Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in der historischen Forschung zum östlichen Europa
urn:nbn:de:0009-9-12339
Zusammenfassung
Einleitend zu einem Überblick über die Literatur zur Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Ostmitteleuropa muss festgestellt werden, dass dieser Zugang selten von der ostmitteleuropäischen Historiographie selbst verwendet wird, obwohl dies für Ostmitteleuropa nach 1989 besonders nahe liegend erscheint. Unter das erste Themenfeld, die Instrumentalisierung von Erinnerung durch politische Systeme, fällt zunächst die Beschäftigung mit der repressiven Seite des kommunistischen Systems, verbunden mit der Schuldfrage, die Gefahr läuft, zum "politischen Kampfplatz" zu werden. Daneben werden in diesem Zusammenhang Historiographiegeschichte und die Instrumentalisierung tradierter Vergangenheit durch das kommunistische Regime untersucht. Hinsichtlich des zweiten Themenfeldes, der Forschung zu Erinnerungsorten bzw. vor allem ihrer Entnationalisierung, steht die ostmitteleuropäische Forschung noch am Anfang. Vor allem mit Bezug auf das ehemalige Jugoslawien wurde die Rolle von Erinnerungsmanagement für die Eskalation interethnischer Konflikte in den Blick genommen. Deren erinnerungskulturelle Folgewirkungen werden im Gegensatz zu denjenigen der Shoah eher selten betrachtet. Zuletzt werden Arbeiten zur Visualisierung und Materialisierung von Erinnerung in Form von Museen, Gedenkstätten, Festen und Denkmälern vorgestellt.<1>
Angesichts der politischen Entwicklung in den beiden vergangenen Jahrzehnten, vor allem jedoch vor dem Hintergrund der Umbrüche der Jahre 1989/91 erscheint es naheliegend, dass im Bereich der Forschung zum östlichen Europa Ansätze zu den Bereichen Erinnerungskultur und Geschichtspolitik eine besondere Konjunktur besitzen. Betrachtet man jedoch die Geschichtswissenschaft, die auf das östliche Europa bezogen arbeitet, dann ist dies tatsächlich nur in der Forschung westlicher Provenienz der Fall, und auch hier verdichten sich Studien erst seit etwa zehn Jahren zu eigenständigen Forschungsfeldern. Waren kurz nach 1989 engagierte, methodisch aber offen gehaltene Annäherungen an den Umgang mit Vergangenheit kennzeichnend, [1] sind gerade in den letzten Jahren etliche Bände erschienen, die sich auch explizit auf die methodisch-theoretischen Grundlagen von Erinnerungskultur beziehen. [2] Das neue Interesse ist auch daran abzulesen, dass die Zahl der Veröffentlichungen, die über beziehungsgeschichtliche Fragestellungen hinausgehen und einen gesamteuropäischen Vergleichskontext jenseits additiver Zugangsweisen anstreben, deutlich im Steigen begriffen ist. [3]
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Trotzdem kann von einer umfassenden Dynamik der Erinnerungsforschung wie etwa im deutsch-französischen Fall, in der eine Aufarbeitung belasteter bilateraler Vergangenheit auch wesentlich über die Beschäftigung mit Erinnerung erfolgte, nur im deutsch-polnischen Beispiel gesprochen werden [4] – und auch hier nur unter Einschränkungen. Der Umgang mit 'Erinnerung' entwickelte sich in den meisten postkommunistischen Gesellschaften vielmehr zu einem hoch politisierten Streitobjekt; obwohl die Themen nur unwesentlich differierten, führten die entsprechenden Debatten eher zu einer Polarisierung von Wissenschaft und Gesellschaft über die Frage der zweckmäßigen Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit. Die verspätete Umsetzung erinnerungskultureller Forschungsansätze in diesem gesamtgesellschaftlichen Umfeld ist dabei jedoch auch dem Umstand geschuldet, dass in den Forschungslandschaften des östlichen Europa eine deutliche Zurückhaltung des historiographischen 'mainstream' entsprechenden Ansätzen gegenüber festzustellen ist – was sich nicht zuletzt in den Fachdebatten bis vor kurzem in einem terminologischen Herantasten an die theoretischen Grundlagen der Erinnerungsforschung widerspiegelte. Dieser Umstand ist nicht zuletzt auch auf die Tendenz zurückzuführen, in Abgrenzung zum Schematismus des Marxismus-Leninismus, der die Geschichtsschreibung in den einzelnen Ländern in unterschiedlicher Intensität überprägte, einen neuen, quellengesättigten Positivismus zu verfolgen; mit diesem scheinen die analytischen Zugänge der Erinnerungskulturforschung nur schwer vereinbar. [5]
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So ist die Zahl derjenigen Historikerinnen und Historiker aus dem östlichen Europa, die Ansätze aus dem Bereich der erinnerungskulturellen Forschung zur Grundlage ihrer Arbeit gemacht haben, durchaus noch überschaubar, und es bleibt noch abzuwarten, wie die etablierte Forschung auf gesamteuropäisch konzipierte Impulse (wie z. B. die von Monika Flacke herausgegebenen Bänden "Mythen der Nationen" [6]) reagieren wird. Darüber hinaus fällt auch auf, dass die Theorien von Maurice Halbwachs [7] oder Pierre Noras Konzept der 'lieux de mémoire' [8] bisher eine weit intensivere Rezeption erfahren haben als die Theorien der deutschsprachigen Forschung zu Erinnerungskultur (vor allem von Jan und Aleida Assmann [9]). Dabei muss allerdings in Rechnung gestellt werden, dass bisher wesentliche Arbeiten zu Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in den entsprechenden Ländern von Vertretern benachbarter Disziplinen vorgelegt worden sind – so beispielsweise in Ungarn von der Soziologin Éva Kovács. [10]
