Abschied von der Säkularisierungslegende
Daten zur Karrierekurve der Religion (1800-1970) im zweiten konfessionellen Zeitalter: eine Parabel
urn:nbn:de:0009-9-2691
Zusammenfassung
Das Zeitalter der Aufklärung gilt als Beginn des gegenwärtigen "Zeitalters der Säkularisierung". Viele Wissenschaftler pflegen diese vertraute Vorstellung, sogar an Religion interessierte Historiker. Oft firmiert das 19. Jahrhundert als "säkulares Zeitalter", als "Jahrhundert des Nationalismus" oder als "Zeitalter des Bürgertums". Im Gegensatz zur Idee eines konstanten Niedergangs von Religion und konfessionellem Engagement betont vorliegender Beitrag, dass diese Faktoren im frühen 19. Jahrhundert erneut an Relevanz gewannen und sie erst in den 1960er Jahren verloren. Wie das 16. Jahrhundert – das so genannte konfessionelle Zeitalter – erfuhr das 19. Jahrhundert eine frappierende religiöse Renaissance. Konfessionelle Identitäten und mithin konfessionelle Gräben vertieften sich. Das führte zu massivem Konfessionalismus, der nicht nur in Deutschland Politik, Gesellschaft und Alltagskultur durchdrang. Deutet man die Zeit zwischen 1830 und 1970 als zweites Zeitalter des Konfessionalismus oder gar als zweites konfessionelles Zeitalter, lässt es sich als Einheit mit durchaus unterschiedlich intensiven Frömmigkeitsphasen wahrnehmen. Daten, die verschiedene Manifestationen dieses Phänomens erfassen, illustrieren, dass das zweite konfessionelle Zeitalter einer Parabel ähnelt, die 1830 anhebt und um 1970 endet.<1>
Eine fromme Legende besagt, dass der Stellenwert von Religion seit dem "Zeitalter der Aufklärung" kontinuierlich gefallen sei. In der Formel vom "Zeitalter der Säkularisierung" wird diese Vorstellung konserviert und weiter transportiert. Dabei gibt es auch anspruchsvolle Ansätze, mit denen sich funktionale und segmentäre Ausdifferenzierungsprozesse in der Moderne erfassen lassen. Aber dem kontinuierlichen Niedergang der Religion seit 1800, der vielfach vorausgesetzt wird, der steil nach unten weisenden Linie, von Kirchenbesuchstatistiken suggeriert, steht die eindrucksvolle Renaissance von Religion und konfessionellen Verhaltensmustern entgegen.
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Unzureichend wie die Abwärtslinie scheint es ebenfalls, von Wellen auszugehen, in denen wiederkehrende Rechristianisierungsphasen verschiedene Verweltlichungsphasen ablösten oder überlagerten. Im Unterschied zur älteren Säkularisierungsidee trifft die Wellenvorstellung die komplexe Realität zwar besser. Doch ihre Phasen spielten sich, wie zu zeigen sein wird, innerhalb eines zeitlichen Gesamtrahmens ab, der in den 1830er-Jahren beginnt. Darin liegt der Vorzug, das lange 19. Jahrhundert als neokonfessionelles Zeitalter zu betrachten, was, dies sei ausdrücklich betont, einen Vorschlag, eine Alternative zu anderen möglichen Perspektivierungen darstellt. [1]
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Weil in diesem Ansatz unterschiedliche Konjunkturen und Manifestationen des Religiösen eingefasst sind, wird dieser Zeitraum, der bis tief in die 1960er-Jahre hinein reicht, als Einheit angesehen und als zweites konfessionelles Zeitalter interpretiert. Wenn es hier als "Parabel" bezeichnet wird, soll damit nicht der Eindruck erweckt werden, es handele sich im literarisch-künstlerischen Sinne um ein lehrhaftes und deutungsoffen Gleichnis oder um eine besondere Form des Theaterdramas. Gewiss ist das Theorieangebot deutungsoffen angelegt und nahmen die Kulturkämpfe in dieser Epoche dramatische Züge an. Jedoch ist der Begriff Parabel hier vielmehr dem mathematischen Sprachgebrauch entlehnt. Ein schräg nach oben geworfener Ball beschreibt eine parabolische Kurve. Metaphorisch verwendet, meint die Parabel des zweiten konfessionellen Zeitalters hier nicht mehr, aber auch nicht weniger als einen großen Bogen von rund 150 Jahren.
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Offensiv wird das "Zeitalter der Säkularisierung" kaum noch verteidigt. Unbewusst ist diese Vorstellung aber noch sehr präsent. Leicht stößt man auf sie, wenn man einmal abseits des Wegesrandes schaut, der von religionsinteressierten Historikern beschritten wird. Der evangelische Theologe Hans-Jürgen Fraas etwa kommt in seiner Zeichnung vom Siegeszug der Aufklärung auf Kosten von Religion dem Bild der absteigenden Linie sehr nahe. 1799 habe sich Schleiermacher gegen den Auszug der Aufgeklärten aus der Religion speziell "an die Gebildeten unter ihren Verächtern" gewandt, betont Fraas zutreffend. "Mit dem beginnenden 19. Jahrhundert setzten sich die allgemeinen Folgen der Aufklärung fort", besonders im gebildeten Bürgertum. In den 1820er-Jahren klagten Priester, dass in den höheren Ständen der Stadt "kein Eifer für Religion" mehr bestehe. "Der Prozeß schreitet weiter. Seit Ende der sechziger Jahre unseres [20.] Jahrhunderts wenden sich je nach der politischen Tendenz der kirchlichen Gesprächspartner ... die liberale Unternehmerschaft und die Links-Intellektuellen, denen die Kirche zu konservativ bzw. zu unpolitisch ist, einerseits, die Konservativen, denen vor allem die evangelische Kirche zu politisch ist, andererseits sowie die sich als fortschrittlich verstehende Jugend von der Kirche ab." [2]
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Sieht man genau hin, klafft in dieser schnurgeraden Abwärtslinie, die mit der Aufklärung beginnt und seit den 1960er-Jahren noch steiler abfällt, eine gähnende Lücke zwischen den 1820ern und 1960. Über diesen langen Zeitraum sagt Fraas gar nichts. Für ihn schreitet der Prozess einfach weiter, von 1820 bis heute. Aber um diese recht beträchtliche Lücke von bald eineinhalb Jahrhunderten geht es. Statt sie zu überspringen, sollte ernst genommen werden, dass in dieser Zeitspanne religiöse und konfessionelle Kräfte erneut Auftrieb gewannen.
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Wer die Wirkung religiöser Faktoren auf Politik, Kultur und Gesellschaft in der Moderne betont, rennt inzwischen bei vielen Fachhistorikern offene Türen ein. [3] Wo eine frühere Historikergeneration, schreibt der Historiker Michael Geyer, für die vergangenen zwei Jahrhunderte einen "Prozeß der Verweltlichung, der Abschwächung religiöser Orientierungen und der Abwendung vom Christentum angenommen hat, sieht die neuere Forschung eine Gemengelage, in der sich das Drängen nach weltlichen Gütern mit einer tiefen Sehnsucht nach Transzendenz vermischte und diese in die Suche nach einer bedeutungsgesättigten Lebensführung überging." Die Nation etwa als sinn- und gemeinschaftsstiftendes Gut stand der Religion nicht nur gegenüber, sie vermischte sich mit ihr, ja, Nationalismus konnte selber als Ersatzreligion gedeutet werden. Geyer legte 2004 seine profunde Analyse des Forschungsstandes über Nation und Religion in einem Sammelband vor, der als Band 3 in einer soeben bei Wallstein eröffneten Reihe erschien. Sie wird von Hartmut Lehmann herausgegeben und trägt den Reihentitel: "Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter der Säkularisierung". [4]
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Da ist es wieder, das angeblich längst abgeschriebene "Zeitalter des Säkularisierung". Mit dieser prominenten Platzierung als Obertitel einer ganzen Buchserie setzt das Unternehmen, das antrat, um dem Thema Religion einen angemessenen historiographischen Ort zu verleihen, einen, wie ich meine, unglücklichen Akzent, nämlich dass letztlich doch ein "Zeitalter der Säkularisierung" den Rahmen bildete, in dem sich religiöse Phänomene als letztlich untergeordnete bewegten.
