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Historische Einordnung in die preußische Schlösserverwaltung

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Schloss Cecilienhof stellt in mehrfacher Hinsicht eine Besonderheit unter der Vielzahl der zur Berliner und Potsdamer Kulturlandschaft gehörenden Schlösser dar, die heute von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin – Brandenburg verwaltet werden.

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Das Gebäude wurde ab 1913 von dem damals sehr prominenten und später in Vergessenheit geratenen Architekten Paul Schultze-Naumburg als Residenz für den Kronprinzen Wilhelm und dessen Gemahlin Cecilie, die gleichzeitig als Namensgeberin fungierte, errichtet. Die Bauarbeiten konnten nicht, wie geplant, 1915 beendet werden, sondern verzögerten sich durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges bis 1917.

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Bereits durch die Bauzeit offenbart sich die erste wichtige Eigenheit: Das Schloss bildete den Abschluss und zugleich den letzten Höhepunkt in der Bautätigkeit unter der Regierung der Hohenzollern in Preußen. Durch das Ende der Monarchie und die Abdankung Kaiser Wilhelms II. im Jahre 1918 brach das Bauwesen des preußischen Herrscherhauses abrupt ab, sodass der Schlösserlandschaft ab diesem Zeitpunkt keine weiteren Bauten hinzugefügt wurden. Schloss Cecilienhof ist also das einzige historische Schlossgebäude aus dem 20. Jahrhundert und damit für die Stiftung als Zeugnis einer fortschrittlichen und von neuen technischen Errungenschaften geprägten Bauweise zu Beginn des letzten Jahrhunderts von sehr großem Wert.

Abb. 1

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Auch wenn durch die politischen Entwicklungen der Zeit und die damit verbundenen finanziellen Einschränkungen nicht alle Planungen ausgeführt werden konnten und bei der Inneneinrichtung zum Teil auf einen einheitlichen Duktus verzichtet werden musste, wie er sich bei der streng nach englischem Vorbild geschaffene Fassade zeigt, bleibt Schloss Cecilienhof einzigartig in der preußischen Schlossbaugeschichte. Es setzt nicht nur einen Schlusspunkt unter eine fast vierhundertjährige Bauherrentätigkeit der Hohenzollern, sondern es demonstriert auch eine auf die Ansprüche an eine gehobene, moderne `Hofhaltung´ ausgerichtete Wohnkultur in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen. In seiner Anlage ist das Schloss architektonisch wie kunsthistorisch einmalig: Cecilienhof ist das einzige Bauwerk in Preußen, das im englischen Tudorstil errichtet wurde und eine Vielzahl dafür typischer Merkmale aufweist, sowohl in der Gestaltung der Fassade als auch bei der Auswahl des Interieurs. Obwohl die originale Möblierung durch die Nutzung des Gebäudes als Tagungsort für die Potsdamer Konferenz 1945 und in den Jahren danach fast vollständig verloren ging, bietet die erhaltene wandfeste Ausstattung auch heute noch einen hervorragenden Eindruck von der Innenarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts.

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Gleichwohl stellt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Schloss Cecilienhof nicht die bau- und kunstgeschichtliche Entwicklung des beginnenden 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt der Präsentation, sondern die für Deutschland und Europa politisch so bedeutende Potsdamer Konferenz und damit im Gegensatz zu allen anderen von der Stiftung betreuten Schlössern ein geschichtliches Ereignis.

Besonderheiten der Nutzungsgeschichte

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Nach Ende des Ersten Weltkrieges, der Novemberrevolution in Deutschland und der Abdankung der Hohenzollern 1918 wurden fast alle ehemaligen Wohnsitze des vormals regierenden preußischen Königs- und deutschen Kaiserhauses verstaatlicht. Während aber die meisten Schlösser nach Gründung der Preußischen Schlösserverwaltung im Jahre 1927 als Museen geöffnet und für die Bevölkerung zugänglich gemacht wurden, behielt das einstige Kronprinzenpaar in Schloss Cecilienhof ein Wohnrecht für sich und seine Kinder. Dieses Zugeständnis war auf drei Generationen beschränkt. Es erlaubte der Familie ihre gewohnte häusliche Umgebung weiterhin zu nutzen – bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Schloss Cecilienhof behielt damit für weitere 27 Jahre den Status eines privaten Wohnsitzes.

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Da sich die Vermögenslage des vormals regierenden Herrscherhauses durch die sogenannte `Fürstenabfindung´ im Jahre 1926 erheblich gebessert hatte, konnte auch den an einen standesgemäßen Lebensstil gestellten Bedürfnissen in zunehmendem Maße entsprochen werden, sodass der kronprinzliche Standard fast unverändert aufrechterhalten werden konnte. Während Besuchergruppen schon längst durch die Gemächer Friedrichs des Großen im Schloss Sanssouci und im Neuen Palais geführt wurden, blieben die Türen des Schlosses Cecilienhof für die Bevölkerung geschlossen. Das Haus entwickelte sich vielmehr zu einer feinen Adresse für die High Society von Potsdam und Berlin, zu der auch namhafte Künstler und Politiker gehörten.

Abb. 2

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Erst Anfang 1945 verließ das Kronprinzenpaar das Schloss in Folge der Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und kehrte niemals wieder in sein ehemaliges Domizil zurück. Gleichzeitig mit der Flucht der Familie vor der Roten Armee und dem damit verbundenen Verlust des Wohnrechts begann ein neues, außergewöhnliches Kapitel in der Nutzungsgeschichte des Schlosses. Nachdem man im zerstörten Berlin vergeblich nach einem geeigneten Verhandlungsort für die Siegermächte gesucht hatte, fiel die Wahl auf das nahezu unbeschädigte Schloss Cecilienhof im Neuen Garten von Potsdam, das über die notwendigen Räumlichkeiten und eine moderne Ausstattung verfügte und sich mit nur geringem Aufwand für die Konferenz der sogenannten `Großen Drei´ herrichten ließ. Die dadurch besiegelte Fremdnutzung für politische Zwecke verschaffte dem Schloss – ohne Bezug zur ursprünglichen und bezweckten Nutzung – die bis in die Gegenwart reichende internationale Bedeutung.