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Kein Mangel besteht in den Historiographien des östlichen Europa an Werken, die sich zum einen mit Aspekten der Vergangenheitspolitik und der Frage nach dem "Erinnerungsmanagement" [11] in politischen Systemen auseinandersetzen. Zum anderen widmen sich viele Beiträge, die auf Erinnerung als Kategorie Bezug nehmen, der (Neu-)Verfertigung und Popularisierung von Meistererzählungen mit meist nationalem Geltungsanspruch. Dies wird begünstigt durch 'nation building-Strategien' in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, Jugoslawiens und zum Teil auch der Tschechoslowakei, wo die Politik über das Interesse an einer normativen patriotischen Geschichtsschreibung Initiativen in Richtung einer Suche nach Bezugspunkten in der Vergangenheit unterstützte. Da diese Werke oft eine apologetische oder gar inquisitorische Stoßrichtung aufweisen, sind sie in einem Kontext zu sehen mit geschichtspolitischen Initiativen im Bereich des Ausstellungs- und Museumswesens, die das Anliegen verfolgen, auf der Deutungsfolie innenpolitischer Lagerbildung eindeutig zuordenbare, aber national ausgestaltete Erinnerungsangebote zu formulieren und medialisieren. Die bekanntesten Beispiele sind hier das "Terror háza" (Haus des Terrors) in Budapest und das "Museum Powstania Warszawskiego" (Museum des Warschauer Aufstandes) in Warschau. [12]
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All dies soll nun am Beispiel von vier Themenfeldern verdeutlicht werden, in denen bisher die intensivste Beschäftigung mit grundsätzlichen Fragestellungen stattfand; bei den Werken, die exemplarisch präsentiert werden, liegt der Schwerpunkt auf der deutsch- und englischsprachigen Forschung zu Ostmitteleuropa, es werden jedoch auch Hinweise zu Ost- und Südosteuropa mit angeführt. Bei den vier Themenbereichen handelt es sich um:
1) Die Instrumentalisierung von Erinnerung und Vergangenheitsbezügen durch politische Systeme – der Umgang mit der kommunistischen und vorkommunistischen Vergangenheit
2) National geteilte bzw. umstrittene Erinnerungsorte
3) Die Rolle von Erinnerungsmanagment bei der Eskalation interethnischer Konflikte –die Frage des Erinnerns an Vertreibungen, Genozid und den Holocaust bzw. die Shoah
4) Die Visualisierung und Materialisierung von Erinnerung (Gedenkstätten und Museen, Totenkulte, Festkultur, Denkmäler)
Die Instrumentalisierung von Erinnerung und Vergangenheitsbezügen durch politische Systeme – der Umgang mit der kommunistischen und vorkommunistischen Vergangenheit
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Viele Arbeiten, die sich mit dem östlichen Europa auseinandersetzen, stehen grundsätzlich unter dem Duktus der Frage "Was tun mit der kommunistischen Vergangenheit" [13] – dieses Forschungsfeld hat sich bereits in mehrere Richtungen ausdifferenziert. In Zentrum vieler Einzelstudien und Sammelbände steht der Themenkomplex des Umgangs mit einer nach 1989/91 problematisch gewordener Vergangenheit. Die sich mit der Wende notwendigerweise stellenden Probleme der positiven, negativen oder unterlassenen Bezugnahme auf kommunistische und vorkommunistische Vergangenheit stellen hier zentrale Ausgangspunkte dar. [14] Dabei erfolgt einerseits eine Fokussierung auf die Frage des Umgangs mit den repressiven Aspekten kommunistischer Systeme, die mitunter als Übergangsstudien zur Vergangenheitspolitik ausgestaltet sind. [15] Andererseits thematisierte vor allem die amerikanische Forschung immer wieder die Frage nach dem ideologiegeleiteten Erinnerungsmanagement (oder 'politics of memory'), und zwar sowohl für die verschiedenen Entwicklungsphasen der kommunistischen Systeme als auch im postkommunistischen Transformationsprozess. Hier finden sich zahlreichen Arbeiten im Übergangsbereich zur Geschichtspolitik, die nach der Funktion von Bezugnahmen auf Vergangenheit im politischen Wettbewerb fragen. [16]
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In diesem Zusammenhang tritt uns, wie Petra Bock und Edgar Wolfrum ausgeführt haben, die Vergangenheit in ihrer Funktion als "politischem Kampfplatz" entgegen. "Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 wird – wie dies nach historischen Umbrüchen immer der Fall ist – über die Konstruktion neuer politischer und nationaler Identitäten gestritten. Alte Mythen werden durch neue ersetzt, Debatten über Schuld, Abrechnung, Bestrafung, Amnestie und Amnesie werden geführt." [17] Der politische Charakter dieser Debatten um Vergangenheit zeigte sich gerade in der Frage nach Täter-Opfer-Beziehungen in den konflikt- und verlustreichen Phasen des 20. Jahrhunderts sowie in der Frage nach Fremdbestimmung und Eigenbeteiligung der jeweiligen nationalen Gesellschaft, wenn es um die Gewaltverbrechen diktatorischer Regime im östlichen Europa geht – oft ist dies verbunden mit dem, wofür Christoph Cornelißen die Formel von der "Forderung nach öffentlicher Erinnerung an 'schuldhaftes' Verhalten" geprägt hat. [18] Während für die postsowjetische Geschichte der Zweite Weltkrieg als 'Großer Vaterländischer Krieg' [19] immer noch eine zentrale identitätsstiftende Rolle erfüllt, sind für die Länder Ostmittel- und teilweise auch Südosteuropas die Bezugsepochen dieser Erinnerungsdiskurse oft direkt aufeinander bezogen – der Zweite Weltkrieg [20] (incl. der Frage nach der 'eigenen' Beteiligung am Holocaust) und die Nachkriegszeit als Epoche der Etablierung und Stabilisierung der kommunistischen Systeme (verknüpft mit der Frage nach dem totalitären Charakter kommunistischer Herrschaftspraktiken).
