerdem erledigte das Reichskammergericht wesentlich zügiger als gedacht - nämlich schneller als im von Ranieri ermittelten Reichsdurchschnitt - die Fälle aus dem Norden. Zudem war die Prozessstruktur stark von Fällen aus den Bereichen Geldwirtschaft sowie Handel und Gewerbe geprägt, ein Befund, den man für den agrarisch geprägten Norden nicht vermutet hätte. Die Parteien wussten sehr genau darüber Bescheid, wann die Arbeit des Reichskammergerichts ruhte und verhielten sich dementsprechend. Es konnte festgestellt werden, dass sich - wie im Rest des Reiches - die soziale Struktur der Kläger/Appellanten gemessen an der Sozialstruktur der Gesamtbevölkerung umgekehrt proportional abbildete. Für den Reichshofrat konnten, aufgrund der unbefriedigenden archivarischen Erschließung der Prozessakten und der daraus resultierenden entsprechenden Forschungslage, nur erste Thesen im Vergleich zum Reichskammergericht aufgestellt werden, für einen reichsweiten Vergleich fehlten entsprechende Arbeiten. Das Projekt war jedoch in der Lage, erste Aussagen zur quantitativen Nutzung des Reichshofrates durch die einzelnen Territorien des Reichsnordens zu formulieren, die mit der fortschreitenden Verzeichnung der Wiener Akten erweitert und geprüft werden können.
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Insgesamt zeigen die Untersuchungen die Normalität der Inanspruchnahme der beiden höchsten Reichsgerichte aus den Territorien des südlichen Ostseeraumes in dem von Ranieri skizzierten Rahmen für das Alte Reich. Daher kann in dieser Frage auch durchaus von einer Integration des Reichsnordens in die Strukturen des Reiches gesprochen werden. Einen interessanten Aspekt ergab die Neueinführung einer Kategorie der territorialen Herkunft, mit der versucht wurde, die Mobilität der Prozessparteien innerhalb des Reiches und Europas zu erfassen. Auf diese Weise sollte die Frage diskutiert werden, inwiefern ein Austausch zwischen den einzelnen Reichsterritorien stattfand, was die Einwohner der verschiedenen Reichsstände voneinander wussten und wer die Träger des Austausches waren. Es überraschte nicht, dass über 76% der Prozesse innerhalb der jeweiligen Territorien, knapp 17% zwischen Parteien aus benachbarten Territorien und nur ca. 7% zwischen Parteien aus weiter voneinander entfernten Reichsständen ausgetragen wurden. Träger des Austausches waren vor allem hohe Adlige, Kaufleute, Akademiker und Militärs.
Insgesamt zeigen die Untersuchungen die Normalität der Inanspruchnahme der beiden höchsten Reichsgerichte aus den Territorien des südlichen Ostseeraumes in dem von Ranieri skizzierten Rahmen für das Alte Reich. Daher kann in dieser Frage auch durchaus von einer Integration des Reichsnordens in die Strukturen des Reiches gesprochen werden. Einen interessanten Aspekt ergab die Neueinführung einer Kategorie der territorialen Herkunft, mit der versucht wurde, die Mobilität der Prozessparteien innerhalb des Reiches und Europas zu erfassen. Auf diese Weise sollte die Frage diskutiert werden, inwiefern ein Austausch zwischen den einzelnen Reichsterritorien stattfand, was die Einwohner der verschiedenen Reichsstände voneinander wussten und wer die Träger des Austausches waren. Es überraschte nicht, dass über 76% der Prozesse innerhalb der jeweiligen Territorien, knapp 17% zwischen Parteien aus benachbarten Territorien und nur ca. 7% zwischen Parteien aus weiter voneinander entfernten Reichsständen ausgetragen wurden. Träger des Austausches waren vor allem hohe Adlige, Kaufleute, Akademiker und Militärs.