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Im Gegensatz zu den anderen Schlössern im Raum Berlin-Potsdam, aus denen die Rote Armee Kunstgut in die Sowjetunion abtransportiert hatte und in denen es auch zu willkürlichen Plünderungen gekommen war, wurde in Schloss Cecilienhof die historische Einrichtung 1945 ganz bewusst verändert, indem man sie in Vorbereitung der Konferenz gegen Möbel aus den Villen der Umgebung sowie aus dem Neuen Palais, dem Marmorpalais und dem Schloss Babelsberg austauschte. Mit diesem gravierenden Eingriff und der Auslagerung vieler kunsthistorisch bedeutsamer Stücke in die nahegelegene Meierei war deren unwiederbringlicher Verlust verbunden, denn am 18. Juli 1945 brannte dieses Gebäude fast vollständig aus.

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Auch nach dem Krieg blieb die Situation unverändert. Während die Parkanlagen in Sanssouci und Babelsberg wieder zugänglich gemacht und viele Schlösser museal geöffnet wurden, blieben das Schloss Cecilienhof und der Neue Garten für die Bevölkerung gesperrt. Das Anwesen wurde von 1945 bis 1952 von der sowjetischen Besatzungsmacht als Clubhaus für Militärangehörige zweckentfremdet. Kein Deutscher durfte den Park oder das Schloss betreten, sodass wir heute auf keine einheimischen Zeitzeugenberichte zurückgreifen können, um für diese Zeit die Lücke in der Nachkriegsgeschichte des Hauses zu schließen.

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Erst mit der Übergabe des Gebäudes an die Landesregierung von Brandenburg am 10. Januar 1952 reihte sich das Schloss Cecilienhof in den Kontext der übrigen Königsschlösser ein, denn gleichzeitig mit dem Abzug der Besatzer erfolgte die Eröffnung als Museum. Aber auch hier offenbarten sich eklatante Differenzen beim konzeptionellen Umgang innerhalb der Schlösserverwaltung. Als `Nationale Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens´ fühlte sich die Museumsleitung von Beginn an fast ausschließlich der Geschichte von 1945 verpflichtet, wobei die Darstellung der eigentlichen Bestimmung des Hauses als Residenz des Kronprinzen kaum Beachtung fand.

Abb. 3.1 u. 3.2

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Bis heute hat sich der Charakter der Ausstellung kaum gewandelt. Bis zur Wende 1989 waren die musealen Inhalte allerdings von einer einseitigen Geschichtsideologie der DDR geprägt, sodass ab 1990 ein umfassender Veränderungsprozess angestrebt wurde. Trotz intensiver Bemühungen von Kunsthistorikern, das Schloss gänzlich in die Abfolge der übrigen Schlösser zu stellen und zum kronprinzlichen Palais zurückzuführen, fiel die Entscheidung zu Gunsten der Erhaltung der `Historischen Stätte der Potsdamer Konferenz´ aus. Nach dem einstimmigen Votum einer Historikerkommission aus Berlin, Köln und Potsdam wurden 1993 die Informationstafeln erneuert und die Texte auf den neuesten Stand der Forschung gebracht. Im Gegensatz dazu blieb aber die Raumaufteilung weitestgehend unangetastet, sodass die Ausstattung auch gegenwärtig noch im Wesentlichen dem Inventar von 1952 entspricht.

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Schloss Cecilienhof präsentiert sich somit heute von außen originalgetreu als Residenz des Kronprinzen im englischen Landhausstil und im Inneren als historische Stätte des Potsdamer Abkommens. Trotz der beeindruckenden Fachwerkfassade dominiert der Rote Stern den großen Innenhof des Schlosses und ruft bei jedem Gast sofort die Erinnerung an das Konferenzgeschehen von 1945 wach. Dieser Eindruck deckt sich mit dem allgemeinen Besucherinteresse, das nach wie vor hauptsächlich auf die nur zweiwöchige Konferenz als zentrales Ereignis der jüngeren Geschichte des Hauses fokussiert ist.

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Um den Blick der Besucher jedoch auch auf die ursprüngliche Historie des Hauses zu lenken, wurde 1992 beschlossen, die bisher nicht gezeigten ehemaligen Privaträume des Kronprinzenpaares zu restaurieren und Besichtigungen im Rahmen von Sonderführungen anzubieten. Dadurch haben interessierte Besucher seit 1995 wieder die Gelegenheit, am authentischen Ort lange verwehrte Einblicke in das Interieur und das Leben zur Kronprinzenzeit zu bekommen.

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Einen weiteren Gesichtspunkt in der Nutzungsgeschichte des Schlosses stellt die Vermietung zahlreicher Räume an eine Hotelkette dar. Während die ehemaligen Wohnräume des Kronprinzenpaares und die späteren Konferenzräume ausschließlich museal genutzt werden, sind im sogenannten Prinzenflügel sowie in den vormaligen Speisesälen und Wirtschaftsräumen seit 1960 Hotelzimmer bzw. Restaurants und Kongressräume untergebracht. Das führte nicht nur zur Abtrennung ursprünglich miteinander verbundener Bereiche, sondern auch zum Verlust von wichtigen Raumbezügen, wie beispielsweise in der Bibliothek des Kronprinzen, deren Treppenaufgang zur ehemaligen Jagdkammer nunmehr verschlossen ist. Andererseits wirft die kommerzielle Nutzung der historischen Schlossräume vielfältige Probleme auf, sowohl in denkmalpflegerischer Hinsicht, als auch bei der Lösung gegenläufiger Nutzungsanforderungen. Hier müssen die unterschiedlichen Interessenlagen durch gemeinsame Konzepte aufeinander abgestimmt werden. In jedem Fall handelt es sich bei der Doppelfunktion des Schlosses als Museum und Hotel um eine weitere Besonderheit unter den ansonsten rein museal genutzten Stiftungsschlössern.