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In diesem Kontext kann auch auf Studien im Überschneidungsbereich zur Historiographiegeschichte verwiesen werden, die sich der Geschichtskultur und dem Aspekt des Vergangenheitsbezugs als Deutungsproblem oder der Rolle von Historikern im Rahmen offizieller Geschichtspolitik widmen. [21] Vielfach wird hier jedoch auch auf Eigendynamiken hingewiesen, die vom geschichtswissenschaftlichen Forschungs- und Lehrbetrieb selbst ausgehen, etwa durch Karsten Brüggemann, der festhält, dass sich im postsozialistischen Kontext in Estland eine renationalisierte Geschichtsschreibung ausgebildet habe, von der sich die Geschichtsschreibung und Vergangenheitstradierung der russischen Minderheit im Land immer mehr zu unterscheiden beginne – letztere nehme inzwischen die Gestalt einer inoffiziellen Gegenerzählung an und ähnle damit der estnisch-nationalen Überlieferung in ihrer Positionierung gegenüber offiziellen sowjetisch-estnischen Narrativen vor 1985. Die Ethnisierung des Vergangenheitsbezuges schlage sich, so Brüggemann, in diametral unterschiedlichen Bewertungen historischer Phasen und Ereignisse und in einer "ethnisierten" Festkultur nieder. [22]
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Immer wieder wird in Studien nach der Indienstnahme tradierter nationaler Vergangenheitstopoi für die kommunistische Machtlegitimierung gefragt. So hält beispielsweise Claudia Kraft für Polen fest, dass dort ab 1976 und vor allem nach der Ausrufung des Kriegsrechts 1981 eine Strategie der "umfassenden Aneignung der Nationalgeschichte durch die Regierungspartei" festzustellen war, die etwa in den Feiern zur 70-jährigen Wiederkehr der Gründung der Zweiten Polnischen Republik im November 1988 ihren Höhepunkt fanden; Kraft spricht von einer "Flucht in die Geschichte" angesichts einer damals verfahrenen innenpolitischen Situation und wirtschaftlicher Rezession. [23] Ein immer wiederkehrendes Thema ist darüber hinaus auch die Suche nach einem neuen postkommunistischen Grundkonsens, wobei die Vergessens-Forschung miteinbezogen werden kann. [24] Im Fall Russlands spricht Dittmar Schorkowitz von einem "Rückbezug auf vorrevolutionäre Erkenntnishorizonte, auch durch Ressentiments gegenüber einer wahllos blinden Aneignung westlicher Deutungsimporte und zunehmend durch die Leitlinien nationaler Geschichtspolitik". [25]
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In der Einleitung zu einem 2003 erschienenen Band haben Rudolf Jaworski, Jan Kusber und Ludwig Steindorff zu Recht kritisch festgehalten, dass sich die bisherige Forschung zu Erinnerungs- bzw. Gedächtnisorten in erster Linie auf den Nationalstaat bezogen hätte, während die Beschäftigung mit transnationalen Erinnerungsorten bisher eher die Ausnahme dargestellt habe; bezogen auf Osteuropa stehe die Beschäftigung mit dieser Fragestellung erst am Anfang. [26] Inzwischen lässt sich dennoch konstatieren, dass sich die Forschung in diesem Themenfeld inzwischen bereits deutlich belebt hat, im deutschsprachigen Raum nicht zuletzt durch eine Reihe von Tagungs- und Publikationsprojekten, die von Rudolf Jaworski [27] in Kiel und Moritz Csáky [28] in Wien angestoßen worden sind.
Als Teil der Dekonstruktion nationaler Erinnerungsorte steht dabei oft das Moment ihrer mehrfachen – und auch negativen – Ausdeutbarkeit im Vordergrund, so dass der keineswegs selbstverständliche bzw. semantisch gebrochene Erinnerungsort für das östliche Europa nahezu paradigmatisch zu sein scheint. In diesem Bereich finden sich Arbeiten sowohl zu einzelnen Orten und Grenzregionen [29] wie zu Ereignissen (etwa Schlachten [30]) oder Institutionen und Rechtsbeständen. [31] Unter jenen Arbeiten, die insbesondere auf die Indienstnahme von Erinnerungsorten im Funktionskontext politischer Systeme rekurrieren, kann auf die Studie von Frithjof Benjamin Schenk über Alexander Nevskij verwiesen werden, in der die beträchtlichen Schwankungen in der Interpretation der Herrscherfigur Nevskijs im politischen Kontext aufgeschlüsselt werden, wobei sich die vielfache politische Nutzbarkeit aus der in der Person angelegte Variabilität fast zwangsläufig zu ergeben schien. [32]
Die Rolle von Erinnerungsmanagment bei der Eskalation interethnischer Konflikte – die Frage des Erinnerns an Vertreibungen, Genozid und den Holocaust / die Shoah
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Vor allem in Veröffentlichungen, die auf südosteuropäische Beispielfälle bezogen sind, wird immer wieder auf den konfliktiven Gehalt von Erinnerungsorten (wie z. B. dem Kosovo) verwiesen und herausgearbeitet, in welcher Weise Erinnerung und Geschichtspolitik auch eine ausgrenzende Funktion erfüllen können. Vor allem die sogenannten ethnischen Säuberungen und Genozide im ehemaligen Jugoslawien haben darüber hinaus etliche Arbeiten angeregt, die den Missbrauch von Vergangenheitsbezügen als Mittel zur Eskalation interethnischer Gewalt bis hin zu einem "war of memories" [33] beschreiben. [34] Dieser Zugang spiegelt sich auch in Studien, die das Argumentieren mit Vergangenheit im Kontext des 'nation building' im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts untersuchen – so hat etwa Victor Roudometof am Beispiel Makedoniens auf die Funktionalisierung von Vergangenheitsbezügen für konkurrierende griechische und bulgarische Territorialansprüche hingewiesen. [35]
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Die desintegrative Eigendynamik einer Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, die ursprünglich als Legitimation des Staates gedacht war, wird vor allem am Beispiel Nachkriegsjugoslawiens deutlich. Für Wolfgang Höpken stiftete hier die Geschichtsvermittlung in Wissenschaft, Bildung und Publizistik mehr oder weniger verbindliche parteioffizielle Deutungsmuster zur Vergegenwärtigung des Vergangenen; diese dienten jedoch nicht nur der systempolitischen Loyalitätssicherung wie in anderen kommunistischen Systemen Osteuropas, sondern hatten in gleichem Maße die Aufgabe, "die Existenz und die Berechtigung eines jugoslawischen Staates überhaupt sinnhaft zu machen", und zwar in einer "ethnisch, kulturell, konfessionell hochgradig segmentierte[n] Gesellschaft, ein[em] Staat ohne ‚lange' staatliche Gemeinsamkeitstraditionen, geprägt zudem eher durch Erfahrungen des Antagonismus denn durch Zusammengehörigkeitsgefühle". Dies fand seinen Ausdruck auch in einer öffentlichen Erinnerungskultur mit staatlich inszenierten Feiern und Festen und einer vielfältig präsenten Geschichtssymbolik, ein Ensemble, das nicht als pluralistischer Selbstvergewisserungsdiskurs gedacht war, "sondern das vor allem der Stiftung einer gewünschten historischen Identität dienen sollten." [36]
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Die blutigen Konflikte in Bosnien 1992 – 1995 und im Kosovo 1999 bildeten auch den Kontext für eine intensive Beschäftigung mit dem Thema "Flucht, Vertreibung und Aussiedlung", die seit nunmehr zehn Jahren in der deutsch- und englischsprachigen Historiographie stattgefunden hat. [37] Hier entstanden nicht zuletzt angesichts der Irritationen, die das deutsch-tschechische und deutsch-polnische Verhältnis nach dem Jahr 2002 kennzeichneten (nämlich in der Frage der Bewertung der sog. Beneš-Dekrete und im Umfeld der Pläne für ein Zentrum gegen Vertreibungen), eine Anzahl von Schwerpunktheften und Sammelbänden, die sich jenseits einer faktografischen Aufarbeitung den diskursgeschichtlichen und erinnerungskulturellen Dimensionen von Flucht und Vertreibung widmeten. [38] Dennoch kann auch in diesem Themenbereich festgehalten werden, dass vor allem in vergleichender Perspektive die Forschung zum Teil noch hinter den Möglichkeiten geblieben ist, die sich gerade durch die Anwendung erinnerungskultureller und geschichtspolitischer Fragestellungen ergeben.
