Vier durch ihre Inhaltsstoffe und physiologischen Eigenschaften verwandte Konsumartikel wurden in Übersee entdeckt und entwickelt: in Arabien, China und Altmittelamerika die Heißgetränke Kaffee, Tee und Schokolade, in Altamerika Rauch-, Schnupf- und Kautabak. Dabei erstaunt nicht nur die Tatsache, dass diese Kulturen unabhängig voneinander dieselben Herstellungstechnologien für deren Konsum entwickelt haben, die bis heute auch den Konsum der genannten Artikel in Europa bestimmen. Noch mehr erstaunt die Parallelität der Konsumkonzepte. In jeder überseeischen Ursprungskultur galten die Substanzen als Heil- und Genussmittel. Mit ihrer Übernahme und Verbreitung in Europa in der Frühen Neuzeit, wobei europäischen Reisenden im interkulturellen Wissenstransfer eine Schlüsselbedeutung zukam, setzte ein Rezeptionsprozess ein, der sich europaweit über medizinische Schriften und Laienzeugnisse rekonstruieren lässt. Für die Verbreitung und Akzeptanz der fremden Konsumartikel in der europäischen Gesellschaft spielten Vertreter der Schulmedizin eine zentrale Rolle. Sie propagierten die fremden Konsumgüter als effektive Arzneien und halfen damit Geschmackshürden der bitteren Konsumartikel zu überwinden. Dies glückte allerdings nur, weil sie sich aufgrund ihrer physiologischen Eigenschaften plausibel in die medikale Kultur Europas mit ihren für die Frühe Neuzeit spezifischen Krankheits-, Gesundheits- und Therapiekonzepten, die erst im 19. Jahrhundert durch Innovationen in der Medizin (Zellularpathologie, Mikrobiologie, neue Operationsmethoden) abgelöst wurden, integrierten ließen. Dabei dominierte ihre Bedeutung als Heilmittel, wenngleich sie auch schon in der Funktion, die ihren Konsum heute motiviert, empfohlen wurden: als stimulierende und soziale Genussmittel. Der Einfluss der medizinkundigen Propagandisten spiegelt sich in Reaktionen der Obrigkeiten, in Werbedrucken erster Kaffeehauseigner sowie in Enzyklopädien bis hin zu Konsummotiven von Laien in deren Selbstzeugnissen. Darüber hinaus lässt sich belegen, dass die medizinkundigen Propagandisten auch bis heute in der europäischen Alltagskultur lebendigen Innovationen zur Etablierung verhalfen (Kaffeehauskultur, Frühstückssitte, Kaffee- und Teesurrogaten).
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Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade prägen heute unsere Alltagskultur und werden als anregende und soziale Genussmittel konsumiert. Nicht minder faszinierende Parallelen gibt es in ihrer Geschichte. Im globalen Kontext gilt das für ihre Konsumpraxis und Konsumkonzepte in ganz verschiedenen Wissenskulturen in Übersee, die sie entdeckten, entwickelten und nutzten. Im europäischen Kontext gilt das für die Tatsache, dass die Existenz aller vier Konsumartikel im 16. Jahrhundert gleichzeitig ins europäische Bewusstsein rückte und ihre weltweite Verbreitung im 17. Jahrhundert dort begann, wo keiner von ihnen bekannt war: in Europa. [1]
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Unter globalhistorischem Ansatz analysiert der Beitrag ihre Konsumformen und Konsumbedeutung in den überseeischen Ursprungskulturen und unter interkulturgeschichtlichem Ansatz ihren Rezeptionsprozess in Europa mit ihrer Integration in die europäische Wissenskultur der Frühen Neuzeit. Dabei fokussiert er besonders ein Konsummotiv, das von der bisherigen Forschung vernachlässigt worden ist: [2] die Bedeutung der vier Konsumartikel als Drogen. [3] Mit seinen Konsumparadigmen thematisiert der Beitrag darüber hinaus die Weichen stellende Bedeutung der Epoche der Frühen Neuzeit für den Prozess der Globalisierung und die nachhaltigen Folgen der Rückwirkungen der maritimen Expansion auf Konsumverhalten und Alltagskultur in Europa.
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Zwar lag die Stammheimat der Kaffeepflanze im subsaharischen Afrika, genauer gesagt die der bis heute weltwirtschaftlich wichtigen Art (coffea arabica L.) in Äthiopien. Aber sowohl ihre Kultivierung als auch die Entwicklung des Heißgetränks Kaffee verweisen auf jene Halbinsel, die das Rote Meer von Äthiopien trennt: auf Arabien. Im jemenitischen Bergland wurden aus Äthiopien transferierte Kaffeepflanzen systematisch gezüchtet, und zwar letztlich zur Gewinnung von Rohkaffee. Zu diesem Zweck ließ man die geernteten Kaffeekirschen an der Sonne dörren und trennte deren Samen, die Kaffeebohnen, vom eingetrockneten Fruchtfleisch. Mit diesem Rohprodukt versorgte der Jemen die Arabische Halbinsel sowie das Osmanische Reich und Persien, wohin sich die Kaffeekultur auch schon im 15. und 16. Jahrhundert ausgebreitet hatte. Dabei wurde die Popularität des Kaffees durch die Einrichtung öffentlicher Kaffeehäuser forciert, die sich rasch und zahlreich in den urbanen Zentren, wie Aden, Kairo, Aleppo, Istanbul oder Isfahan, etablierten. [4]
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Arabische Quellen zur Geschichte der Kaffeekultur lassen sich nur bis zum 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Demnach kam Kaffee in Arabien vermutlich als ein Getränk auf, das in Wasser gekochte Kaffeekirschen enthielt. Daraus ging wohl die Innovation hervor, Kaffeebohnen nur noch in gebrannter und pulverisierter Form zu verwenden. Denn der Röstvorgang verlieh den bitteren Bohnen einen milderen Geschmack, und getrockneter Rohkaffee ergab eine haltbare Handelsware. Rohkaffee wurde erst in den Verbraucherzonen geröstet und pulverisiert. In Wasser aufgekochtes Kaffeepulver ergab das Getränk. [5]
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Die Erfindung des Heißgetränks Tee erfolgte in China. Zusammen mit Nordindien und Myanmar stellte das südwestliche China auch das natürliche Verbreitungsgebiet der Teepflanze (camellia sinensis L.) dar. Tee ist der einzige unter den vier Konsumartikeln, dessen Genese sich aufgrund der günstigen Quellenlage noch rekonstruieren lässt. Die Ursprünge der Nutzung von Teeblättern reichen weit in vorchristliche Zeit zurück. Aber erst unter der Dynastie der Ming (1368–1644) war die Entwicklung der Teekultur mit der Kreation des Grünen und Schwarzen Tees abgeschlossen. Ein Blick auf ihre wichtigsten Etappen vermittelt einen Eindruck von der Langwierigkeit eines solchen Innovationsprozesses:
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Bis zur Dynastie der Han (206 v. Chr.–220 n. Chr.) kannte man nur einen bitteren Extrakt aus gekochten Teeblättern. Während der Han-Zeit wurde Teekuchen aus gepressten und gebackenen Teeblättern entwickelt. Aus pulverisierten Stücken dieses Teekuchens und heißem Wasser stellte man das Getränk her. Unter der Dynastie der Tang (618–907) kam die ritualisierte Teezeremonie auf, für die Teemeister nach kompliziertem Regelwerk Tee aus Teekuchen zubereiteten. Zugleich wurde staatlicher Teeanbau mit festen Ernteregeln in vielen chinesischen Provinzen eingeführt, wobei gepflückte junge Blatttriebe den besten Tee ergaben. Auch wenn unter den Song (960–1126) die Teezeremonie ihren Höhepunkt erlebte, begannen sich pulverisierter Handelstee und dann nur noch getrockneter, loser Blatttee durchzusetzen. Im 13. Jahrhundert hatte dieser Artikel den chinesischen Teemarkt revolutioniert. Denn mit ihm wurden Herstellungs- und Zubereitungsaufwand enorm vereinfacht und die teuren Teemeister obsolet. Während der Dynastie der Yuan (1271–1368) wurde loser Blatttee durch die Entdeckung des Roll- und Röstverfahrens des frisch geernteten Blattguts perfektioniert: zum nicht-fermentierten Grünen Tee. Ihm wurde während der Ming-Zeit seine fermentierte Variante, der Schwarze Tee, hinzugefügt. Mit beiden Innovationen war der geschmacklich mildeste, nach kurzer Ziehzeit trinkfertige Tee entstanden. [6]
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Als Exportartikel war Tee seit der Tang-Zeit über den Karawanenhandel unter den Nomadenvölkern im Norden Chinas bekannt geworden und hatte bis zur Yuan-Zeit Indien, Persien und Indonesien erreicht. Nur in Japan hatte der Teeanbau bereits längere Tradition. Im Zuge der Übernahme der chinesischen Teekultur begann bereits im 9. Jahrhundert dort der Teeanbau auf der Basis von aus China eingeschmuggelten Setzlingen. [7]
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Auch Schokolade wurde ursprünglich nur als heiß oder kalt genossenes Getränk konsumiert. Sie stammt aus Altmittelamerika. Im Gegensatz zum schon massenkonsumierten Tee war sie ein Luxusartikel: beschränkt auf die Hochkulturen der Maya und Azteken und hier wiederum auf die sozialen Eliten. Das hing mit dem Kakaobaum (Theobroma cacao L.) zusammen, einer höchst anspruchsvollen Tropenpflanze aus dem feuchtheißen Regenwald Mittelamerikas und Amazoniens. Wie die Kaffeepflanze wurde der Kakaobaum wegen seiner Samen gezüchtet. Bis zu 60 Stück sind im Fruchtmark einer Kakaofrucht eingebettet. Sie sind mandelgroß und werden getrocknet Kakaobohnen genannt. [8]
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Am Vorabend der Conquista beruhten Kakaokultivierung und Schokoladenkonsum auf einer Jahrhunderte alten Tradition. Die Anbaugebiete des bis heute gezüchteten Edelkakaos (criollo) lagen im heutigen Guatemala und in den tropischen Küstenzonen Mittelamerikas beiderseits der Ozeane. Damit befanden sie sich weit entfernt von den Herrschaftszentren der Maya im nördlichen Yucatán und der Azteken-Metropole Tenochtitlán, dem heutigen Mexico City, und mussten importiert werden – über ein weit gespanntes Fernhandelsnetz oder über Tributleistungen. Die Kakaobohnen erreichten in getrocknetem Zustand die Verbraucherzentren und wurden sogar als Zahlungsmittel akzeptiert. Den langen Beschaffungswegen folgte eine aufwändige Verarbeitung für die Zubereitung von Trinkschokolade. Die Bohnen wurden geröstet und zerquetscht, die Schalenteile aussortiert und der Rest zu einer feinen Masse verrieben. Bei Bedarf wurde ein Teil davon mit Wasser aufgekocht. Hinzu kamen Chili, Gewürzpaprika und Vanille, mitunter auch Maismehl. [9]
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Das natürliche Verbreitungsgebiet der Tabakpflanze erstreckte sich zwar auf Amerika, Australien und einige pazifische Inseln. Aber nur dort, wo die bis heute den weltweiten Anbau dominierenden Arten (Nicotiana tabacum L., Nicotiana rustica L.) vorkamen, entfaltete sich eine Tabakkultur: in Altamerika. Als die Europäer 1492 zufällig auf den Kontinent stießen, war sie vermutlich schon Jahrtausende alt. Im Unterschied zur Schokolade war Tabak auf dem größten Teil des Doppelkontinents verbreitet. Verschiedene Kulturen pflegten seinen Konsum: Azteken und Maya genauso wie andere Völker und Stämme Süd- und Nordamerikas sowie der karibischen Inseln. Vielfach wurde die Pflanze dafür kultiviert. Nur im Inkareich ersetzte vor allem Koka den Tabak. Diesen enormen Verbreitungsradius begünstigte die erstaunliche Klimatoleranz der einjährigen Kulturpflanze und die einfache Herstellung von Rohtabak, zu dessen Gewinnung die Blätter nur getrocknet werden mussten. [10]
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In Altamerika waren verschiedene Genussformen gebräuchlich: Tabak wurde geraucht, gekaut und zu Pulver zerstoßen geschnupft. Auf den Westindischen Inseln und in Mittel- und Südamerika herrschte die Zigarrenform vor. Geläufig waren hier ebenfalls das Tabakschnupfen und Tabakkauen. Nordamerikanische Indianerstämme bevorzugten den Konsum von Rauchtabak aus Ton-, Knochen- oder Holzpfeifen. Dabei war Tabak kein exklusives, sondern ein allen Mitgliedern indianischer Gesellschaften zugänglicher Massenkonsumartikel. [11]
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Fragt man nach den Konsumgründen, stößt man überall auf zwei: Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak galten als Genussmittel und Heilmittel zugleich. Dabei schloss sich der doppelte Konsumzweck keineswegs aus, sondern ging eine vorteilhafte Symbiose ein.