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Der Auffassung von einem "Zeitalter der Säkularisierung" steht die These vom neuen Zeitalter des Konfessionalismus gegenüber. Keineswegs ignoriert sie die säkularen Tendenzen, hebt aber Religion und Konfession für einen benennbaren Zeitraum als Faktoren auf dieselbe Stufe wie die weltlichen Prozesse, die zu etablierten Bezeichnungen geführt haben wie "Zeitalter des Säkularisierung" oder "liberales Zeitalter". Jürgen Kocka hat das lange 19. Jahrhundert im neuen "Gebhardt" in vier Hauptkapitel gegliedert. Sie heißen: "Das Jahrhundert der Industrialisierung", "Das Jahrhundert der Bevölkerungsexplosion und der Wanderungen", "Das Jahrhundert der Nationalstaaten", schließlich, als einziges mit Fragezeichen versehen, "Ein bürgerliches Jahrhundert?". Dort werden die Kirchen in einem Unterkapitel angesprochen, als Grenzen der Verbürgerlichung. [5]
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Der Referenzrahmen "zweites konfessionelles Zeitalter" setzt nicht nur ein Gegengewicht zum säkularen Zeitalter, sondern auch zur Idee der Gemengelage und religiösen Transformation, die neuere Forschungen hervorheben. Diese Mischformen, augenfällig etwa beim Nationalprotestantismus, können gar nicht in Abrede gestellt werden. Das Konzept des zweiten konfessionellen Zeitalters rückt jedoch etwas anderes in den Mittelpunkt: Es akzentuiert nicht so sehr das Vermischte, sondern das Unvermischte. Unterscheiden, nicht Vermengen war eine Devise des 19. Jahrhunderts. Man kämpfte für den wahren Glauben (die reine Rasse, veredelte Nation, strenge Geschlechtertrennung), nicht für die gerne überschätzte Ökumene. Vorher und nachher sah es anders aus: Während in der Praxis um 1800 zwischen katholischer und protestantischer Religiosität osmotische Phänomene so verbreitet waren wie heutzutage höchst individuelle, postmodern-synkretistische "Bastelreligionen" aus konfessionellen, nicht-christlichen, esoterischen und sonstigen Elementen, setzten die Kirchen im 19. Jahrhundert auf klare Identitätsbildung, auf geregelte Verkirchlichung und schroffe Unterscheidung. Die politischen und alltagsweltlichen, die latenten und manifesten Konflikte, die sich daraus zwischen etwa 1830 und 1970 ergaben, charakterisieren das zweite konfessionelle Zeitalter. [6]
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Die Hauptkomponenten des Ansatzes lassen sich kurz in zwei Thesen zusammenfassen, in denen sich das zweite konfessionelle Zeitalter jeweils kontrastiv zu anderem verhält.
1. Wenn das lange 16. Jahrhundert in der Frühneuzeitforschung als "Konfessionelles Zeitalter" gilt, lässt sich auch das lange 19. Jahrhundert als "Konfessionelles Zeitalter" bezeichnen, dann aber folgerichtig als zweites. Teilweise gelang erst im frühen 19. Jahrhundert die eigentliche Ausbildung von Konfessionen, ihre klare Unterscheidung und die echte Konfessionalisierung der Gläubigen.
2. Wenn das 19. Jahrhundert, wie so häufig, "bürgerliches" oder "säkulares Zeitalter" genannt werden kann, dann lässt es sich sozusagen gerechterweise auch als konfessionelles Zeitalter beschreiben.
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Anders gewendet: Sollte das 16./17. Jahrhundert doch kein konfessionelles Zeitalter gewesen sein, wäre auch das 19. Jahrhundert kein zweites, vielleicht aber ein erstes konfessionelles Zeitalter. Und erweist es sich als falsch, vom langen 19. Jahrhundert als "bürgerlichem", "säkularem", "industriellem" oder "nationalem" Zeitalter zu reden, kann auch das zweite konfessionelle Zeitalter unbesorgt ad Acta gelegt werden. Beide Prämissen treffen bislang aber nicht zu, und solange vom konfessionellen Zeitalter und vom Zeitalter der Säkularisierung gesprochen wird, sollte überprüft werden, ob, stets in Relation dazu, nicht auch ein zweites konfessionelles Zeitalter auszumachen ist.
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Jahrhundertbezeichnungen dienen nicht als Dogma, sondern als Orientierung, um eine Zeitspanne unter einer bestimmten Hinsicht mit anderen Augen zu sehen. Der Begriff des zweiten konfessionellen Zeitalters will nicht mehr, als in diesem Sinne nützlich sein. Eric Hobsbawm hat das kurze 20. Jahrhundert (1917-1989) als "Zeitalter der Extreme" bezeichnet, aber auch als "Jahrhundert der Religionskriege", dessen "Hauptmerkmal die Intoleranz" gewesen sei. Unter den Begriff Religion fallen bei ihm auch säkulare Ideologien wie Kapitalismus, Sozialismus oder Nationalsozialismus. [7]
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Tatsächlich findet sich kaum eine Großideologie oder soziale Bewegung, in der Religion und Konfession oder umgekehrt: Religionsfeindschaft und Abneigung gegen eine bestimmte Konfession keine Rolle gespielt hätten. Die sozialistische Bewegung lebte lange Zeit von einer Mischung aus ausgestellter Religionsfeindlichkeit und eschatologischen Visionen. Auch der Liberalismus seit 1848 fand im Anti-Katholizismus seine hauptsächliche Kraftquelle, so sehr, dass der Bearbeiter dieses Themas, Michael B. Gross, unlängst vom "Jahrhundert des Antikatholizismus" sprach. [8]
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Hier ist nicht der Raum, sich mit den ernst zu nehmenden Argumenten der Kritiker auseinander zu setzen. Für eine Bilanz ist es ohnehin noch zu früh, zumal verschiedene Projekte, in denen die Anregung eines zweiten konfessionellen Zeitalters aufgegriffen wurde, noch laufen. [9] Während der Deutungsentwurf von verschiedener Seite als plausibel anerkannt wurde, zumal er nicht nur zur Überprüfung mehrkonfessioneller deutscher oder niederländischer, sondern auch monokonfessioneller französischer, skandinavischer und anderer Verhältnisse geeignet scheint, wurde er gleichzeitig ausgewogen kritisch geprüft, begleitet von dankenswerten Vorschlägen zu seiner Einschränkung oder Erweiterung. Dies alles verdiente eine eingehende Würdigung. [10]
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Daneben gab es jedoch auch aus rätselhaften Motiven gespeiste Polemiken, die den argumentativen Gegenaufwand nicht lohnen. Manche Missverständnisse entstanden oder wurden genährt. Von einer "Vorherrschaft konfessioneller Deutungsmuster im 19./20. Jahrhundert" [11] war nie die Rede gewesen. Ohne schrille Überzeichnungen gelang es manchen nicht, das Modell wieder auseinander zu nehmen. Den gemeinsamen Nenner fanden die meisten Kritiker darin, dass die Epochenbezeichnung zu weiträumig und "übertrieben" sei. Ob das Zeitalter der Säkularisierung, des Nationalismus, der Wissenschaft etc. ebenfalls überzogen sei, wurde nicht erwogen. Nur in diesem Kontext aber versteht sich der Ansatz, als Kontrastfolie.