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Eine Wertung dieser und anderer Ergebnisse wird erst durch entsprechende Statistiken für andere Reichsstände möglich sein. Die Gelegenheit eines Vergleichs mit traditionell als reichsnah bezeichneten Ständen eröffnet sich erst, wenn die Inventarisierung der dortigen Bestände der Prozessakten abgeschlossen sein wird. Auch dann wird sich aber wahrscheinlich die These bestätigen, dass der südliche Ostseeraum in der Frage der Inanspruchnahme der höchsten Reichsgerichte als durchschnittlich bezeichnet werden kann. Einzelne Erkenntnisse wie die besonders zügige Erledigung der Fälle in der untersuchten Region müssen erneut geprüft werden, wenn eine größere Anzahl vergleichbarer Studien vorliegt, für die das Bochumer Projekt von Prof. Schildt hervorragende Voraussetzungen liefert. (siehe Projektvorstellung Bernd Schildt, "Datenbank Reichskammergerichtsakten")
Eine Wertung dieser und anderer Ergebnisse wird erst durch entsprechende Statistiken für andere Reichsstände möglich sein. Die Gelegenheit eines Vergleichs mit traditionell als reichsnah bezeichneten Ständen eröffnet sich erst, wenn die Inventarisierung der dortigen Bestände der Prozessakten abgeschlossen sein wird. Auch dann wird sich aber wahrscheinlich die These bestätigen, dass der südliche Ostseeraum in der Frage der Inanspruchnahme der höchsten Reichsgerichte als durchschnittlich bezeichnet werden kann. Einzelne Erkenntnisse wie die besonders zügige Erledigung der Fälle in der untersuchten Region müssen erneut geprüft werden, wenn eine größere Anzahl vergleichbarer Studien vorliegt, für die das Bochumer Projekt von Prof. Schildt hervorragende Voraussetzungen liefert. (siehe Projektvorstellung Bernd Schildt, "Datenbank Reichskammergerichtsakten")
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Das Projekt zum südlichen Ostseeraum verdeutlicht auch, dass die von Ranieri gebildeten Oberkategorien für die Prozessgegenstände in Bezug auf einen Detailvergleich zwischen einzelnen Territorien wenig tauglich sind. Erst bei Nutzung der detaillierten Kategorisierung, die innerhalb des Oberbegriffs 'Handel und Gewerbe' etwa Auseinandersetzungen um das Assekuranzwesen von denen um Handelsgesellschaften und Zunftwesen trennt, lassen sich konkretere Aussagen zum Stand der wirtschaftlichen Entwicklung treffen. Auf diese Weise eröffnen sich interessante Forschungsperspektiven für die statistische Auswertung der Inanspruchnahme an den höchsten Reichsgerichten, die u.a. neue Erkenntnisse zur wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Territorien versprechen.
Das Projekt zum südlichen Ostseeraum verdeutlicht auch, dass die von Ranieri gebildeten Oberkategorien für die Prozessgegenstände in Bezug auf einen Detailvergleich zwischen einzelnen Territorien wenig tauglich sind. Erst bei Nutzung der detaillierten Kategorisierung, die innerhalb des Oberbegriffs 'Handel und Gewerbe' etwa Auseinandersetzungen um das Assekuranzwesen von denen um Handelsgesellschaften und Zunftwesen trennt, lassen sich konkretere Aussagen zum Stand der wirtschaftlichen Entwicklung treffen. Auf diese Weise eröffnen sich interessante Forschungsperspektiven für die statistische Auswertung der Inanspruchnahme an den höchsten Reichsgerichten, die u.a. neue Erkenntnisse zur wirtschaftlichen Entwicklung einzelner Territorien versprechen.
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Neben der Nutzung der obersten Reichsgerichte konnten vielfältige, zum Teil sehr enge Beziehungen zwischen dem südlichen Ostseeraum und dem Alten Reich festgestellt werden. So erwiesen sich die Reichsstände aus dem Norden als vergleichsweise pünktliche Steuerzahler, die sich u.a. aktiv und über ihre Verpflichtungen hinaus an der Abwehr der Türkengefahr beteiligten und damit eine der großen Aufgaben unterstützten, die das Reich einten. Bei der Organisation der letztinstanzlichen Gerichtsbarkeit in Vorpommern, für das Schweden neben den Herzogtümern Bremen und Verden, dem Hamburger Domkapitel und der Herrschaft Wismar im Frieden von Osnabrück ein privilegium de non appellando illimitatum erworben hatte, orientierte man sich bei der Gründung des Wismarer Tribunals sehr eng am Vorbild des Reichskammergerichts, nutzte aber auch die Gelegenheit, seit langem diskutierte Modernisierungsvorschläge in Gerichtsordnung und -praxis umzusetzen.
Neben der Nutzung der obersten Reichsgerichte konnten vielfältige, zum Teil sehr enge Beziehungen zwischen dem südlichen Ostseeraum und dem Alten Reich festgestellt werden. So erwiesen sich die Reichsstände aus dem Norden als vergleichsweise pünktliche Steuerzahler, die sich u.a. aktiv und über ihre Verpflichtungen hinaus an der Abwehr der Türkengefahr beteiligten und damit eine der großen Aufgaben unterstützten, die das Reich einten. Bei der Organisation der letztinstanzlichen Gerichtsbarkeit in Vorpommern, für das Schweden neben den Herzogtümern Bremen und Verden, dem Hamburger Domkapitel und der Herrschaft Wismar im Frieden von Osnabrück ein privilegium de non appellando illimitatum erworben hatte, orientierte man sich bei der Gründung des Wismarer Tribunals sehr eng am Vorbild des Reichskammergerichts, nutzte aber auch die Gelegenheit, seit langem diskutierte Modernisierungsvorschläge in Gerichtsordnung und -praxis umzusetzen.