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Ihre Bedeutung als Genussmittel verdankten die Konsumartikel ihren psychoaktiven Inhaltsstoffen Koffein (im Tee auch Teein genannt) und Nikotin. Allerdings wurden sie zu diesem stimulierenden Zweck nicht nur privat zum Frühstück und über den Tag hinweg genossen. Ihnen kam auch eine soziokulturelle Funktion zu. Angehörige der Maya- und Aztekenelite richteten obligatorische Feste für ihresgleichen aus, wobei mit Schokolade die Mahlzeiten beschlossen wurden. [12] In Arabien und China bewirtete man Hausgäste mit Kaffee bzw. Tee oder vergnügte sich in eigens dafür eingerichteten öffentlichen Lokalen: im Kaffeehaus des Vorderen Orients bzw. im schon in der Song-Zeit aufgekommenen Teehaus in Fernost. [13] Unter nordamerikanischen Häuptlingen zirkulierte das Kalumet zur Besiegelung von Abkommen. Bei einer "Zigarre" fanden gewöhnlich Unterhaltungen brasilianischer Stammesangehöriger statt. Rauchtabak war der Begleiter von Indios während der Arbeit. [14]
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Auch ihre Bedeutung als Heilmittel verdankten die vier Konsumartikel spezifischen physiologischen Eigenschaften. Neben dem geistig anregenden Effekt wirken Rauchtabak, bedingt durch Nikotin, purgativ und die drei Getränke purgativ, diuretisch und schweißtreibend. Letzterer Effekt resultiert aus ihrem Konsum als Heißgetränke. Die abführende und harntreibende Wirkung wird durch das Koffein hervorgerufen, dessen Anteil im Kaffee und Tee besonders hoch ist. Kakao weist zwar im Vergleich dazu lediglich geringe Koffeinmengen auf, jedoch unterstützten scharfe Gewürze (Chili, Gewürzpaprika) eine purgative Wirkung. Ferner war er im Gegensatz zum kalorienarmen Kaffee und Tee durch die extrem fetthaltigen Kakaobohnen besonders nahrhaft. [15]
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Vorausgesetzt, man würde Kaffee maßvoll genießen, attestierten ihm arabische Ärzte vorteilhafte Effekte: die Sinne schärfend, verdauungsfördernd, blutverdünnend, nierenreinigend bzw. vor Nierensteinen schützend. Eine ganz ähnliche Heilwirkung sprachen chinesische Ärzte seinem fernöstlichen Pendant zu. Tee schärfe Geist und Sinnesorgane, sei ein probates Mittel gegen Schläfrigkeit und Alkoholkater, fördere die Verdauung, reinige Blut und Nieren und helfe gegen Fieber. Dabei rieten arabische wie chinesische Ärzte ausdrücklich auch zum täglichen prophylaktischen Kaffee- und Teekonsum. [16] Trinkschokolade wiederum wurde in Altmittelamerika bei Verdauungsstörungen, aber auch aufgrund ihres Nährwertes bei fiebrigen Erkrankungen, Katarrh, Appetit- und Kraftlosigkeit verabreicht. [17]
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Zwar verwendeten auch Schamanen Rauchtabak für das magisch-rituelle Anblasen Kranker oder Schnupftabak als Halluzinogen zur Kontaktaufnahme mit jenseitigen Mächten. Jedoch diente Tabak zugleich als ganz profane Arznei. Rauchtabak wurde als Laxativ sowie aufgrund der betäubenden Wirkung des Nervengifts Nikotin in höheren Dosen als Medikament gegen Kopfschmerzen und als Durst- und Appetitzügler verwendet. Aus demselben Grund galt Kautabak als Arznei gegen Zahnschmerzen. Ferner wurde Tabak als Schmerzmittel in Form zerstoßener Tabakblätter oder Tabaksalben auf Geschwüre und Insektenbisse appliziert. [18]
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Die bisherigen Befunde sind aus drei Gründen höchst bemerkenswert:
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Erstens: Verschiedene Kulturen in Übersee entdeckten Pflanzen, die durch ihre Inhaltsstoffe ähnliche Effekte auf den menschlichen Organismus ausüben. Unabhängig voneinander entwickelten sie aus Teilen dieser Pflanzen Heißgetränke, die auf derselben technologischen Innovation basieren: auf der Idee, Pflanzenblätter und Pflanzensamen zu rösten, zu pulverisieren bzw. zu zerreiben und diese mit heißem Wasser zu kombinieren. Nicht minder hervorzuheben ist die Innovationsleistung beim Rauchtabak. Weltweit scheint diese Konsumform einzigartig gewesen zu sein und dürfte sogar zur späteren Entwicklung des Rauchopiums in Fernost inspiriert haben. [19]
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Zweitens: In allen Ursprungskulturen galten die vier Konsumartikel als Heil- und Genussmittel. Dabei lässt sich nicht mehr für jedes Konsumgut rekonstruieren, welche Zweckbestimmung zunächst dominierte. Immerhin aber verweisen die ältesten Quellen über den Kaffee auf sufistische Gemeinden in Arabien, die ihn als wachhaltende Droge benutzten, um nächtliche religiöse Exerzitien durchzustehen. Noch klarer ist eine Antwort im Falle des Tees möglich, weil hier die Entwicklungsstufen hin zum chinesischen Nationalgetränk genau bekannt sind. Das extrem bittere Urprodukt, der Extrakt aus gekochten Teeblättern, verdankte seine Existenz einem einzigen Konsummotiv: seinem Ruf als exklusive Arznei. Bevor im dritten Jahrhundert die erste Abhandlung über Herstellung und Zubereitung des Tees in China verfasst wurde, taucht Tee ausschließlich als Heilpflanze in überlieferten Quellen auf. Erst im Zuge des aufgekommenen Teekuchens, aus dem sich die erste geschmacklich mildere Getränkvariante zubereiten ließ, wurde er auch als soziales Getränk definiert, das man zum Vergnügen genoss. [20]
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Drittens: Im Vergleich zur heutigen globalen Gewinnung und Nutzung der vier Konsumartikel – nicht zuletzt in der europäischen Alltagskultur – überwiegen die Parallelen. Das gilt für Herstellungstechnologien, Konsumpraxis und Konsumzweck gleichermaßen. Bis heute beruhen Grüner und Schwarzer Tee, Rohkaffee und gebranntes Kaffeepulver, Rohkakao und geröstete, entschälte Kakaomasse sowie Rohtabak auf denselben Produktionsverfahren wie in den Ursprungskulturen. Bis heute werden die Konsumartikel als Heißgetränke bzw. in Form von Rauch- und Schnupftabak konsumiert. Bis heute gelten sie als anregende und soziale Genussmittel. Insbesondere im Falle des Tees schwingt selbst das Konsummotiv der Gesundheitsförderung noch mit. An markanten Innovationen kamen hinzu: die Zigarette, staubfeines Kakaopulver auf der Basis stark entfetteter Kakaomasse, das heute mit Milch vermengt die uns geläufige Trinkschokolade abgibt, und natürlich die Essschokolade. Sie basieren auf europäischen Erfindungen des 19. Jahrhunderts. [21]
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Europäische Reisende und Kolonisten – Eroberer, Missionare, Kaufleute, Ärzte, Kronbeamte, Diplomaten, Bedienstete von Handelsgesellschaften, Schiffspersonal oder Plantagenbesitzer – vermittelten und prägten im Zuge der europäischen Expansion das Bild über fremde Lebenswelten in der europäischen Öffentlichkeit, das teilweise bis heute fortlebt. Das taten sie nicht zuletzt durch ihre zeitgenössisch publizierten Reiseberichte, die in frühneuzeitlichen Werken des Wissens (Kosmographie, Kartographie, Chronik, Enzyklopädie) rezipiert wurden und noch heute als maßgebliche Informationsquellen gelten, vor allem dann, wenn diese Zeugnisse erster Hand Kulturen tangieren, die durch Eroberung, Versklavung und Mikrobenschock längst untergegangen sind. [22]
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Dieselbe Schlüsselrolle, die sie für die intellektuelle Aneignung außereuropäischer Kulturen spielten, kam Reisenden und Kolonisten auf dem Gebiet der materiellen Rückwirkungen der europäischen Expansion zu. Für die Dokumentation dieser Vermittlerrolle im interkulturellen Wissenstransfer zählen Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade zu den Lehrbeispielen. Reisende und Kolonisten waren die ersten Europäer, die in Übersee die vier Konsumartikel wahrnahmen, deren Konsumrituale und Konsummotive studierten, sie selbst testeten und ihre Zeitgenossen in Europa von deren Existenz überhaupt erst unterrichteten: durch aus Übersee mitgebrachte Proben, mündliche Berichterstattung und Reiseberichte. Diesen Zeugnissen verhalf der Buchdruck als erstes Massenmedium in der europäischen Geschichte zu Breitenwirkung. Zusätzlich kursierten sie auch in Form kopierter Manuskripte in gebildeten Kreisen. [23]
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Im 16. Jahrhundert erschienen die ersten Reiseberichte, in denen im Rahmen von Reiseerlebnissen und Porträts fremder Kulturen auch die vier Konsumartikel beschrieben wurden. Damit markierte dieses Jahrhundert gleichsam die Vorstufe für deren Ausbreitung in der europäischen Gesellschaft.
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Für die Quellengattung Reisebericht sind in diesem Kontext drei Merkmale kennzeichnend:
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Erstens schildern die Reisenden unabhängig von Nationalität und Profession – in Wort und teilweise auch Bild – sehr präzise und detailliert Herstellung, Zubereitung, Konsumorte und Konsumzweck der vier Artikel in Übersee. Ihre Reiseberichte können somit als überregional wirksame Medien "virtuellen Kulturkonsums" bezeichnet werden. Mit Sicherheit erleichterte hierbei die längst erfolgte Integration der vier Produkte in die überseeischen Alltagskulturen mit ihrem demonstrativen Konsum auch in der Öffentlichkeit sowie ihrem profanen Gebrauch als Genuss- und Heilmittel die Perzeption der europäischen Beobachter. Sie konnten Kaffeekonsum im orientalischen Kaffeehaus erleben, Tee als Gastgetränk in privater Atmosphäre kennen lernen, den Genuss von Trinkschokolade oder Tabakrituale verfolgen. [24]
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Die beiden nachstehenden Holzschnitte demonstrieren "virtuellen Kulturkonsum" in der Reiseliteratur am Beispiel des Tabaks. Sie stammen aus den Reiseberichten des deutschen Landsknechts Hans Staden und des französischen Hofkosmographen André Thevet, die sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Brasilien aufhielten. Auf Abb. 1 konsumieren Kaziken gemeinsam Rauchtabak in Zigarrenform, wobei dessen Funktion als soziales Genussmittel betont wird. Abb. 2 zeigt eine Indiogruppe bei der Arbeit, darunter auch einen rauchenden Indio. Der Text erläutert, dass die Indios Tabak bei jeder Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen sowie als Durst- und Appetitzügler konsumieren würden.
Abb. 1 und 2
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Zweitens stießen sich die Reisenden an den Konsumformen, am Geschmack und an der Wirkung der fremden Konsumartikel. So lauten die stereotypen Urteile über den Kaffee: "Es ist ein schwarzes Wasser, ähnlich wie Tinte, von bitterem Geschmack", es "ist ein Getränk, das schwärzer und bitterer ist als aufgerührter Ruß", es "schmeckt nach verbranntem Brot", "es hat einen brandigen und unanmutigen Geschmack" oder "es riecht auch überhaupt nicht gut". [25] Obwohl die schwarze Farbe des Kaffees die Aversion verstärkt haben dürfte, schnitten die beiden anderen Heißgetränke nicht viel besser ab. Hier wurde ebenso vor dem bitteren Geschmack gewarnt, wobei der italienische Amerikareisende Girolamo Benzoni sogar so weit ging, die Schokolade als ein für Schweine besser als für Menschen geeignetes Getränk zu deklarieren. [26]
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Bei ersten Rauchversuchen klagte man über toxische Körperreaktionen wie Schwäche, Übelkeit und Schweißausbrüche. So hielt der französische Brasilienreisende André Thevet, ein gelehrter Franziskaner, in seinem 1558 erschienenen Reisebericht fest: "Vray est, que si lon prend trop de ceste fumée ou parfun, elle enteste & enyure, comme le fumet d'vn fort vin. Les Chrestiens estás auiour d'huy par delà, sont deuenus merueilleusement frians de ceste herbe & parfun: combien qu'au commencement l'vsage n'est sans danger, auant que lon y soit accoustumé: car ceste fumée cause sueurs & foiblesses, iusques à tomber en quelque syncope: ce que i'ay experimenté en moymesme." [27]
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Drittens hoben die Reisenden nicht minder regelmäßig den Drogenwert der vier Konsumartikel hervor. Ihn unterstrichen sie euphorisch, mit ihm verbanden sie mitunter sogar die Volksgesundheit der von ihnen besuchten fremden Kulturen, mit ihm begründeten sie ihren eigenen Konsum.