Konzeptionelle Veränderungsprozesse: Vom Beginn der Gedenkstätte 1952 bis zum Ende der DDR 1990

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Mit der Übergabe des Schlosses am 10. Januar 1952 an die Abteilung Verwaltung der damaligen Landesregierung von Brandenburg war die Auflage verbunden, die Räume der Potsdamer Konferenz von 1945 als Gedenkstätte zu erhalten. Gleichzeitig fehlte jedoch ein Vermittlungskonzept, um Führungen durch das Haus anzubieten. Besuchergruppen wurden anfangs nur nach der Kontrolle durch einen sowjetischen Militärposten ins Schloss eingelassen. Die erste Leiterin der Gedenkstätte, die ohne Vorbereitung auch die Führungen allein übernehmen musste, hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit Museumsbesuchern und wurde nur von ihrem Mann und ihrem Sohn unterstützt. Von einer Ausstellungskonzeption konnte noch keine Rede sein.

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Nach der Verwaltungsreform in der DDR 1952 gehörte die Gedenkstätte zur Abteilung Kultur des Rates des Bezirkes Potsdam und erst ab 1953 wurden Eintrittsgelder für den Schlossbesuch erhoben. Nach mehrmaligem Wechsel in der Leitung der Gedenkstätte wurde 1960 die erste wissenschaftliche Mitarbeiterin eingestellt, sodass mit einer inhaltlichen Planung für eine Dauerausstellung begonnen werden konnte. Diese war hauptsächlich auf die politischen Aspekte der Potsdamer Konferenz ausgerichtet und ließ Informationen zur Baugeschichte und zu den ehemaligen Bewohnern des Schlosses weitgehend aus. Neben dieser bewussten Verdrängung der historischen Bezüge zur Schlösserverwaltung bildete sich zunehmend ein eigenständiges Museum zum Themenkomplex Zweiter Weltkrieg, Potsdamer Abkommen, Kalter Krieg und Teilung Deutschlands heraus, das in die Regie der Abteilung Kultur des Rates der Stadt Potsdam überging und eine Schlüsselposition bei der touristischen Erschließung der damaligen Bezirkshauptstadt einnahm.

Abb. 4

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Auch mit dem Anschluss der Gedenkstätte an die Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci im Jahr 1970 änderte sich an der Situation nichts. Der Schwerpunkt bei der Auseinandersetzung mit der historischen Vergangenheit des Schlosses Cecilienhof lag nach wie vor auf der Vorgeschichte und den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz sowie auf deren Bedeutung und politischer Einordnung. Dabei erfolgte verstärkt eine Instrumentalisierung des Museums zu Propagandazwecken, um sowohl die einheimischen als auch die ausländischen Besucher von der positiven Rolle der DDR-Regierung bei der Bewältigung des historischen Vermächtnisses des Potsdamer Abkommens zu überzeugen. Besonders Touristen aus dem westlichen Ausland, vor allem aber aus der Bundesrepublik Deutschland, die bei überwiegend politisch motivierten Reisen in die DDR die Gedenkstätte besichtigten, sollten am authentischen Ort für die Verletzung des Potsdamer Protokolls sensibilisiert und über die als revanchistisch und neofaschistisch deklarierten Tendenzen in der westdeutschen Politik aufgeklärt werden.

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Auch die Bemühungen der späteren Leiterinnen, die kronprinzliche Geschichte sowohl in die Ausstellung als auch in die Führungen einzubeziehen, blieben bis zur `Wende´ weitgehend unbeachtet. Der eigenständige Status innerhalb der Schlösserverwaltung als politisch ausgerichtetes Museum wurde unvermindert beibehalten und auch niemals von den Verantwortlichen in Frage gestellt. Schloss Cecilienhof nahm als eigenständiges Direktorat sogar eine Sonderstellung ein, während alle anderen Schlösser in einer Abteilung zusammengefasst waren. Die damit verbundenen Organisationsstrukturen erlaubten den leitenden Mitarbeitern eine intensive Beschäftigung mit der Materie, die allerdings in keine nennenswerten Projekte oder Veröffentlichungen mündete. Es entstanden zwar kleine Führer, die einen kurzen Überblick über den Park, das Schloss und die Konferenz gaben, aber keine wissenschaftlichen Publikationen, in denen die historischen Zusammenhänge und politischen Hintergründe des Gipfeltreffens der `Großen Drei´ analysiert worden wären bzw. man eine Bilanz auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand gezogen hätte. Auch die kunsthistorische Betreuung des Hauses wurde durch die wissenschaftlichen Mitarbeiter der Schlösserverwaltung in starkem Maße vernachlässigt bzw. abgewertet. Vielmehr avancierte das Schloss Cecilienhof als Gedenkstätte zum obligatorischen `Vorzeigeobjekt ´bei Staatsbesuchen und anderen protokollarischen Veranstaltungen. Eine Führung im Konferenzsaal gehörte bei einem Potsdamaufenthalt zum Pflichtprogramm für hochrangige Gäste aus dem In- und Ausland. Auch wenn die Erbauungszeit nicht völlig ausgeblendet wurde, war bei solchen Anlässen die Botschaft klar formuliert. Es galt, den prominenten Besuchern die historische Bedeutung des Schlosses vor dem Hintergrund der Potsdamer Konferenz und deren Folgen für die Weltpolitik aus ostdeutscher Perspektive näher zu bringen.