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Der Vergleich zwischen dem konfessionellen und dem zweiten konfessionellen Zeitalter erfordert keineswegs Gleichheit, sondern lässt gerade auch die Unterschiede erkennen. Sie lassen sich herausarbeiten, wenn man die Rechristianisierung in beiden Zeitaltern, die Konfessionalisierung im Inneren (Konfessionsbildung) und nach außen (polemische Grenzbildung und Polarisierung), die Vergesellschaftung durch Konfessionen (im 16. Jahrhundert nach dem Prinzip 'cuius regio, eius religio', im 19. Jahrhundert nach Subgesellschaften und "Säulen") sowie das utopische Potential (Hoffnungen auf christliche, gar konfessionsreine Gesellschaften) gegenüberstellt. [12]
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Die Ursachen und Anfänge der Rechristianisierung sowie das Ende, die Entchristlichung in den 1960er-Jahren, sind mehrfach analysiert worden. [13] Die Wirkungen des Konfessionalisierungsprozesses lassen sich nicht nur im engeren kirchlich-religiösen Raum und den unterschiedlichen Devotionsformen, sondern auch auf profanen Feldern messen, in den Mentalitäten und politischen Ideologien etwa, im Wahlverhalten und bei Heiratsmustern, im Vereinswesen, der konfessionell gespaltenen Studentenschaft, den Medien, im Wirtschaftsleben wie im Bildungswesen (katholische Inferiorität). [14]
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In Fortführung dieser Überlegungen sollen an dieser Stelle vor allem lange Datenreihen Aufschluss darüber geben, ob der Zeitraum von 1830 bis 1970 unter religionsgeschichtlicher Perspektive als Einheit gesehen werden kann oder ob die Periodisierung zu "großzügig" ausfällt, da das Phänomen der "Virulenz konfessioneller Gegensätze" höchstens bis zum religiösen "Burgfrieden" 1914 reiche. [15]
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Allgemein vertraut sind Verlaufskurven, die abwärts zeigen, besonders Kirchenbesuchszahlen. Das verlief in allen Regionen ähnlich, allerdings von unterschiedlichen Fallhöhen herab. Bei Protestanten in Bayern wie bei der Diasporagemeinde Triers lag der Anteil der Gemeindemitglieder, die sich 1850 am wenigstens einmal im Jahr gewünschten Abendmahl beteiligten, noch bei fast 80 %. Das war überdurchschnittlich viel, schmolz aber bis 1930 auf die Hälfte herunter. Bei den Katholiken, die systematische Kirchenbesuchsstatistiken erst später erhoben, zeigt sich, dass die Osterkommunionteilnahme in den 1960er-Jahren deutlich sinkt. Im Bistum Trier, dessen Gottesdiensteifer über dem Reichsdurchschnitt lag, wohnten noch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts rund 70 % der Messe bei. Seit Mitte der 1950er-Jahre, verstärkt seit etwa 1968, verfiel das Interesse, im Bistum Münster etwa bis zu gegenwärtig 20 %. [16]
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Dass Kirchenbesuchszahlen, Priesterweihen, Klosterbeitritte und andere Ausdrucksformen konventioneller Kirchenbindungsformen zurückgingen, merklich schon vor 1900, besonders rapide in den 1960er-Jahren, ist bekannt. Zur Fallkurve der Frömmigkeit im 20. Jahrhundert gehört jedoch ihre Aufstiegsgeschichte im frühen 19. Jahrhundert. Vor allem ist ein wenig Phantasie gefragt, um religiöse und konfessionelle Manifestationen nicht allein in Kirchenbesuchszahlen zu erkennen.
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Das zweite konfessionelle Zeitalter hält der Historiker Ulrich von Hehl für einen "wenig überzeugenden Vorschlag. [...] Die Formierung eines katholischen Milieus hat die im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung einsetzende Entkirchlichung über einen längeren Zeitraum hinweg verzögern, wenn auch nicht dauerhaft aufhalten können". [17] Eine Dauerhaftigkeit ist im Ansatz des zweiten konfessionellen Zeitalters jedoch nicht angelegt gewesen. Vor allem: Die Ver- und Entkirchlichung kann nicht zum alleinigen Maßstab erhoben werden, bedeutet Konfessionalismus doch vielmehr die Überbewertung des eigenen konfessionellen Erbes, wie man in älteren Lexika noch nachlesen kann. [18] Um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen, lädt eine moderne religionshistorische Forschung inzwischen zu erhellenden sozial- und mentalitätsgeschichtlichen, vereins- und lokalgeschichtliche Einsichten ein, die eine Pluralität von Indizien für Religiosität und konfessionelle Loyalität anbieten. Über die Untersuchung von Abendmahlsstatistiken, die eine Entkirchlichung belegen, ist man längst hinausgekommen.
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Die erste Grafik, die diese Gesamtkurve vor Augen führt, zeigt die Besucherzahlen bei den letzten sechs Wallfahrten zum Heiligen Rock in Trier. Eingetragen sind die Gesamtbesucherzahl sowie der Tagesdurchschnitt, denn die Ausstellung des Reliquie dauerte unterschiedlich lange, von 19 Tagen (1810) über 44 (1844) bzw. 50 Tage (1891, 1933) bis zu zwei Monaten 1959. 1996 wurden nur noch 31 Tage lang Pilger empfangen. Die spektakuläre Wallfahrt von 1844 übertraf mit geschätzten 500.000 bis 1 Million Pilgern das in jedem Geschichtsbuch zu findende Hambacher Fest (4 Tage, 30.000 Teilnehmer). Sie offenbarte nicht nur die Organisationsfähigkeit der Kirche und die Solidarität ihrer Anhänger. Die Veranstaltung leistete als demonstratio catholica auch "einen wesentlichen Beitrag zur neuerlichen Konfessionalisierung der Bevölkerung". [19] Die Ereignisse 1891 und die umstrittene Massenwallfahrt, die im Juli 1933 eröffnet wurde, ließen den Zustrom ungeheuer anwachsen. Dann sank die Attraktivität dieser Inszenierung.
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Gewiss, jede Wallfahrt wurde durch ihren je unterschiedlichen historischen Kontext inhaltlich anders aufgeladen. Auch die Verkehrssituation stellte die Pilger 1810 vor größere Probleme als 1959, als Bundesbürger mit der Bahn und eigenem Auto, Gläubige aus aller Welt mit dem Flugzeug anreisen konnten. Dennoch, oder um so mehr fällt der Niedergang der Besucherzahlen 1959 auf. Dagegen half auch die Rekordöffnungszeit von 64 Tagen nichts. Parallel zu den Gesamtbesucherzahlen stiegen von 1810 bis 1933 auch die Tagesdurchschnittszahlen von über 10.000 auf gut 43.000, während sie 1959 auf 27.000 zurückgingen und 1996 nochmals fielen. Beide Verlaufsformen, von einer Trendlinie in Grafik 2 angedeutet, kommen einer Parabel gleich. Sie spannt sich ungefähr vom Ausgangspunkt bis zum Ende des zweiten konfessionellen Zeitalters.
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Auch anhand der Buchproduktion wird diese Parabel erkennbar, wenn auch weniger "schön". Das Lektüreangebot, das Autoren und Verlage dem Lesepublikum unterbreiten, gilt in der Buchhandelsforschung als Kulturbarometer. Hier spiegeln sich Konjunkturen sozialkultureller Interessen und gesellschaftlicher Befindlichkeiten. Zwar wäre es wünschenswert, nicht nur die Titel, sondern vor allem ihre Auflagen in langen Reihen zu erfassen. Diese Zahlen sind jedoch nicht überliefert. Als Indikator für gesellschaftliche Tendenzen können die Produktionsziffern durchaus dienen. Verlage können es sich nicht leisten, unabhängig von der Nachfrage auf dem Markt zu operieren. Sie investieren in den Zweig, der ihnen als besonders verkaufsträchtig erscheint: nach 1968 etwa in die Soziologie, seit dem Erfolg von Harry Potter in Kinder- und Jugendbücher.