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Über das Heißgetränk Kaffee vermerkt beispielsweise der aus Padua stammende Arzt und Botaniker Prosper Alpinus, der sich 1580 bis 1584 im Orient aufhielt: "Sie brauchen es zur Stärkung des Magens, als Hilfe für die Verdauung und gegen Verstopfung. [… Es ist auch] sehr beliebt bei den ägyptischen und arabischen Frauen, die davon während ihrer Monatsregel immer viel trinken, heiß und in kleinen Schlucken, um so den Blutabfluss zu erleichtern." [28]
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Die medizinische Bedeutung des Tees würdigte der portugiesische Jesuit João Rodrigues, der ab 1577 über 30 Jahre in Fernost verbrachte, und führt auf ihn sogar die Seltenheit von Pest und anderen Epidemien in den dicht besiedelten Reichen China und Japan zurück: "Both the Chinese and Japanese attribute various properties to cha. It aids digestion, expels drowsiness, and relieves headaches; it brings down fever, eases the heart, and relieves melancholy; it is conducive to chastity because it cools the kidneys, and it flushes out excess body fluids, thus bringing relief to pain caused by the stone. As a result of these healthy properties, plague and pestilence are seldom experienced in China and Japan, despite the densely populated nature of these two countries." [29]
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Zwischen 1625 und 1637 hielt sich der englische Geistliche Thomas Gage in Neu-Spanien auf. In seinem Reisebericht, 1648 und 1660 in zwei Auflagen erschienen, berichtet er auch von seinen persönlichen Erfahrungen mit der Energie spendenden Schokolade. Von ihrem regelmäßigem Konsum leitet er seine geistige Leistungskraft und stabile Gesundheit in Übersee ab und glaubt, dadurch sogar vom Wechselfieber verschont geblieben zu sein: "For my self I must say, I used it twelve years constantly, drinking one cup in the morning, another yet before dinner between nine or ten of the clock; another within an hour or two after dinner, and another between four and five in the afternoon; and when I was purposed to sit up late to study, I would take another cup about seven or eight at night, which would keep me waking till about midnight. And if by chance I did neglect any of these accustomed houres, I presently found my stomach fainty. And with this custome I lived twelve years in those parts [of America] healthy, without any obstructions, or oppilations, not knowing what either ague, or feaver was." [30]
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Auch Rauchtabak schnitt als Droge sehr gut ab. Ihn rühmte etwa der Mathematiker und Astronom Thomas Harriot, ein Mitglied der ersten englischen Kolonie in der Neuen Welt, die 1585 auf Roanoke Island gegründet wurde. Über Kontakte zu Indianern im benachbarten Virginia lernten die Kolonisten Tabak kennen. Harriots Reisebericht über dieses Unternehmen erschien 1588 auf Englisch, 1600 auch auf Deutsch. Auf die purgative und schweißtreibende Kraft der Heilpflanze Tabak führt Harriot die robuste Gesundheit der Indigenen zurück, denen selbst schwere Krankheiten, wie sie in England verbreitet seien, unbekannt wären. Über Gebrauch und Wirkung der getrockneten Tabakblätter vermerkt der Autor:
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"There is an herbe which is sowed a part by it selfe & is called by the inhabitants uppówoc: In the West Indies it hath diuers names, according to the seuerell places & countries where it groweth and is vsed: The Spaniardes generally call it Tobacco. The leaues thereof being dried and brought into powder: they use to take the fume or smoke thereof by sucking it through pipes made of claie into their stomacke and heade; from whence it purgeth superfluous fleame & other grosse humors, openeth all the pores & passages of the body: by which meanes the vse thereof, not only preserueth the body from obstructions; but also if any be, so that they haue not beene of too long continuance, in short time breaketh them: wherby their bodies are notably preserued in health, & know not many greeuous diseases wherewithall wee in England are oftentimes afflicted." Angesichts solcher Schlussfolgerungen verwundert es kaum, dass Harriot und andere Siedler dieses heilkräftige Kraut von den Indianern übernommen haben: "We our selues during the time we were there vsed to suck it after their maner, as also since our returne, & haue found manie rare and wonderful experiments of the vertues thereof; of which the relation woulde require a volume by it selfe". [31]
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Dieses Konsummotiv findet sich in der Reiseliteratur auch ikonographisch exponiert (Abb. 3). Der kolorierte Kupferstich aus der berühmten, mehrbändigen Reisebericht-Kollektion über die Neue Welt des Frankfurter Verlegers Theodor de Bry illustriert Behandlungsformen Kranker unter nordamerikanischen Indianern, darunter auch die Anwendung von Rauchtabak als Heilmittel: Im Bildhintergrund raucht ein sitzender Indianer Pfeife, während ihm die Indianerin daneben Tabakblätter zum weiteren Gebrauch reicht. Die Zweckbestimmung der Handlung laut Legendentext entspricht Harriot's Ausführungen. De Brys Entwurf basiert auf Zeichnungen des aus Dieppe stammenden Künstlers Jacques le Moyne, der an einem französischen Koloniegründungsversuch in Florida in den 1560er Jahren beteiligt war.
Abb. 3
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Das Verhalten der europäischen Reisenden ist in zweifacher Hinsicht aufschlussreich:
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Erstens: In ihren Vorbehalten gegen die vier Konsumartikel spiegeln sich Aversionen von Repräsentanten eines Kulturkreises, in dem die fremden Substanzen mangels vertrauter Pendants Akzeptanzhürden schufen. Unbekannt waren in Europa die Konsumformen Heißgetränk, Rauchen und Schnupfen, gewöhnungsbedürftig ihr bitterer Geschmack, unvertraut die geistig anregenden Wirkstoffe Koffein und Nikotin. Dagegen kannte Europa nur ein traditionelles Genussmittel, das wie alle anderen Getränke im Regelfall kalt genossen wurde und eine konträre Wirkung auslöst: Alkohol in Form von Bier, Wein, Met und auch schon Branntwein. Warm verzehrt wurden nur Speisen. Dass die Ressentiments der Reisenden nicht xenophobisch motiviert waren, lehrt ihr Urteil über eine amerikanische Tropenfrucht, die leicht an ebenso vertraute wie willkommene Geschmacksempfindungen anknüpfen konnte: die Ananas. Reisende rühmten schon im 16. Jahrhundert ihren süßen Geschmack. Dieser war Europa auch geläufig, nicht zuletzt durch Honig und Zucker. [32]
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Zweitens: Im Kontrast zu den Vorbehalten der Reisenden gegenüber den vier Substanzen als Genussmitteln steht ihr Interesse an ihnen als Heilmittel. In dieser Sensibilisierung für überseeische Arzneimittelinnovationen spiegelt sich eines der Schlüsselmotive der maritimen Expansion Europas. Dieses kommt schon in den viel zitierten Standardmotiven – der Suche nach Edelmetallen und Gewürzen direkt in Afrika und Asien – zum Ausdruck. Denn die asiatischen Gewürze Pfeffer, Nelken oder Ingwer, die bereits in Antike und Mittelalter über den Karawanen- und Levantehandel Europa erreichten, waren hier keineswegs nur Statussymbole und würzende Speisezutaten. Sie waren mindestens genauso geschätzt als effektive Arzneien, die aufgrund ihrer purgativen und schweißtreibenden Eigenschaften als körperreinigend und organstärkend galten. [33]
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Die Suche nach Drogen als Expansionsmotiv lässt sich weiter am Beispiel der Frühphase der Erkundung der Neuen Welt belegen. Im 16. Jahrhundert wurde das schon von Indianern erprobte, schweißtreibende Guajakholz aus den amerikanischen Tropen in Europa populär, und zwar nicht nur als Wunderwaffe gegen die Syphilis, sondern auch gegen Wassersucht, Blasensteine, Magenleiden und Epidemien. Dasselbe galt für die Sarsaparillawurzel und das Sassafrasholz, ebenfalls schweißtreibende Substanzen, die die Spanier in Südamerika, die Franzosen in Florida und die Engländer in Virginia gefunden haben. 1570 berief Philipp II. den renommierten Arzt Hernández nach Neu-Spanien, um ihn dort systematisch Drogen aufspüren zu lassen. Sechs Jahre später hatte der Gelehrte über 3000 heilkräftige Pflanzen aus der ehemals aztekischen Materia Medica katalogisiert. [34]
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Inspiriert von den Nachrichten Reisender stellten europäische Drogenspezialisten die vier Konsumartikel als Heilmittel auf den Prüfstand. Ihre Ergebnisse präsentierten sie im Kontext detaillierter Anleitungen, wie die fremden Substanzen zu konsumieren seien, der Öffentlichkeit, und zwar – im Gegensatz zur Reiseliteratur – in eigens nur diesem Gegenstand gewidmeten Traktaten, die rasch auch in Kräuterbüchern und Diätetiklexika rezipiert wurden. Das Publikationsaufkommen zum Thema kulminierte im 17. und 18. Jahrhundert, als die Verbreitung aller vier Konsumartikel in Europa begann bzw. fortschritt.
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Die Verfasser dieser Traktate, Kräuterbücher und Diätetiklexika waren meist Repräsentanten der europäischen Schulmedizin: Blankaart, Barnstein, Durante, Elsholtz, Monardes oder Neander praktizierten als approbierte Ärzte im Alten Reich, in Spanien, Italien und den Vereinigten Niederlanden. Der Holländer Bontekoe war Leibarzt des Großen Kurfürsten und Medizinprofessor an der Brandenburger Universität Frankfurt. Krüger und Hoffmann lehrten als Medizinprofessoren an der Universität Halle. Parkinson war Apotheker und Hofherbalist in London, Zwinger Medizinprofessor an der Universität Basel. [35] Dass ihre Schriften trotzdem nicht in der Gelehrtensprache, sondern meist volkssprachlich erschienen und auch volkssprachliche Übersetzungen erlebten, hatte einen triftigen Grund: die ausdrückliche Absicht, Laien mit Arzneimittelinnovationen vertraut zu machen. [36]
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Bevor die Heilkundigen die Heilkraft der vier Konsumartikel erläutern, sind sie sichtlich bemüht, deren Herkunft, Zubereitung und Gebrauch zu erklären. Erneut, wie schon in der Reiseliteratur, kommt dabei ihre Fremdartigkeit für europäische Zeitgenossen zum Ausdruck. So spricht es Bände, wenn betont wird, dass ein Heißgetränk vorsichtig zu genießen sei, weil man sich sonst Lippen und Zunge verbrennen könne, [37] oder dass Tabakrauch nicht geschluckt werden dürfe wie eine Flüssigkeit, sondern die "konst van sygen" zu erlernen sei, da "dit kruyd niet om te drinken", sondern "om te roken geschapen" sei. [38]
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Im Kontext dieser obligatorischen Schilderungen wird zum einen der Einfluss Reisender als Wissensvermittler deutlich, denn auf sie und ihre Reiseberichte beriefen sich die medizinkundigen Autoren teilweise sogar namentlich. Zum anderen lässt sich ihren Schriften entnehmen, dass die vier Produkte in Europa genauso konsumiert werden sollten wie schon in den Ursprungskulturen. Neuerungen stellten höchstens Zucker und Milch für die drei Heißgetränke zur Milderung ihres bitteren Geschmacks, asiatische Spezereien für die Schokolade und Zucker-, Wein- oder Rosenwassertinkturen zur Aromatisierung der Tabakblätter dar. [39]
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Zwar lässt sich nach diesem Rezeptionsbefund auch noch feststellen, dass die Drogenexperten zu einem ganz ähnlichen Urteil über die Heilkraft der Konsumartikel gelangten, wie das bereits für die überseeischen Ursprungskulturen galt. Dennoch wird spätestens hier deutlich, dass es sich keineswegs um eine bloße Rezeption der Vorgaben aus der außereuropäischen Welt gehandelt hat. Denn einmal ganz davon abgesehen, dass die Heilkundigen die fremden Drogen auch eigenen Prüfungen, vom Tier- bis hin zum Selbstexperiment, unterzogen, [40] ermöglichte ihre Integration in die medikale Kultur Europas erst elementare Konzepte der zeitgenössischen Schulmedizin über Ursprung, Prophylaxe und Behandlung von Krankheiten.
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Das lehrt ein Blick auf drei zentrale Konzepte, die trotz der Pluralität auf dem Gesundheitsmarkt die europäische Schulmedizin in der Frühen Neuzeit prägten: die Vier-Säfte-Lehre, die Lehre von im Körper kursierender Krankheitsmaterie und die Lehre von den "sex res non naturales".