Abb. 5

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Ende der 1970er Jahre wurde sogar intern diskutiert, das Bezirksmuseum, das Filmmuseum und die Gedenkstätte in einem sogenannten “Museumskombinat“ zusammenzuschließen. Dieses Vorhaben wurde aber nie verwirklicht und scheiterte nicht zuletzt am Einspruch der damaligen Direktorin, weil sie die Gefahren einer Abspaltung von den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdam-Sanssouci erkannte und wegen dem drohenden Verlust der überlebenswichtigen Kontakte zu den Bau- und Restaurierungswerkstätten für einen Verbleib in der Schlösserverwaltung votierte. Damit konnte ein Herauslösen dieses wichtigen Bausteins aus dem Gefüge der Schlössergemeinschaft zwar verhindert werden, aber der Fokus der Präsentation war dennoch bis zum gesellschaftlichen Umbruch in der DDR 1989 uneingeschränkt auf den politischen Auftrag gerichtet.  [2]

Konzeptionelle Veränderungsprozesse: Von der Wiedervereinigung 1990 bis in die Gegenwart

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Unmittelbar nach der 'Wende' begannen erste Überlegungen zur grundlegenden Umgestaltung der Gedenkstätte. Während in den anderen Schlössern ausschließlich Werterhaltungsmaßnahmen im Vordergrund standen, musste für Cecilienhof darüber hinaus ein vollkommen neues Museumskonzept entwickelt werden. Hinter den Kulissen wurde darüber nachgedacht, wie eine zukünftige Nutzung des Schlosses aussehen könnte. Aufgrund der veränderten politischen Verhältnisse gab es eine Tendenz, das “ungeliebte Kind“ Potsdamer Konferenz zu verlagern, um das Haus wieder als letztes Glied in die Kette der preußischen Residenzen einreihen zu können.

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Der damalige Generaldirektor, Hans-Joachim Giersberg, sprach sich dafür aus, den Schwerpunkt nicht allein auf den Gedenkstättencharakter zu legen, sondern das Schloss auch als Wohnsitz des Kronprinzen wiederzubeleben. Er berief sich dabei auf die Zwei-Plus-Vier-Verträge, durch die sich das Potsdamer Abkommen überholt hätte. Dieser Vorschlag stieß aber auf heftige Kritik im zuständigen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, da man von Seiten der Politik die Erhaltung der Gedenkstätte wegen ihrer herausragenden Bedeutung für die Nachkriegsentwicklung in Deutschland, Europa und der Welt favorisierte. Die Geschichte von vier Jahrzehnten der Teilung sollte nicht zugunsten dynastischer Aspekte verdrängt werden.  [3]

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Ein weiteres entscheidendes Argument für die zukünftige Nutzung des Schlosses Cecilienhof war das nach wie vor anhaltende Besucherinteresse, das sich mit dem Fall der Mauer kaum gemindert hatte und dessen Hauptaugenmerk noch immer eindeutig auf der Potsdamer Konferenz lag. Darauf beruhte auch die Forderung der Zuwendungsgeber an die Stiftung, ihrem Bildungsauftrag gerecht zu werden und das Schloss Cecilienhof als historische Stätte der Potsdamer Konferenz für nachkommende Generationen zu bewahren. Um diesen Konflikt, Konferenzort – Wohnort, aufzulösen, wurde eine externe Historiker-Kommission beauftragt, ein Gutachten zu erstellen und Vorschläge zum zukünftigen Umgang mit dem Schloss zu unterbreiten. Der Ausschuss, dem der, mittlerweile verstorbene Sowjetunionexperte Prof. Alexander Fischer (Köln), der Zeithistoriker Prof. Arnulf Baring (Berlin) und der Russlandkenner Dr. Eduard Gloeckner (Potsdam/Berlin) angehörten, gab die Empfehlung, den Schwerpunkt der Präsentation auf der Konferenz der Siegermächte von 1945 zu belassen, aber gleichzeitig die Ausstellungskonzeption vollständig zu überarbeiten und die Schlossführer zu schulen sowie den musealen Bereich um Räume zu erweitern, die man ausschließlich der Baugeschichte und den ersten Bewohnern des Schlosses widmen sollte.

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Als erster Schritt wurden die Texttafeln und Vitrinen im ersten Raum sowie die Erklärungen im Konferenzsaal und in den Arbeitszimmern der Delegationen neugestaltet. Dabei wurde bewusst auf die bis dahin ausgestellten Teilungspläne verzichtet, um deutlich zu machen, dass man in Potsdam an einer Beibehaltung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands festgehalten habe und von einer späteren Wiederherstellung der politischen Einheit ausgegangen sei. Eine weitere Vorgabe bestand darin, in allen Räumen durch Bild- und Textmaterial auf die kronprinzliche Zeit und die Ausstattung vor 1945 aufmerksam zu machen. Man präsentierte deshalb Fotos in Aufstellern, die den Zustand vor und nach der Konferenz dokumentieren.

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Unter diesem Gesichtspunkt erfolgte auch die Öffnung der `Schiffskabine´ der Kronprinzessin, die bis dahin nur ausgewählten Besuchern gezeigt worden war. Damit war zwar eine Gratwanderung zwischen den beiden Nutzungsepochen, aber zugleich auch die Möglichkeit verbunden, diesen original erhaltenen Raum der Kronprinzessin Cecilie mit seinem außergewöhnlichen Charme in den Rundgang einzubeziehen.