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Anhänger einer Säkularisierungstheorie müssten einen stetigen Niedergang religiöser Literatur seit dem 18. Jahrhundert nachweisen. Vertreter von Wellenmodellen dagegen würden auf Wachstumsimpulse zu jeweiligen Rechristianisierungsphasen wie etwa in den 1950er-Jahren verweisen. Diese Beobachtung lässt sich durchaus machen. Doch tatsächlich werden diese Wellen überwölbt von einem großen Bogen, der das zweite konfessionelle Zeitalter markiert.
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In Grafik 3 sind die Buchpublikationen in langer Datenreihe von 1801 bis heute eingetragen, dazu einige Zahlen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. [20] Die nominellen Zahlen alleine wären wenig aussagekräftig. Das Produktionsvolumen des 18. Jahrhunderts ließe sich mit dem des 21. Jahrhunderts gar nicht vergleichen, nachdem besonders im Kaiserreich die Titelzahlen explosionsartig zunahmen. [21] 1770 verzeichneten die Messkataloge für Frankfurt und Leipzig zu allen 16 Themenbereichen − Jurisprudenz, Geschichte, Medizin, Philosophie, Mathematik, Erziehung etc. − insgesamt 1144 Titel im Gebiet des deutschen Buchhandels, davon 280 theologisch-religiöse. 1144 Titel wurden aber gut 60 Jahre später, 1832, allein in Theologie produziert, unter 8855 Titeln insgesamt. Heute wird die Leserschaft jährlich mit rund 80.000 deutschen Erst- und Neuauflagen beglückt, davon etwa 3500 Erstauflagen aus dem religiös-theologischen Programm.
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Eine Tendenzlinie von den 280 Titeln (1770) über die 1144 (1832) bis zu den 3500 (heute) beschriebe einen Anstieg. Er verläuft steil aufwärts bis 1846, bricht kurz ab, geht aber seit der Revolution 1848 in kontinuierliches Wachstum über, das in den Krisen der Zwischenkriegszeit wie der gesamte Buchmarkt stagniert. Nach dem totalen Zusammenbruch des Buchmarktes 1944/45 beginnt ein rasanter Wachstumsprozess der Produktion religiöser Titel, der bis heute andauert (vgl. Grafik 4).
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Mit dieser Aufstiegsgeschichte ließe sich leicht suggerieren, das Interesse an religiöser Erbauung und theologischen Einsichten sei in den letzten zwei Jahrhunderten um den Faktor zwölf gestiegen. Tatsächlich aber kommt es auf das Verhältnis der Sachgruppen zueinander an. Die Grafiken geben daher den Anteil wieder, den Titel aus der Sachgruppe Religion/Theologie in der Gesamtproduktion einnahmen. Zwar änderte sich mehrfach seit dem 18. Jahrhundert die Sachgruppeneinteilung. Von diesen Neuarrangements blieb die Gruppe Religion/Theologie (im Folgenden einfach: Religion) aber am wenigsten tangiert.
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Der zentrale Befund der Datenreihen: Religiöse Titel fielen prozentual nicht einfach ab. Zwar beschreiben sie zwischen 1810 und etwa 1965 keine glatte Parabel, höchstens eine mit sehr unruhiger Hand gezeichnete, aber sie erklimmen erneut einen Berg mit den ihm eigenen Höhen und Tiefen. Das lässt sich in Grafik 4, die einen kleineren Zeitraum umfasst, besser erkennen als in der bis ins 17. Jahrhundert ausholenden Grafik 3, in die dafür wiederum, als ein Vergleichsmaßstab, einer der Hauptkonkurrenten einbezogen wurde: die schöne Literatur/Belletristik. Sie durchschreitet in demselben Zeitraum eher eine Talsohle. Heutzutage stellt sie mit 15 bis über 20 Prozent üblicherweise die größte Gruppe dar, ähnlich wie im frühen 19. Jahrhundert. Von dieser Spitzenposition war sie im 18. Jahrhundert weit entfernt, als religiöse und theologische Bücher den Markt dominierten. Bis 1735 bewegte sich diese Titelgruppe auf einem Niveau von 40 %, sank bald aber auf 30 % und bis 1775 auf knapp 20 %. [22] Am Beginn des 19. Jahrhunderts lag das Sachgebiet Religion mit 6 % aller Bücher förmlich am Boden. Nichts deutete darauf hin, dass ihr Anteil je wieder gesunden würde.
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Um die folgenden Zahlen richtig einordnen zu können, muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass man im Buchhandel davon spricht, ein Genre wie etwa Kinder- und Jugendbücher boome, wenn sein Anteil von knapp 6 % auf 7,4 % klettert, wie im Jahre 2000 im Fahrwasser von Harry Potter geschehen (2002 sogar 7,7 %). [23] Steigerungen um ein oder zwei Prozent erregen große Aufmerksamkeit.
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In den 1820er-Jahren hatte sich der Anteil religiöser Bücher von 6 % auf 11,5 % fast verdoppelt, im Teuerungs- und Hungerjahr 1846 war sogar jedes fünfte Buch religiös. Damals erreichte diese Sachgruppe ihr Rekordjahr. In der Jahrhundertmitte und während der Kulturkämpfe in Baden und Bayern hielt sich religiöse Literatur auf sehr hohem Niveau, bevor sie im Kaiserreich auf unter 10 % sank. Während der Weltkriege, in der Zwischenkriegs- und in der zweiten Nachkriegszeit korrespondieren die Wachstumsschübe religiösen Schrifttums durchaus mit der Feststellung von Perioden mit verstärktem Sinndeutungsbedarf. Doch ergibt sich auch, dass Rechristianisierungswellen als Elemente des langen Zyklus des zweiten konfessionellen Zeitalters begriffen werden können.
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Der Höhenflug der Religion über den Buchmarkt endete in den 1960er-Jahren. Schon mit dem anhebenden Wirtschaftwunder ließ das Interesse an religiöser Literatur nach. 1952 erreichte sie noch mehr als 8 %. Doch dann setzte sie 1955 hart auf und landete nach 150 Jahren das erste Mal dort wieder, wo sie zuletzt 1800 gestartet war, nämlich bei gut 6 %. Zwar erholte sie sich noch einige Male leicht. Doch seit 1965 kam sie nicht wieder über 6 %. In schlechten Jahren musste sie einen Rückgang auf 4,5 % beklagen. Die Gewinner der 1960er-Jahre waren andere, besonders die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die daher als Kontrastlinie in die Nahaufnahme der Jahre 1951 bis 1986 (Grafik 5) aufgenommen wurden.
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Von 1820 bis 1900 war jedes zehnte Buch ein religiöses. Auf dem Gipfelpunkt der Kurve, in den Jahrzehnten zwischen Vormärz und Reichsgründung, machten sie sogar 15 % der Titelproduktion aus. Religion beschäftigte die Menschen. Dazu kam natürlich, dass die Professionalisierung der Fachtheologie fortschritt. Die Scheidung wissenschaftlicher von erbaulichen Büchern erlauben die Statistiken nicht. Zugleich fanden religiöse Themen Eingang in die Schöne Literatur und andere Publikationsfelder, etwa in die Geschichtsschreibung, die an der religiösen Verbrämung des Nationalismus teilnahm. Grafik 3 jedenfalls zeigt, dass die Kurven von Theologie und Dichtung im 18. und 19. Jahrhundert gegenläufig, im späten 20. Jahrhundert indes teils parallel zueinander verlaufen, was Spekulationen darüber zulässt, ob die Schöne Literatur damals als mit Religion konkurrierendes, in der Zeitgeschichte aber als ein zur Religion komplementäres Sinndeutungsgenre fungiert.