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Die Vier-Säfte-Lehre (Humoralpathologie) wurde schon in der Antike begründet. Sie beruhte auf der Vorstellung, dass der menschliche Körper aus den vier Kardinalsäften Blut, Schleim (Phlegma), gelber und schwarzer Galle zusammengesetzt sei. Diesen Säften wurden die Organe Herz, Hirn, Leber und Milz und die Qualitäten Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit zugeordnet. Nach diesen Qualitäten wurden auch Nahrungssubstanzen klassifiziert, da sie direkt auf die Bildung der Körpersäfte Einfluss nahmen, nicht zuletzt auf das lebenswichtige Blut. Die einzelnen Säfte konnten je nach Temperament (Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker, Melancholiker) natürlicherweise dominieren. Unter Berücksichtigung dieser naturgegebenen Besonderheiten bezeichnete ein ausgewogenes Säfteverhältnis Gesundheit. Krankheiten und Beschwerden verband man dagegen mit einem ins Ungleichgewicht geratenen Säftehaushalt. [41]
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Größeren Einfluss gewann im Laufe der Frühen Neuzeit die Vorstellung einer mobilen, im Organismus kursierenden Krankheitsmaterie, die sich in Körperteilen oder Organen ablagern und dort Beschwerden und Krankheiten verursachen könne. Wie die Vier-Säfte-Lehre arbeitete auch dieses Konzept organübergreifend, auch hier spielten Körpersäfte eine zentrale Rolle, allerdings nicht mehr primär in ihrem Verhältnis zueinander, sondern als Träger schädlicher und giftiger Stoffe. Das galt allen voran für das Blut. Denn einerseits sorge es über den Blutkreislauf für den Unterhalt des gesamten Organismus', und andererseits verhindere es, wenn es, abhängig von der richtigen Konsistenz und Menge, vital durch den Körper pulsiere, dort die Ablagerung krankheitsstiftender Materie sowie ein Übermaß an zäh-kaltem Schleim (Phlegma), der in zu großer Menge alle Organdrüsen verstopfe. Grundbedingung für ein vitales Blut sei eine geregelte Verdauung. Versage sie, verursache das ein Stocken des Blutes und mithin das aller Körpersäfte, verhindere ihre Selbstreinigung und Reduzierung und bewirke in Verbindung mit zu üppiger Ernährung eine träge, Schlaganfälle begünstigende Blutfülle. [42]
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Im Einklang mit diesen Konzepten rieten Ärzte zu einer gesunden Lebensführung an sich, um Beschwerden und Krankheiten prophylaktisch zu begegnen. Sie beruhte auf mehreren, bereits in der Antike entworfenen Grunddimensionen, nicht zuletzt auf Galens Diätetik: der Lehre von den "sex res non naturales". Zu ihnen zählten "Licht und Luft" (lux et aer), "Essen und Trinken" (cibus et potus), "Bewegung und Ruhe" (motus et quies), "Schlafen und Wachen" (somnus et vigilia), "Ausscheidungen und Absonderungen" (excreta et secreta) sowie "seelische Affekte" (affectus animi). Sie alle haben der Lehre zufolge auf die menschliche Physis und Psyche Einfluss und sollten in ausgewogenem Verhältnis zueinander beachtet und befolgt werden. Auch hierbei kam einer funktionierenden Verdauung durch richtige Ernährung eine Schlüsselbedeutung zu. [43]
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Vor dem Hintergrund dieser Konzepte erklärt sich das klassische Dreigestirn, mit dem die europäische Heilkunde im vormikrobiologischen und vorzellularpathologischen Zeitalter, mithin vor dem 19. Jahrhundert, Erkrankungen, ob organisch oder (massen)infektiös gedeutet, zu begegnen suchte – therapeutisch nach deren Ausbruch, aber auch schon prophylaktisch zu deren Verhinderung: mit Aderlass, Abführ- und Brechmitteln. Chirurgische Eingriffe hingegen stellten Ausnahmen dar (Zahnextraktion, Steinschneiden, Amputation bei Brustkrebs), ebenso effektive Schmerzmittel (Opiate). Dabei war die Liste der Krankheiten, die die Zeitgenossen bis hinauf in die soziale Spitze quälten, lang. Sie reichte – wie europaweit vergleichende Auswertungen von Kräuterbüchern, Patientenbriefen und anderen Selbstzeugnissen von Laien belegen – von Augen-, Kopf-, Ohren- und Zahnschmerzen, Geschwüren, Hautausschlägen und Gicht über Erkältungen, Fieber, Nieren- und Blasensteine, Herz- und Gebärmutterbeschwerden, Milz- und Darmkoliken, Lungen- und Leberleiden, Wassersucht, Krebs und Schlaganfall bis hin zu Epidemien, wie Pest, Fleckfieber, Typhus, Pocken oder Syphilis. [44]
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Jetzt wird das Interesse der europäischen Schulmedizin an den vier neuen Konsumartikeln verständlich. Ihre geistig stimulierende, vor allem aber ihre purgierende, diuretische und schweißtreibende Wirkung prädestinierten sie als natürliche Heilmittel für Säfteregulierung, Körperentgiftung und eine gesunde Ernährung bzw. Lebensführung. Vor diesem Hintergrund entwarfen die Gelehrten ein der Gesundheit dienliches Wirkungsprinzip der vier neuen Drogen, das im Spiegel der zeitgenössischen medikalen Möglichkeiten und Denkmodelle keineswegs der Logik und Plausibilität entbehrt.
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Dabei wurden die tatsächlich eng verwandten Heißgetränke Kaffee und Tee ganz ähnlich gedeutet. Beide Getränke würden im Magen eine Verdünnung des zäh-kalten Nahrungsbreies bewirken. Dies löse eine appetitanregende Entleerung des Magens aus, die sich in einer funktionierenden Verdauung fortsetze bzw. trägen Stuhlgang oder Darmkoliken behebe. Nicht minder übten Kaffee und Tee auch auf den gesamten Organismus eine höchst vorteilhafte Wirkung aus. Ihre Bestandteile verdünnten das Blut und reinigten es durch den harntreibenden Effekt von Phlegma und Säure. Durch die dem Blut entzogene Säure ließen sich Gicht und Hautausschläge vermeiden. Der Harndrang verhindere die Bildung von Nieren- und Blasensteinen oder sorge für deren Verkleinerung und Eliminierung. Die durch den Kaffee und Tee bewirkte vitale Zirkulation des verdünnten und gereinigten Blutes führe zur Herzstärkung und befreie Lunge, Leber, Milz, Gebärmutter und Gehirn vom Poren verschließenden Phlegma. Dadurch könnten Husten, Schleimauswurf, Kurzatmigkeit, Asthma, Lungensucht, Fieber, Milzkoliken, Menstruationsbeschwerden und Kopfschmerzen kuriert bzw. diesen vorgebeugt werden. [45]
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Sogar im Mundraum sorgten die Heißgetränke beim Trinken und durch das verdünnte Blut, das eine phlegma-bedingte Verstopfung der "Speichel-Drüsen" verhüte, für eine Reinigung der Mundhöhle und einen Schutz vor Zahnfäule. Schließlich bewirkten die im Blut transportierten Wirkstoffe der beiden Heißgetränke eine Schärfung des Verstandes wie auch der benachbarten Sinnesorgane Augen und Ohren sowie eine Reduzierung des Schlafs zum Vorteil für Menschen, die geistig viel arbeiten müssten. Auch machten sie Konsumenten nach einem Rausch wieder nüchtern, indem sie das vom säurehaltigen Alkohol verdickte Blut verdünnten und denselben durch den harn- und schweißtreibenden Effekt aus dem Körper spülten. [46]
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Im Gegensatz dazu wurde die Schokolade verhaltener beurteilt und stärker ihr Nährwert betont. Sie galt als "Artzney" und "Speise" und wegen ihrer Zutaten als "Composition". Konnten nach humoralpathologischer Klassifikation dem Kaffee und Tee eindeutig die Eigenschaften "hot and dry" – im Sinne einer den Körper austrocknenden Wirkung – zugesprochen werden, wurde die Schokolade gespalten in "two medicaments of contrary qualities". Der fetten Kakaosubstanz wurde Nahrhaftigkeit attestiert, zugleich aber auch Phlegma begünstigende "coldness". Dies wurde durch die "hot ingredients", die scharfen Gewürze und das heiße Wasser in der Schokolade, kompensiert, so dass mit ihr ein ähnliches Wirkungsprinzip wie im Falle von Kaffee und Tee verbunden wurde, nur mit einer "temperate and moderate quality". [47]
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So galt auch die Schokolade als verdauungsfördernd und – dank der durch sie beförderten Bildung von Blut, das "fein / subtil / dünn / und schnell=lauffend" alle Körperorgane passiere und dort krankheitsstiftende Materie hinwegspüle – als herzstärkend und Organe und Säfte reinigend. Durch ihren hohen Nährwert könne sie zudem eine Mahlzeit ersetzen, ohne dem Magen die Aufgabe aufzubürden, sie in einen Verdauungsbrei umzuwandeln. Als solcher stünde sie bereits beim Konsum dem Organismus zur Verfügung. Zwar wurde sie prinzipiell gesunden Konsumenten empfohlen, nicht zuletzt auch als "gute[r] Nerven=Safft" und Aphrodisiakum, aber ebenso Kranken und Schwachen: Menschen, die an "Abzehrung / Wassersucht / Leber= oder Miltz=Kranckheit / Durchlauff / Gicht / Fieber / und andern Fällen mehr" litten, an "Rachitide" erkrankten Kindern, stillenden Müttern. [48]
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Tabak schließlich wurde als "herba panaceae" oder "Panacea Waaragtig in alle Siekten" gerühmt – als Allheilmittel schlechthin. Zu diesem Ruf trug nicht zuletzt sein breites Anwendungsspektrum durch mehrere Konsumformen bei. [49]
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Rauchtabak wurde wie Kaffee und Tee als "heiß und trocken" klassifiziert, was zum "schnellen Umlauff der Leibessäfte" führe, und sein Wirkstoff als "scharffes / flüchtiges […] saltz" mit einer "laxative Quality" umschrieben. [50] Damit galten für ihn dieselben starken Tugenden und dasselbe Wirkungsprinzip wie für die beiden Heißgetränke. Er sorge für eine regelmäßige Verdauung bzw. behebe Verstopfungen und Koliken und entfalte über das vital zirkulierende Blut eine körperreinigende Wirkung. Deshalb galt er als Droge für Magen, Darm, Herz, Lunge, Leber, Milz und Unterleib, gegen Husten, Wassersucht und Kopfschmerz, gegen Gicht und selbst Schlaganfall. Die im Blut transportierten Tabakwirkstoffe seien konzentrationsfördernd und führten zu einer Schärfung des Verstandes wie auch der Seh- und Hörkraft. [51]
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Zugleich galt Rauchtabak als wirksame Droge gegen Epidemien. "Zu denen zeiten / da gifftige Kranckheiten und ansteckende Seuchen umbgehen / findet sich der Taback=rauch als ein sonderbahrliches Bewahrungs=mittel", betonte nicht nur Zwinger. [52] Auch dieser Befund harmonierte mit Erklärungsmodellen der europäischen Schulmedizin über die Entstehung von Seuchen. Nach der Lehre der Miasmatiker führten giftige Dämpfe bzw. verpestete Luft zu Massenerkrankungen, während die Kontagionisten von einem Infektionsmechanismus durch Kontakte mit Erkrankten oder deren Gegenständen ausgingen. Entsprechend argumentierten Medizinkundige: Wegen "seiner balsamischen Krafft corrigiret der Rauch von dem Taback die den Leib umgebende unreine Lufft / ehe man sie einziehet", und er befördere den "Auswurff des Speichels". So beuge er "ansteckende[n] Kranckheiten" vor, da diese "sich theils durch die Lufft", "theils auch durch Essen- und Trinckgeschirr (so inficirte Personen gebrauchen)", über den "Speichel" auf den Organismus übertrügen, was auch für das "allersubtilste und stärckste Gifft", die "Pest", gelte. [53]
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Im Vergleich zum Rauchtabak war der medizinische Wirkungsspielraum, den man dem Schnupftabak zuschrieb, begrenzter. Mit ihm verband man nur das Gehirn und die Sinnesorgane des Kopfes. Immerhin aber galt er als "eine kräfftige Artzney / durch Niesen das Haupt von kalten Flüssen" zu erleichtern. So wurde er bei Schnupfen und Katarrh empfohlen, da er den Kopf von "stockende[m] Schleim und Unflath" kuriere, aber auch prophylaktisch zur Stärkung von Gedächtnis und Verstand, Seh- und Hörkraft sowie als Medikament gegen "Gewächse und Geschwären der Nase". [54]