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Der Themenkomplex, in dem sich die Forschung bisher am intensivsten mit der Aufarbeitung
erinnerungskultureller Folgewirkungen von Genoziden auseinandergesetzt hat, ist natürlich mit dem Holocaust / der Shoah verbunden. Moritz Csáky hat hier festgehalten, dass "die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Erkenntnis, dass diese Verbrechen unter den Augen einer willfährigen oder schweigenden Mehrheit begangen wurden, [...] den Holocaust zu einem zentralen Ort des Gedächtnisses gemacht [hat], dessen erinnernde Aneignung zu einer moralischen Verantwortung geworden ist. [...] Die Erfahrung des Holocaust mahnt also nicht nur zu kontinuierlichem Gedenken und Erinnern, er ist zugleich ein Beispiel für die 'Entgrenzung', für die 'Entterritorialisierung' beziehungsweise 'Entlokalisierung' oder 'Globalisierung' von Gedächtnis und Erinnerung." [39]
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Auch wenn keineswegs behauptet werden kann, dass alle Fragen des erinnerungspolitischen Umgangs mit dem Holocaust / der Shoah inzwischen für alle Gesellschaften des östlichen Europa bereits hinreichend bearbeitet worden sind, hat die Frage des Erinnerns an den nationalsozialistischen Judenmord eine Vielzahl von Studien hervorgebracht, die sich auch oder vorrangig der erinnerungskulturellen Dimension des Themenfeldes widmen. [40] In Polen, mit den wichtigsten Orten des nationalsozialistischen Massenmordes an den europäischen Juden auf seinem Territorium, verlief die Debatte spätestens seit der erregt geführten Diskussion um die Bewertung des von der örtlichen Bevölkerung der ostpolnischen Kleinstadt Jedwabne 1941 durchgeführten Pogroms [41] in einem stark politisierten Kontext. Inzwischen hat sich die englischsprachige Forschung auch Aspekten der "Kommerzialisierung bzw. Trivialisierung der Vergangenheit" [42] gewidmet – so hielt z. B. Ruth Ellen Gruber fest, dass ein halbes Jahrhundert nach dem Holocaust mittlerweile jüdische Kultur – oder das, was dafür angesehen werde – bereits wieder eine sichtbare Komponente der Populärkultur darstelle, während die Juden in vielen Staaten im Vergleich zur Vorkriegszeit faktisch unsichtbar geworden wären. [43]
Die Visualisierung und Materialisierung von Erinnerung (Gedenkstätten und Museen, Totenkulte, Festkultur, Denkmäler)
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Auch bei der Beschäftigung mit der Musealisierung und medialen Verarbeitung von Erinnerung [44] bildet der Holocaust und die Frage nach dem Umgang mit den Orten des Massenmordes nach 1945 einen Hauptschwerpunkt. In Hinblick auf die geschichtspolitische Instrumentalisierung des Vernichtungslagers Auschwitz im Rahmen der offiziellen Erinnerungskultur der Volksrepublik Polen zwischen 1945 und 1979 unterscheidet etwa Jonathan Huener verschiedene Phasen der Erinnerung, angefangen von der Befreiung zur Phase der "memorialization" (bis 1947) über die Funktionalisierung von Auschwitz als "cold war theater" bis hin zur Internationalisierung der Gedenkstätte. "Auschwitz memory", so resümiert Huener, "was constructed, maintained, and modified – all with shifting, yet sturdy, political and cultural framework based in postwar Polish culture and politics". [45]
Über den Bereich des Gedenkstättenwesens und der Musealisierung hinaus finden sich auch Studien, die sich Aspekten der Vergegenwärtigung von Vergangenem über andere kulturelle Techniken des Erinnerns annähern. Hier geht es vielfach um narrative Gebilde, symbolische Handlungen und Rituale sowie um ikonische Bilder, die "nicht nur der Generierung kognitiver Denkmuster und Legitimationsfiguren [dienen], sondern auch der Herstellung emotionaler Gehalte und Bindungen" zur Formierung und Stabilisierung kollektiver Identität. [46]
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So fand die postkommunistische Identitätspolitik, die wesentlich auf neuen oder erneuerten kollektiven Identitätsangeboten auf der Basis eines Vergangenheitsbezuges [47] aufbaut, etwa eine deutliche Ausformung in der Staatssymbolik oder in symbolische Handlungen, mit denen ein Bezug zur Geschichte hergestellt wird – in diesem Kontext kann unter anderem auf Forschungen von Stefan Troebst und Wilfried Jilge verwiesen werden. [48] Darüber hinaus sind in Studien deutsch- und englischsprachiger Provenienz, die sich der Materialisierung und Medialisierung von Erinnerung widmen, drei Schwerpunkte auszumachen. Zum einen beschäftigen sich entsprechende Arbeiten mit den Kulten um Herrscher und Staatsspitzen (wie z. B. Aleksandr Nevskij [49] oder Józef Piłsudski [50]), aber auch mit den politischen Brüchen des Totengedenkens und dem im Umfeld von 1989 vielgenutzten Ritual der feierlichen Wiederbestattung ehemals politisch Diffamierter. [51] Ein zweiter Themenstrang stellt die Forschung zu Festen und Gedenktagen dar. Hier sind für den Bereich der Osteuropäischen Geschichte bisher vor allem politische Massenfeste in Hinblick auf ihre systemstabilisierende Funktion (vor allem im Stalinismus) analysiert worden; [52] was die Erforschung von Festkultur, Jahrestagen und Jubiläen betrifft, wären viele Aspekte, wie Rudolf Jaworski jüngst festgehalten hat, allerdings erst noch zu erschließen. [53] Die meisten Ergebnisse wurden bisher im dritten Forschungsfeld vorgelegt, zur Medialisierung von Erinnerung und zum Umgang mit der materiellen Hinterlassenschaft im Bereich der Denkmalskultur [54] und zur "Vielstimmigkeit des Mediums Denkmal". [55]
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Insgesamt kann konstatiert werden, dass in vielen Bereichen zwar noch Nachholbedarf besteht, jedoch in Hinblick auf die Entwicklung im östlichen Europa bereits jetzt Themenbereiche ausgemacht werden können, in denen sich nicht nur die Zahl an Studien zu Erinnerungskultur und Geschichtspolitik verdichtet, sondern aus denen sich Fragestellungen ableiten lassen, die jenseits eines spezifisch 'osteuropäischen' Wahrnehmungskontextes von Interesse sind. Nicht zuletzt Fragen nach eigenbestimmter (nationaler) oder dialogischer (europäischer) Aufarbeitung der Vergangenheit und nach den Techniken und Grenzen eines gesamteuropäischen Erinnerns werden im Vordergrund der Forschung stehen. Die gerade in den letzten zwei bis drei Jahren im deutschsprachigen Raum stetig steigende Zahl an Tagungen und Veröffentlichungen lässt jedenfalls auf eine dynamische Entwicklung der Forschung im Bereich Erinnerungskultur und Geschichtspolitik hoffen.
