Der Beitrag skizziert einige wichtige Ergebnisse der Genderforschung und würdigt deren Bedeutung für die allgemeine Politik- und Verfassungsgeschichte. Neben der Problematik der Herrscherinnenkritik, die anhand der Beispiele John Knox und Jean Bodin als reale Bedrohung weiblicher Herrschaft eingestuft wird, behandelt er die Herrschaft von Frauen kraft eigenen dynastischen Rechts, weibliche Regentschaften, die geistlichen Wahlfürstinnen im Heiligen Römischen Reich, die Rolle der Frauen in der 'großen' Politik sowie weibliche Patronage als stabilisierendes Element für den frühneuzeitlichen Staat. Der Aufsatz hebt hervor, wie sehr die Ergebnisse der Genderforschung in den genannten Bereichen das Bild des frühmodernen Staates und seiner Funktionsweise modifiziert haben. Weibliche Herrschaft sollte daher auch von der allgemeinen Politik- und Verfassungsgeschichte nicht als Randphänomen betrachtet werden. Gleichzeitig sollte die Genderforschung die Grenzen weiblicher Herrschaft im Blick behalten. Trotz erster, teils vielversprechender Versuche in dieser Richtung bleiben europäische Synthesen unter Einbeziehung der deutschen und italienischen Staatenwelt ein wichtiges Forschungsdesiderat.
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Es zählt nicht zu den geringsten Verdiensten der Genderforschung der letzten Jahrzehnte, dass sie das Bild von weiblicher Herrschaft in der Frühen Neuzeit erheblich modifiziert hat, viele Aspekte in ganz neuem Licht erscheinen lässt oder überhaupt erstmals beleuchtet hat. [1] Die Frauen- und Geschlechterforschung hat damit auch für die allgemeine Verfassungs- und die Politikgeschichte deutlich an Relevanz gewonnen, die gendergeschichtlichen Fragen insgesamt nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat und vielfach immer noch dazu tendiert, weibliche Herrschaft pauschal als problematisch zu bewerten. Andererseits wird auch von der Genderforschung nicht immer eine Einordnung ihrer Ergebnisse in die allgemeine Verfassungsgeschichte angestrebt oder erreicht – das kann im Einzelfall zu einer Überbewertung der Möglichkeiten von Herrscherinnen führen. Gerade wenn man die monarchische Spitze des frühneuzeitlichen Staates in den Blick nimmt, scheinen mir tendenziell verfassungs- und gendergeschichtliche Forschungen unterschiedliche Wege zu gehen: Während die Verfassungsgeschichte im Zuge der Absolutismusdiskussion die Begrenzungen der, wie ein großer Teil der Spezialisten für diesen Gegenstand meint, wohl doch nicht so 'absoluten' und schon gar nicht 'absolutistischen' Fürstenmacht betont, [2] sind auf gendergeschichtlicher Seite eher die Handlungsspielräume der kraft eigenen Rechts oder als Regentin herrschenden Fürstinnen akzentuiert worden.
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Im Folgenden möchte ich einige Ergebnisse der Genderforschung zusammenfassen, die aus meiner Sicht für die allgemeine Politik- und Verfassungsgeschichte der Frühen Neuzeit besonders wichtig geworden sind, und zugleich einige Fragen an die Frauen- und Geschlechtergeschichte formulieren und so die Vertiefung bzw. kritische Überprüfung einzelner Aspekte anregen. Ich erhebe damit nicht den Anspruch auf besondere Originalität oder Vollständigkeit, verstehe meine Ausführungen aber als Beitrag zu einem sich hoffentlich intensivierenden konstruktiven Dialog zwischen den beiden Fachrichtungen.
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Ein besonders bekanntes und zugleich extremes Beispiel für Herrscherinnenkritik in der Frühen Neuzeit ist John Knox' "The first blast of the trumpet against the monstrous regiment of women" (1558), das seine besondere Schärfe aus einer konkreten politischen Konfliktlage gewann, der Konfrontation des calvinistischen Kirchenmannes mit der katholischen Regentin Schottlands Marie de Guise (1515-1560). Dennoch sind die Knox'schen Verdikte kennzeichnend für die bereitstehenden Stereotype, die im Krisen- oder Konfrontationsfall leicht abgerufen und auf die jeweilige Herrscherin angewendet werden konnten.
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Argumentationen mit göttlichem Willen und Naturrecht sowie mit mythischen und historischen Beispielen ergänzen und durchdringen sich, wenn John Knox seine These prägnant zusammenfasst: "Eine Frau zur Herrschaft, Hoheit, Gewalt oder Regierung über ein Königreich, eine Nation oder Stadt zu berufen ist widernatürlich, eine Beleidigung Gottes und steht in größtem Gegensatz zu seinem geoffenbarten Willen und seiner anerkannten Ordnung, und ist schließlich der Umsturz jeder guten Ordnung, jeder Gerechtigkeit und Billigkeit." [3] Neben den Beispielen aus seiner Gegenwart, die Regentin Marie de Guise in Schottland und später ihre Tochter Maria Stuart (1542-1587) sowie Maria I. Tudor von England (geb. 1516, reg. 1553–1558), die dem schottischen Reformator schon wegen ihrer katholischen Konfession ein Dorn im Auge waren, fand Knox auch in der Bibel Argumente für seine These. Besonders prominent war hier die alttestamentarische Königin Isebel, die nicht nur den Baalskult in Israel einführte und sich als Verfolgerin der Propheten profilierte, sondern in der Erzählung von Naboths Weinberg auch als habgierig und verbrecherisch charakterisiert wird. [4] Ihren verhängnisvollen großen Einfluss übte sie über den Tod ihres Mannes hinaus auch durch ihre beiden Söhne Ahasja und Joram aus. Eine ähnliche Popularität als weibliches Feindbild erlangte ihre Tochter Athalja, Königin von Juda, die nach dem Tod ihres Mannes Jotam und ihres Sohnes Ahasja als Regentin ein Blutbad unter den eigenen Enkeln anrichtete, um ihre Macht über die Zeit der Regentschaft hinaus zu behaupten. [5] Bei beiden alttestamentarischen Königinnen kam zu dem widernatürlichen und illegitimen Machtstreben als verstärkende Komponente der falsche Glaube hinzu – kein Zufall, dass Knox das Bild der Isebel für seine Philippika gegen die katholischen Königinnen nutzte! Eine solch grundsätzliche Kritik an weiblicher Herrschaft konnte sich geradezu potenzieren, wenn sie mit anderen inkriminierten Aspekten zusammentraf. So wurden sexuelle Ausschweifungen zwar auch bei männlichen Herrschern kritisiert; einen wesentlich schärferen Ton nahm eine solche Kritik allerdings an, wenn sie gegen Frauen gerichtet war – das bekannteste Beispiel, freilich aus einem anderen Jahrhundert, ist sicher Katharina II. von Russland (geb. 1729, reg. 1762-1796), [6] aber der Vorwurf der Unmoral spielte auch in der Propaganda gegen Maria Stuart eine wichtige Rolle.
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Dass der radikale calvinistische Reformator John Knox kein Einzelfall war, hat jüngst für einen der einflussreichsten europäischen Denker des 16. Jahrhunderts, den französischen 'Politique' Jean Bodin, Claudia Opitz-Belakhal nachgewiesen. Auch er beschrieb die weibliche Herrschaft als widernatürlich und als das größte Unglück, das einem Staatswesen widerfahren könne. Durch eine Gynäkokratie werde die von Gott begründete hierarchische Geschlechterordnung umgestürzt, mit den schädlichsten Folgen für Staat und Gesellschaft – Bodin ist hier nicht allzu weit von Knox entfernt. Kein Wunder, dass Bodin ein rigoroser Verfechter nicht nur des Salischen Thronfolgerechts war, sondern auch weibliche Regentschaften strikt ablehnte. Wie bei Knox spielten auch bei ihm erkennbar persönliche Erfahrungen und die eigenen politischen Positionen – die Gegnerschaft zu der langjährigen französischen Regentin Katharina de' Medici (1519-1589) – eine Rolle. [7] Selbst wenn also die Äußerungen von Knox und Bodin in ihrem jeweiligen Kontext zu sehen sind und keineswegs als allgemein geteilte Anschauung missverstanden werden dürfen, sollten sie in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden. Markieren sie doch sozusagen ein Arsenal, das politischen Gegnern von Herrscherinnen zur Verfügung stand, um die Legitimität ihrer Kontrahentin – und zwar ganz unabhängig vom eigentlichen Konfliktgegenstand! – zu erschüttern.
