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Um 1900 gibt es ein differenziertes Medienangebot, das über die Welt, Orte, Städte, Landschaften informiert. Geographisches und ethnographisches Wissen stehen hoch im Kurs bürgerlicher Bildungsvorstellungen. Die Zeitgenossen sind aber nicht nur auf gelehrte Werke angewiesen; ein umfangreiches Angebot populärer Wissensquellen steht zur Verfügung. Darunter spielen Postkarten und Fotografie herausragende Rollen. Und wie in keinem anderen Medium verband sich in der Postkarte Fotografie mit Text, Nachricht mit persönlicher Mitteilung sowie zeitspezifische Weltwahrnehmung mit individueller Sichtweise. Wie die Fotografie sind Postkarten Alltagsgegenstände, sind um 1900 den Menschen vertraut, sind weder exklusiv noch Zeichen sozialer Unterschiede. Sie sind in der einen oder anderen Form jedem zugänglich.

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In Illustrierten erscheinen gedruckte Fotografien bereits seit den 1880er Jahren. Postkarten werden seit dieser Zeit vermehrt illustriert, ab den 1890er Jahren auch immer häufiger mit Fotografien. Es wird möglich, aus der ganzen Welt Postkarten mit Ansichten der Ferne zu erhalten. Ob West-, Mittel-, Nord- oder Osteuropa, Nord- oder Südamerika, Asien, Afrika, Australien oder Ozeanien; keine größere Region ohne Postkarten. Daher bilden die (fotografisch illustrierten) Ansichtskarten stets eine vielversprechende Quelle für die je zeitgenössisch gängigen Bilder von bestimmten Ländern und Regionen, die in einer Gesellschaft kursierten. Hierbei verbinden die Karten vor allem auch dasjenige, was vor Ort für bedeutsam wie überlokal für repräsentativ gehalten wurde. Dies reflektiert lokale wie allgemeine Diskurse beispielsweise über Urbanität, Darstellungen von Stadt und spezifischer Orte, "nationale" Eigenheiten, die Bedeutsamkeit von Monumenten und Architektur oder Landschaft, die auf diese Weise als typisch oder charakteristisch markiert werden. Der schwedische Medienhistoriker Pelle Snickars vertritt die These, dass es in Schweden zumindest bis 1914 die Ansichtskarte gewesen ist, die den Leuten ein "Bild" beziehungsweise eine Vorstellung ihres Landes vermittelt habe. [1] Diese Überlegungen gelten nicht allein für das skandinavische Land, sondern auch überall dort, wo die Postkarte populäres Medium des Wissens war. In jedem Fall aber trugen die Karten dazu bei, dass sich Vorstellungen von der Fremde zu bildeten.

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Postkarten erzeugen durch ihre formalen wie medialen Eigenschaften eine gewisse Homogenität (Format, Gliederung der Karte, Nutzungsbedingungen). Diese wird noch verstärkt durch ihre im Allgemeinen eher konservative Ästhetik, die das Angenehme und Harmonische hervorhebt und damit die Ansichten verstehbar und konsumierbar macht. Das schloss Motive mit Unglücken, Katastrophen oder Kriegen keineswegs aus, doch auch diese wurden so zu konsumierbaren Ereignissen. Die Postkarte bildet um 1900 eine Schnittstelle zwischen Fotografie, Print- und Kommunikationsmedien. Sie popularisiert bestimmte Bilder von Heimat und Fremde, ist im Alltag präsent und wird individuell angeeignet und verwendet. Damit ist sie eine vielfältige kulturhistorische Quelle, deren Potenzial in der Forschung gerade erst ausgelotet wird. [2]

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Es muss hier eigentlich nicht mehr betont werden, dass visuelle Quellen wichtige Zeugnisse der Vergangenheit darstellen und dass sich über die Geschichte von Medien Aussagen über "Wahrnehmungen, Wissen und Erinnerung" erschließen lassen, wie es Frank Bösch unlängst formuliert hat. [3]