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Hinzu kamen weitere Anwendungsmöglichkeiten in Form von Tabakblattkompressen und Tabaksalben zur äußeren Behandlung, die den Ruf des Tabaks als Universalheilmittel nährten. Auch hier ließ sich die neue Droge mühelos in traditionelle Therapiespielarten der europäischen Medizin integrieren. Sie kannte längst schon Rezepturen in Form von Tinkturen und Salben als Schmerz- und Wundheilmittel, selbst unter Verwendung hochgiftiger Substanzen wie Tollkirsche und Bilsenkraut. [55] In hohle Zähne gelegte "Taback Pillen" stillten Zahnschmerzen. Tabaksaft vertreibe Kopf-, Bauch- und Unterleibsschmerzen sowie Hautausschläge. "Taback Pflaster" beförderten den Heilungsprozess von "Brüche[n] an Armen vnd Beinen". [56] Kompressen aus gekochten Tabakblättern kurierten selbst fressende, von der Syphilis verursachte Hautgeschwüre und Pestbeulen. [57]
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Die fachkundigen Propagandisten der neuen Drogen traten allerdings auch mit sehr genauen Vorstellungen an die Öffentlichkeit, wann und wie häufig sie gebraucht werden dürften. Zwar sollten sie "so wol in gesunden / als krancken Tagen" angewendet werden und dies schon zur "Praeservation" täglich und ausdrücklich von beiden Geschlechtern. [58] Jedoch hatte ihr Konsum tunlichst kontrolliert zu geschehen. Pro Tag wurden zwei Tassen Kaffee, vier Tassen starker Tee oder ein bis drei "kopje[s]" Schokolade und zwei Pfeifen Tabak oder eine Prise Schnupftabak empfohlen, die – zur Anregung der Verdauung und um die "Trägheit der Glieder" zu verscheuchen – morgens zum Frühstück und dann nach den Mahlzeiten genossen werden sollten. Tabak durfte dabei auch mit den Heißgetränken kombiniert werden. [59]
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Dagegen wurde vor übermäßigem Konsum eindringlich gewarnt. Handelte es sich doch um Arzneien, deren Wirkung sich "als eine wahre Medicin" bei "Missbrauch" ins Gegenteil verkehre. [60] Maßloser Schokoladenkonsum verursache Fettleibigkeit und Verstopfung. Chronischer Missbrauch von Kaffee und Tee provoziere ungesunde Schlaflosigkeit und massiven Flüssigkeitsverlust, der zur Hemmung der Verdauung und zur Blutverdickung mit den genannten Sekundärfolgen führe. Dasselbe galt für übermäßigen Rauchtabakkonsum bis hin zum "schlag" und "gar Todt". Maßloser Schnupftabakgenuss verursache den Verlust des Geruchsinns. [61]
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Der Vollständigkeit halber sei betont, dass es auch Autoren gab, die die Heilkraft der neuen Drogen anzweifelten oder schroff negierten. Unter ihnen befanden sich ebenfalls Ärzte. Ihre Warnungen galten dem Kaffee, Tee und vor allem dem Tabak, wobei sie deren gesundheitliche Risiken von den genannten medikalen Konzepten oder aber von Obduktionsbefunden ableiteten. 1665 warnte der Leibarzt des dänischen Königs, Simon Paulli, dass Kaffee und Tee durch ihre den Körper austrocknenden Effekte Abmagerung und Impotenz verursachen würden. Schnupf- und Rauchtabak führten zu Hirn- und Lungenschädigungen, da man in sezierten "Heads of some Snufftakers" Gehirne "black with Snuff" (!) und in obduzierten Rauchern "Lungs found black and parched, just as if they had been indurated in Smoke", entdeckt habe. [62] Auf der Basis solcher Befunde hatte schon 1604 der englische König Jakob I. in einem Pamphlet vor dem Tabak gewarnt, der namentlich in gerauchter Form ein derart gefährliches Suchtmittel sei, dass er "to our owne destruction" führen müsse. [63] Im 18. Jahrhundert beobachteten der englische Arzt John Hill und der deutsche Anatomieprofessor Samuel Thomas Soemmerring Nasen- und Lippenkrebs bei starken Schnupfern und Pfeifenrauchern. [64]
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Trotz derartiger Befunde, die teilweise schon Erkenntnisse der modernen Medizin vorweg nahmen, verfehlte das Urteil der medizinkundigen Propagandisten seine Wirkung auf die Öffentlichkeit nicht. Denn sie integrierten die neuen Drogen plausibel in den Kanon elementarer Konzepte der europäischen Heilkunde. Sie parierten die Vorwürfe der Gegner geschickt durch Gegenargumente – etwa mit Verweisen auf Kaffee trinkende und dennoch volkreiche Nationen in Übersee oder auf eigene Patienten, die sich trotz des Konsums der neuen Drogen über ihren Gesundheitszustand und eigenen Nachwuchs nicht beklagen könnten. [65] Mit den neuen Drogen ließ sich eine ganze Liste von Krankheiten und Beschwerden zugleich kurieren oder diesen vorbeugen – die sich in bemerkenswerter Weise mit dem zeitgenössischen Krankheitsgeschehen, wie oben festgestellt, weitgehend deckt. Und sie waren prädestiniert für die Selbstmedikation von Laien, die selbst von Angehörigen begüterter Schichten vor der Konsultation Heilkundiger praktiziert wurde. [66]
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Zudem boten sie verlockende Alternativen zu den herkömmlichen Therapieverfahren, wie die Drogenexperten selbst versprachen: Mit ihrem regelmäßigen Konsum erübrigten sich teure Arztbesuche und von diesen obligatorisch verordnete Rosskuren mittels den Körper auslaugenden Aderlässen, Brech- und Purgiermitteln. [67] Dabei ließen sich die neuen Drogen auch noch – im Gegensatz zu anderen Heilmitteln – als "Artzeney und zum Vergnügen" einnehmen, worin sich auch schon ihre Rolle als Genussmittel ankündigt. [68] So gab es Ärzte, die Patienten, da der "mensch een gesellig dier" sei, ausdrücklich zum Genuss der neuen Drogen in Gesellschaft animierten oder ihnen zur Kaffeekur gleich den Besuch eines Kaffeehauses verordneten. [69] Und es gab auch solche, die von ihren mehrjährigen persönlichen Erfahrungen mit den die tägliche Leistungskraft steigernden, mentalen Energiespendern schwärmten und somit Laien direkt als autoritäres Vorbild dienen konnten. [70]
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Abb. 4 unterstreicht am Beispiel des Rauchtabaks, dass die medizinkundigen Befürworter eine Nutzung der neuen Drogen von beiden Geschlechtern empfahlen und der Konsum dabei auch mit sozialem Amüsement verbunden werden sollte. Der Kupferstich – exponiert als Frontispiz des 1690 veröffentlichten Tabak-Traktakts des niederländischen Arztes Beintema van Peima – zeigt eine vornehme Tabakgesellschaft, deren Teilnehmer, Männer ebenso wie Frauen, zur Pfeife greifen.
Abb. 4
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Sicher gab es neben dem medizinischen Motiv auch noch andere Konsumgründe. Zwar könnte man auf der Basis der zitierten Quellen bezweifeln, dass der Geschmack der bitteren Substanzen eine Rolle für ihre Akzeptanz in Europa gespielt hat – oder nicht vielmehr in Kauf genommen wurde im Tausch für ihre geistig stimulierende und medizinische Wirkung sowie die angenehme gesellschaftliche Atmosphäre während ihres Genusses. Nicht zu bestreiten ist aber, dass folgende Konsummotive den neuen Produkten ihren Weg in die europäische Alltagskultur mit geebnet haben. Dabei waren sie alle untereinander keineswegs gegenläufig, sondern konnten sich gegenseitig verstärken. Hierzu zählen ihre Wertschätzung als modische Statussymbole, die Suchtgefahr namentlich im Falle des Tabaks und die Attraktivität der Kaffeehäuser nach orientalischem Vorbild als neuartiger Begegnungsstätte in Europa, in denen sich der Konsum aller vier Konsumartikel öffentlich beobachten und erleben ließ. [71] Allerdings leuchtet das Drogenmotiv aus diesem Konglomerat heraus, wie Quellen ganz unterschiedlicher Provenienz lehren.
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Als im 17. Jahrhundert in verschiedenen Ländern und Territorien Europas Tabakkonsumverbote vor allem aus merkantilistischen Gründen und zur Sozialdisziplinierung der Untertanen erlassen wurden, blieb der zu medizinischen Zwecken verordnete Konsum ausdrücklich davon ausgenommen. 1659 verbot eine Polizeiverordnung für Stadt und Kanton Bern zwar generell das "roücken". Sie sparte aber die "medicinmeßig[e]" Anwendung des Tabaks davon aus. [72] Dieselbe Ausnahme galt für Frankreich, wo ein Tabakkonsumverbot bereits 1635 verfügt worden war. [73] Auch für das Hochstift Bamberg ratifizierte 1653 Fürstbischof Philipp Valentin von Rieneck ein Mandat, das den Konsum von Tabak strikt untersagte, es sei denn, er werde "von den Medicis zur Artzney verschrieben". [74] Diese Ausnahme wiederholte sich für Kaffee- und Teekonsumverbote im 18. Jahrhundert. [75]
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Die erste Gründungswelle von Kaffeehäusern in europäischen Metropolen ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde von Werbeannoncen und gedruckten Werbeblättern begleitet, durch die Kaffeehauseigner den neuen öffentlichen Gasthaustypus propagierten. Dabei machten sie sich das Urteil der medizinkundigen Propagandisten zu eigen. Das jeweils exponierteste Thema auf diesen Einblattdrucken kreist um die "All-healing-Berry" namens "coffee" und ihre gesundheitlichen Vorzüge bei "Preventing or Curing Most Deseases indicent to Humane Bodies". Hierfür wurden die in den medizinischen Traktaten aufgelisteten Beschwerden und Krankheiten minutiös zitiert. Dasselbe lässt sich ab 1658 für den "Excellent, and by all Physitians [!] approved, China Drink, called by the Chineans, Tcha, by other Nations Tay alias Tee" nachweisen. [76]
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Um die Mitte des 18. Jahrhunderts unterstrich Zedlers "Universallexikon" in Einzelartikeln die Drogenbedeutung von Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak, der ausdrücklich als "Herba Panacea" bezeichnet wird, mit einer Litanei ihrer heilkräftigen Tugenden zum Schutz vor oder gegen zahlreiche Krankheiten. Dabei beruft sich die Enzyklopädie auf die Vorgaben namentlich genannter, medizinkundiger Befürworter und weist Kritik am Drogenwert der vier Konsumartikel zurück – vorausgesetzt, man würde sie dosiert verwenden. [77] Bertuchs berühmtes "Journal des Luxus und der Moden" wiederum bewarb in einer Ausgabe von 1788 den "Thee=Tisch", an dem man sich zum Plaudern und Scherzen zusammenfinde und der somit "zu den Annehmlichkeiten des Lebens beytragen" könne, während der "Thee" selbst "als hautöffnendes und Transpiration beförderndes Mittel" empfohlen wird, der der Gesundheit "wohltätig" sei. [78]
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So wie das Urteil der medizinkundigen Propagandisten auf Wirtschaft, Politik und Gelehrtenwelt gewirkt hat, so wirkte es auch auf Verbraucher und ihre Konsummotive, wie nicht zuletzt Selbstzeugnisse belegen:
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1706 schreibt Elisabeth Charlotte von Orléans – die Pfälzer Kurfürstentochter, die den Bruder Ludwigs XIV. geheiratet hatte – über den 80-jährigen "monsieur Polier" vom Versailler Hof aus: "Womitt er sich ahm meisten erhelt, ist mitt tabackrauchen; alle tag nimbt er etliche pfeyffen taback." Denn er meine, dass "der husten gar gesundt ist undt dass sich die natur dadurch purgirt von allen boßen humoren". [79]
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Elisabeth Charlotte selbst war zwar von den Modegetränken alles andere als angetan. "Thé kompt mir vor wie heü undt mist, caffé wie ruß undt feigbonnen, undt chocolatte ist mir zu süs, kann also keines leyden", vermerkt sie 1712 in einem Brief. Jedoch überwand sie ihre Aversion aus "gesundlichem" Anlass. Anfang 1713 ließ sie eine Korrespondenzpartnerin wissen, dass "mein dockter mir daß caffe ordinirt" hat, und ein halbes Jahr später hatte sie sich an diese Medizin gewöhnt: "Ich trinke alle tag einen becher mitt caffé, daß jagt mir die windt weg undt verhindert mich, dicker zu werden, drumb continuire ich es". [80]