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Leicht könnten Knox und Bodin weitere Beispiele aus späterer Zeit an die Seite gestellt werden, doch hier ist nicht der Ort, um diesen Aspekt der frühneuzeitlichen Querelle des Femmes ausführlich zu referieren. [8] Es geht mir schlicht darum, das bereitstehende Stereotypenreservoir zur Herrscherinnenkritik als eine strukturelle und ernst zu nehmende Gefährdung weiblicher Herrschaft zu identifizieren. Fürstinnen befanden sich eben hinsichtlich ihrer Legitimation in einer zwiespältigen Situation: Ihre Zugehörigkeit zum Herrscherhaus legitimierte sie zur Herrschaft; ihr Geschlecht dagegen disqualifizierte sie tendenziell. Welche der beiden Waagschalen das Übergewicht erlangte, konnte von Fall zu Fall verschieden sein. Gerade in Konflikt- und Krisenzeiten musste eine Fürstin befürchten, dass die de-legitimierenden Faktoren durch Manipulationen ihrer Gegner schwerer ins Gewicht fielen.
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Die Fürstinnen waren sich dieser Gefahr durchaus bewusst und haben ihr vielfach eine Propaganda entgegengesetzt, welche die eigene Herrschaft verherrlichte. [9] Hierzu hat die Genderforschung in den letzten Jahren wichtige Ergebnisse vorgelegt, die auch für eine 'neue' Politikgeschichte von erheblichem Interesse sind – umso mehr, als hier gleichwohl noch viel Arbeit zu tun bleibt, und zwar eine Arbeit, die am besten in einer interdisziplinären Kooperation mit der Kunstgeschichte, aber auch der Musikwissenschaft und der Rechtsgeschichte anzugehen wäre.
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Lange herrschte in der Geschichtswissenschaft der Eindruck vor, dass die eigenständige Herrschaft von Frauen in der Frühen Neuzeit etwas Anormales gewesen sei. So wurden Herrscherinnen wie Elisabeth I., Maria Theresia oder Katharina II. als die große Ausnahme hingestellt. Dabei ergibt schon ein flüchtiger Blick auf die Listen der europäischen Herrscher und Herrscherinnen, dass in vielen, ja den weitaus meisten europäischen Ländern Frauen zur Regierung gelangten, sei es kraft eigenen Rechts, sei es als Regentin für einen minderjährigen Fürsten. [10]
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Wenn Frauen zur Herrschaft gelangten, geschah dies aufgrund ihres dynastischen Erbrechts bzw. aufgrund ihrer Stellung als Mutter, Großmutter, Tante oder Schwester des minderjährigen Herrschers. Wenn man von den reichsunmittelbaren Damenstiften und Frauenklöstern im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation absieht, [11] war es also die Erbmonarchie mit ihrer dynastischen Erbfolge, welche eine weibliche Regierung überhaupt erst ermöglichte. [12] Selbst in Frankreich, wo das Salische Erbfolgerecht die weibliche Thronfolge und damit die Herrschaft von Frauen kraft eigenen Rechts in der Neuzeit kategorisch ausschloss, [13] konnten Frauen Regentschaftsregierungen führen – dies wurde erst durch die Verfassung des Jahres 1791 [14] untersagt.
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Andererseits: Auch in denjenigen Ländern, in denen Frauen auf den Thron gelangen konnten, standen sie grundsätzlich in der zweiten Reihe. Das heißt, eine Prinzessin konnte nur dann zur Herrschaft kommen, wenn sie keinen Bruder hatte, und bekanntlich war es eines der höchsten Ziele frühneuzeitlicher Herrscher, Söhne in die Welt zu setzen – auch wenn sie bereits über Töchter verfügten. Dementsprechend wurden Prinzessinnen regelmäßig von ihren jüngeren Brüdern in der Erbfolge 'überholt'.
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So war auch die Pragmatische Sanktion von 1713, das wohl berühmteste frühneuzeitliche Hausgesetz, welches die Unteilbarkeit der habsburgischen Erbreiche gewährleisten sollte und zu diesem Zweck im Falle eines vollständigen Erlöschens der Dynastie im Mannesstamme auch die weibliche Erbfolge ermöglichte, nur der eine, im Grunde sekundäre Teil der Maßnahmen des letzten männlichen Habsburgers zur Sicherung seiner Sukzession. Die erste Wahl war immer noch die Zeugung eines männlichen Thronerben, und für dieses Ziel unternahm das Kaiserpaar in Form von Gebeten und Bäderbesuchen erhebliche Anstrengungen. Dass die weibliche Erbfolge im Grunde eine ungeliebte Notlösung blieb, verdeutlicht schon der Text der Pragmatischen Sanktion, wo die Möglichkeit des Abgangs des "Mannlichen stammens" mit dem Stoßgebet "so Gott gnädiglich abwenden wolle" kommentiert wird [15] – die möglichen Folgen standen der Wiener Hofburg 1713, in der Endphase des Spanischen Erbfolgekriegs, vor Augen. Eine weibliche Thronfolge war in der Regel eben leichter anfechtbar – eine Erfahrung, die 1740 dann ja auch Erzherzogin Maria Theresia (geb. 1717, reg. 1740-1780) machen musste.
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War eine Frau einmal auf den Thron gelangt, dann wurde von ihr zumeist erwartet, dass sie sich – so noch nicht vorhanden – rasch einen Gemahl und Mitregenten nehme. Dass Elisabeth I. von England (geb. 1533, reg. 1558-1603) sich dem bekanntlich erfolgreich widersetzte, macht die "Virgin Queen" eher zur Ausnahme. [16] Bezeichnenderweise wurde im Zuge der Glorious Revolution 1689 nicht nur die älteste protestantische Stuart, Maria (geb. 1662, reg. 1689-1694), auf dem englischen und schottischen Thron installiert, sondern gleichzeitig ihr Mann Wilhelm III. von Oranien (geb. 1650, reg. 1672 bzw. 1689-1702), der im Gegensatz zu seiner Frau keinen englischen König zum Vater, sondern nur zum Großvater hatte. [17] In der Folge war es Wilhelm, der die englische Regierung dominierte. Wenn Maria in Zeiten seiner kriegsbedingten Abwesenheit die Regierung führte, so hatte dies eher den Charakter der in solchen Situationen verbreiteten Praxis einer vorübergehenden Regentschaft. [18] Ihre jüngere Schwester Anna (geb. 1665, reg. 1702-1714) dagegen, die 1702 ihrem Schwager auf den englischen Thron nachfolgte, ernannte zwar ihren Mann Prinz Georg von Dänemark zum Lord High Admiral, wodurch er quasi als Stellvertreter der Königin in dem ihr verschlossenen militärischen Bereich agierte; Mitregent wurde er aber nicht. [19] Und Maria Theresia machte 'ihren' Franz Stephan (Franz I.) (geb. 1708, reg. 1745-1765) zwar formell zum Mitregenten in ihren Erblanden, behielt aber das Heft des Handelns eindeutig in der Hand – weniger gelang ihr das dann während der Mitregentschaft ihres Sohnes Joseph II. (ab 1765), als sie sich in verschiedenen Fragen genötigt sah, sich der Allianz zwischen Joseph und Staatskanzler Kaunitz zu beugen. [20]
Abb. 2
Abb. 3
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Zwar kann man durchaus auch bei alternden männlichen Herrschern beobachten, dass sich der sogenannte junge Hof anschickte, ihnen zu Lebzeiten die Zügel der Regierung zu entwinden. Herrscherinnen drohte diese Gefahr aber in einem höheren Maß, ließ sich doch so die Norm einer männlichen Herrschaft frühzeitiger wiederherstellen. [21] Eine echte Doppelherrschaft war hingegen seit 1469 die Regierung der nicht umsonst als die Katholischen Könige (im Plural!) in die Geschichte eingegangenen Isabella von Kastilien (1451-1504) und Ferdinand (1452-1516) von Aragón. [22] Es gab also ein breites Spektrum an Möglichkeiten, wie Herrscherinnen mit der Erwartung umgehen konnten, sich einen Mann an die Seite zu stellen oder stellen zu lassen, bzw. wie sie sich gegenüber dem Mann verhielten, der sich tatsächlich an ihrer Seite befand. Auch hier wären weitere, vergleichende Forschungen hilfreich.