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Worauf es hier ankommt ist, dass religiöses Schrifttum im frühen 19. Jahrhundert ein faszinierendes "comeback" erlebte. Das spiegelt sich auch darin wieder, dass es jahrhundertelang auf Platz eins der Publikationen stand, obwohl größtenteils noch auf Latein, aber Anfang des 19. Jahrhunderts mit 7 % bis auf Platz vier, 1810 sogar auf Position 5 abrutschte. Während vorne Vergleiche mit Poesie sowie Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gezogen wurden, die anderen Fachgruppen aber im Dunkel blieben, veranschaulicht eine genaue Aufschlüsselung das Verhältnis zu den anderen Themengruppen. Dabei mussten heutige Kategorien zusammengefasst werden, um zu früheren zu passen und um die diachrone Vergleichbarkeit zu gewährleisten. [24]
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Tatsächlich gelang es dem religiösen Schrifttum, noch einmal in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Spitze zurückzuerobern und für etwa drei Jahrzehnte zu behaupten (Grafik 6). Nach dem preußisch-deutschen Kulturkampf lag es auf Platz 5, pendelte dann ein wenig, konnte aber im restaurativen Sinnstiftungsklima der zweiten Nachkriegzeit wieder auf Rang drei vorrücken. Heute liegt es auf Platz 6. Eine Rückkehr von Religiosität, wie von manchen Theologen für die letzten Jahre behauptet, lässt sich anhand dieser Daten jedenfalls nicht ablesen. Insgesamt bestätigt sich also die Parabelmetapher nicht nur im Blick auf die Prozentverlaufskurve religiöser Literatur, sondern auch im direkten Vergleich mit anderen Sachgruppen: Religionsbücher erlebten im 19. Jahrhundert eine Renaissance und lagen am Beginn wie auch am Ende des zweiten konfessionellen Zeitalters im oberen Mittelmaß, dort, wo heute auch die Themengruppe Geschichte liegt, die in den 1830er-Jahren einmal sogar führend war.
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Die Übersicht wirft gewiss Fragen über die Datenzuverlässigkeit und regionale Unterschiede auf. Überdies müssten qualitative Studien die Literatur genau sichten, wissenschaftliche von populärer Literatur trennen, schließlich die konfessionalistischen Kampfschriften sondieren und, wiederum, quantitativ erfassen. [25] Auch wäre zu untersuchen, wer welche Bücher besaß, auslieh und überhaupt las. Rudolf Schlögl hat sich die Arbeit gemacht, 34.000 Buchtitel, die sich zwischen 1760 und 1830 in privaten Laienbibliotheken katholischer Städte (Köln, Aachen, Münster) fanden, zu klassifizieren. Jedes dritte Buch, das zwischen 1760 und 1779 in Bibliotheksbeständen von Laien verzeichnet war, handelte von Glauben und Religion. Um 1800 war es nur noch jedes fünfte, in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nur noch jedes zehnte Buch. Besonders das Wirtschaftsbürgertum wandte sich von dieser Sorte Lektüre ab, am stärksten von barocker Erbauungsliteratur. Schlögl liest aus seinen Befunden die "Vehemenz des Säkularisierungsprozesses im kulturellen Raum" ab. [26] Doch seine Studie endet dort, wo das religiöse Leben wieder erwacht. Der religiöse Ausdünnungsprozess im Bücherschrank erwies sich, wie hier demonstriert, nicht als unumkehrbar, im Gegenteil.
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Mit dem Wiederaufblühen religiöser und theologischer Titel erwachte auch der Konfessionalismus des "ersten" konfessionellen Zeitalters aus seinem Dornröschenschlaf. 1801 wurde in Freiburg der Herder Verlag gegründet, 1818 Bachem in Köln, 1847 Schöningh in Paderborn. Ältere Verlage wie Kösel oder Aschendorff stellten sich dezidiert ins ultramontane Lager. Auf protestantischer Seite verrichteten ihre Arbeit nicht nur Verlage, deren Name schon viel sagend war − Zwingli, Evangelische Buchgemeinde, Lutherische Verlags- und Buchhandelsgesellschaft −, sondern auch Bertelsmann oder der Kreuz Verlag. Dazu kamen solche, deren religiöse Präferenz heute vergessen ist: Vandenhoeck & Ruprecht, Oldenbourg, Mohr(-Siebeck) und C.H. Beck.
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Wie umfassend diese konfessionelle Polarisierung speziell des deutschen Buchhandels war, ist kaum noch bekannt, und man muss ausdrücklich daran erinnern. Ganz anders ging es den Miterlebenden des zweiten konfessionellen Zeitalters. Sie mussten im Gegenteil daran erinnert werden, dass der verlegerische Dualismus nicht schon immer vorgegeben, sondern ein Produkt des 19. Jahrhunderts war. In seiner Buchhandelsgeschichte notierte Friedrich Schulze 1925: "Von besonderer Wichtigkeit für den Buchhandel war die auf romantischem Nährboden sich ausbildende Trennung der Konfessionen. Es mutet wie ein längst entschwundenes Idyll an, wenn noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Klöster wichtige Kunden des Protestanten Carl Heinrich Beck in Nördlingen [heute München, d.V.] gewesen sind. Jetzt wird selbst auf den außertheologischen Gebieten eine nur selten unbeachtete Grenzlinie gezogen."
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Im Kapitel über das Kaiserreich erläutert Schulze die Spezialisierung und politische Differenzierung des Verlagswesens: Doch "nicht nur die Politisierung, auch die Konfessionalisierung des Buchhandels wuchs seit 1870 in ungeheurem Maße. Jährlich werden Buchhandlungen mit ausgesprochen evangelischem Charakter in größerer Zahl gegründet, ein Verein von Verlegern christlicher Literatur tritt 1886 zusammen, ein katholisches Zentrum für geistige Bestrebungen, in Mönchen-Gladbach, bildet sich seit 1890 heraus, dessen konzentriertem Willen wieder die evangelische Kirche nichts Gleichartiges gegenüberzustellen hatte, trotz Gütersloh [Bertelsmann, d.V.] und anderer evangelisch betonter Verlagsorte." [27]
<40>
Tatsächlich gab es seit 1870 nicht nur Gründungen konfessionell gebundener Verlage wie 1870 auf katholischer Seite Butzon & Bercker (Kevelaer), 1875 Paulinus (Trier), 1910 Karl Alber (Freiburg) und Patmos (Düsseldorf) oder auf evangelischer 1872 das evangelisch freikirchliche Christliches Verlagshaus (Stuttgart) oder 1904 Alfred Kröner (Stuttgart). Darüber hinaus entstanden der Verband katholischer Verleger und Buchhändler (VKB), gegründet 1906, sowie der protestantische Verein von Verlegern christlicher Literatur und der Verband evangelischer Buchhändler, die 1925 in Leipzig zur Vereinigung Evangelischer Buchhändler (VEB) fusionierten und 260 Mitglieder hatten. Der VKB, der die katholischer Bevölkerungsminderheit (ca. 36 %) repräsentierte, umfasste 189 Mitglieder.