Prof. Dr. Peter Haslinger
Herder-Institut Marburg e.V.
Gisonenweg 5-7
D-35037 Marburg
haslinger@herder-institut.de
[1] Vgl. etwa folgende Sammelbände: Clemens Burrichter / Günter Schödl (Hg.): "Ohne Erinnerung keine Zukunft!" Zur Aufarbeitung von Vergangenheit in einigen europäischen Gesellschaften unserer Tage, Köln 1992; Annette Leo: Die wiedergefundene Erinnerung. Verdrängte Geschichte in Osteuropa, Berlin 1992 (es handelt sich hierbei um eine Auswahl an Beiträgen aus Alain Brossat / Sonia Combe / Jean-Yves Potel / Jean-Charles Szurek (Hg.): À l'Est, la mémoire retrouvée, Paris 1990).
[2] Stellvertretend kann hier etwa auf folgende Studie verwiesen werden: Andreas Langenohl: Erinnerung und Modernisierung. Die Rekonstruktion politischer Kollektivität am Beispiel des neuen Russland, Göttingen 2000, 21-131.
[3] Jan-Werner Müller (Hg.): Memory and power in post-war Europe. Studies in the presence of the past, Cambridge 2002; hier vor allem das Vorwort des Herausgebers: Introduction: the power of memory, the memory of power and the power over memory, 1-35. Wolfgang Benz (Hg.): Wann ziehen wir endlich den Schlussstrich? Von der Notwendigkeit öffentlicher Erinnerung in Deutschland, Polen und Tschechien. Berlin 2004; Krzysztof Ruchniewicz / Stefan Troebst (Hg.): Diktaturbewältigung und nationale Selbstvergewisserung. Geschichtskulturen in Polen und Spanien im Vergleich, Wrocław 2004.
[4] Als einer der ersten Belege hierfür kann genannt werden: Ewa Kobylińska / Andreas Lawaty (Hg.): Erinnern, vergessen, verdrängen. Polnische und deutsche Erfahrung, Wiesbaden 1998.
[5] Diese Asymmetrie zwischen west- und osteuropäischen Herangehensweisen an Erinnerung zeigt sich exemplarisch in den einzelnen Beiträgen in: Christoph Cornelißen / Roman Holec / Jiří Pešek (Hg.): Diktatur – Krieg – Vertreibung. Erinnerungskulturen in Tschechien, der Slowakei und Deutschland seit 1945, Essen 2005.
[6] Monika Flacke (Hg.): Mythen der Nationen, 2 Bände, Mainz 2004.
[7] Maurice Halbwachs: Les cadres sociaux de la mémoire, Paris 1925; in deutscher Übersetzung ders.: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1985; ders.: La mémoire collective, Paris 1950; in deutscher Übersetzung ders.: Das kollektive Gedächtnis, Stuttgart 1967.
[8] Pierre Nora (Hg.): Les lieux de mémoire, 3 Bände (7 Halbbände), Paris 1984-1992.
[9] Unter den zahlreichen Werken seien hier nur stellvertretend aufgeführt: Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1999; Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 2003; dies. / Ute Frevert: Geschichtsvergessenheit – Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945, Stuttgart 1999.
[10] Éva Kovács: "Das uns alle verzehrende historische Fieber" in Ungarn, in: Südosteuropa 2002, 388-411; dies.: Mythen und Rituale des ungarischen Systemwechsels, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 10 (1992) 2, 210-237.
[11] Zum Begriff des Erinnerungsmanagement siehe: Joachim Landkammer / Thomas Noetzel / Walther Ch. Zimmerli (Hg.): Erinnerungsmanagement. Systemtransformation und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich, München 2006.
[12] Zu diesen und ähnlichen Museumsprojekten – wie z. B. den estnischen und den litauischen Okkupationsmuseen in Tallin und Vilnius – siehe die Selbstpräsentationen sowie die kritische Bestandsaufnahme von Joachim v. Puttkamer: Die Museen des Kommunismus. Ein Kommentar aus fachwissenschaftlicher Sicht, in: Volkhard Knigge / Ulrich Mählert (Hg.): Der Kommunismus im Museum. Formen der Auseinandersetzung in Deutschland und Ostmitteleuropa, Köln / Weimar / Wien 2005, 235-254.
[13] Jacques Rupnik: Was tun mit der kommunistischen Vergangenheit, in: Transit 22 (2002), 110-111.
[14] Siehe hierzu die Thesen und die Literaturhinweise in: Stefan Troebst: "Was für ein Teppich?" Postkommunistische Erinnerungskulturen in Ost(mittel)europa, in: Knigge / Mählert (Hg.): Der Kommunismus im Museum (wie Anm. 12), 31-54.