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Schließlich sollte man jene Herrscherinnen nicht vergessen, die, wie Maria Stuart, vom Thron gestoßen worden sind oder freiwillig der Regierung entsagten. Weniger bekannt als Christina von Schweden (Abdankung 1654) ist Ulrika Eleonora, die letzte schwedische Königin aus dem Hause Pfalz-Zweibrücken (1688-1741). Sie wurde schon zu Lebzeiten ihres Bruders Karl XII. in die Regierungsverantwortung eingebunden, nahm an Sitzungen des Reichsrats teil und erhielt eine weitgehende Unterschriftenvollmacht. Nach dem plötzlichen Tod Karls XII. 1718 konnte sie ihren Nachfolgeanspruch durchsetzen, wobei allerdings der schwedische Reichstag ihre Thronbesteigung von einer förmlichen Wahl abhängig machte. Zugleich nutzten die schwedischen Stände die Herrschaft einer Frau umgehend zu einer erfolgreichen Offensive gegen den königlichen 'Absolutismus'. In diesem Zusammenhang ist auch der anfängliche Widerstand gegen den Wunsch Ulrika Eleonoras zu sehen, ihren Mann Friedrich von Hessen-Kassel zum Mitregenten zu ernennen. 1720 dankte sie allerdings dann doch zu dessen Gunsten ab, obwohl er gar keine eigenen dynastischen Ansprüche auf die schwedische Krone besaß, sondern nur über die Rolle als Prinzgemahl auf den Thron gelangte. [23]
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Diese gewiss sehr willkürlich gewählten Beispiele, denen man zahlreiche weitere an die Seite stellen könnte, zeigen meines Erachtens zum einen, dass die dynastisch legitimierte Herrschaft von Frauen in der Frühen Neuzeit durchaus nichts Ungewöhnliches war und damit auch von der allgemeinen Politik- und Verfassungsgeschichte nicht als Quantité négligeable behandelt werden sollte. Dank des dynastischen Prinzips war die Chance für Frauen, zur Herrschaft zu gelangen, in der Frühen Neuzeit größer als im 19. sowie über weite Strecken des 20. Jahrhunderts. Selbst durch demokratische Wahlen werden Frauen erst seit wenigen Jahrzehnten zur Regierung legitimiert. Unübersehbar ist, wie ich meine, aber auch ein verbreitetes Unbehagen gegenüber weiblicher Herrschaft. Daraus resultierte das Bestreben, ihr ein männliches Element an die Seite zu stellen oder sie gar gänzlich zu verdrängen.
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In seinem Politischen Testament von 1752 sprach sich Friedrich II. von Preußen dagegen aus, Frauen zur Regentschaft heranzuziehen: "Ich glaube jedoch, daß es für den Staat günstiger ist, nahe Verwandte des jungen Königs als Vormund zu wählen und niemals einer Frau dieses schwierige Amt anzuvertrauen. Hier sind die Gründe: ein Mann arbeitet gemeinhin mit mehr Überlegung als eine Frau, er ist mehr zur Arbeit geschaffen und daher mehr imstande, die eingeführte Ordnung in allen Bereichen der Regierung zu erhalten als eine Königin-Witwe, unbekannt in den Geschäften, geneigt, sich von den Ministern regieren zu lassen und unfähig, die Geschäfte, die sich auf die Armee beziehen, gut zu verwalten." [24] Mit dieser Auffassung vertrat Friedrich II. eine Minderheitenposition, denn weibliche Regentschaften waren ein im Europa der Frühen Neuzeit weit verbreitetes Phänomen und haben denn auch in den letzten Jahren die besondere Aufmerksamkeit der Forschung gefunden. Sie waren bei einer Minderjährigkeit des Fürsten keineswegs die Ausnahme, sondern geradezu die Norm, und zwar auch in solchen Ländern, in denen die Thronfolge von Frauen aus eigenem Erbrecht ausgeschlossen war, wie in Frankreich. Dieses Faktum, das schon bei einem flüchtigen Blick auf die Reihen der frühneuzeitlichen Regenten deutlich wird, von der historischen Forschung jedoch lange geflissentlich übersehen wurde, nachdrücklich ins Bewusstsein gerufen zu haben, ist ein besonderes Verdienst der gendergeschichtlichen Forschung der vergangenen Jahre. Diese konnte zudem nachweisen, dass die Auffassung der älteren Politik- und Verfassungsgeschichte, die dazu tendierte, die Regentschaften grundsätzlich als Ausnahmezeiten, als Phasen der Krise, des Stillstands, ja geradezu als Interregna zu bewerten, zu kurz greift. [25]
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Dies sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handlungsspielräume einer Regentin oft enger waren als diejenigen eines qua eigenen Rechts herrschenden Fürsten. So verfügten die Hausgesetze einiger Dynastien, dass eine Fürstinmutter die Regenschaft nicht allein führen konnte, sondern ihr Kotutoren an die Seite zu stellen seien. Beispielsweise legte die Erbeinung für das Haus Hohenlohe von 1609 fest, dass zur Vormundschaft "in erster Linie" die Mutter der Minderjährigen berufen sei, dass diese jedoch mindestens einen der Agnaten als Mitvormund heranziehen solle. [26] Nicht selten hatte der verstorbene Fürst in seinem Testament verbindliche Normen aufgestellt. Auch die Landstände konnten ihr Mitspracherecht einfordern. [27] Allerdings setzten sich immer wieder Regentinnen beherzt über die ihnen gesetzten Grenzen hinweg – beispielsweise im Jahr 1637 Maria Gonzaga (1609-1660), die nach dem Tod ihres Mannes Karl von Gonzaga-Nevers nicht nur alle Regentschaftsräte entließ, sondern auch eine Kehrtwendung in der außenpolitischen Orientierung des Herzogtums Mantua vornahm. [28] Ein anderes, bekannteres Beispiel für eine Regentin mit ausgeprägtem außenpolitischem Profil, das dem ihres verstorbenen Mannes geradezu diametral entgegengesetzt war, ist Maria de' Medici (1575-1642), die bekanntlich den Ausgleich mit dem habsburgischen Spanien mit großem Nachdruck verfolgte. [29]
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Zwar gab es durchaus Regentinnen, die eine ausgesprochen dynamische Außenpolitik betrieben, so wie die streitbare hessen-kasselsche Regentin Amalie Elisabeth (1602-1651) während des Dreißigjährigen Krieges, [30] tendenziell jedoch scheinen die meisten Regentinnen in der Außenpolitik vor militärischen Abenteuern zurückgeschreckt zu sein. Dies ist meines Erachtens allerdings weder als weibliche 'Schwäche' noch im Sinne einer anthropologischen Grundkonstante zu interpretieren, sondern entsprach in der Situation einer Regentschaftsregierung in aller Regel durchaus rationalen Handlungsmustern. Der Umstand, dass einer Fürstin in wohl kaum einem Feld so wenig Ausbildung angedieh wie in der Kriegskunst, war durch die Wahl der richtigen Berater und Feldherren zu kompensieren, so wie dies ja auch militärisch weniger begabte und/oder interessierte männliche Herrscher praktizierten. Allerdings: Wenn man die Minderjährigkeit des Fürsten als eine potentielle Schwächephase des dynastischen Staates betrachtet, war es durchaus rational, sich in dieser Zeit auf keine außenpolitischen Abenteuer einzulassen, zumal die Handlungsspielräume einer Regentin vielfach enger waren, der Abstimmungsbedarf demgegenüber höher als bei einem aus eigenem Recht herrschenden Fürsten, und dies konnte gerade in militärischen Auseinandersetzungen im Wortsinne schlachtentscheidend sein.
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Zudem konnte eine Regentschaftsregierung durchaus angefochten werden. Träger einer solchen Opposition waren vielfach die Agnaten des minderjährigen Fürsten, die mit der Fürstinwitwe um die Regentschaft konkurrierten. Besonders dramatische Züge nahm der Konflikt nach dem Tod Viktor Amadeus I. von Savoyen 1637 an, als dessen jüngere Brüder einen förmlichen Krieg gegen die Regentin Maria Christine von Frankreich führten, allerdings vergeblich. [31] In einer solchen Situation konnte für eine Regentin ihre ausländische Herkunft zur Belastung werden wie in Frankreich den Italienerinnen Katharina und Maria de' Medici oder der Spanierin Anna von Österreich (1601-1666).