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Diese Zweiteilung begann in den 1960er-Jahren aufzuweichen. Das lässt sich mit dem Ende des neokonfessionellen Zeitalters erklären. 1964 lud der Herder Verlag evangelische und katholische Buchhändler zu einer Tagung in die Evangelische Akademie Tutzing ein, um gemeinsame Arbeitsmöglichkeiten auszuloten. In Heilbronn fand 1968 die erste gemeinsame Hauptversammlung von VEB und VKB statt. 1976 lancierte Gerd Mohn zwar die Siebenstern-Taschenbücher, die ein "protestantisches Gegengewicht" zur Herder Bücherei darstellen sollten, zugleich erfolgte jedoch die erste grundlegende Satzungsänderung des VEB seit 1947, nach der neue Mitglieder künftig nicht mehr nach ihrer Konfession gefragt wurden. 1985 betrieben VEB und VKB erstmals einen gemeinsamen Stand auf der Frankfurter Buchmesse. Im VEB sind heute nur noch 83 Verlage organisiert, im VKB (heute: Katholischer Medienverband) nur noch 100. [28]
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Das Ende des konfessionalistischen Geistes zeigt sich auch darin, wie Verlage ihre religiöse Literatur dokumentiert wissen wollten. 1962 trennten sie für die "Dokumentation deutschsprachiger Verlage" noch streng zwischen Religion a) evangelisch und b) katholisch. 48 Verlage wiesen als einen Programmschwerpunkt katholische, 41 evangelische Religion aus, während nur 14 katholische und evangelische Titel im Programm führten. 1995 dagegen war diese Unterscheidung längst obsolet. [29]
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Einen Bedeutungsverfall haben auch religiöse und konfessionelle Buchgemeinschaften erlitten. Die Buchgemeinschaften der Weimarer Republik haben nichts gemeinsam mit den Buchclubs, die den Bundesbürgern vertraut sind. Damals blühten ideologisch und konfessionell ausgerichtete Buchgemeinschaften. Die richtige Weltanschauung bildete noch vor der Gewinnmaximierung das zentrale Selektionskriterium für Mitglieder und für die Literaturauswahl. Das nationalkonservative Lager etwa wurde angesprochen durch den 1919 gegründeten "Volksverband der Bücherfreunde". Er zählte 1931 rund 750.000 Mitglieder. Als sich jedoch 1925 in klerikalen Kreisen der Verdacht erhärtete, dass sich unter dessen Mitgliedern auch 80.000 Katholiken befänden, entschloss sich der schon seit 1844 volksbildend wirkende Borromäusverein zu einer Gegengründung. Seine Bonner Buchgemeinde konnte bald 53.000 Mitglieder anwerben. Die 1926 gegründete Katholische Buchgemeinde kam nach wenigen Monaten auf 43.000 Beitretende, da zählte die Sankt Josephus Bücherbruderschaft aus Rosenheim schon 180.000 Mitglieder.
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Über die meisten Buchgemeinschaften existieren keine Mitgliedsinformationen, etwa über die Evangelische Buchgemeinschaft (1924) oder den Verlag evangelischer Bücherfreunde (1931), die bewusst dem katholischen Buchhandel und der Schundliteratur entgegengesetzt wurden. Daneben gab es, für jüdische Leser, den Heine Bund sowie den kurzlebigen Zionistischen Bücherbund. Die Aufregung, die bis 1933 mit den gegeneinander aufgestellten Buchgemeinschaften verbunden war, gehört längst der Vergangenheit an. Die Fieberkurve des literarischen Konfessionalismus war in den 1830er-Jahren angestiegen, erreichte in der Mitte des 19. Jahrhundert, sichtbar in der Produktion religiöser und theologischer Literatur, ihren Höhepunkt, schlug in der Weimarer Republik besonders auf dem heiß umkämpften Bereich der Buchgemeinschaften nochmals aus, begann aber seit den 1960er-Jahren Normaltemperatur anzunehmen. [30]
<45>
Die gezeigten Kurven spiegeln eher religiöse denn konfessionalistische Phänomene, solange die Zahl konfessionsverhetzender Schriften innerhalb der religiösen Literatur unbekannt bleibt. Konfessions- oder Rassenhass lässt sich schlecht in Zahlen fassen. Dennoch gibt die Auszählung von Publikationen und Seiten der seit 1835 bestehenden Historisch-politischen Blätter für das katholische Deutschland einen Anhaltspunkt dafür, wie die Phasen des katholischen Antisemitismus verliefen, der im Kulturkampf und um 1900 zunahm. [31]
<46>
Auch der enorme Zustrom, den der 1887 gegründete Evangelische Bund erhielt, spricht gegen ein nachlassendes konfessionalistisches Engagement. Der Bund hatte sich ausdrücklich den Kampf gegen den Ultramontanismus auf die Fahnen geschrieben und bewegte damit 1914 mehr als eine halbe Million Mitglieder.
Er deutete die unzähligen Konflikte, die sich aus dem Zusammenleben von Protestanten und Katholiken ergaben, 1905 nicht nur als "konfessionellen Kriegszustand", sondern führte diesen Krieg auch schlagkräftig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich der Bund allmählich dem Zusammenleben der Konfessionen zu, was jedoch weitaus weniger Mitglieder ansprach. [32]
<47>
Eine kleine Sammlung weiterer Kurven und Daten in Grafik 9 zeigt, wie unterschiedlich die Verlaufsformen einzelner Phänomene waren, aber auch, wie sich die entscheidenden Phasen, besonders der Abschwung in den 1960er-Jahren, mit der Parabel vom zweiten konfessionellen Zeitalter decken. Die Gründungen von Herz-Jesu-Patrozinien in fünf Diözesen häuften sich um 1900. Das Vereinswesen boomt erst im späten Kaiserreich. Der 1891 gegründete Volksverein für das katholische Deutschland, der 1914 über 805.000 Mitglieder fasste, schrumpfte in den 1920er-Jahren und wurde 1933 aufgelöst. Indes wuchs die Zahl von Frauen und Männern in Orden des Bistums Tier weiter, sogar bis in die 1960er-Jahre, als auch die Eintritte bei den Schwestern des heiligen Franziskus in Münster zurückgingen. [33]
<48>
Diese Kurven ließen sich ergänzen durch die zunehmenden Marienerscheinungen seit dem frühen 19. Jahrhundert, Volksmissionen, die Abschaffung von Simultankirchen, Kanonisierungen in der Liturgie und vieles andere. Aus den Daten sind durchaus verschiedene religiöse Wellen ablesbar. Religiöse Literatur stieg zur Mitte des 19. Jahrhunderts, aber auch nochmals zur Mitte des 20. Jahrhunderts an. Konfessionalistische Polemik war in den 1860er/70er-Jahren, um 1900 und um 1930 in Mode. Zuweilen finden sich zwei Scheitelpunkte in ein und derselben Kurve.
<49>
Ferner ist zu erkennen, dass die Indizienkurven je unterschiedliche Scheitelpunkte aufweisen. Während bei der Buchproduktion Religion zwischen den 1840ern und 1870ern ganz oben lag, erreichte das konfessionelle Vereinswesen seinen Höhepunkt Anfang des 20. Jahrhunderts − wie sollte es auch anders sein, war das Vereinswesen vor 1848 doch noch kaum ausgeprägt? −, die Wallfahrt nach Trier gipfelte 1933, manche Orden erst in der Adenauerzeit. Der an Details und Differenzierungen interessierte Blick erspäht überall zeitliche, sachliche, konfessionelle, regionale oder sonstige Devianzen. Solch konstruktives Misstrauen ist ebenso angebracht wie eine konstruktive Syntheseleistung. Rafft man nämlich einmal alles zusammen, interessiert am Großen Ganzen, wie ja auch das Zeitalter des Bürgertums oder das der Säkularisierung Generalbeobachtungen sind, lässt sich festhalten:
Zwar gab es unterschiedliche Wellen und Höhepunkte, abhängig von den in ihrer Zeit je verschiedenen Manifestationen gesellschaftlicher und religiöser Bedürfnisse. Doch keine Welle und kein Scheitelpunkt liegt außerhalb des zweiten konfessionellen Zeitalters. Wenn sich religiöse Phänomene aufbauten, dann kaum vor 1830 und kaum nach 1960. Der christliche Konfessionalismus war vor 1830 ebenso wenig ein dringendes gesellschaftliches Problem wie heute, aber die Zeit dazwischen war geprägt von krudem Konfessionalismus und verzweifelten Versuchen zur Entkonfessionalisierung, zum Leidwesen der Kirchen besonders seit 1933. Der generelle Abbau religiöser und vor allem konfessionalistischer Haltungen und Praktiken beschleunigte sich seit den 1960er-Jahren auf allen Ebenen − in den Kirchen selber, in den Medien, im Verein, der Politik, dem Heiratsverhalten. Insofern liegen die Ausgangs- und vor allem Landepunkte der Parabeln in denselben Jahrzehnten, ungeachtet unterschiedlicher interner Konjunkturen.