[15] Vgl. hierzu Helmut König / Michael Kohlstruck / Andreas Wöll (Hg.): Vergangenheitsbewältigung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts (= Leviathan, Sonderheft 12), Opladen 1998, hier vor allem die Beiträge von Christiane Brenner zu Tschechien, Sabine Grabowski zu Polen und Attila Schaunitz zu Ungarn. Timothy Garton Ash: Trials, purges, and history lessons. Treating a difficult past in post-communist Europe, in: Müller: Memory and Power (wie Anm. 3), 265-282.
[16] Elke Fein: Geschichtspolitik in Russland. Chancen und Schwierigkeiten einer demokratischen Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit am Beispiel der Tätigkeit der Gesellschaft MEMORIAL, Hamburg 2000; Langenohl: Erinnerung und Modernisierung (wie Anm. 2); Catherine Wanner: Burden of Dreams. History, Memory, and the Making of National Identity in Post-Soviet Ukraine, University Park 1998; Shari Cohen: Politics without a past. The Absence of History in Postcommunist Nationalism, Durham 1999; Eva-Clarita Onken: Demokratisierung der Geschichte in Lettland. Staatsbürgerliches Bewußtsein und Geschichtspolitik im ersten Jahrzehnt der Unabhängigkeit, Hamburg 2003. Speziell zum Thema Schulbücher vgl. u. a. Isabelle de Keghel: Auf den Kehrichthaufen der Geschichte? Der Umgang mit der sozialistischen Vergangenheit, Hannover 1999.
[17] Petra Bock / Edgar Wolfrum: Einleitung, in: dies. (Hg.): Umkämpfte Vergangenheiten. Geschichtsbilder, Erinnerung und Vergangenheitspolitik im internationalen Vergleich, Göttingen 1999, 7-14, hier: 7.
[18] Christoph Cornelißen: Was heißt Erinnerungskultur? Begriff – Methoden – Perspektiven, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54 (2003) 10, 548-563.
[19] Vgl. hierzu Peter Jahn: Triumph und Trauma. Sowjetische und postsowjetische Erinnerung an den Krieg 1941-1945, Berlin 2005; Jürgen Danyel / Lars Karl / Jan-Holger Kirsch (Hg.): "Zeitgeschichte-online" Themenschwerpunkt: Die russische Erinnerung an den "Großen Vaterländischen Krieg", in: http://www.zeitgeschichte-online.de/site/40208440/default.aspx <10.5.2007>.
[20] Piotr Madajczyk spricht hier von der "Suche nach einem Gleichgewicht [...] zwischen Erinnerung an das eigene Leid und Erinnerung an das Leid der anderen". Piotr Madajczyk: Die polnische Erinnerung an die deutsche und sowjetische Besatzungspolitik während des Zweiten Weltkriegs, in: Benz (Hg.): Von der Notwendigkeit öffentlicher Erinnerung, 95-112, hier: 109.
[21] Als Beispiele können hier genannt werden Rainer Lindner: Historiker und Herrschaft. Nationsbildung und Geschichtspolitik in Weißrussland im 19. und 20. Jahrhundert, München 1999; Dittmar Schorkowitz: Rekonstruktionen des Nationalen im postsowjetischen Raum. Beobachtungen zur Permanenz des Historischen, in: Matthias Hardt / Christian Lübke / Dittmar Schorkowitz (Hg.): Inventing the Pasts in North Central Europe. The National Perception of Early Medieval History and Archaeology, Frankfurt a.M. 2003, 273-333; Ulf Brunnbauer (Hg.): (Re)Writing History. Historiography in Southeast Europe after Socialism, Münster 2004.
[22] Karsten Brüggemann: "Wir brauchen viel Geschichten". Estland und seine Geschichte auf dem Weg nach Europa?, in: Helmut Altrichter (Hg.): GegenErinnerung. Geschichte als politisches Argument im Transformationsprozess Ost-, Ostmittel- und Südosteuropas, München 2006, 27-50, hier: 46-48.
[23] Claudia Kraft: Geschichte im langen Transformationsprozess in Polen, in: Altrichter: GegenErinnerung (wie Anm. 22), 129-150, hier: 137 und 139.
[24] Vgl. z. B. Christoph Reinprecht: Nostalgie und Amnesie. Bewertungen von Vergangenheit in der Tschechischen Republik und in Ungarn, Wien 1996. Aus rein vergangenheitspolitischer Perspektive siehe hierzu Dagmar Unverhau / Roland Lucht (Hg.): Lustration, Aktenöffnung, demokratischer Umbruch in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, 2. Aufl., Münster 2005. Zur Kategorie der 'Schuld' bei der Aufarbeitung postdiktatorischer Systeme siehe aus politologischer Sicht u. a. Gesine Schwan: Politik und Schuld. Die zerstörerische Macht des Schweigens, Frankfurt a. M. 1997. Allgemein zur Amnesieforschung Elena Esposito: Soziales Vergessen. Formen und Medien des Gedächtnisses der Gesellschaft, Frankfurt a. M. 2002.
[25] Dittmar Schorkowitz: Geschichtspolitik, Erinnerungskultur und Historiographie in Russland, in: Handbuch zur Geschichte und Kultur Russlands und Osteuropas, in: http://epub.ub.uni-muenchen.de/archive/00000565/01/schorkowitz-geschichtspolitik.pdf <6.11.2006>.
[26] Rudolf Jaworski / Jan Kusber / Ludwig Steindorff (Hg.): Gedächtnisorte in Osteuropa. Vergangenheiten auf dem Prüfstand, Frankfurt a. M. 2003, 7.
[27] Rudolf Jaworski, Umstrittene Gedächtnisorte in Ostmitteleuropa, in: Heidemarie Uhl (Hg.): Zivilisationsbruch und Gedächtniskultur. Das 20. Jahrhundert in der Erinnerung des beginnenden 21. Jahrhunderts, Innsbruck / Wien / München / Bozen 2003, 181-195.
[28] Jacques Le Rider / Moritz Csáky / Monika Sommer (Hg.): Transnationale Gedächtnisorte in Zentraleuropa, Innsbruck 2002; Moritz Csáky (Hg.): Die Verortung von Gedächtnis, Wien 2001; Andrei Corbea-Hoisie / Rudolf Jaworski / Monika Sommer (Hrsg.): Umbruch in Osteuropa. Die nationale Wende und das kollektive Gedächtnis, Innsbruck 2004.