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Welche Wahrnehmungen und welches Wissen werden also durch fotografisch illustrierte Postkarten um 1900 von Osteuropa vermittelt? Natürlich ist der Begriff "Osteuropa" notorisch unpräzise und auch eine bildhistorische Analyse wird den Begriff nicht präzisieren können (wenngleich sich vielleicht jeweils Sets an visuellen Darstellungen ermitteln lassen, die zu gegebenen Zeiträumen die Assoziation "Osteuropa" bewirkten). Doch die Frage muss spezifischer, am konkreten Beispiel, gestellt werden. Hier werden im Kern zwei Postkarten aus Reval (Tallinn – im weiteren Verlauf des Textes wird die um 1900 gebräuchliche Bezeichnung "Reval" beibehalten) besprochen, die 1899 einem Schweizer Postkartensammler zugeschickt worden sind.

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Eine Analyse dieser Postkarten muss neben einer Diskussion der Postkarte als Medium einerseits die Objektbiographie [4] einschließen (Produktion, Distribution und Aufbewahrung), dann sich der medialen und kommunikativen Eigenheiten der Postkarte annähern und schließlich bildanalytisch der fotografischen Illustration zu Leibe rücken. Am Ende sollen Überlegungen stehen, die zukünftige bildhistorische Analysen anregen können.

I. Die Postkarte und Fotografie

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Die Bedeutung der Postkarte lässt sich durch wenige Zahlen belegen: Um 1900 wurden allein in Deutschland über 950 Millionen Karten versendet. Statistisch gesehen verschickte damit jeder Deutsche im Jahr 15 Karten; in England waren das bei 400 Millionen Sendungen pro Person knapp zehn. Auch wenn Statistiken alle per Post versendeten Karten (also auch solche ohne Abbildungen) enthielten, verdeutlichen die Zahlen den Alltagscharakter der Postkarte. Der Wiener Publizist Karl Kraus spottete schon 1899 in der Fackel  [5] über die Manie, ständig Postkarten zu versenden, die selbst Dienstboten befallen habe. Diese universelle Verfügbarkeit war ein wichtiges Element für den Erfolg der Postkarte überhaupt.

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In den folgenden Überlegungen zur Fotografie auf Postkarten als historischer Quelle soll für die globalen Gemeinsamkeiten aller Postkartenproduktion sensibilisiert werden, die durch eine gleichbleibende Form, Materialität und Ikonizität entstanden. Die Homogenität der Postkarte ergab sich schon aus der Vereinbarung des Weltpostvereins in Bern 1878, [6] der aus der frankierten Karte mit relativ festen Maßen ein quasi weltweit standardisiertes Postvertriebsstück machte. Auch die Fotografie, die ab Mitte der 1890er Jahre zunehmend zur Illustration von Postkarten eingesetzt wird, [7] kann durchaus als eine universelle visuelle Form gelten; sie verbreitet sich im 19. Jahrhundert unglaublich rasch und variiert scheinbar wenig – größer ist die Varianz im individuellen Umgang und der Interpretation durch Gebrauch und Beschriftung.

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Die Universalität der Form zeigt sich gerade bei den für die Postkartenproduktion relevanten fotografischen Bildgenres: [8] Architektur, Stadtansicht, Landschaft, Porträt. Sie folgen einem eher statischen ästhetischen Kanon, der sich seit der Frühen Neuzeit herausgebildet hatte und wenig variiert wird. Eine Ausnahme bildet die Motivwahl. Was in vorfotografischer Zeit nicht abgebildet wurde, erfährt durch die Fotografie nun potenziell Aufmerksamkeit. Die unspektakulären Ansichten von Straßenzügen, Gemeindekirchen, öffentlichen Gebäuden, Cafés, Kneipen oder Vergnügungsstätten jenseits der Stadtzentren werden wie die bekannten Monumente und Ansichten abgelichtet und als Postkarte produziert. Auch diese Bilder folgten in Bildaufbau und Ausschnitt den gängigen Formen, vermieden ungewöhnliche Perspektiven oder Aufnahmewinkel. Üblicherweise ging es um eine repräsentative Darstellung, die den abgebildeten Gegenstand in den Mittelpunkt stellt, gut erkennbar und positiv wiedergibt. Am Beispiel ausgedrückt: Die Nikolauskirche in Köln-Sülz ist um 1910 ebenso als zentraler Bildgegenstand einer Postkarte inszeniert, wie es auf einer zeitgleich hergestellten Postkarte der Kölner Dom ist. Oder: Unter den Linden in Berlin wird als Straßenzug kaum anders auf einer Postkarte dargestellt als der Salierring in Köln: zumeist von einem erhöhten Standpunkt aus als Blick die Straße herunter, gerahmt durch die Gebäude links und rechts der Straße.