Abb. 6

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Weiterhin wurde den Mitarbeitern umfangsreiches Informationsmaterial zur Verfügung gestellt und eine ausführliche Unterweisung für die Schlossführungen angeboten. Darüber hinaus wurde ein Video- und Vortragsraum eingerichtet, in dem insbesondere Schulklassen das während der Führung erworbene Wissen vertiefen können. Nach ca. einem Jahr, im Sommer 1993, war der erste Maßnahmenkatalog zur Neuorientierung des Schlosses Cecilienhof umgesetzt.  [4]

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Mittlerweile waren zahlreiche Fachveröffentlichungen über die Zeit der Potsdamer Konferenz und des Kalten Krieges erschienen. Von diesen wurde der auf intensiven Recherchen, unter anderem in den inzwischen freigegebenen amerikanischen Archiven, beruhende Aufsatz von Manfred Görtemaker von der Universität Potsdam zur Grundlage für die Arbeit der Mitarbeiter in Schloss Cecilienhof.  [5]

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Aber auch zum Kronprinzenpaar kam eine Broschüre heraus, in der erstmals das zu DDR-Zeiten verschwiegene Schicksal von Wilhelm und Cecilie beleuchtet und ein Bezug zum Schloss Cecilienhof hergestellt wurde. Mit dem Verkauf des Buches im Museumsshop wurde nunmehr das Interesse der Besucher auch auf das Leben der Hohenzollern gelenkt.  [6]

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Die zweite Stufe des Erneuerungskonzeptes begann 1994 mit der Rekonstruktion der ehemaligen Privatgemächer des Kronprinzenpaares, die aus Schlaf-, Ankleide- und Badezimmern bestanden und bis dahin als Hotelsuite genutzt wurden. Die Staatlichen Schlösser und Gärten wurden beauftragt, dieses Ensemble originalgetreu wiederherzustellen und öffentlich zugänglich zu machen. Am 31. Juli 1995 erfolgte im Rahmen der Festveranstaltung zum 50. Jahrestag der Potsdamer Konferenz die offizielle Einweihung des restaurierten Appartements. Da das geplante Symposium über die Beschlüsse von Potsdam nicht zustande kam, avancierte die Neueröffnung der kronprinzlichen Räume zum heimlichen Höhepunkt des Festaktes. Diese Episode wirkte nicht nur wie ein Symbol, sondern stand für eine Zäsur in der über 43jährigen Museumsgeschichte des Schlosses Cecilienhof. Denn erstmals konnte man Räume im Stil der frühen 1920er Jahre besichtigen und sich ausschließlich auf die Lebenswelt der Bewohner und Künstler einlassen.

Abb. 7 u. 8

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Durch diese Errungenschaft wurde nicht nur die Gewichtung zwischen Gedenkstätte und Hohenzollernschloss neu justiert, sondern auch die kunstgeschichtliche Wertschätzung des Hauses nachhaltig beeinflusst. Die stetig steigende Nachfrage nach Führungen durch die Privaträume des Kronprinzenpaares ist eine Bestätigung dafür, dass die Entscheidung von 1992 richtig war und dass das Schloss Cecilienhof mehr als„“nur eine Gedenkstätte“ ist.

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Zukünftig besteht sogar die Aussicht, ein ehemaliges Gästequartier in den Kontext der Privaträume einbeziehen zu können. Sobald der Umzug der derzeit dort untergebrachten Büros in einen anderen Teil des Hauses abgeschlossen ist, kann die Restaurierung der vorhandenen Wandfassungen und Einbaumöbel in Angriff genommen und ein Nutzungskonzept erstellt werden. Spätestens danach werden ebenso viele Räume zum Thema Thronfolgerpaar zu besichtigen sein wie zum Thema Potsdamer Konferenz.

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In diesem Zusammenhang bietet sich ein Exkurs zum ebenfalls im Neuen Garten gelegenen Marmorpalais an, das als Außenstelle des Armeemuseums der DDR bis 1990 ein ähnlich gelagertes Schicksal erfuhr wie das Schloss Cecilienhof. Die klassizistische Innendekoration war durch Einbauten sowie Stellwände und Vitrinen mit Waffen und Uniformen nicht mehr wahrnehmbar und in großem Maße zerstört. Noch prägnanter waren die Eingriffe im Gartenbereich, denn rund um das Gebäude waren Geschütze, ein Panzer, ein Düsenjäger und ein Militärboot aufgestellt.

Abb. 9 u. 10

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Im Gegensatz zum Schloss Cecilienhof stand nach der Wiedervereinigung aber niemals zur Debatte, die Fremdbestimmung des Marmorpalais aufrechtzuerhalten, sondern es herrschte sowohl auf politischer Ebene als auch in der Schlösserstiftung Einigkeit darüber, das bedeutendste Bauwerk aus der Zeit Friedrich Wilhelms II. in seinen Originalzustand zurückzuversetzen und die entstandene Lücke im Kanon des Schlösserreigens wieder zu schließen.

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Während sich der Wandel beim Schloss Cecilienhof in einem längeren Umdenkungsprozess vollzog, entschied man sich beim Marmorpalais für eine radikale Lösung, indem die sozialistisch verordnete Nutzung unvermittelt beendet und unverzüglich mit der Restaurierung begonnen wurde. Insofern lassen sich bei beiden Häusern bis 1990 durchaus Parallelen im konzeptionellen Umgang feststellen. Danach wurden die Prioritäten allerdings sowohl aus kunsthistorischen und gesellschaftspolitischen Erwägungen als auch aus Sicht der Besucherorientierung anders gesetzt. Somit stehen sich heute im Neuen Garten ein Schlossmuseum mit Raumfassungen und Kunstwerken von höchstem Rang, aber mit vergleichsweise verhaltener Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, und ein Geschichtsmuseum mit einer weniger bedeutsamen Ausstattung, aber mit großer internationaler Ausstrahlung und dementsprechender Präsens gegenüber. Gemessen an den Besucherzahlen nimmt das Schloss Cecilienhof trotz bzw. wegen dieser Entwicklung nach wie vor eine herausgehobene Stellung innerhalb der Stiftung und unter den Potsdamer Sehenswürdigkeiten ein, während das aufwändig restaurierte Marmorpalais mehr auf den hinteren Plätzen rangiert.