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Wie aber sind diese nicht zu leugnenden Krisen während einer ganzen Reihe von Regentschaftsregierungen zu bewerten? Der Grund für diese Krisen lag nicht in der Herrschaft einer Frau, sondern in der Minderjährigkeit des Thronfolgers. Die Regentschaftsregierung war vielmehr ein Instrument zur Bewältigung der dynastisch-staatlichen Krise, das sich in der Regel, jedoch nicht in jedem Fall bewährte, und gelegentlich auch ungeschickt gehandhabt wurde. Insofern stimme ich der Neubewertung der Regentschaftsregierungen, neben anderen vorgenommen durch Pauline Puppel, grundsätzlich zu, und möchte dennoch ein Aber formulieren: Regentinnen hatten in der Regel schlechtere Startbedingungen als ein Erbfürst; die Wahrscheinlichkeit ihres Scheiterns war dementsprechend höher. Neben ihrer minderen Legitimation und verschiedenen institutionellen Beschränkungen fiel hier sicherlich auch die zeitliche Begrenzung ins Gewicht: Je näher der Zeitpunkt der Volljährigkeit des Fürsten rückte, desto mehr drohte die Regentin zur 'lame duck' zu werden. Eine Regentin, die gegen den Willen des legitimen Fürsten an der Macht 'klebte', pflegte regelmäßig den Kürzeren zu ziehen – besonders spektakulär Maria de' Medici in ihrem Konflikt mit Ludwig XIII. [32]
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Die einzigen frühmodernen Staaten, in denen die Herrschaft von Frauen nicht nur eine 'zweite Wahl' oder gar 'Notlösung', sondern die unumstößliche Norm darstellte, waren die reichsunmittelbaren Damenstifte und Frauenklöster im Alten Reich. Über die Gründe, warum die Reichsäbtissinnen bislang deutlich weniger Beachtung als Regentinnen und Erbfürstinnen gefunden haben, lässt sich nur spekulieren. Dabei böten sie sich als ertragreiche Forschungsfelder weiblicher Herrschaft in der Frühen Neuzeit geradezu an, wie die wenigen bisherigen Studien bereits erahnen lassen.
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Etwas besser als die Forschungslage zu den Klöstern im engeren Sinne ist jene zu den freiweltlichen Damenstiften beider Konfession, die ich daher im Folgenden an einigen Beispielen umreißen werde. Besagte Damenstifte waren Versorgungsanstalten des Adels, ihr geistlicher Charakter war nicht unumstritten. Die Äbtissin eines freiweltlichen Damenstifts wurde durch Wahl bestimmt, wobei jedoch ihre adlige Herkunft und ihr dynastischer Rückhalt essentiell für den Wahlerfolg waren. Sie war nichts weniger als eine absolute Herrscherin, denn sie blieb in vielfacher Weise gebunden. Besonders komplex gestalteten sich die Verhältnisse im hochadligen freiweltlichen Damenstift Buchau, das als Versorgungsanstalt der schwäbischen Reichsgrafen gegründet worden war. Die Buchauer Äbtissinnen des 17. und 18. Jahrhunderts neigten dazu, den weltlichen Charakter ihres Stiftes zu betonen, das in der Tat innerhalb des Schwäbischen Reichskreises zu den Grafen und nicht zu den Prälaten gerechnet wurde. Dieser Akzent hatte aber durchaus auch eine machtpolitische Stoßrichtung gegen den Bischof von Konstanz, der seinen Einfluss nicht nur bei der Wahl der Äbtissin geltend zu machen, sondern auch bei anderen Gelegenheiten in das Stift hineinzuregieren suchte. So beanspruchte er nicht nur das Visitationsrecht und berief sich dazu auf den Status Buchaus als "corpus ecclesiasticum", sondern auch das Recht, der Fürstäbtissin neben den Spiritualia auch die Temporalia zu übertragen. [33] Dauerhaft behauptete der Bischof die Hohe Gerichtsbarkeit im Stiftsgebiet. [34] Auch durch die Rechte des Kapitels, die seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert regelmäßig durch eine Wahlkapitulation bestätigt wurden, war die Fürstäbtissin in ihrer Machtfülle eingeschränkt. [35]
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Wahlkapitulationen gab es auch im freiweltlichen Damenstift Essen, wo übrigens die Kanoniker gegenüber den Kanonissen die Mehrheit im Kapitel stellten. [36] In Essen war es weniger der zuständige Bischof als der Einfluss mächtiger Nachbarn sowie der großen katholischen Dynastien, der die Handlungsspielräume der Fürstäbtissin beschnitt, nicht zuletzt aber auch das Kapitel, das beispielsweise gegen die Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach (geb. 1696, reg. 1726-1776), der man das Streben "nach einer absoluten Souverainit" unterstellte, vor dem Reichskammergericht prozessierte. [37] Die Konfliktlage ebenso wie die Grenzen der fürstlichen Handlungsspielräume erinnern deutlich an ähnliche Auseinandersetzungen in anderen geistlichen, aber auch weltlichen Reichsfürstentümern mit starken Landständen. Bei den evangelisch gewordenen Reichsstiften Quedlinburg, Herford, Gandersheim und Gernrode waren es vor allem die weltlichen Schutzherren, die die Stellung der Fürstäbtissinnen beeinträchtigten. So war spätestens seit dem Übergang der Vogtei über Quedlinburg an Kurbrandenburg 1697/98 die "stiftische Selbständigkeit […] nur Fassade". [38] Vergleichbar entwickelte sich die Lage in Herford, obwohl die selbstbewussten Äbtissinnen ihre Reichsunmittelbarkeit de iure behaupten konnten. [39]
Abb. 4
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Sowohl die katholischen als auch die evangelischen Fürstäbtissinnen waren also alles andere als ungebundene oder gar 'absolute' Herrscherinnen. Im Großen und Ganzen unterschied sich ihre Situation aber nicht wesentlich von der ihrer Amtskollegen in den reichsunmittelbaren Männerklöstern. Wie diese konnte manche Äbtissin durchaus politische Erfolge der einen oder anderen Art verzeichnen, sei es durch prachtvolle Kirchenneubauten, sei es auf reichspolitischer Ebene, wo es etwa den Fürstäbtissinnen von Buchau gelang, ihren Handlungsspielraum durch geschicktes Lavieren zwischen den Schwäbischen Grafen, dem Bischof von Konstanz, dem Kaiser und der vorderösterreichischen Regierung zu bewahren. [40] Am Ende nutzte dies allerdings auch nichts mehr: Alle Reichsabteien, männlich wie weiblich, ereilte mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 ihr Schicksal, und damit verschwanden die einzigen regulären weiblichen Fürstentümer Europas.
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Ich hoffe, meine Ausführungen zu den freiweltlichen Damenstiften konnten andeuten, dass diese genau wie die noch viel weniger erforschten reichsunmittelbaren Frauenklöster samt ihren in der Regel nichtadligen Äbtissinnen ein perspektivenreiches Forschungsfeld für die Genderforschung darstellen könnten. In besonderer Weise böten sich hier vergleichende Studien an, die jene Äbtissinnen den Äbten der Männerklöster gegenüberstellten. Von ihnen wäre zu erwarten, dass sie einerseits die Spezifika weiblicher Herrschaft besonders deutlich herausarbeiten sowie andererseits aufzeigen könnten, wo zwischen der Herrschaft von Äbten und Äbtissinnen keinerlei Unterschiede bestanden haben.