<50>
Ziel solcher Überlegungen ist, Tendenzen aufzuspüren, ohne gegenläufige (wie Osterkommuniondaten) zu unterdrücken. Andere Perspektiven − differenzierte Säkularisierungsvorstellungen, Wellenbeobachtungen − bleiben als Optionen bestehen. Das "zweite konfessionelle Zeitalter" offeriert eine mögliche Alternativperspektive. Zur Veranschaulichung der langen Flugkurve im zweiten konfessionellen Zeitalter dienten die Schaubilder. Sie mögen diejenigen, die mit bestimmten Diözesen oder anderen religiösen Manifestationen als den hier verhandelten vertraut sind, dazu anregen, weitere Datenreihen seit 1800 zu erheben, um das Modell kritisch zu überprüfen. Vielleicht zeigt sich dann, dass diese alternative Art, die Zusammenhänge zu betrachten, nicht so "überzogen" ist, wie manche Kritiker monierten, zumindest nicht überzogener als die mutwillige oder bloß unbefangene Rede vom Zeitalter der Säkularisierung oder Zeitalter des Bürgertums.
Dr. Olaf Blaschke
Universität Trier
Fachbereich III Neuere und Neueste Geschichte
54286 Trier
blaschke@uni-trier.de
[1] Ausführlicher: Olaf Blaschke: Konfessionen im Konflikt. Deutschland zwischen 1800 und 1970: ein zweites konfessionelles Zeitalter, Göttingen 2002; ders.: Das 19. Jahrhundert: Ein Zweites Konfessionelles Zeitalter? in: Geschichte und Gesellschaft 26 (2000), 38-75, 48f. Ich danke Bernhard Schneider und Inga Brandes für ihre Kritik.
[2] Hans-Jürgen Fraas: Mann mit Eigenschaften. Die Zukunft der Männer in der Kirche, Düsseldorf 1995, 15f.
[3] Eine Initialzündung ging aus von Thomas Nipperdey: Religion im Umbruch. Deutschland 1870 bis 1918, München 1988.
[4] Michael Geyer: Einleitung: Religion und Nation − Eine unbewältigte Geschichte. Einführende Betrachtungen, in: ders. / Hartmut Lehmann (Hg.): Religion und Nation. Nation und Religion. Beiträge zu einer unbewältigten Geschichte (= Bausteine zu einer europäischen Religionsgeschichte im Zeitalter des Säkularisierung, Hg. Hartmut Lehmann, Bd. 3), Göttingen 2004, 11-32, 20. Vgl. als jüngste Kritik am Säkularisierungsparadigma: Friedrich Wilhelm Graf: Euro-Gott im starken Plural? Einige Fragestellungen für eine europäische Religionsgeschichte des 20. Jahrhunderts, in: Journal of Modern European History 3 (2005), 231-57.
[5] Jürgen Kocka: Das lange 19. Jahrhundert. Arbeit, Nation und bürgerliche Gesellschaft (= Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, 10. Aufl., Bd. 13), Stuttgart 2002.
[6] Vgl. zur Verkirchlichung im Protestantismus Martin Friedrich: Das 19. Jahrhundert als "Zweites Konfessionelles Zeitalter"? Anmerkungen aus evangelisch-theologischer Sicht, in: Blaschke (Hg.): Konfessionen, 95-112. Zur Bastelreligion: Karl Gabriel: Christentum zwischen Tradition und Postmoderne, 6. Aufl., Freiburg 1998, 152-56.
[7] Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, München 1995, 19.
[8] Michael B. Gross: The War against Catholics. Liberalism and the Anti-Catholic Imagination in Nineteenth-Century Germany, Ann Arbor, 2004, 1, spielt hier jedoch das Jahrhundert des Antikatholizismus gegen das des Antisemitismus aus.
[9] Vgl. Philipp W. Hildmann: Schreiben im zweiten konfessionellen Zeitalter. Jeremias Gotthelf (Albert Bitzius) und der Schweizer Katholizismus des 19. Jahrhunderts, Tübingen 2005, der anhand der Biographie des Schweizer Schriftstellers (1797-1854) die Transformation von einer religiös entspannten in eine konfessionalisierte Epoche nachzeichnet. Vgl. den Sonderforschungsbereich über christliche Männlichkeit, der unter Leitung von Yvonne Maria Werner an der Universität Lund/Schweden beheimatet ist und an dem mehr als ein Dutzend primär skandinavischer Forscher teilnehmen, aber auch die Briten Hugh McLeod und Callum Brown; vgl. Yvonne Maria Werner: Christian manliness, a paradox of modernity: men and religion in a northern-European context, 1840-1940, http://www.hist.lu.se/hist/forskning//kristen_manlighet/HomepageMan.pdf . Darüber hinaus läuft an der Universität Bochum bei Lucian Hölscher ein begriffsgeschichtliches DFG-Projekt über Konfession im zweiten konfessionellen Zeitalter; vgl. dazu seinen Beitrag in dieser Ausgabe.
[10] Vgl. Anthony Steinhoff: Ein zweites konfessionelles Zeitalter? Nachdenken über die Religion im langen 19. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft 30 (2004), 549-70; für Schwedens Protestantismus bestätigt Anders Jarlert: Det "långa" 1800-talet som en andra konfessionell tidsålder, in: Rune Imberg / Torbjörn Johansson (Hg.): Nåd och sanning. Församlingsfakulteten 10 år, Göteborg 2003, 87-98 die Matrix und spricht von pluralistischer Konfessionalisierung; Martin Schulze Wessel: Das 19. Jahrhundert als "Zweites Konfessionelles Zeitalter"? Thesen zur Religionsgeschichte der böhmischen Länder in europäischer Hinsicht, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), 514-30, betont, dass der Gegensatz katholisch-laiszistisch seit den 1860er-Jahren die Politik in den böhmischen Ländern ähnlich prägte wie der Bikonfessionalismus die Politik und Gesellschaft Deutschlands, dass jedoch besonders in der Zwischenkriegszeit die ethnische Segregagion stärker als die kirchenorganisatorische Zusammengehörigkeit war. Vgl. Wilhelm Ribhegge: Nation und Konfession in Deutschland, in: Stimmen der Zeit 221 (2003), 9-25: Konfession habe nicht nur eine "negative und 'spaltende' Funktion" ausgeübt, sondern auch eine positive. Margaret L. Anderson: Living Apart and Together in Germany, in: Helmut W. Smith (Hg.): Protestants, Catholics, and Jews in Imperial Germany, Berg, 2001, 317-32; Helmut W. Smith: Rezension von Blaschke (Hg.): Konfessionen, in: German Historical Institute London, Bulletin 25 (2003), 101-106; dass., Benjamin Ziemann: in: Archiv für Sozialgeschichte 43 (2003): http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80408.htm. (zuletzt eingesehen: 10.8.2005). Einige Hinweise zum internationalen Vergleich in Blaschke (Hg.): Konfessionen.
[11] Carsten Kretschmann / Henning Pahl: Ein "Zweites Konfessionelles Zeitalter"? Vom Nutzen und Nachteil einer neuen Epochensignatur, in: Historische Zeitschrift 276 (2003), 369-92, 372.
[12] Der Vergleich dieser fünf Ebenen ausführlich bei Blaschke: 19. Jahrhundert, 59-72; ders.: Das Zweite Konfessionelle Zeitalter. Ein Deutungsangebot für Katholizismus- und Sozialhistoriker, in: Johannes Horstmann / Antonius Liedhegener (Hg.): Konfession, Milieu, Moderne. Konzeptionelle Positionen und Kontroversen zur Geschichte von Katholizismus und Kirche im 19. Und 20. Jahrhundert, Schwerte 2001, 27-78.