Ein Schloss als Gedenkstätte – Pro und Contra

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Schlösser waren seit jeher Wohnstätten von Adelsfamilien, im Falle von Potsdam waren es brandenburgische Kurfürsten, preußische Könige und deutsche Kaiser. Fast immer vom Geschmack des jeweiligen Herrschers bestimmt, zeugen sie noch heute von der baumeisterlichen und künstlerischen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Epoche. Insofern ist die Erhaltung der Substanz eine der vordringlichsten Aufgaben der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin–Brandenburg, in deren Obhut sich Bauwerke aus fünf Jahrhunderten befinden.

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Nicht selten werden die Schlösser mit historischen Ereignissen, die in ihnen stattgefunden haben, in Zusammenhang gebracht, wie zum Beispiel das Edikt von Potsdam, das 1685 im Stadtschloss vom Großen Kurfürsten unterschrieben wurde und dessen Toleranzgedanke damals die Einwanderung der Hugenotten ermöglichte. Oder die im Dezember 1848 von König Friedrich Wilhelm IV. unterzeichnete preußische Verfassung, die mit der Ortsbezeichnung `Sanssouci´ versehen ist. Im Neuen Palais besiegelte im August 1914 Kaiser Wilhelm II. den Eintritt Deutschlands in den Ersten Weltkrieg und fast genau 31 Jahre später trafen sich die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs im Schloss Cecilienhof, um über die Zukunft Deutschlands und der Welt zu beraten.  [7]

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Aber während die anderen Begebenheiten lediglich als Momentaufnahmen im Gedächtnis blieben, ohne das Image des Schlosses zu verändern, sind die Auswirkungen der Potsdamer Konferenz bis heute prägend für den Ort des Geschehens. Kaum jemand kann sich der Faszination entziehen, vor dem Runden Tisch zu stehen und die Aura des Raumes zu spüren, in dem folgenschwere, oftmals selbst erlebte und Erinnerungen wachrufende Geschichte geschrieben wurde. Auch wenn das Kommuniqué niemals völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangte und heute als überholt gilt, steht das Schoss Cecilienhof international als Synonym für den Kalten Krieg und das atomare Wettrüsten sowie für die Besatzungszeit in Deutschlands und die Teilung Europas.

Abb. 11

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Der `Geschichtsort´ verhinderte eine nichtmuseale Nutzung des Schlosses nach dem Krieg. Ohne die Entscheidung, das Haus 1945 für die Potsdamer Konferenz auszusuchen und 1952 als Gedenkstätte zu etablieren, wären eine Zweckentfremdung und im ungünstigsten Fall ein Verlust für die Schlösserverwaltung wohl unvermeidlich gewesen. Das Beispiel des Schlosses Babelsberg und der meisten märkischen Schlösser, die durch eine zweckfremde Inanspruchnahme in der DDR-Ära großen Schaden genommen haben, zeigt, was unter anderen Vorzeichen auch dem Schloss Cecilienhof bevorgestanden hätte. Die relativ junge Historie Cecilienhofs wäre wahrscheinlich kein Grund gewesen, das Gebäude als Museum zu erhalten.

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Unvermindert hoch steht das Schloss in der Gunst staatlicher und regionaler Institutionen, um an dieser renommierten Stätte prominente Persönlichkeiten zu empfangen und medienwirksam darüber zu berichten. Protokollarische Höhepunkte, wie der Besuch Queen Elisabeth` II. im November 2004 und die Tagung der G8-Außenminister im Mai 2007 belegen, wie stark noch heute das politische Signal und die Anziehungskraft des Gipfeltreffens von 1945 sind.

Abb. 12

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Ein weiterer, wenn auch viel profanerer Grund für eine Beibehaltung der Gedenkstätte liegt in den Verlusten des originalen Mobiliars aus den für die Potsdamer Konferenz ausgewählten Räumen begründet. Die in die ehemalige Wohnhalle und die Salons des Kronprinzenpaares gehörenden, aber beim Brand in der Meierei verlorengegangenen Möbel können nicht durch adäquate Stücke ersetzt werden, um einen historisch korrekten Eindruck von der Zeit vor 1945 zu vermitteln. Deshalb gibt es zum Beschluss der Historikerkommission, die Konferenzausstattung in den Räumen zu belassen, keine Alternative. Eine Rückführung der Möbel an ihre angestammten Plätze käme unvermeidlich einem Ausräumen gleich. Daran würde auch das wenige erhalten gebliebene Inventar, wie Bilder, Gläser und Porzellane, nichts ändern.

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Trotz der schwierigen Umsetzbarkeit dieser Option kann mit der Wiederherstellung der Schlaf-, Ankleide- und Badezimmer im Obergeschoss endlich auch der künstlerische Stellenwert des Schlosses entsprechend gewürdigt und das Haus teilweise wieder in die Entwicklungslinie der brandenburgisch-preußischen Schlösserarchitektur gestellt werden. Auch wenn die politische Komponente in der Präsentation weiterhin überwiegt, ist das Schloss als Teil des Gesamtensembles durch diese Entscheidung wesentlich deutlicher positioniert.