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Dass eine Fürstin, die kraft eigenen Rechts oder als Regentin herrschte, mit Fragen der 'großen' Politik oder jedenfalls der Außenbeziehungen des jeweiligen Territoriums konfrontiert wurde, versteht sich von selbst. Wie aber steht es um den außenpolitischen Einfluss und Spielraum von Fürstinnen, die nicht selbständig regierten? Seit langem ist bekannt, dass es Herrscherinnen gab, die entscheidenden Einfluss auf die Außenpolitik ihrer Staaten nahmen. Schon durch seinen Namen ist der sogenannte Damenfrieden von Cambrai des Jahres 1529 als Werk der französischen Königinmutter Luise von Savoyen und der niederländischen Statthalterin und Tante Karls V. Margarethe von Österreich charakterisiert. [41] Als Vermittlerin zwischen Papst Clemens VIII. und Cesare d'Este im Konflikt um den Heimfall des Herzogtums Ferrara trat am Ende des 16. Jahrhunderts auch die Herzogin von Urbino, Lucrezia d'Este (1535-1598), auf. [42]
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Ein bekanntes Beispiel aus dem 18. Jahrhundert ist Elisabeth Farnese, die als spanische Königin alles daran setzte, für ihre Söhne aus der Ehe mit Philipp V. auf diplomatischem wie militärischem Wege Fürstentümer in Italien zu erwerben, womit sie Spanien zu einem erstrangigen Unruhefaktor im europäischen Staatensystem der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts machte. [43] Es bleibt aber auch hier die Frage, ob dies nicht letztlich doch Ausnahmen von der Regel waren, und dies umso mehr, als sich im Verlauf der Frühen Neuzeit Staat und Dynastie allmählich entkoppelten und sich zugleich ein professionalisierter diplomatischer Apparat entwickelte, der ein außenpolitisches Engagement nicht regierender – weiblicher wie männlicher – Mitglieder des Fürstenhauses zwar nicht ausschloss, jedoch zunehmend entbehrlich machte und tendenziell als irregulär erscheinen ließ, [44] zumal dann, wenn ein solches Engagement die Außenpolitik von regierendem Fürst und diplomatischem Apparat konterkarierte. [45]
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Insgesamt wichtiger als direkte Eingriffe in die 'große Politik' erscheint mir der im Folgenden anzusprechende Aspekt zu sein, nämlich dass Fürstinnen über ihre Klientelpolitik Einfluss auf die Außenbeziehungen ihres Landes nahmen und dass sie als ausländische Prinzessinnen, wenn man so will, sogar selbst oft Teil dieser Außenbeziehungen waren. Selbstverständlich waren, um ein Beispiel zu nennen, die nach Wien verheirateten spanischen Infantinnen im 16. und 17. Jahrhundert wichtige Adressatinnen nicht nur für ihre in Madrid herrschenden Väter und Brüder, sondern auch für deren Diplomaten. Sie bildeten einen Kern der spanischen 'Partei' am Kaiserhof. Sie waren dies nach meinem Eindruck jedoch weniger in der Weise, dass sie eine eigenständige Außenpolitik führten, als dass sie, auch auf außenpolitischem Gebiet, als Vermittlerinnen der kaiserlichen Gunst fungierten bzw. den Kaiser in einem bestimmten Sinn zu beeinflussen trachteten.
Weibliche Patronage und Netzwerke als stabilisierende Elemente des frühneuzeitlichen Staates [46]
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Ein übereinstimmendes wichtiges Ergebnis der frauen- und geschlechtergeschichtlichen Forschung ist die große Bedeutung weiblicher Patronage und weiblicher Netzwerke – beide Begriffe verstanden in einem sehr weiten, allgemeinen Sinn. Was mich an diesen Ansätzen zur Betonung weiblicher Partizipation an Herrschaft besonders überzeugt, ist, dass die Basis der Herrschaft im frühmodernen Staat dabei verbreitert erscheint. Es ist nicht mehr der – womöglich 'absolute' – Fürst allein, der, im Geheimen Rat oder aus dem Kabinett heraus, die Geschicke seines Landes lenkt, sondern die gesamte fürstliche Familie, und zwar selbstverständlich einschließlich ihrer weiblichen Mitglieder, ist in verschiedener Weise an der Ausübung und dem Ausbau der Herrschaft beteiligt, wie es dem dynastischen Charakter der meisten frühneuzeitlichen Fürstenstaaten auch durchaus entsprach. Der höchste Patron, der die meisten Güter zu vergeben hatte, war zwar zweifelsohne der regierende Fürst, aber auch seine Gemahlin, seine Mutter, seine Töchter oder sonstige weibliche – ebenso wie natürlich männliche – Familienmitglieder verfügten über eigene Ressourcen oder konnten Gunsterweise durch das Familienoberhaupt vermitteln.
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Hervorgehoben seien hier zwei besondere Tätigkeitsfelder weiblicher Mikropolitik: zum einen der Hofstaat der Fürstin, der, wie Katrin Keller für den Wiener Hof herausgearbeitet hat, ein wahrer Heiratsmarkt sein konnte: Die Hofdamen stellten ein Reservoir an potentiellen Bräuten für die männlichen Funktionsträger dar, und so leistete der weibliche Hofstaat einen gewichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen der Eliten eines Fürstentums bzw. einer Monarchie sowie zu deren gleichzeitiger Anbindung an den Hof. [47] Damit im Zusammenhang steht noch etwas anderes: Nicht alle Hofdamen stammten aus dem Land, in das die Fürstin einheiratete; üblicherweise brachte sie junge Frauen aus ihrem Herkunftsland mit, die häufig auf Dauer in ihrer Umgebung blieben und sich dort verheirateten. [48] Auf diese Weise trugen die Fürstin und ihr Hof zugleich zu einem transnationalen oder zumindest transterritorialen Elitenaustausch bei.
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Auf Dauer von erheblicher Wichtigkeit war zudem die Rolle der Fürstin als 'Brokerin' zwischen ihrer alten und ihrer neuen Heimat. Dabei konnte sowohl der Ehemann als auch der Vater oder regierende Bruder als Patron in Erscheinung treten. Eine sehr erfolgreiche 'Brokerin' im Interesse ihrer Herkunftsfamilie war beispielsweise Eleonora Gonzaga die Jüngere (1630-1686), die dritte Gemahlin Ferdinands III. und Stiefmutter Leopolds I., deren spektakulärste Erfolge die Verleihung des kaiserlichen Reichsvikariats an ihren Bruder Carlo im Jahr 1657 [49] und die Vergabe des Herzogtums Guastalla an ihren (später der kaiserlichen Gnade nachhaltig verlustig gegangenen) Neffen Ferdinando Carlo im Jahr 1678 waren. [50] Ähnliches kann für die dritte Gemahlin Leopolds I., Eleonore Magdalena von Pfalz-Neuburg (1655-1720), gelten, die in Wien nicht nur die Interessen ihres Bruders Kurfürst Johann Wilhelm vertrat, sondern sich zudem für die Belange ihrer Schwägerin Anna Maria Luisa de Medici (1667-1743) bzw. von deren Familie einsetzte. [51] Diese wiederum sorgte am Wahltag 1711 dafür, dass zugunsten ihres Heimatlandes eine Begrenzung der Kontributionslasten der italienischen Reichsvasallen in die Wahlkapitulation des neu gewählten Kaisers Karl VI. hineingeschrieben wurde. [52]
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Viel typischer als ein solches die 'große Politik' berührendes Engagement war für die Patronage von Fürstinnen jedoch, wie bereits angedeutet, eine mikropolitische Betätigung, das Vermitteln von Posten, Pfründen etc. Auch hier ist Anna Maria Luisa de' Medici ein gutes Beispiel. Sie nahm nicht nur Florentiner an ihrem Hof auf, so wie 1710 auf Empfehlung ihres Vaters Cosimo III. Andrea Antinori, der zunächst Page am Düsseldorfer Hof wurde und schließlich zum Haushofmeister der Kurfürstin aufstieg, sondern ebnete auch Rheinländern den Weg in die Toskana, so zum Beispiel dem Baron Johann Matthäus Vercken vom Hemmersbach, der an der Florentiner Adelsakademie seine Reitkunst vervollkommnen wollte. Zudem verfügte sie durch ihren Onkel Kardinal Francesco Maria de' Medici über gute Kontakte zur Kurie, die sie in die Waagschale warf, um beispielsweise die Bewerbung des Barons von Welsperg, des Neffen ihrer Hofmeisterin Dorothea Gräfin Fugger, um ein Kanonikat in Brixen zu unterstützen. [53]
<33>
Wenn man, wie dies die Forschungen der letzten Jahre nahelegen, die Bedeutung von Patronage für den Aufbau des frühmodernen Staates hoch veranschlagt, dann wird man – selbst wenn man nicht so weit gehen will, die Mikropolitik zum 'eigentlichen' Kern der Politik zu erklären – die Rolle von Fürstinnen im frühneuzeitlichen Staat höher einschätzen müssen, als es die frühere, auf Verfassungsnormen sowie Haupt- und Staatsaktionen fokussierte Forschung getan hat. Das bedeutet nicht, dass jede Fürstin eine erfolgreiche Patronin oder 'Brokerin' gewesen wäre. Ihre Möglichkeiten im Aufnahmeland konnten durch ihren Mann eingeschränkt werden; außerdem dürfte sich in der Regel im Laufe der Zeit eine Abschwächung der Verbindungen in ihre Heimat ergeben haben. Dennoch stellt gerade ihre Patronage ein zentrales Argument für die Neubewertung von Fürstinnen und ihrer Rolle in der Geschichte des frühmodernen Staates dar. Wenn man andererseits davon ausgeht, dass Patronage im Zuge des Aufbaus des institutionellen Flächenstaates an Bedeutung verlor, ja nicht mehr länger funktional war, sondern möglicherweise sogar kontraproduktiv wirken konnte, dann ist von einem tendenziellen Bedeutungsrückgang auch der Patronage von Fürstinnen auszugehen.