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Mit ihren Aussagen bezeugt Elisabeth Charlotte, dass auch Laien mit den medikalen Konzepten der Schulmedizin vertraut waren, die neuen Drogen auch über persönliche Arzt-Patienten-Beziehungen populär wurden und das Drogenmotiv erfolgreich Geschmacksaversionen gegen die bitteren unbekannten Konsumartikel kompensieren konnte. Dies bestätigt ebenso ein anderer Zeitgenosse: der Londoner Regierungssekretär Samuel Pepys. Er berichtete schon in den 1660er Jahren, dass er "Chocolate" am Morgen im privaten Kreis wie auch im öffentlichen "Coffee-house" trinke, "to settle my stomach", während seine Frau auf Ratschlag ihres Apothekers Tee bevorzuge "for her cold and defluxions". [81]
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Und 1665, zur Zeit des großen Pestausbruchs in London, vertraute Pepys seinem Tagebuch an, dass er umgehend zum Medikament Tabak gegriffen habe, als er mit den ersten Pestfällen konfrontiert worden sei: "This day, much against my Will, I did in Drury-Lane see two or three houses marked with a red cross upon the doors, and 'Lord have mercy upon us' writ there – which was a sad sight to me, being the first of that kind that to my remembrance I ever saw. It put me into an ill conception of myself and my smell, so that I was forced to buy some roll=tobacco to smell to and chaw – which took away the apprehension." [82]
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Davon, dass sich speziell Frauen als Raucherinnen und Schnupferinnen in frühneuzeitlichen Selbstzeugnissen offenbar schwer ausmachen lassen, sollte man sich nicht täuschen lassen. In verschiedenen anderen Quellentypen lassen sie sich nämlich – ganz im Einklang mit dem Ratschlag der medizinkundigen Propagandisten – sehr wohl nachweisen. So erscheinen vornehme Pfeifenraucherinnen solitär oder in privater Gesellschaft etwa auf niederländischen und französischen Kupferstichen und Gemälden das 17. und 18. Jahrhunderts, Schnupferinnen auf solchen des 18. Jahrhunderts. [83] In Tabakkonsumverboten des Kantons Bern wurden im 17. Jahrhundert eigens "weibspersohnen" unter Rauchtabakkonsumenten spezifiziert. [84] Frauen gehörten auch zu den überführten und bestraften Tabakkonsumenten in diesem Territorium. [85] Im frühen 18. Jahrhundert wurden Schnupferinnen am Versailler Hof beobachtet. [86] Im späten 18. Jahrhundert zählte der Londoner Arzt Hill auch chronische Schnupferinnen zu seinem Patientenkreis. [87]
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Die Ursache, dass derartige Zeugnisse aus der breiten Bevölkerung oder zumindest über sie nicht vorkommen, ist eher weniger im medizinischen Bereich zu suchen. Denn die Grenzen zwischen Eliten- und Volksmedizin waren fließend. Ärzte praktizierten nicht ausschließlich in Städten und wurden auch nicht allein von begüterten Schichten konsultiert. Handwerklich ausgebildete Heiler, wie Wundärzte, Bader und Barbiere, die auch Aderlässe durchführten und teils als fahrende Heiler auf dem Land wirkten, waren ebenso mit den medikalen Konzepten vertraut wie Apotheker, die von Ärzten verschriebene Rezepturen herstellten oder eigene Heilmittel vertrieben. Der Quellenmangel beruht vielmehr auf der Tatsache, dass europaweit in der Frühen Neuzeit die Schokolade noch exklusiv blieb und Kaffee und Tee erst im Laufe des 18. Jahrhunderts bis in die soziale Mitte vorstoßen konnten. Nur dem Tabak gelang bereits der Sprung zum Massenkonsumartikel, wozu ihm im Unterschied zu den drei anderen Kulturpflanzen ein Vorteil verhalf: die Möglichkeit seines Anbaus auch überall in Europa, der hier ab dem 17. Jahrhundert anlief, begleitet von volkssprachlicher Ratgeberliteratur selbst für die Eigenproduktion. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Rohtabakerzeugung Europas sogar mit dem Produktionsniveau der USA gleich gezogen. [88]
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Im Falle des Tabaks lassen sich daher auch schon in verschiedenen frühneuzeitlichen Quellen Verbraucher aus den Unterschichten fassen. [89] Auch sie lenkte ein medizinisch motiviertes Konsumverhalten. Das jedenfalls behauptet 1667 Johann Jacob von Grimmelshausen. Er will in allen Bevölkerungsschichten des Reichs – unter "Bürger[n] / Handwercksleute[n] / Bauren und Taglöhner[n]" wie "Soldaten / Zigeiner[n] / Landfahrer[n] und Bettler[n]" – Tabakkonsumenten ausgemacht haben und legt dabei nahe, dass der Ruf des Tabaks als vielseitig nützliche Droge wohl über die Mundpropaganda auch in des Lesens unkundige Bevölkerungsschichten vorgedrungen sein dürfte:
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"Ich hab ihn [Tabak] essen / trincken [= rauchen] und schnupffen sehen durch alle Ständ / vom Fürsten an biß uff den Bettler / vom Bischoff biß uff den Bader beydes eingeschlossen; und weis ein iedwederer etwas zu sagen / wovor er ihn gebrauche und warzu er ihm wohl bekomme / dem einen erleutert er die Augen / dem andern zeucht er die Flüß aus dem Hirn / dem dritten lindert er das Zanwehe / dem vierten vertreibt er das saussen und praussen in den Ohren / de[m] fünften bringt er den Schlaff / dem sechsten lescht er den Durst / dem siebenden zeucht er die Schädligkeiten des eingesoffenen Wassers wieder aus dem Leibe". [90]
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Von der Tatsache abgesehen, dass der Tabak im Laufe des 17. Jahrhunderts bzw. Tee, Rohkaffee und Rohkakao im Laufe des 18. Jahrhunderts – mithin erst nach dem Erscheinen zahlreicher Schriften der medizinkundigen Propagandisten – ihre eigentliche "Take-off"-Phase erlebten und als zunehmend massenhaft importierte Überseewaren und Kolonialprodukte auf die europäischen Märkte strömten, führte ihr Erfolg in der europäischen Gesellschaft zu signifikanten Veränderungen in der Alltagskultur. [91] Sie sind bis heute lebendig und korrespondieren deutlich mit den Vor- und Ratschlägen der medizinkundigen Propagandisten.
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Erstens gilt das für die Kaffeehaus-Kultur. Kaffeehäuser etablierten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Metropolen der Expansionsmächte und in den großen Handelsstädten Mitteleuropas, um sich dort im Jahrhundert der Aufklärung massiv zu potenzieren sowie auf Provinzstädte überzugreifen. Gleichwohl ihr Vorbild das Kaffeehaus des Vorderen Orients war, wurde die Offerte aller drei Heißgetränke sowie des Tabaks zum Markenzeichen dieser neuen öffentlichen Institution – zuzüglich eines gehobenen Kulturangebots (Zeitungsservice, Kunstauktionen, Konzerte, Theateraufführungen, Schach). Dieser Unterschied im Vergleich zu den angestammten Konkurrenten, wie Tavernen, Kneipen und Bierhäusern, sicherte dem Kaffeehaus die nachhaltige Etablierung in Europa. [92] Wenn auch Kultur- und Bildungskonsum den Besuch eines Kaffeehauses mit motiviert haben, ließ sich darüber hinaus zugleich die Gesundheit fördern. Wie bereits zitiert, rieten Ärzte zum Konsum der neuen Drogen gerade auch in Gesellschaft oder schickten Patienten zur Kaffeekur gleich in ein Kaffeehaus.
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Abb. 5 zeigt eines der ersten Kaffeehäuser Europas. Das Aquarell eines anonym gebliebenen Künstlers von 1668 dokumentiert bereits für die ersten Etablissements dieser neuen öffentlichen Institution typische Kennzeichen: die Zubereitung der Heißgetränke am offenen Kamin, den Tresen, an dem Trinkgeschirr und Leihpfeifen ausgegeben wurden, sowie den Zeitungsservice. Ein vornehm gekleidetes Publikum bei Kaffee und Tabak und diskutiert angeregt in Gruppen auch aktuelle Neuigkeiten, worauf gedrucktes Kleinschrifttum auf den Tischen verweist.
Abb. 5
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Zweitens begann sich noch in der Frühen Neuzeit in Europa die Frühstückssitte durch die neuen Heißgetränke zu wandeln. Mittelalterlicher Tradition gemäß wurde der Tag entweder mit einer Morgensuppe, die aus einem Gemisch aus Bier und Brot bestand, oder mit Alkohol und Brot, Eiern und Käse begonnen. Dies galt schichtübergreifend für Europa. Auch Elisabeth Charlotte von Orléans oder Friedrich II. wuchsen noch mit einem Biersuppenfrühstück auf. Den Bruch mit dieser Tradition stimulierten die neuen Heißgetränke, ergänzt mit einer Brotschnitte oder Gebäck. Im frühneuzeitlichen Europa breitete sich diese Neuerung in der Ober- und auch schon der Mittelschicht aus, um sich ab dem 19. Jahrhundert in der gesamten Bevölkerung zu etablieren. [93] Wie bereits gesagt, rieten die medizinkundigen Befürworter der neuen Drogen zu täglichem Konsum ausdrücklich am Morgen wegen ihrer die Verdauung anregenden und munter machenden Wirkung.
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Drittens kamen in der Frühen Neuzeit Surrogate für den Kaffee und Tee auf, die uns heute als Kräutertee und Malzkaffee vertraut sind. Stifter dieser Innovationen waren die medizinkundigen Befürworter der Originaldrogen, die sie als Ersatzmedizin für die "gemeinen Leute", denen die Originale unerschwinglich waren, vorschlugen: etwa getrocknete "Salbeyen / Betonien / Ehren=preiß / Basilien=kraut=blätter" bzw. geröstete und gemahlene Eicheln, Lupinensamen oder Getreidekörner. [94] Vor allem der aus den Wurzeln der Wegwarte gewonnene Zichorienkaffee erlangte ab dem späten 18. Jahrhundert in Europa enorme wirtschaftliche Bedeutung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stand sogar in Europa mehr Zichorienkaffee zur Verfügung als weltweit Bohnenkaffee. [95]
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Wie ihre originalen Pendants galten auch diese Surrogate als Heilmittel in der zeitgenössischen Öffentlichkeit. 1745 führt Zedlers "Universallexikon" verschiedene auf dem Markt erhältliche "Kräuter=Theen" auf, unter denen man Sorten und auch Markenprodukte "bey nahe für alle Kranckheiten" finde. [96] 1787 rühmt die "Ökonomische Enzyklopädie" von Krünitz die heilsamen Tugenden der Zichorienwurzel. Sie lesen sich ähnlich wie die des Kaffees: "Auch geben dieselben […] eines der gesündesten Getränke, welches besonders im Frühjahre das Geblüt reiniget, den darin befindlichen Schleim auflöset, die Lunge befreyet, und allen Theilen des menschlichen Körpers ein neues Leben verleihet." [97]
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Vier durch ihre Inhaltsstoffe und physiologischen Eigenschaften verwandte Konsumartikel wurden in Übersee entdeckt und entwickelt: in Arabien, China und Altmittelamerika die Heißgetränke Kaffee, Tee und Schokolade, in Altamerika Rauch-, Schnupf- und Kautabak. Dabei erstaunt am meisten die Parallelität der Konsumkonzepte. Überall galten die Substanzen als Heil- und Genussmittel. Mit ihrer Übernahme in Europa setzte während der Frühen Neuzeit ein Rezeptionsprozess ein, der sich über Reiseberichte, medizinische Schriften und Laienzeugnisse rekonstruieren lässt. Im interkulturellen Wissenstransfer kam dabei europäischen Reisenden eine Schlüsselbedeutung zu. Für die Verbreitung und Akzeptanz der fremden Konsumartikel in der europäischen Gesellschaft spielten Vertreter der Schulmedizin eine zentrale Rolle. Sie propagierten die fremden Konsumgüter als effektive Arzneien, indem sie sie plausibel in die medikale Kultur Europas integrierten und damit Geschmackshürden im Umgang mit den bitteren Substanzen zu überwinden halfen. Dabei dominierte ihre Bedeutung als Heilmittel, wenngleich sie auch schon in der Funktion, die ihren Konsum heute motiviert, empfohlen wurden: als Genussmittel. Der Einfluss der medizinkundigen Propagandisten spiegelt sich nicht nur in Laienzeugnissen verschiedener Provenienz, sondern verhalf auch zu Innovationen, die in der europäischen Alltagskultur bis heute lebendig sind (Café-Kultur, Frühstückssitte, Tee- und Kaffeesurrogate).