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Diese Zielstellung konnte durch eine kleine Sonderausstellung zur Exilzeit des Kronprinzen Wilhelm auf der holländischen Insel Wieringen im Jahre 2001 sowie durch Führungen zu Spezialthemen mit Bezug zur Schlossgeschichte weiterverfolgt werden. Der große Zuspruch bei Veranstaltungen zum 100. Jubiläum der Hochzeit des Kronprinzenpaares 2005 oder zu englischen Einflüssen in der Architektur sowie zu den Beziehungen zwischen den Königshäusern bestätigt die gewachsene Neugier am letzten Kapitel in der preußischen Geschichte.

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Darüber hinaus tragen neue wissenschaftliche Publikationen zur Verknüpfung beider Nutzungsabschnitte bei. Das 1995 erschienene Buch mit dem Untertitel “Von der Hohenzollernwohnung zur Gedenkstätte“ geht neben einer detaillierten Beschreibung des Konferenzalltags ausführlich auf die Rezeption des Schlossbaus und die Porträts von Wilhelm und Cecilie ein.  [8]

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Ein mit zahlreichen historischen und aktuellen Raumaufnahmen ausgestattetes Bildheft mit der Schlagzeile “Tudorromantik und Weltpolitik“ gibt einen Überblick über die Fassadengestaltung und Innenraumdekoration der ehemaligen Repräsentations- und späteren Konferenzräume sowie der privaten Appartements des Kronprinzenpaares und der Gästewohnungen. Erstmals werden dabei auch die heute vom Hotel genutzten Speisezimmer, Personal- und Wirtschaftsräume sowie der Prinzenflügel und die Treppenhäuser vorgestellt, während die Potsdamer Konferenz nur am Rande behandelt wird.  [9]

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Eine umfangreiche biographische Studie zur Kronprinzessin Cecilie von 1996  [10] und eine Magisterarbeit zur Rezeptionsgeschichte des Schlosses Cecilienhof aus dem Jahre 1998  [11] ergänzen anhand neuester Forschungsergebnisse die bis dahin spärlichen oder bruchstückhaften und oftmals hypothetischen Kenntnisse über die Anlage und deren Auftraggeber.

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Schloss Cecilienhof verdient im doppelten Sinne Anerkennung und muss sowohl als Ort richtungsweisender Weltpolitik bewahrt werden, als auch in seiner Eigenschaft als Endpunkt einer vom 16. Jahrhundert ausgehenden Schlossbaugeschichte immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Problemanalyse und Denkanstöße für den Umgang mit Schloss Cecilienhof

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Ein Problem ergibt sich aus den fehlenden Inventarverzeichnissen. Leider sind sämtliche Unterlagen aus der Zeit vor 1945 in den Wirren der Nachkriegszeit verschollen bzw. vernichtet worden, sodass auf keine Originaldokumente zurückgegriffen werden kann. Das früheste Inventar stammt aus dem Jahr 1952 und listet nur die Objekte auf, die im Moment der Übergabe des Gebäudes an die deutschen Behörden vorhanden waren. Alle bis 1945 in den Räumen befindlichen Möbel und Kunstwerke sowie die im Zuge der Vorbereitung der Konferenz in die Meierei verbrachten Einrichtungsgegenstände wurden wohl nie erfasst. Jedenfalls sind bislang keine früheren Inventare, auch keine Listen aufzufinden gewesen. Lediglich auf Fotos aus der Erbauungszeit, die in Architekturzeitschriften veröffentlicht oder in den 1920er Jahren aufgenommen wurden, können einzelne Stücke identifiziert und den Räumen zugeordnet werden.  [12] Deshalb wäre es wünschenswert, wenn hierfür ein konkreter Forschungsauftrag vergeben werden könnte. Besonders die 1945 aus Schloss Oels in die Sowjetunion abtransportierten Privatakten des Kronprinzenpaares könnten Aufschluss über die ursprüngliche Ausstattung geben.

Durch die Beschlagnahmung des Schlosses von 1945 bis 1952 durch die sowjetischen Besatzer und die Nutzung als Clubhaus für Militärangehörige der Roten Armee war Deutschen der Zugang völlig versagt. Kein Potsdamer konnte auch nur in die Nähe des Hauses gelangen, denn der Park war hermetisch abgeriegelt. Somit fehlen heute jegliche Informationen über diese Zeit und den Umgang von sowjetischen Offizieren und Soldaten mit dem Schloss. Es liegt die Vermutung nahe, dass auch schon in der Besatzungszeit eine `Gedenkstätte´ für alliierte Gäste der sowjetischen Militäradministration eingerichtet war und deshalb die Räume im Zustand der Konferenz belassen wurden. Allerdings kann bezüglich der Motivation nur gemutmaßt werden, ob damit bewusst das Andenken an die erfolgreiche Verhandlungstaktik Stalins während der Potsdamer Konferenz wachgehalten werden sollte oder ob man ganz pragmatisch einfach keine Veranlassung für eine Veränderung der Räume sah. Nur Nachforschungen in amerikanischen, britischen und russischen Archiven können über die Zeit von 1945 bis 1952 aufklären.

Das Informationsdefizit über die Nachkriegsjahre leitet direkt zu einem weiteren Problemkreis über, der sich mit dem ungesicherten Forschungsstand bei der Bezeichnung der Arbeitszimmer der britischen und amerikanischen Delegation während der Potsdamer Konferenz befasst. Es sprechen mehrere Anhaltspunkte dafür, dass die heutige Zuordnung nicht der historischen Realität entspricht. Amerikanische Pläne, die vom Secret Service in Vorbereitung der Konferenz erstellt wurden und Filmmaterial, das 1945 im Konferenzsaal entstand, lassen berechtigte Zweifel an der gegenwärtigen Lage der beiden Räume aufkommen.