[29] Siehe auch die Studien von Andreas Fülberth (zu Riga), Annelore Engel-Braunschmidt (zu Königsberg/Kaliningrad) und Jan Kusber (zu Moskau) in: Jaworski / Kusber / Steindorff: Gedächtnisorte (wie Anm. 26), 49-62, 81-95, 97-115; Timothy Snyder: Memory of Souvereignty and Sovereignty over Memory: Poland, Lithuania and Ukraine, 1939-1999, in: Müller: Memory and Power (wie Anm. 3) 39-58; Philipp Ther / Tomasz Królik / Lutz Henke (Hg.): Das polnische Breslau als europäische Metropole. Erinnerung und Geschichtspolitik aus dem Blickwinkel der Oral History, Wrocław 2005.
[30] Hier kann vor allem auf das Beispiel auf die Schlacht von Tannenberg/Grunwald am 15. Juli 1410 verwiesen werden: Sven Ekdahl: Tannenberg/Grunwald – ein politisches Symbol in Deutschland und Polen, in: Udo Arnold (Hg.): Deutscher Orden 1190-1990, Lüneburg 1997, 241-302; ders.: Die Grundwald-Denkmäler in Polen. Kultureller Kontext und nationale Funktion, in: Nordost-Archiv 6 (1997) 1, 75-107; Frithjof Benjamin Schenk: Tannenberg/Grunwald, in: Hagen Schulze / Etienne François: Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 1, 438-454; Christoph Mick: "Den Vorvätern zum Ruhm – den Brüdern zur Ermutigung". Variationen zum Thema Grunwald/Tannenberg, in: zeitenblicke 3 (2004) 1, in: http://www.zeitenblicke.de/2004/01/mick/index.html <10.5.2007>.
[31] Vgl. Günter Baranowski: Die Russkaja Pravda als Rechtsdenkmal, in: Jaworski / Kusber / Steindorff: Gedächtnisorte (wie Anm. 26), 117-137; Jan Kusber: Vom Projekt zum Mythos: Die polnische Maiverfassung 1791, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 52 (2004), 685-699.
[32] Frithjof Benjamin Schenk: Aleksandr Nevskij. Heiliger – Fürst – Nationalheld. Eine Erinnerungsfigur im russischen kulturellen Gedächtnis (1263-2000), Köln / Weimar / Wien 2004.
[33] Jan-Werner Müller: Introduction: the Power of Memory, the Memory of Power and the Power over Memory, in: Müller: Memory and Power (wie Anm. 3), 12.
[34] Tim Judah: The Serbs. History, myth and the destruction of Yugoslavia, New Haven / London 1997; Thomas Bremer / Nebojsa Popov / Heinz-Günther Sbobbe (Hrsg.): Serbiens Weg in den Krieg. Kollektive Erinnerung, nationale Formierung und ideologische Aufrüstung, Berlin 1998; Dubravka Ugrešić: Die Kultur der Lüge, Frankfurt a. M. 1995; Jerzy Jedlicki: Historical Memory as a Source of Conflicts in Eastern Europe, in: Communist and Postcommunist Studies 23 (1999), 225-232; Wolfgang Höpken: Kriegserinnerung und nationale Identität(en). Vergangenheitspolitik in Jugoslawien und den jugoslawischen Nachfolgestaaten, in: Transit 15 (1998), 83-99.
[35] Victor Roudometof: Collective Memory, National Identity, and Ethnic Conflict. Greece, Bulgaria, and the Macedonian question, Westport / London 2002. Vgl. hierzu auch George W. White: Nationalism and Territory. Constructing Group Identity in Southeastern Europa, Lanham / Boulder / New York / Oxford 2000.
[36] Wolfgang Höpken: Vergangenheitspolitik im sozialistischen Vielvölkerstaat. Jugoslawien 1944 bis 1991, in: Bock / Wolfrum: Umkämpfte Vergangenheiten (wie Anm. 17) 210-243, hier: 211f.
[37] Peter Haslinger: Von der Erinnerung zur Identität und zurück. Zur aktuellen Debatte über die Vertreibungen in Zentraleuropa, in: Cornelißen / Holec / Pešek: Diktatur – Krieg – Vertreibung (wie Anm. 5), 473-488.
[38] Stellvertretend können hier die von Jürgen Danyel und Philipp Ther herausgegebenen Themenhefte "Flucht und Vertreibung in europäischer Perspektive" der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003) 1 und folgende Titel genannt werden: Dieter Bingen / Włodzimierz Borodziej / Stefan Troebst (Hg.): Vertreibungen europäisch erinnern? Historische Erfahrungen – Erinnerungspolitik – Zukunftskonzeptionen, Wiesbaden, 2003; Anja Krunke (Hg.): Zwangsmigration und Vertreibung. Europa im 20. Jahrhundert, Bonn 2006; Ulf Brunnbauer / Michael G. Esch / Holm Sundhaussen (Hg.): Definitionsmacht, Utopie, Vergeltung. 'Ethnische Säuberungen' im östlichen Europa des 20. Jahrhunderts, Berlin 2006.
[39] Moritz Csáky: Die Mehrdeutigkeit von Gedächtnis und Erinnerung, in: Digitales Handbuch zur Geschichte und Kultur Russlands und Osteuropas, in: http://epub.ub.uni-muenchen.de/archive/00000603/01/csaky-gedaechtnis.pdf <6.11.2006>. Zur globalen Dimension des Erinnerns an den Holocaust siehe u. a. Daniel Levy / Nathan Sznaider: Erinnerung im globalen Zeitalter: Der Holocaust, Frankfurt a. M. 2001.
[40] Michael C. Steinlauf: Bondage to the dead. Poland and the Memory of the Holocaust, Syracuse 1997; Karol Sauerland: Polen und Juden zwischen 1939 und 1968. Jedwabne und die Folgen, Berlin / Wien 2004; Marek Kucia: Auschwitz jako fakt społeczny. Historia, współczesność i świadomość społeczna KL Auschwitz w Polsce, Kraków 2005; Anna Ziębińska-Witek: Holocaust. Problemy przedstawiania, Lublin 2005. Für den Bereich der Literaturwissenschaft siehe: Barbara Breysach: Schauplatz und Gedächtnisraum Polen. Die Vernichtung der Juden in der deutschen und polnischen Literatur, Göttingen 2005.