<86>
Die Befunde des Beitrags könnten drei Fragenkomplexe anstoßen:
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Die Erkenntnis, dass verschiedene Wissenskulturen in Europa und Übersee die vier Konsumartikel als Drogen nutzten, fordert zu einer global vergleichenden Medizingeschichte auf, um medikale Konzepte bezüglich ihrer Spezifika oder Verwandtschaft genauer zu untersuchen und zu analysieren, inwieweit hier den Konsumartikeln – über die frühneuzeitliche europäische Schulmedizin hinaus – paradigmatische Bedeutung zukommen könnte. [98]
<88>
Bei der globalen Verbreitung der vier Konsumartikel, die schon in der Frühen Neuzeit einsetzte und von Europa aufgrund des maritimen Vorteils getragen wurde, kam europäischen Reisenden erneut die Vermittlerrolle zu. In diesem Kontext ist zu prüfen, welche Konsummotive überseeische Kulturen zur Übernahme animierten. In bereits bekannten Fällen spielte wiederum das Drogenmotiv eine Rolle, so bei der Einführung des Tabaks in Indien und China im 17. Jahrhundert. [99]
<89>
Es bleibt zu untersuchen, weshalb sich andere verwandte Konsumartikel im frühneuzeitlichen Europa nicht durchsetzen konnten. Auffällig an den willkommenen Drogen sind ihre gemeinsamen physiologischen Eigenschaften. Tabak, Kaffee, Tee und die Schokolade Altmittelamerikas wirken ebenso wie Pfeffer, Ingwer oder Nelken und Guajak, Sarsaparilla und Sassafras purgativ, schweißtreibend oder diuretisch. Sollten solche, dem Körper Flüssigkeit entziehenden Eigenschaften eine Voraussetzung für die Anerkennung ihres Drogenwerts gewesen sein, könnte dies zur Erklärung beitragen, weshalb primär nur psychoaktive Substanzen – wie Coca, Kat oder Betel, die im Zuge der maritimen Expansion ebenfalls bekannt wurden [100] – im frühneuzeitlichen Europa erfolglos blieben. Dass jedoch mögliche Erklärungsmodelle auf differenzierterer Betrachtung beruhen müssen, zeigt etwa der südamerikanische Matetee, der – obwohl er wie sein fernöstliches Pendant Koffein enthält und auch in Jesuiten-Reduktionen Paraguays getrunken wurde [101] – kein Erfolgsschlager auf dem europäischen Markt geworden ist.
[1] Hier und im Folgenden meint "Europa" das geographische Westeuropa.
[2] Zum Forschungsstand: Annerose Menninger: Genuss im kulturellen Wandel. Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Europa (16.–19. Jahrhundert), 2. Aufl., Stuttgart 2008 (zuerst 2004), 15–25.
[3] Der Begriff meint hier und im Folgenden die ursprüngliche Bedeutung von "Droge" als Synonym für pflanzliche "Arzneistoffe". Vgl. Maxim Zetkin / Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin, 16. Aufl., Wiesbaden 1999, 464.
[4] Ralph S. Hattox: Coffee and Coffeehouses. The Origins of a Social Beverage in the Medieval Near East, Seattle / London 1985, 11–28, 46ff., 72ff.
[5] Hattox: Coffee (wie Anm. 4), 12ff., 25, 82ff; Jan Bersten: Coffee Floats Tea Sinks. Through History and Technology to a Complete Understanding, Roseville 1993, 33–39.
[6] John C. Evans: Tea in China. The History of China's National Drink, New York / Westport , Connecticut / London 1992, 10ff., 68, 74f., 84ff; Paul Butel: Histoire du thé, Paris 1989, 13–30.
[7] Evans: Tea (wie Anm. 6), 28, 44, 67, 73, 79, 83f.
[8] Allen M. Young: The Chocolate Tree. A Natural History of Cacao, Washington / London 1994, 1ff.
[9] Wolf Mueller: Seltsame Frucht Kakao. Geschichte des Kakaos und der Schokolade, Hamburg 1957, 15ff. Sophie D. Coe / Michael D. Coe: The True History of Chocolate, London 1996, 16ff., 35ff., 51f., 63ff., 83, 86ff.
[10] Jan Rogozinski: Smokeless Tobacco in the Western World, New York / Westport, Connecticut / London 1990, 17ff. Jordan Goodman: Tobacco in history. The cultures of dependence, London / New York 1993, 3ff., 20ff.
[11] Goodman: Tobacco (wie Anm. 10), 33ff.
[12] Mueller: Kakao (wie Anm. 9), 14, 16; Coe / Coe: History (wie Anm. 9), 62ff., 96.
[13] Hattox: Coffee (wie Anm. 4), 79ff., 93ff., 98ff., 103ff; Evans: Tea (wie Anm. 6), 60ff.
[14] Goodman: Tobacco (wie Anm. 10), 33; André Thevet: Les Singularités de la France Antarctiqve, avtrement nommée Amerique: & de plusieurs Terres & Isles decouuertes de nostre temps, Paris 1558, 60r, 101r; Consuelo Varela (Hg.): Cristóbal Colón. Textos y documentos completos. Relaciones de viajes, cartas y memoriales, Madrid 1982, 53.
[15] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 58–67.
[16] Hattox: Coffee (wie Anm. 4), 61ff; Evans: Tea (wie Anm. 6), 26, 32f., 89f.
[17] Sandra L. Orellana: Indian Medicine in Highland Guatemala. The Pre-Hispanic and Colonial Periods, Albuquerque, New Mexico 1987, 84, 87f., 93, 228, 246f., 250.
[18] Goodman: Tobacco (wie Anm. 10), 22–31.
[19] Annerose Menninger: Genussmittel als Weltkonflikt. Der Opiumkrieg und die Globalisierung der Teepflanze, in: Thomas Beck / Marília dos Santos Lopes / Christian Rödel (Hg.): Barrieren und Zugänge. Die Geschichte der europäischen Expansion, Festschrift für Eberhard Schmitt, Wiesbaden 2004, 139–159, hier: 147f; Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 211; Matthias Seefelder: Opium. Eine Kulturgeschichte, Frankfurt a.M. 1987, 169–174; Alexander Kupfer: Göttliche Gifte. Kleine Kulturgeschichte des Rausches seit dem Garten Eden, Stuttgart / Weimar 1996, 23f.
[20] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 82f., 85ff.
[21] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 43–67, 305–312, 363–371.
[22] Urs Bitterli: Die "Wilden" und die "Zivilisierten". Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung vom 15. zum 18. Jahrhundert, 3. Aufl., München 2004; Jürgen Osterhammel: Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München 1998; Susanna Burghartz (Hg.): Inszenierte Welten. Die west- und ostindischen Reisen der Verleger de Bry, 1590–1630 / Staging New Worlds. De Bry's Illustrated Travel Reports, 1590–1630, Basel 2004.
[23] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 139–155.
[24] Antoinette Schnyder-von Waldkirch: Wie Europa den Kaffee entdeckte. Reiseberichte der Barockzeit als Quellen zur Geschichte des Kaffees, Zürich 1988, 42ff; Francesco Carletti: Regionamenti del mio viaggio intorno al mondo, hg. von Gianfranco Silvestro, Turin 1958, 60–61, 108–109; Bernal Díaz del Castillo: The True History of New Spain. 5 Bde, hg. von Genaro García, México 1908–1916, Neudruck Nendeln / Liechtenstein 1967, Bd. 2, 63; Thevet: Singularités (wie Anm. 14), 60r.
[25] Zitiert nach Schnyder-von Waldkirch: Kaffee (wie Anm. 24), 43, 50, 53, 43, 50, 65.
[26] "[…] ilquale più pare beueraggio da porci, che da huomini." Girolamo Benzoni: La historia del Mondo Nuovo, Venedig 1572, 103r.
[27] Thevet: Singularités (wie Anm. 14), 60r–v.
[28] Zitiert nach Schnyder-von Waldkirch: Kaffee (wie Anm. 24), 40.
[29] Zitiert nach Michael Cooper: The Early Europeans and Tea, in: Paul Varley / Kumakura Isao (Hg.): Tea in Japan. Essays on the History of Canoyu, Hononulu 1989, 101–133, hier: 123.
[30] Thomas Gage: A new Survey of the West-India's: Or, The English American his Travail by Sea and Land, 2. Aufl., London 1660, 109.
[31] Thomas Harriot: A briefe and true report of the new found land of Virginia, London 1588, Faksimile-Neudruck, Amsterdam / New York 1971, [11r–v]. Ebenso in der deutschen Ausgabe: Thomas Harriot: Wunderbarliche / doch Warhafftige Erklaerung / Von der Gelegenheit vnd Sitten der Wilden in Virginia, Frankfurt a.M. 1600, 15–16.
[32] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 92–97.
[33] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 99–111.
[34] Annerose Menninger: Drogen aus der Neuen Welt. Tabak und Schokolade als Paradigmen für Interkultur- und Medizingeschichte, in: Friedrich Edelmayer / Bernd Hausberger / Barbara Potthast (Hg.): Lateinamerika 1492–1850/70, Wien 2005, 115–136, hier: 115f; John K. Crellin: A Social History of Medicines in the Twentieth Century, New York / London / Oxford 2004, 32ff.
[35] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 238–241.
[36] John Chamberlayne: The Manner of Making Coffee, Tea, and Chocolate, London 1685, [4r–v] (Vorwort); Johann Gottlob Krüger: Gedancken Vom Caffee, Thee, Toback und Schnupftoback, 2. Aufl., Halle 1746, [3r] (Vorwort).
[37] Philippe Sylvestre Dufour: Traitez Nouveaux & curieux dv Café, dv Thé et dv Chocolate, Lyon 1685, 58f.
[38] Cornelius Bontekoe: Korte Verhandeling van's Menschen Leven, Gesondheit, Siekte, en Dood, S'Gravenhage 1684, 329.
[39] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 243–244.
[40] George Daniel Thebesius: Deutliche und ausführliche Nachricht Vom Rauch= und Schnupf=Taback, Halle 1713, 55f; Nicolás Monardes: La Historia Medicinal de las cosas que se traen de nuestras Indias Occidentales (1565–1574), Sevilla 1580, Faksimile-Ndr., eingeführt von José María López Piñero, Madrid 1989, 193f; Stephan Blankaart: Haustus Polychresti, Oder: Zuverlässige Gedancken / Vom Thée, Coffée, Chocolate, Und Taback, Hamburg 1705, 94f. (Übersetzung des niederländischen Originals von 1701).
[41] Kay Peter Jankrift: Krankheit und Heilkunde im Mittelalter, Darmstadt 2003, 7ff; Robert Jütte: Ärzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit, München / Zürich 1991, 42ff; Eduard Seidler: Geschichte der Medizin und der Krankenpflege, 6. Aufl., Stuttgart / Berlin / Köln 1993, 45ff.
[42] Michael Stolberg: Homo patiens. Krankheits- und Körpererfahrung in der Frühen Neuzeit, Köln / Weimar / Wien 2003, 107ff.
[43] Heinrich Schipperges: Homo patiens. Zur Geschichte des kranken Menschen, München / Zürich 1985, 111ff; Klaus Bergdolt: Leib und Seele. Eine Kulturgeschichte des gesunden Lebens, München 1999, 103ff.
[44] Stolberg: Patiens (wie Anm. 42), 101ff., 123, 202; Jütte: Ärzte (wie Anm. 41), 72f., 131ff., 140; Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 116–136.
[45] Theodor Zwinger: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter=Buch, Frankfurt a.M. 1696, 103ff., 205ff; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 19ff., 29ff., 40ff., 51f., 115ff., 120ff., 144ff; Dufour: Traitez (wie Anm. 37), 109ff., 123ff., 137ff., 159ff., 293ff; Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 374ff., 378ff., 380f., 392f., 404f; Krüger: Gedancken (wie Anm. 36), 18ff., 34, 50f; John Chamberlayne: The Natural History of Coffee, Thee, Chocolate, Tobacco, London 1682, 6, 10; George Cheyne: An Essay of Health and Long Life, London 1724, 62ff; William Forster: A Treatise on the Causes of most Diseases incident to Human Bodies, And the Cure of them, Leeds 1745, 88, 90, 132, 135.
[46] Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 372ff., 382ff., 389, 404f; Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 105, 205; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 16ff., 23ff., 122f., 143; Forster: Treatise (wie Anm. 44), 65; Johann Sigismund Elsholtz: Diaeteticon: Das ist / Newes Tisch=Buch / oder Unterricht von Erhaltung guter Gesundheit durch ordentliche Diaet, Cölln a.d. Spree 1682, 325.
[47] Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 35, 37; Chamberlayne: Manner (wie Anm. 36), 80, 94, 98f., 115; Dufour: Traitez (wie Anm. 37), 383ff., 396ff; Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 406; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 159ff., 166f; John Ray: Historia Plantarum Species hactenus editas aliasque insuper multas noviter inventas & descriptas complectens, 3 Bde, London 1684-1704, II, 1673.
[48] Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 164ff., 169ff., 172, 177f; Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 37; Dufour: Traitez (wie Anm. 37), 419f.; Elsholtz: Diaeteticon (wie Anm. 46), 330; Cheyne: Essay (wie Anm. 45), 64f.