<34>
Mein Fazit lautet, dass die allgemeine Politik- und Verfassungsgeschichte gut beraten ist, wenn sie die Ergebnisse der gendergeschichtlichen Forschung zu den Fürstinnen der Frühen Neuzeit gebührend zur Kenntnis nimmt. Weibliche Herrschaft war keineswegs ein Randphänomen, sondern eine weit verbreitete Erscheinung im frühneuzeitlichen Europa. Daher ist es sehr zu begrüßen, dass sich in den letzten Jahren eine Öffnung der beiden Forschungsrichtungen abzuzeichnen scheint. Dieser Prozess ist nach meiner Einschätzung aber längst noch nicht weit genug fortgeschritten.
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Von der gendergeschichtlich orientierten Fürstinnenforschung würde ich mir nun, da die Relevanz ihres Forschungsfeldes nicht mehr ernsthaft bestritten werden kann, wünschen, dass sie über den Handlungsspielräumen der Regentinnen nicht die Grenzen und Gefährdungen ihrer Herrschaft vergisst. Diese Aspekte, so scheint mir, hat die ältere Frauen- und Geschlechtergeschichte aus einem legitimatorischen, emanzipationspolitischen Impetus heraus nicht immer hinreichend berücksichtigt. [54] Neuere Arbeiten argumentieren in der Regel differenzierter, und ich halte es für wichtig, auf diesem Weg fortzufahren. Es wäre fatal, statt der früheren Unterschätzung weiblicher Herrschaft ins gegenteilige Extrem zu verfallen. Natürlich gab es auch Herrscherinnen, die nicht erfolgreich waren. In der Tat war die Gefahr für Frauen, auf dem Thron zu scheitern, angesichts schlechterer Startbedingungen größer als für männliche Fürsten.
<36>
Ein wichtiges Forschungsdesiderat sehe ich schließlich in einer stärker europäisch vergleichenden Betrachtungsweise. Unterdessen liegen zahlreiche dem heutigen Forschungsstandard entsprechende Untersuchungen zu einzelnen Regentinnen oder auch zu überschaubaren Regentinnengruppen vor, die es erlauben würden, zu Synthesen überzugehen, die zugleich die europäische 'Norm' wie auch 'nationale' Besonderheiten und Entwicklungstendenzen schärfer herausarbeiten. Aufgrund der komplexen territorialen und rechtlichen Situation, aber auch aus sprachlichen Gründen dürften sich bei diesen Synthesen der deutsche und der italienische Raum als besondere Herausforderungen erweisen. [55] Vor diesem Hintergrund wäre es erfreulich, wenn die Forschungen zu den deutschen und italienischen Fürstinnen grenzüberschreitend und vergleichend vorangetrieben würden, ein Vorhaben, das aus den in vieler Hinsicht strukturell ähnlichen Bedingungen in den deutschen und italienischen Kleinstaaten der Frühen Neuzeit einen zusätzlichen Reiz gewinnen würde. [56]
Prof. Dr. Matthias Schnettger
FB 07 Geschichts- und Kulturwissenschaften
Historisches Seminar, Abt. I
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
55099 Mainz
schnettger@uni-mainz.de
[1] Konzise Zusammenfassungen bieten beispielsweise Claudia Opitz: Um-Ordnungen der Geschlechter. Einführung in die Geschlechtergeschichte, Tübingen 2005, 156-220; Heide Wunder: Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Ute Gerhard (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, 27-54; Natalie Zemon Davies: Frauen, Politik und Macht, in: Georges Duby / Michelle Perrot (Hg.): Geschichte der Frauen. Bd. 3: Frühe Neuzeit, hg. von Arlette Farge und Natalie Zemon Davies, Frankfurt a.M. / Paris 1994, 189-206.
[2] Vgl. zusammenfassend Nicholas Henshall: The Myth of Absolutism. Change und Continuity in Early Modern History, New York 1993; Ronald G. Asch / Heinz Duchhardt (Hg.): Der Absolutismus – ein Mythos? Strukturwandel monarchischer Herrschaft in West- und Mitteleuropa, Köln / Weimar / Wien 1996; Peter Baumgart: Absolutismus ein Mythos? Aufgeklärter Absolutismus ein Widerspruch? Reflexionen zu einem kontroversen Thema gegenwärtiger Frühneuzeitforschung, in: ZHF 27 (2000), 573-589; Heinz Duchhardt: Absolutismus – Abschied von einem Epochenbegriff?, in: HZ 258 (1994), 113-122; ders.: Die Absolutismusdebatte – eine Antipolemik, in: HZ 275 (2002), 323-331; ders.: Barock und Aufklärung, 4. Aufl., München 2007, 40-43; Olaf Mörke: Die Diskussion um den Absolutismus als Epochenbegriff, in: Eckhard Hübner / Jan Kusber / Peter Nitsche (Hg.): Rußland zur Zeit Katharinas II. Absolutismus – Aufklärung – Pragmatismus, Köln / Weimar / Wien 1998, 9-32; Martin Wrede: Absolutismus, in: Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 1, Stuttgart 2005, 24-34; Lothar Schilling (Hg.): Absolutismus, ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz, München 2008.
[3] "To promote a woman to bear rule, superioritie, dominion or empire aboue any realme, nation, or citie, is repugnant to nature, contumelie to God, a thing most contrarious to his reueled will and approued ordinance; and finallie it is the subuersion of good order, of all equitie and iustice." John Knox: The first blast of the trumpet against the monstruous regiment of women, o.O. 1558, 9. Online: Early English Books Online, http://eebo.chadwyck.com/search/full_rec?SOURCE=pgimages.cfg&ACTION=ByID&ID=V8577 <27.11. 2008>.
[4] 1 Kön 16-21. Isebel erfreute sich auch im 17. und 18. Jahrhundert einer großen Beliebtheit als Gegenbild, zum Beispiel Johannes Hoffmann: Ahab dramaticus. Das ist: Der durch seine heidnische Gemahlin Isebel zur Abgötterey verleitete Israelitische König Ahab, samt den meisten merckwürdigen Geschichten ... in einem erbaulichen u. lehr-vollem Schauspiele vorgestellet, Weimar 1683; Christian Weise: Die Merckwürdige Begebenheit von Naboths Weinberge und der Gestürzten Jesabel, Leipzig 1693; Christian Friedrich Wilisch: Die zum Fall eylende Hoffarth wird an dem Exempel der hochmütigen Isebel und ... Carl de Biron ... bey dem ... Gregorius-Fest ... vorgestellet werden, worzu ... invitiret, Annaberg 1710; Karl Heinrich Lange: Das göttliche Gerichte über die von Ahab und Isebel Wider den Naboth ausgeübte Tyranney wird aus dem XXI. Cap. des 1. Buchs der Könige unter göttlichem Seegen In der gewöhnlichen Abend-Music In der Haupt-Kirchen zu St. Marien in diesem 1741. Jahre vorgestellet werden, Lübeck 1742. Das Feindbild konnte auch geschlechtsunspezifisch verwendet werden, vgl. Begräbnüß- und Leichen-Predigt, ob der Sculptur Pabst Urbani des Achten, darinnen er mit der Königin Isebel etlicher massen verglichen, unnd zum Beschluß kürtzlich angeführet wird, was es mit der Röm: Isebel todem Aaß unnd dero zubrochener Baals-Kirchen für eine Beschaffenheit und Endschafft habe, o.O. 1645. Aber im Allgemeinen war diese Figur eindeutig weiblich besetzt bzw. war ihre Weiblichkeit, genauer die aus ihrer Weiblichkeit resultierende Illegitimität des Machtstrebens, eine wesentliche Komponente des Feindbilds Isebel.
[5] Ich möchte nur auf das bekannte Oratorium Georg Friedrich Händels (HWV 52, Uraufführung Oxford 1733) verweisen.
[6] Marc Raeff: Katharina II., in: Hans-Joachim Torke (Hg.): Die russischen Zaren 1547-1917, München 1995, 219-261, hier: 261.
[7] Claudia Opitz-Belakhal: Das Universum des Jean Bodin. Staatsbildung, Macht und Geschlecht im 16. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2006. Vgl. zu diesem Thema allgemein auch Elisabeth Koch: Major dignitas est in sexu virili. Das weibliche Geschlecht im Normensystem des 16. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1991.