[13] Zu den Ursachen vgl. Olaf Blaschke: Die Inkubationszeit konfessioneller Intoleranz im frühen 19. Jahrhundert, in: Aram Mattioli / Markus Ries / Enno Rudolph (Hg.): Intoleranz im Zeitalter der Revolutionen. Europa 1770-1848, Zürich 2004, 189-209. Über die Transformationsprozesse nach 1945: Wilhelm Damberg: Abschied vom Milieu? Katholizismus im Bistum Münster und in den Niederlanden 1945-1980, Paderborn 1997; Hugh McLeod: The Religious Crisis of the 1960s, in: Journal of Modern European History 3 (2005), 205-30.
[14] Zehn Felder werden analysiert bei Olaf Blaschke: Der "Dämon des Konfessionalismus". Einführende Überlegungen, in: ders. (Hg.): Konfessionen, 13-69.
[15] Zitate: Ziemann.
[16] Daten für Münster Damberg: Abschied, 618; Trier: Bernhard Schneider / Martin Persch (Hg.): Geschichte des Bistums Trier, Bd. 5: Beharrung und Erneuerung 1881-1981, Trier 2004, 286; Protestanten: Lucian Hölscher: Datenatlas zur religiösen Geographie im protestantischen Deutschland von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg, 4 Bde., Berlin 2001, Bd. 4, 479f., 581, 598f., Bd. 3, 135; bei der Abendmahlsstatistik werden Kommunionen, nicht Kommunikanten, von denen einige mehrfach gingen, gezählt; das treibt den Prozentanteil hoch, der andererseits zu niedrig liegt, da die religionsunmündigen Kinder (meist ein Drittel der Gemeindemitglieder) von der Bevölkerungszahl abgezogen werden müssten, vgl. ebd. 36; Zahlen Dt. Reich inges: 696f.
[17] Ulrich von Hehl: Zeitgeschichtliche Katholizismusforschung. Versuch einer Standortbestimmung, in: Karl-Joseph Hummel (Hg.): Zeitgeschichtliche Katholizismusforschung. Tatsachen, Deutungen, Fragen. Eine Zwischenbilanz, Paderborn 2004, 15-28, 21.
[18] Vgl. bereits Ansgar Ahlbrecht: Konfessionalismus, in: Sacramentum Mundi. Theologisches Lexikon für die Praxis, Bd. 3, Freiburg 1969, 1-5; Anton Rauscher (Hg.): Probleme des Konfessionalismus in Deutschland seit 1800, Paderborn 1984.
[19] Bernhard Schneider: Die Hl.-Rock-Wallfahrten von 1810 und 1844, in: ders. / Martin Persch (Hg.): Geschichte des Bistums Trier, Bd. 4: Auf dem Weg in die Moderne 1802-1880, Trier 2000, 567-80, 577. Martin Persch: Die Hl.-Rock-Wallfahrten 1891, 1933 und 1959, in: ebd., Bd. 5, 720-30. Daten für 1996: www.trier.de/stadt/hr.htm. (Zuletzt eingesehen: 20. 10. 2005).
[20] Daten für das 18. Jahrhundert sowie für 1801-1900 in Grafik 2 bis 4 aus bzw. berechnet nach Ilsedore Rarisch: Industrialisierung und Literatur. Buchproduktion, Verlagswesen und Buchhandel in Deutschland im 19. Jahrhundert in ihrem statistischen Zusammenhang, Berlin 1976, 13, 98-105. Dort auch eine Diskussion über die Unvollständigkeit und Zuverlässigkeit der Daten; vgl. Reinhard Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, München 1999, 85, 122f., 295f. Für 1870-1918: Barbara Kastner: Statistik und Topographie des Verlagswesens, in: Georg Jäger (Hg. i. A. der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels): Geschichte des Deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert, Bd. 1/Teil 2: Das Kaiserreich 1870-1918, Frankfurt 2003, 300-367; Daten für 1920, 1930: Hans Widmann: Geschichte des Buchhandels vom Altertum bis zur Gegenwart (völlige NB der Aufl. von 1952). Wiesbaden 1975 (2. Aufl.), 156f.; für 1925: Börsenblatt, 25.2.1926; für 1935: ebd., 10.3.1936; Berechnungen für 1945-1947 anhand von: Das Neue Buch. Katalog der Neuerscheinungen 1945 bis 1947, hg. v. der Berliner Verleger- und Buchhändlervereinigung. Berlin 1947 (850 Religionstitel von 5100); Daten ab 1951: Buch und Buchhandel in Zahlen, Hg. Börsenverein des deutschen Buchhandels, 1951-2004.
[21] Vgl. die anschauliche Grafik über die deutsche Buchproduktion von 1840 bis 1880 in Rarisch: Industrialisierung, 42.
[22] Wittmann: Geschichte, 85.
[23] Buch und Buchhandel in Zahlen, 2003, 63.
[24] Geschichte (beim Börsenverein heute Kategorie 63: Geschichte und historische Hilfswissenschaften, 64: Sozialgeschichte, 65: Wirtschaftsgeschichte) wurde zusammengefasst, ebenso wie Pädagogik (Kategorie 7: Kinder- und Jugendliteratur, 22: Erziehung, Bildung, Unterricht, 23: Schulbücher).
[25] Vgl. den geöffneten Giftschrank antikatholischer Literatur bei: Heinrich Keiter: Konfessionelle Brunnenvergiftung. Die wahre Schmach des 19. Jahrhunderts, Regensburg 1896.
[26] Rudolf Schlögl: Glaube und Religion in der Säkularisierung. Die katholische Stadt − Köln, Aachen, Münster − 1740-1840, München 1995, 85.
[27] Friedrich Schulze: Der deutsche Buchhandel und die geistigen Strömungen der letzten hundert Jahre, Leipzig 1925 (ND Leipzig 1990), 145, 244.
[28] Vgl. http://www.veb-medien.de http://www.katholischer-medienverband.de/buecher.htm. (Letzte Einsicht: 1.11.2005).
[29] Auszählung von Curt Vinz / Günter Olzog (Hg.): Dokumentation deutschsprachiger Verlage, München 1962. Vgl. dagegen Günter Olzog / Johann Hacker (Hg.): Dokumentation deutschsprachiger Verlage, 12. Ausg., München 1995.
[30] Vgl. Urban van Melis: Die Buchgemeinschaften in der Weimarer Republik. Mit einer Fallstudie über die Sozialdemokratische Arbeiterbuchgemeinschaft Der Bücherkreis, Stuttgart 2002, 92-107, 140-48.
[31] Näheres in Olaf Blaschke: Katholizismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich, 2. Aufl., Göttingen 1999, 146.
[32] Armin Müller-Dreier: Konfession und Politik, Gesellschaft und Kultur des Kaiserreichs. Der Evangelische Bund 1886-1914, Gütersloh 1998, 333, Zahlen für Grafik 8: 80; Zahlen für 1926, 1932, 1943, 1999: Walter Fleischmann-Bisten: Evangelischer Bund, in: RGG, Bd. 2, 1999, 1728-31.
[33] Daten: Volksverein: Gotthard Klein: Der Volksverein für das katholische Deutschland 1890-1933. Geschichte, Bedeutung, Untergang, Paderborn 1996, 420-27; zu Münster: Damberg: Abschied, 625; Herz-Jesu-Patrozinien in den Diözesen Köln, Mainz, Münster, Paderborn, Trier (in Fünfjahreskohorten 1871-75 etc.): Norbert Busch: Katholische Frömmigkeit und Moderne. Zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Herz-Jesu-Kultes in Deutschland zwischen Kulturkampf und Erstem Weltkrieg, Gütersloh 1997, 86. Orden in Trier: Schneider / Persch (Hg.): Bd. 4, 242f., Bd. 5, 218.
Empfohlene Zitierweise:
Olaf Blaschke : Abschied von der Säkularisierungslegende. Daten zur Karrierekurve der Religion (1800-1970) im zweiten konfessionellen Zeitalter: eine Parabel , in: zeitenblicke 5 (2006), Nr. 1, [04.04.2006], URL: https://www.zeitenblicke.de/2006/1/Blaschke/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-2691
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