[49] Gilles Everard: De herba panacea, quam alii tabacum, alii petum, aut Nicotianum vocant, breuis commentariolus, Antwerpen 1587; Joannes Ignatius Beintema van Peima: Tabacologia, Ofte korte Verhandelenge over de Tabak, 'S Gravehage 1690, 35; Monardes: Historia (wie Anm. 40), 153.
[50] Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 989, 995; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 189; Thebesius: Nachricht (wie Anm. 40), 49; Chamberlayne: History (wie Anm. 45), 14; John Milton: Letters to a Sick Friend, Containing Such Observations as May Render the Use of Remedies, London 1682, 155.
[51] Heinrich Barnstein: Tabaco Das Gesunde Künst= vnndt Artzney mittel, Erfurt 1644, [5r, 10v–11r, 15r]; Monardes: Historia (wie Anm. 40), 166f; Chamberlayne: History (wie Anm. 45), 24; Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 335; Beintema van Peima: Tabacologia (wie Anm. 49), 54ff., 72ff., 90ff; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 193, 197, 201f., 205; Thebesius: Nachricht (wie Anm. 40), 46–51, 58; Krüger: Gedancken (wie Anm. 36), 61ff; John Parkinson: Theatrum Botanicum. The Theater of Plants, or an herball of a Large Extent, London 1640, 712; Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 990, 992, 994; Cheyne: Essay (wie Anm. 45), 66.
[52] Zwinger: Theartvm (wie Anm. 45), 991; Barnstein: Tabaco (wie Anm. 51), [11v]; Ray: Historia (wie Anm. 47), Bd. 2, 715.
[53] Thebesius: Nachricht (Anm. 40), 51–53.
[54] Barnstein: Tabaco (wie Anm. 51), [13v]; Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 990; Friedrich Hoffmann: Gründlicher Unterricht, Wie ein Mensch nach denen Gesundheits=Regeln der Heil. Schrifft und durch vorsichtigen Gebrauch weniger Außerlesener Artzneneyen […], 3. Aufl., Ulm 1745, 371, 377f., 387f; Thebesius: Nachricht (wie Anm. 40), 63ff.
[55] Menninger: Drogen (wie Anm. 34), 126.
[56] Barnstein: Tabaco (wie Anm. 51), [11v–13v]; Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 989ff.
[57] Castore Durante: Herbario Novo. Con Figure, che rappresentano le viue Piante, che nascono in tutta Europe & nell'Indie Orientali, & Occidentali, Venedig 1667, 215; Johannes Neander: Tabacologia: Hoc Est Tabaci, seu Nicotianae discriptio Medico-Chirurgico-Pharmaceutica vel Ejus praeparatio et usus in omnibus fermè corporis humani incomodis, 2. Aufl., Bremen 1626, 169; Barnstein: Tabaco (wie Anm. 51), [13v–14r]; Monardes: Historia (wie Anm. 40), 159, 161.
[58] Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), Titelblatt, 167f., 171f., 177, 202f., 205; Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 336f., 400; Milton: Letters (wie Anm. 50), 174.
[59] Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 336f., 400, 406f; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 26ff., 93, 95, 113f; Chamberlayne: Manner (wie Anm. 36), 113; Humphrey Broadbent: The Domestic Coffee-Man, Showing the True Way of Preparing and Making of Chocolate, Coffee and Tea, London 1722, 10, 16, 4; Beintema van Peima: Tabacologia (wie Anm. 49), 150; Barnstein: Tabaco (wie Anm. 51), [16r]; Thebesius: Nachricht (wie Anm. 40), 41, 51, 63; Hoffmann: Unterricht (wie Anm. 54), 396.
[60] Thebesius: Nachricht (wie Anm. 40), 65, 45.
[61] Dufour: Traitez (wie Anm. 37), 303, 398ff., 415f; Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 400f., 406; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 28, 93; Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 36, 106; Chamberlayne: Manner (wie Anm. 36), 115; Barnstein: Tabaco (wie Anm. 51), [15r–v]; Krüger: Gedancken (wie Anm. 36), 26, 50, 71; Hoffmann: Unterricht (wie Anm. 54), 389, 391; Thebesius: Nachricht (wie Anm. 40), 28f.
[62] Hier nach einer jüngeren Übersetzung: Simon Paulli: A Treatise on Tobacco, Tea, Coffee, and Chocolate, London 1746, 20-21, 26, 28-29, 30, 32.
[63] James I.: A Counterblaste to Tobacco, in: James Craigie (Hg.): Minor Prose Works of King James VI und I. Daemonologie, the Trve Lawe of Free Monarchies, a Counterblaste to Tobacco, a Declaration of Sports, Edinburgh 1982, 87-99, hier: 96-99, 87-88, 92.
[64] John Hill: Cautions Against the immoderate Use of Snuff, London 1761, 26-35; Samuel Thomas Soemmerring: De Morbis Vasorum Absorbentium Corporis Humani, München 1795, 109.
[65] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 267-268.
[66] Stolberg: Patiens (wie Anm. 42), 83f., 88, 90, 102; Jütte: Ärzte (wie Anm. 41), 76ff., 97f.
[67] Blankaart empfahl Tee statt "Purgiren / Aderlassen / Juleppen / mord=Träncke", da Patienten "grausamlich dadurch ausgemergelt und entkräfftet werden". Vgl. Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 36f; ähnlich auch: Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 399f., 393, 370; Dufour: Traitez (wie Anm. 37), 285f. Zu den üblichen Brech- und Purgiermittel-Kuren mit drastischen Beispielen: Stolberg: Patiens (wie Anm. 42), 203f.
[68] Krüger: Gedancken (wie Anm. 36), 66.
[69] Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 333; Chamberlayne: History (wie Anm. 45), 4.
[70] So der Leibarzt des Bischofs von Hildesheim, Johann Peter Albrecht: Klar=Entdeckte Unschuld / Der jüngsthin von jemand unbillig angeklagter Thee und Coffee=Geträncke, Bremen 1696, 72.
[71] Brian Cowan: The Social Life of Coffee. The Emergence of the British Coffeehouse, New Haven / London 2005, 79ff., 113ff., 152ff; Annerose Menninger: Europas Kaffeehäuser. Ein Beitrag zur Neuen Kultur- und Interkulturgeschichte, in: Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 6 (2006), 85–116, hier: 98–107; Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 294ff., 345ff., 357f.
[72] Hermann Rennefahrt: Die Rechtsquellen des Kantons Bern. Erster Teil: Stadtrechte. Bd. 10: Das Stadtrecht von Bern, Aarau 1968, 438.
[73] Carl Hartwich: Die menschlichen Genußmittel. Ihre Herkunft, Verbreitung, Geschichte, Anwendung, Bestandteile und Wirkung, Leipzig 1911, 71.
[74] Wilhelm Stieda: Die Besteuerung des Tabaks in Ansbach-Bayreuth und Bamberg-Würzburg im achtzehnten Jahrhundert, Leipzig 1911, 78 (mit Wiedergabe des vollständigen Mandats).
[75] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 271.
[76] A Brief Description of the Excellent Vertues of that Sober and wholesome Drink, called Coffee, [London] 1674; siehe ebenso: The Vertue of the Coffee Drink. First publiquely made and sold in England, by Pasqua Rosee, [London 1652]; siehe ferner eine entsprechende Annonce in der Londoner Wochenzeitung "The Publick Adviser" vom Mai 1657, als Faksimile in: Aytoun Ellis: The Penny Universities. A History of the Coffee-Houses, London 1956, 62. Parallel zum Tee: Jane Pettigrew: A Social History of Tea, London 2001, 9, 21 (Annoncen und Werbeblätter im Faksimile).
[77] Johann Heinrich Zedler: Großes vollständiges Universal-Lexikon, 64 Bde, Leipzig-Halle 1733–1750, IV (1733), 543ff., XLIII (1745), 522ff., 535ff., V (1733), 28–29, 2167–2168, XXIV (1740), 647, 656ff., 672ff.
[78] Friedrich Justin Bertuch (Hg.): Journal des Luxus und der Moden, Weimar 1786–1827, August 1788, 336–337.
[79] Wilhelm Ludwig Holland (Hg.): Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans aus den Jahren 1676 bis 1722, 6 Bde, Stuttgart / Tübingen 1867–1881, I, 475, 274.
[80] Holland: Briefe (wie Anm. 79), II, 296, 299, 315.
[81] Samuel Pepys: The Diary of Samuel Pepys. A new and complete transcription, hg. von Robert Latham / William Matthews, 11 Bde., London 1970–1983, II, 88, V, 329, VIII, 302.
[82] Pepys: Diary (wie Anm. 81), VI, 120.
[83] Annerose Menninger: Tabak, Zimt und Schokolade: Europa und die fremden Genüsse (16.–19. Jahrhundert), in: Urs Faes / Béatrice Ziegler (Hg.): Das Eigene und das Fremde, Festschrift für Urs Bitterli, Zürich 2000, 232–262, hier: 251; Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 293; Marc Vigié / Muriel Vigié: L'herbe à Nicot. Amateurs de tabac, fermiers généraux et contrebandiers sous l'Ancien Régime, Paris 1989, 79; Wolfgang Schivelbusch: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genussmittel, München-Wien 1980, Neudruck Frankfurt a.M. 1990, 149.
[84] Rennefahrt: Rechtsquellen (wie Anm. 72), 437–438.
[85] Robert Marti-Wehren (Hg.): Mitteilungen aus den Chorgerichtsverhandlungen von Saanen. Als Quelle der Kulturgeschichte des Saanenlandes, Bern / Leipzig, 1–2, 85–89.
[86] Holland: Briefe (wie Anm. 79), II, 328.
[87] Hill: Cautions (wie Anm. 64), 31ff., 36f.
[88] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 119ff., 283–363, 164–168.
[89] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 283ff.
[90] Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen: Satyrischer Pilgram, hg. von Wolfgang Bender, Tübingen 1970, 111, 114.
[91] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 161ff., 174ff., 198ff., 226ff.
[92] Cowan: Coffee (wie Anm. 71), 79ff, 152ff; Menninger: Kaffeehäuser (wie Anm. 71), 98ff.
[93] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 348–350.
[94] Zwinger: Theatrvm (wie Anm. 45), 405; Bontekoe: Verhandeling (wie Anm. 38), 405; Blankaart: Haustus (wie Anm. 40), 112; Siehe auch die mehrfach aufgelegte Schrift des Leibarztes des Bischofs von Münster über "Kräuter Thee[s]": Johann Heinrich Cohausen: Neo-Thea, oder Neu-aufgerichtete Medicinische Thee-Tafel, Osnabrück 1716.
[95] Menninger: Genuss (wie Anm. 2), 338–345.
[96] Zedler: Universal=Lexikon (wie Anm. 77), XLIII (1745), 549.
[97] Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= und Landwirthschaft, 129 Bde, Brünn 1787–1823, VIII (1787), 111.
[98] Zu bekannten Beziehungen zwischen der europäischen und orientalischen Medizin im mediterranen und arabischen Raum: David C. Lindberg: Die Anfänge des abendländischen Wissens, aus dem Englischen (Originalausgabe 1992), München 2000, 171ff., 211ff., 223ff; Alain Touwaide: Healers and Physicians in Ancient and Medieval Mediterranean Cultures, in: Zohara Yaniv / Uriel Bachrach (Hg.): Handbook of Medicinal Plants, New York / London / Oxford 2005, 155–173, hier: 155–158.
[99] Goodman: History (wie Anm. 10), 52–55.
[100] Monardes: Historia (wie Anm. 40), 275ff; Sabine Anagnostou: Jesuiten in Spanisch-Amerika als Übermittler von heilkundlichem Wissen, Stuttgart 2000, 138ff; Mike Jay: Emperors of Dreams. Drugs in the Nineteenth Century, Sawtry 2000., Neudruck 2005, 148; David T. Courtwright: Forces of Habit. Drugs and the Making of the Modern World, Cambridge, Massachusetts / London 2001, 53–66; Cowan: Coffee (wie Anm. 71), 31–54.
[101] Alexander Pohl danke ich für die folgenden Quellenbelege: Juan de Escandón: Nachricht eines Engländers von Paraguay und den Jesuitischen Missionen, in: Markus Andreas Burriel: Neue Nachrichten von den Missionen der Jesuiten in Paraguay und von andern damit verbundenen Vorgängen in der spanischen Monarchie, Hamburg 1768, 1–93, hier: 86, 88; Martin Dobrizhoffer: Geschichte der Abiponer, einer berittenen und kriegerischen Nation in Paraguay. Bereichert mit einer Menge Beobachtungen über die wilden Völkerschaften, Städte, Flüsse, vierfüßigen Thiere […], 3 Bde, Wien 1783, I, 134, 139.
Empfohlene Zitierweise:
Annerose Menninger : Tabak, Kaffee, Tee und Schokolade in Wissenskulturen der Frühen Neuzeit , in: zeitenblicke 8, Nr. 3, [23.12.2009], URL: https://www.zeitenblicke.de/2009/3/menninger/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-21278
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