[8] Hierzu möchte ich auf folgenden Sammelband verweisen: Gisela Engel / Friederike Hassauer (Hg.): Geschlechterstreit am Beginn der europäischen Moderne. Die Querelle des Femmes, Königstein 2004.
[9] Zum Beispiel Katherine Crawford: Perilous Performances. Gender and Regency in Early Modern France, Cambridge / London 2004.
[10] Siehe die – wenn auch sehr unvollständige – Übersicht bei Maria Teresa Guerra Medici: Donne di governo nell'Europa moderna, Rom 2005, 217-270.
[11] Vgl. Abschnitt <21>-<25>.
[12] Zum dynastischen Fürstenstaat sei verwiesen auf den Sammelband von Johannes Kunisch / Helmut Neuhaus (Hg.): Der dynastische Fürstenstaat. Zur Bedeutung von Sukzessionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates, Berlin 1982; sowie auf den für die gendergeschichtlichen Aspekte grundlegenden Band von Heide Wunder (Hg.): Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, Berlin 2002.
[13] Dass das im 15. Jahrhundert eingeführte Salische Recht allerdings eine Konstruktion und keineswegs ein uraltes festgefügtes Recht war, hat Viennot gezeigt. Vgl. Eliane Viennot: La France et le pouvoir. L'invention de la loi salique (Ve-XVIe siècle), Paris 2006.
[14] Titel III, Kapitel II, Abschnitt 2, Art.2. Der kategorische Ausschluss des weiblichen Erbrechts wurde in Titel III, Kapitel II, Abschnitt 1, Art.1 ausdrücklich bestätigt. La constitution française, présentée au roi par l'Assemblée Nationale, le 3 septembre 1791, Paris 1791, 22f., 26.
[15] Gustav Turba (Hg.): Die Grundlagen der Pragmatischen Sanktion. II. Die Hausgesetze, Leipzig / Wien 1912, Tafel XXV.
[16] Robert Valerius: Weibliche Herrschaft im 16. Jahrhundert. Die Regentschaft Elisabeths I. zwischen Realpolitik, Querelle des femmes und Kult der Virgin Queen, Herbolzheim 2002.
[17] Seine Mutter war Maria, die älteste Tochter Karls I. Stuart.
[18] Knapp zusammenfassend zur Regierung Marias II. und Wilhelms III. Eckhart Hellmuth: Wilhelm III. und Maria II., in: Peter Wende (Hg.): Englische Könige und Königinnen. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II., München 1998, 157-175.
[19] Ulrike Jordan: Anna, in: Wende: Könige (wie Anm. 18), 176-187.
[20] Zusammenfassend Alois Schmid: Franz I. und Maria Theresia, in: Anton Schindling / Walter Ziegler (Hg.): Die Kaiser der Neuzeit 1519-1918. Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland, München 1990, 232-248; Peter Baumgart: Joseph II. und Maria Theresia, in: ebd., 249-276.
[21] Natürlich kam es auch vor, dass männliche Herrscher freiwillig oder notgedrungen zugunsten ihrer Söhne abdankten, so Philipp V. von Spanien 1724 zugunsten seines ältesten Sohnes Ludwig, nach dessen im selben Jahr erfolgtem Tod er jedoch bis zu seinem eigenen Lebensende 1746 erneut regierte, oder Vittorio Amedeo II. von Savoyen, der 1730 abdankte, jedoch 1731 (vergeblich) versuchte, auf den Thron zurückzukehren. Vgl. Esteban Maurer: Philipp V. (1700-1724/1724-1746), in: Walther L. Bernecker / Carlos Collado Seidel / Paul Hoser (Hg.): Die spanischen Könige. 18 historische Porträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1997, 133-145, hier: 144 bzw. Geoffrey Symcox: Vittorio Amedeo II. L'assolutismo sabaudo 1675-1730, Torino 1989, 311-315.
[22] Marita A. Panzer: Das "Katholische Königspaar": Isabella I. von Kastilien und Ferdinand III. von Aragonien (1479-1504/16), in: Bernecker / Collado Seidel / Hoser: Die spanischen Könige (wie Anm. 21), 15-36.
[23] Zu Christina und Ulrika Eleonora, mit dem Schwerpunkt auf der Legitimitätsfrage, vgl. Karin Tegenborg Falkdalen: Kungen är en kvinna. Retorik och praktik krin kvinnliga monarker under tidigmodern tid, Umeå 2003 (mit englischer Zusammenfassung); Volker Seresse: Imagebildung und Herrschaftslegitimation durch Geschichte im Schweden der Freiheitszeit (1719-1772), in: ZfG 56 (2008), 714-727; Seresse berührt die hier interessierenden Aspekte nur ganz am Rande (718).
[24] "Je Crois Cependant qu'il seroit plus avantageux a L'Etat a cho[i]sir Le plus proche parant du Jeune Roy pour Tuteur et de ne jamais Confier une administration ausi delicate a une fem[m]e. En voici les Raissons: Un homme Comunement agut avec plus de Reflection qu'une feme, il est plus fait au travail et, par Consequent, plus Capable d'entretenir L'Ordre Etabli dans toute[s] Les parties du Gouvernement qu'une Reine Doryere [= douarière], nouvelle dans les affaires, portée a se Laisser Gouverner par des Ministres et incapable de bien administrer Les affaires qui ont raport a L'Armée." Richard Dietrich (Bearb.): Die politischen Testamente der Hohenzollern, Köln / Wien 1986, 398/399. Für Maria Theresia fand Friedrich in seinem Politischen Testament von 1786 allerdings durchaus anerkennende Worte. Vgl. ebd., 628/629. Im Anschluss geht Friedrich zwar auf die Gefahr ein, die einem minderjährigen Fürsten seitens erbberechtigter agnatischer Vormünder drohen könnte; allerdings schätzt er diese Gefahr geringer ein als die Regentschaft einer zum Herrschen ungeeigneten Frau.
[25] Grundlegend anhand des Beispiels Hessen Pauline Puppel: Die Regentin. Vormundschaftliche Herrschaft in Hessen 1500-1700, Frankfurt a.M. / New York 2004. Noch deutlicher als Puppel vertritt auch Crawford die Anschauung, dass trotz aller Krisenphänomene die Regentschaften die Monarchie gestärkt hätten, indem sie die Geltung der königlichen Autorität unabhängig von der regierungsunfähigen Person des Königs vorangebracht hätten: "In terms oft he state, regents elaborated compensatory notions of political power and structures in order to address the weakness of the state. Despite often profound disorder during royal minorities, these innovations tended to make the monarchy stronger. Regencies devised ceremonial and juridical elaborations of kingship to support notions of the monarchy as the embodiment of a king's actual and effective will. Gradually, regencies developed the notion that even a minor king's authority was uninhibited." Vgl. Crawford: Perilous Performances (wie Anm. 9), 207.
[26] Fritz Ulshöfer: Die Hohenlohischen Hausverträge und Erbteilungen. Grundlinien einer Verfassungsgeschichte der Grafschaft Hohenlohe seit dem Spätmittelalter, Tübingen 1960, 53f. Die Erbeinung von 1609 behielt ihre Gültigkeit bis zur Mediatisierung 1806.
[27] Puppel: Regentin (wie Anm. 25), 99-116.
[28] Maria war der letzte Spross der alten Linie Gonzaga-Mantua und lenkte mit ihrer Abkehr von der frankophilen Linie ihres Mannes zurück zur kaiserfreundlichen Tradition ihrer Familie. Vgl. Giuliano Annibaletti : Ein irreversibler Niedergang?, in: zeitenblicke 6 (2007), Nr. 1, [10.05.2007], URL: http://www.zeitenblicke.de/2007/1/Annibaletti/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-7997 <27.11. 2008>, Abschnitt <8>; Sven Externbrink: Kleinstaaten im Bündnissystem Richelieus: Hessen-Kassel und Mantua 1635-1642. Ein Vergleich, in: Klaus Malettke (Hg.): Frankreich und Hessen-Kassel zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens, Marburg 1999, 135-157, hier: 145f.
[29] Vgl. den Beitrag von Elisabeth Oy-Marra in diesem Band.
[30] Zu Amalie Elisabeth vgl. Puppel: Regentin (wie Anm. 25), 190-234.
[31] Angelantonio Spagnoletti: Le dinastie italiane nella prima età moderna, Bologna 2003, 267.