Auf der Kopie einer originalen Grundrisszeichnung des Erdgeschosses vom 9. Juli 1945, in der vom amerikanischen Geheimdienst die offiziellen Räume genau definiert wurden, ist zu erkennen, dass die Arbeitszimmer von Truman und Churchill bzw. Attlee gegenüber dem jetzigen Zustand vertauscht sind, während alle anderen Angaben, zum Beispiel die Eingänge für die Delegationen, übereinstimmen. Deshalb stellt das Dokument eine wichtige Forschungsgrundlage dar, auch wenn die Verlässlichkeit der Daten natürlich noch überprüft werden muss.  [13]

Abb. 13

Zusätzliches Gewicht erhält diese Hypothese durch eine kurze Filmsequenz, bei der deutlich zu sehen ist, wie der britische Premierminister Churchill die Konferenzhalle durch die Tür betritt, die heute ins Arbeitszimmer des amerikanischen Präsidenten führt. Da jedem Staatschef ein eigener Eingang in den Verhandlungssaal zugewiesen war, ist diese historische Aufnahme ein weiteres Indiz bei der Spurensuche und könnte helfen, herauszufinden, ob die Einrichtung den historischen Tatsachen entspricht oder ob es sich seit 1952 um eine willkürliche Aufteilung der Räume im Zuge der Übergabe handelt. Auch wenn zahlreiche Hinweise über das Mobiliar aus beiden Räumen existieren, ist dessen exakte Aufstellung in der Konferenzzeit bisher nicht belegt, sodass eine bloße Auswechslung einer reinen Spekulation gleichkäme und wissenschaftlich nicht zu vertreten wäre.  [14]

Autor

Harald Berndt
Historische Stätte der Potsdamer Konferenz
Schloss Cecilienhof
Abt. Schlossmanagement
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin – Brandenburg
Postfach 60 14 62
14414 Potsdam
e-mail: h.berndt@spsg.de



[1] Dieser Beitrag stellt die erweiterte Textfassung eines Statements dar, das im Rahmen eines Workshops der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin – Brandenburg (SPSG) und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) am 19. Januar 2007 im Schloss Glienicke in Berlin zum Thema “Der Umgang mit dem Hohenzollernerbe zwischen 1919 und 1990“ abgegeben wurde. Der Anmerkungsapparat beschränkt sich im Wesentlichen auf den Nachweis von Quellen und den Verweis auf ausgewählte Publikationen zum Thema.

[2] Dieser Abschnitt basiert auf mündlichen Überlieferungen ehemaliger Mitarbeiter der Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens im Schloss Cecilienhof, unter anderem der ersten Leiterin, Frau Else Mangliers-König (1952 bis 1955) sowie der langjährigen Direktorin, Frau Erika Herbrig (1970 bis 1981).

[3] Pressemitteilung (Hg. vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg) Nr. 108/92 vom 06.08.1992.

[4] Heike Müller: Info-Mappe für Schlossführer im Schloss Cecilienhof mit Erläuterungen zu den wichtigsten Veränderungen in der Ausstellung und weiterführenden Fragen im Hinblick auf die Potsdamer Konferenz, Potsdam 1993.

[5] Manfred Görtemaker: Das Ende des europäischen Zeitalters, in: Informationen zur politischen Bildung (Ausgabe 245). Internationale Beziehungen I. Der Ost-West-Konflikt (Hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung), Bonn 1994.

[6] Günter Grützner/Manfred Ohlsen: Schloss Cecilienhof und das Kronprinzenpaar, Berlin 1991.

[7] Hans-Joachim Giersberg: Festvortrag zum 50. Jahrestag der Potsdamer Konferenz im Schloss Cecilienhof, Kopie eines ungedruckten Manuskripts im Besitz des Autors, 1995.

[8] Autorengemeinschaft: Schloss Cecilienhof und die Potsdamer Konferenz 1945. Von der Hohenzollernwohnung zur Gedenkstätte (Hg. von der Cronos-Film GmbH, Berlin-Kleinmachnow und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin–Brandenburg), Berlin 1995.

[9] Harald Berndt/Jörg Kirschstein: Schloss Cecilienhof. Tudorromantik und Weltpolitik, München u.a. 2005.

[10] Jörg Kirschstein: Kronprinzessin Cecilie von Preußen (1886 – 1954). Ein Leben zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik (Diplomarbeit an der Fachhochschule Potsdam, Fachbereich Archiv-Bibliothek-Dokumentation), Potsdam 1996.

[11] Michael Zajonz: Das kronprinzliche Landhaus Cecilienhof in Potsdam (Magisterarbeit an der Technischen Universität Berlin, Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswissenschaften, Fachgebiet Kunstwissenschaft), Berlin 1998.

[12] Hierzu liegen mehrere Veröffentlichungen vor, unter anderem: H. Straube: Cecilienhof, in: Dekorative Kunst. Monatshefte für freie und angewandt Kunst 38 (1918), hier 333 – 346. Abb. bis 354; Adelbert Matthaei: Der „Cecilienhof“ in Potsdam. Erbaut von Professor Paul Schultze Naumburg, in: Innen-Dekoration 30 (1919),hier 324 – 332, Abb. bis 350.

[13] Diese Aussagen beruhen auf Materialien von Archival Research Associates: Plan used by US Secret Service for President Truman during ”Potsdam Conference“ at Cecilienhof July/August 1945. Copy from Archival Research Associates document collection, 1995.

[14] Potsdamer Konferenz 1945. Ein Film von Bernhard von Gersdorff, Cronos-Media GmbH, Potsdam-Babelsberg, DVD, 1995.

Empfohlene Zitierweise:

Harald Berndt : Schloss Cecilienhof – nur eine Gedenkstätte? , in: zeitenblicke 7 (2008), Nr. 1, [05.06.2008], URL: https://www.zeitenblicke.de/2008/1/berndt/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-13100

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