[41] Ausgelöst wurde die Debatte durch das Buch von Jan T. Gross: Sąsiedzi. Historia zagłady żydowskiego miasteczka, Sejny 2000; in deutscher Übersetzung: Nachbarn. Der Mord an den Juden von Jedwabne, München 2002. Die Debatte selbst ist dokumentiert in: Ruth Henning (Hg.): Die 'Jedwabne'-Debatte in polnischen Zeitungen und Zeitschriften, Potsdam 2001; Paweł Machcewicz / Krzysztof Persak (Hg.): Wokół Jedwabnego [Rund um Jedwabne], 2 Bde., Warszawa 2002; Ruth Henning (Hg.): Die 'Jedwabne-Debatte' in Polen. Dokumentation (= Transodra. Deutsch-Polnisches Informationsbulletin 23), Potsdam 2001; Frank Golczewski: Der Jedwabne-Diskurs, in: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas 50 (2002), 412-437.
[42] Peter Reichel: Politik mit der Erinnerung. Gedächtnisorte im Streit um die nationalsozialistische Vergangenheit, Frankfurt a. M. 1999, hier: 23.
[43] Ruth Ellen Gruber: Virtually Jewish. Reinventing Jewish culture in Europe, Berkeley / Los Angeles / London 2002, hier: 5.
[44] Vgl. die Studien zu Estland von Irina Raud (61-64), von Marie Kilmešová-Judlová zur Tschechischen Republik (65-72), Géza Boros zu Ungarn (199-212) und Jule Reuter zu Russland (213-226), in: Akademie der Künste (Hg.): Denkmale und kulturelles Gedächtnis nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation, Berlin 2000.
[45] Jonathan Huener: Auschwitz, Poland, and the politics of commemoration, 1945-1979, Athens 2003, hier: 227-228.
[46] Rudolf Speth / Edgar Wolfrum: Einleitung, in: dies. (Hg.): Politische Mythen – Geschichtspolitik, Berlin 1996, 7-16, hier: 8-9.
[47] Ein Beispiel bietet Andrej Zorn: In search of a New Identity. Visions of Past and Present in Post-Communist Russia, in: Bo Strath (Hg.): Myth and Memory in the Construction of Community, Bruxelles 2000, 321-330; Vladimir Tismaneanu: Fantasies of Salvation. Democracy, Nationalism and Myth in Post-Communist Europe, Princeton 1998.
[48] Siehe u. a. das von Stefan Troebst und Wilfried Jilge herausgegebene Themenheft von Osteuropa 53 (2003) 7, "Staatssymbolik und Geschichtskultur im ‚neuen' Osteuropa" und folgende Publikationen: Arnold Bartetzky / Marina Dmitrieva / Stefan Troebst (Hg.): Neue Staaten – neue Bilder? Visuelle Kultur im Dienst staatlicher Selbstdarstellung in Zentral- und Osteuropa seit 1918, Köln / Weimar 2004; Wilfried Jilge: Staatssymbolik und nationale Identität in der postkommunistischen Ukraine, in: Ethnos-Nation 6 (1998), 85-113.: Nationale Geschichtspolitik während der Zeit der Perestroika in der Ukraine, in: Altrichter: GegenErinnerung (wie Anm. 22), 99-128.
[49] Die schon erwähnte Studie von Benjamin Schenk behandelt etwa die Materialisierung eines Erinnerungsortes im Film. Schenk: Aleksandr Nevskij (wie Anm. 32).
[50] Heidi Hein: Der Piłsudski-Kult und seine Bedeutung für den polnischen Staat 1926-1939, Marburg 2002.
[51] Ein auch für die allgemeine Geschichte interessantes Beispiel präsentiert die Studie von Katherine Verdery: The Political Lives of Dead Bodies. Reburial and Postsocialist Change, New York 1999. Vgl. hierzu auch die auf Osteuropa bezogenen Beiträge von Heidi Hein (zu Józef Piłsudski) und Armin Heinen (zu Nicolae Ceauşescu) in: Gudrun Gersmann / Edgar Wolfrum (Hg.): Totenkult und Erinnerungskultur in der west- und osteuropäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Zeitenblicke 3 (2004) 1, in: http://www.zeitenblicke.historicum.net/2004/01 <10.5.2007>.
[52] Malte Rolf: Das sowjetische Massenfest, Hamburg 2006.
[53] Rudolf Jaworski: Erinnerung mit Hindernissen. Zur Jubiläumskultur im östlichen Europa, in: Paul Münch (Hg.): Jubiläum, Jubiläum ... Zur Geschichte öffentlicher und privater Erinnerung, Essen 2005, hier: 259; Emil Brix / Hannes Stekl (Hg.): Der Kampf um das Gedächtnis. Öffentliche Gedenktage in Mitteleuropa, Wien 1997.
[54] Vgl. hierzu folgende Studien: Berthold Unfried (Hg.): Spuren des 'Realsozialismus' in Böhmen und in der Slowakei. Monumente – Museen – Gedenktage, Wien 1996; Zdeněk Hojda / Jiří Pokorný: Pomníky a zapomníky, Litomyšl / Praha 1996; Maria Bucur / Nancy Wingfield (Hg.): Staging the Past. The Politics of Commemoration in Habsburg Eastern Europe, 1848 to the Present, West Lafayette 2001; Altrichter: GegenErinnerung (wie Anm. 22); zum Thema der Denkmäler hier insbesondere die Beiträge von Karsten Brüggemann zu Estland, Ulrike von Hirschhausen zu Riga und Alvydas Nikžentaitis zu Litauen.
[55] Eva Maria Hois / Peter Karoshi / Volker Munz / Peter Stachel / Werner Suppanz / Heidemarie Uhl: Gedächtnis/ Erinnerung und Identität – Konstruktionen kollektiver Identität in einer pluriethnischen Region, in: Moritz Csáky / Astrid Kury / Ulrich Tragatschnig (Hg.): Kultur – Identität – Differenz. Wien und Zentraleuropa in der Moderne, Innsbruck / Wien / München / Bozen 2004, 215-254, hier: 237.
Empfohlene Zitierweise:
Peter Haslinger : Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in der historischen Forschung zum östlichen Europa , in: zeitenblicke 6 (2007), Nr. 2, [24.12.2007], URL: https://www.zeitenblicke.de/2007/2/haslinger/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-12339
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