[32] Hierzu sei abermals auf den Beitrag von Elisabeth Oy-Marra in dieser zeitenblicke-Ausgabe verwiesen.
[33] Vgl. Bernhard Theil: Das (freiweltliche) Damenstift Buchau am Federsee, Berlin / New York 1994, 79-82; zusammenfassend ders.: Geistliche Einkehr und adlige Versorgung. Das Damenstift Buchau am Federsee zwischen Kirche und Reich, in: Kurt Andermann (Hg.): Geistliches Leben und standesgemäßes Auskommen. Adlige Damenstifte in Vergangenheit und Gegenwart, Tübigen 1998, 43-57, besonders 49-53.
[34] Theil: Buchau (wie Anm. 33), 91.
[35] Theil: Buchau (wie Anm. 33), 97f.
[36] Ute Küppers-Braun: Frauen des hohen Adels im kaiserlich-freiweltlichen Damenstift Essen (1605-1803). Eine verfassungs- und sozialgeschichtliche Studie. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Stifte Thorn, Elten, Vreden und St. Ursula in Köln, Münster 1997, 113.
[37] Küppers-Braun: Frauen (wie Anm. 36), 159-162, Zitat 161.
[38] Hans Peter Hankel: Die reichsunmittelbaren evangelischen Damenstifte im Alten Reich und ihr Ende. Eine vergleichende Untersuchung, Frankfurt a.M. 1996, 70.
[39] Hankel: Damenstifte (wie Anm. 38), 72f.
[40] Zur Situation der schwäbischen Reichsprälaten vgl. Armgard von Reden-Dohna: Reichsstandschaft und Klosterherrschaft. Die schwäbischen Reichsprälaten im Zeitalter des Barock, Wiesbaden 1982.
[41] Die Vermittlung durch die beiden Fürstinnen wurde in der Präambel des Friedensvertrags ausdrücklich festgehalten. Vollständiger Text in Heinz Duchhardt (Hg.): Europäische Friedensverträge der Vormoderne, http://www.ieg-mainz.de/likecms/likecms.php?site=site%2Ehtm&nav=62&siteid=26 <27.11. 2008>, 1529 VIII 5 Friedensvertrag von Cambrai (sog. Damenfrieden), 14-15.
[42] Vgl. Birgit Emich: Territoriale Integration in der Frühen Neuzeit. Ferrara und der Kirchenstaat, Köln / Weimar / Wien 2005, 99f.
[43] Zu Elisabeth Farnese vgl. María Ángeles Pérez Samper: Isabel de Farnesio, Barcelona 2003.
[44] Insofern wäre ich mit einer Generalisierung der Fallbeispiele, die Eva Kathrin Dade und Corina Bastian in dieser zeitenblicke-Ausgabe vorstellen, zurückhaltend.
[45] Hier lag ja auch einer der Konfliktpunkte zwischen Maria de Medici und Ludwig XIII. Vgl. die Ausführungen von Elisabeth Oy-Marra in dieser zeitenblicke-Ausgabe.
[46] Als Einführung in die Forschungsdiskussion seien genannt: Heiko Droste: Patronage in der Frühen Neuzeit. Institution und Kulturform, in: ZHF 30 (2003), 555-590; Birgit Emich u.a.: Stand und Perspektiven der Patronageforschung. Zugleich eine Antwort auf Heiko Droste, in: ZHF 32 (2005), 233-265 (mit zahlreichen Literaturhinweisen).
[47] Katrin Keller: Hofdamen. Amtsträgerinnen im Wiener Hofstaat des 17. Jahrhunderts, Wien / Köln / Weimar 2005.
[48] So kamen im Gefolge der Kaiserin Eleonora Gonzaga der Älteren Eleonora Maria Gonzaga-Luzzara und Maria Isabella Gonzaga-Bozzolo an den Wiener Hof, möglicherweise auch die Marchesa Thekla Lavinia Gonzaga-Novellara, die 1628 Graf Wratislaw I. von Fürstenberg heiratete. Vgl. Keller: Hofdamen (wie Anm. 47), 278f.
[49] Matthias Schnettger: Das Alte Reich und Italien in der Frühen Neuzeit. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, in Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 79 (1999), 344-420, hier: 384f.
[50] Giuliano Annibaletti: Ein irreversibler Niedergang? (wie Anm. 28), <24>; Eugenio Bartoli: "Zu sein wie ein Freiburg Italiens". Das Herzogtum Guastalla zwischen den beiden habsburgischen Seelen, in: zeitenblicke 6 (2007), Nr. 1, [10.05.2007], URL: http://www.zeitenblicke.de/2007/1/bartoli/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-8110 <27.11. 2008>, <18>-<20>.
[51] So unterstützte sie, wenngleich vergeblich, die Bemühungen um Anerkennung der Erbfolge Kurfürstin Anna Maria Luisas in der Toskana. Vgl. Matthias Schnettger: Dynastische Interessen, Lehnsrecht und Machtpolitik. Der Wiener Hof und die Anwartschaft der Kurfürstin Anna Maria Luisa von der Pfalz auf die toskanische Erbfolge (1711-1714), in: MIÖG 108 (2000), 351-371.
[52] Schnettger: Das Alte Reich (wie Anm. 49), 405f.
[53] Vgl. Matthias Schnettger: Geschichte einer Dekadenz? Die italienischen Dynastien im Europa der Frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 8 (2007), 51-75, hier: 64f. Aufschlussreich für die Patronagetätigkeit der Kurfürstin ist Hermine Kühn-Steinhausen: Der Briefwechsel der Kurfürstin Anna Maria Luise von der Pfalz, in: Düsseldorfer Jahrbuch 40 (1938), 15-256. Exemplarisch erforscht sind auch die Netzwerke der Kurfürstin Anna von Sachsen (1532-1585). Vgl. dazu Katrin Keller: Les réseaux féminins: Anne de Saxe et la cour de Vienne, in: Isabelle Poutrin / Marie-Katrine Schaub (Hg.): Femmes et pouvoir politique. Les princesses d'Europe. XVe-XVIII siècle, Rosny-sous-Bois 2007, 164-180 (mit weiterführender Literatur).
[54] Wenig überzeugen mich beispielsweise die Versuche zur Rehabilitation Johannas der Wahnsinnigen. Das Attribut "die Wahnsinnige" zu hinterfragen muss nicht gleichzeitig bedeuten, ihrem auch von den Zeitgenossen als aus der Norm fallenden Verhalten eine Rationalität zuzusprechen. Vgl. Bethany Aram: La reina Juana. Gobierno, piedad y dinastia, Madrid 2001. Umstritten dürfte auch Katharina de' Medici bleiben. Vgl. Isabelle Poutrin / Marie-Karine Schaub: Introduction. Pour une histoire des princesses européennes à l'époque moderne, in: dies.: Femmes (wie Anm. 53), 8-23, hier: 15-18.
[55] Guerra Medici: Donne di governo (wie Anm. 10). Hier wird dies an einer der wenigen bereits vorliegenden vergleichenden Arbeiten deutlich, wo die Regentinnenreihe vom 5. bis zum 20. Jahrhundert (217-270) für den deutschen Raum höchst lückenhaft ist und die diesbezügliche Literatur offensichtlich nicht oder nur sehr selektiv zur Kenntnis genommen worden ist, sodass für diesen Bereich nicht der aktuelle Forschungsstand zugrunde liegt. Die selektive Rezeption der Literatur führt dazu, dass die oft recht plakativen Bewertungen der einzelnen Regentschaften zu hinterfragen sind, sei es, dass sie alte Verdikte unkommentiert reproduzieren, sei es, dass sie zu einer Herrscherinnenpanegyrik neigen. Gewinnbringender sind demgegenüber der Sammelband von Poutrin und Schaub: Femmes (wie Anm. 53); sowie ferner, für einen Teilbereich Campbell Orr / André Corvisier: Les Régences en Europe, Paris 2002; Clarissa Campbell Orr: Queenship in Europe 1660-1815. The role of the consort, Cambridge 2004.
[56] Dazu jetzt Matthias Schnettger: Kleinstaaten in der Frühen Neuzeit. Konturen eines Forschungsfeldes, in: HZ 286 (2008), 605-640.
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Schnettger : Weibliche Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Einige Beobachtungen aus verfassungs- und politikgeschichtlicher Sicht , in: zeitenblicke 8, Nr. 2, [30.06.2009], URL: https://www.zeitenblicke.de/2009/2/schnettger/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-19736
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