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Vergleichsweise selten wurden dagegen Juristen aus dem Norden des Reiches als Richter an die obersten Reichsgerichte berufen. Bei der Besetzung des Reichskammergerichts gab der nach 1648 festgelegte Turnus den Reichsständen im Norden nur selten die Gelegenheit zur Präsentation von Assessoren, weitaus weniger Männern gelang es, sich den Kaisern für die Besetzung des Reichshofrates zu empfehlen. Hier spielten jedoch weniger mangelnde Ausbildung als die konfessionelle und räumliche Ferne zum Kaiserhof eine Rolle. Einige der norddeutschen Juristen kompensierten die fehlenden Chancen an den höchsten Reichsgerichten durch eine entsprechende Karriere in den schwedischen oder dänischen Institutionen. Bei der Untersuchung der politisch-kulturellen Integration des Ostseeraumes in das Alte Reich zeigte sich, dass man im Norden des Reiches aufmerksam die Entwicklungen "im Reich" verfolgte, umgekehrt setzte im Reich das Interesse für den Ostseeraum erst im 17. Jahrhundert mit dem Vordringen Schwedens ein. Insgesamt zeigte sich, dass der politische und juristische Rahmen, den das Alte Reich bot, stark genug war, um die Territorien des südlichen Ostseeraumes wirksam und dauerhaft an sich zu binden.
Vergleichsweise selten wurden dagegen Juristen aus dem Norden des Reiches als Richter an die obersten Reichsgerichte berufen. Bei der Besetzung des Reichskammergerichts gab der nach 1648 festgelegte Turnus den Reichsständen im Norden nur selten die Gelegenheit zur Präsentation von Assessoren, weitaus weniger Männern gelang es, sich den Kaisern für die Besetzung des Reichshofrates zu empfehlen. Hier spielten jedoch weniger mangelnde Ausbildung als die konfessionelle und räumliche Ferne zum Kaiserhof eine Rolle. Einige der norddeutschen Juristen kompensierten die fehlenden Chancen an den höchsten Reichsgerichten durch eine entsprechende Karriere in den schwedischen oder dänischen Institutionen. Bei der Untersuchung der politisch-kulturellen Integration des Ostseeraumes in das Alte Reich zeigte sich, dass man im Norden des Reiches aufmerksam die Entwicklungen "im Reich" verfolgte, umgekehrt setzte im Reich das Interesse für den Ostseeraum erst im 17. Jahrhundert mit dem Vordringen Schwedens ein. Insgesamt zeigte sich, dass der politische und juristische Rahmen, den das Alte Reich bot, stark genug war, um die Territorien des südlichen Ostseeraumes wirksam und dauerhaft an sich zu binden.
[1] | Peter Moraw: Zur staatlich-organisatorischen Integration des Reiches im Mittelalter, in: Staatliche Vereinigung. Fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg. v. Wilhelm Brauneder (Beiheft Der Staat, 12), Berlin 1998, 7-28. |
[2] | Michael North: Integration im Ostseeraum und im Heiligen Römischen Reich, in: Die Integration des südlichen Ostseeraumes in das Alte Reich, hg. v. Nils Jörn / Michael North (= Quellen und Forschungen zur Höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 35), Köln / Weimar / Wien 2000, 1-11, hier 2. |
[3] | Martin Krieger: Der südliche Ostseeraum und der Deutsche Reichstag (16.-18. Jh.), in: Die Integration (wie Anm. 2), 275-309. |
[4] | Nils Jörn: Beobachtungen zur Steuerzahlung der Territorien des südlichen Ostseeraumes in der Frühen Neuzeit, in: Die Integration (wie Anm. 2), 311-391; Ders.: Die Versuche von Kaiser und Reich zur Einbeziehung der Hanse in die Anstrengungen zur Abwehr der Türken im 16. und 17. Jh., in: Die Integration (wie Anm. 2), 393-423. |
[5] | Nils Jörn: Johann von Ulmenstein und Christian von Nettelbla: Zwei Assessoren aus Norddeutschland am Wetzlarer Reichskammergericht, in: Die Integration (wie Anm. 2), 143-184; Ders.: Dietrich von Brömbsen - die gescheiterte Karriere eines Lübeckers am Reichshofrat, in: Die Integration (wie Anm. 2), 185-233. |
[6] | Olaf Mörke: Holstein und Schwedisch-Pommern im Alten Reich. Integrationsmuster und politische Identitäten in Grenzregionen, in: Die Integration (wie Anm. 2), 425-472. |
[7] | Wolfgang E. J. Weber: Der südliche Ostseeraum im Spiegel der Reichspublizistik: Ein kulturhistorischer Versuch, in: Die Integration (wie Anm. 2), 473-536. |
[8] | Bernhard Diestelkamp: Die Reichsgerichtsbarkeit in den Ostseeländern, in: Die Integration (wie Anm. 2), 13-38. |
[9] | Tobias Freitag / Nils Jörn: Zur Inanspruchnahme der höchsten Reichsgerichte im südlichen Ostseeraum 1495-1806, in: Die Integration (wie Anm. 2), 39-141. Siehe auch Dieselben: Lübeck und seine Bewohner vor den höchsten Reichsgerichten in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 81 (2001), 161-200; Nils Jörn: Greifswald und seine Bewohner vor den obersten Reichsgerichten, in: Greifswald. Geschichte der Stadt, hg. v. Horst Wernicke, Schwerin 2000, 289-295. |