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Bei aller Banalität der Postkartenillustration verdeutlichen die eingangs genannten Zahlen außerdem, dass die Bilder ihr Publikum fanden, in den Alltag integriert waren und daher die Vorstellungen von der näheren und ferneren Umgebung mitprägten. Das lässt sich aus ihnen schließen, selbst, wenn keine weiteren Angaben zum individuellen Gebrauch gemacht werden können. [9] Aber zumindest die überindividuellen, normgerechten, gesellschaftlich verankerten Deutungs- und Nutzungsspielräume können markiert werden.

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Selten werden direkt auf den Karten Kommentare zu den Bildern abgegeben. Die Rezeption erschließt sich nicht einfach. Es ist daher ein doppelter Glücksfall, wenn ein früher Sammler von Postkarten darauf Wert legte, dass die Karten tatsächlich postalisch befördert wurden. Die Absender bezogen sich daher in einer Reihe von Fällen auf das Motiv, da es sonst ja (zunächst) keine persönlichen Bindungen gab.

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Um 1900 entstanden teils internationale Netzwerke zumeist bürgerlicher Postkartensammler und -sammlerinnen, die sich gegenseitig große Mengen an Postkarten schickten. Für viele dieser Sammler war diese Leidenschaft nicht bloß ein persönliches Vergnügen. Sie wurde häufig gar in eine kulturell hochwertige Tätigkeit umgedeutet. So ist es auch nicht ungewöhnlich, dass sich bald Vereine von Postkartenliebhabern bildeten, die sich nicht nur über ihren Gegenstand austauschten, Lobbyarbeit bei Postkartenverlegern und Postverwaltungen betrieben und ihr Tun in Vereinszeitschriften immer wieder reflektierten. Für die einen war es ein "Sport", für die anderen ging es um Bildung und wieder andere betonten den völkerverbindenden Charakter ihres Hobbys. [10] Diese Betonung des Nutzens von Postkarten als Bildungs- oder Lehrmittel verrät zusätzlich, dass die Bilder hoch geschätzt wurden und man sie keinesfalls als reine Fantasieprodukte ansah. Die Abbildungen waren für die Sammler wichtig, denn die Ansichten gaben Informationen zu den Orten, erlaubten eine durch Fotograf und Postkartenverleger vermittelte (scheinbare) Augenzeugenschaft, die den Glauben nährte, man würde vermittels der Karte tatsächlich etwas über den fernen Ort erfahren. Zudem – und das war wichtig – traten die Sammler in einen persönlichen Kontakt zu realen Menschen, die an den Orten lebten (oder diese zumindest bereisten), von denen die Karten gesandt wurden. Der Versender der Karte bürgte damit gleichsam für die Ansicht, die er verschickte.

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Die Chance, aus allen Weltgegenden Karten zu beziehen, hatten indes nur wenige Personen. Das systematische Sammeln von Postkarten konnte trotz des geringen Preises einer einzelnen Karte teuer werden. Dennoch sind Postkarten diejenigen fotografischen Bilder, die sehr entfernte Personen jeder sozialen Schicht individuell verbinden konnten und dabei gleichzeitig visuelle Informationen aus der Ferne mitlieferten.

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Wie auch immer die Deutungen ausfielen, Tatsache bleibt, dass mit einem Kommunikationsmedium (Postkarte) persönliche Kontakte geknüpft und aufrechterhalten wurden – auch wenn diese teils überaus oberflächlich blieben. Zudem zirkulierten Bilder, die von Orten, Monumenten, Landschaften und Besonderheiten berichteten, von denen andere Ansichten kaum oder nur schwer in dieser Form greifbar waren. Ohne die Bilder, so sei hier argumentiert, wäre die Sammelleidenschaft anders, das heißt schwächer, ausgefallen. Dass es sich hierbei zu einem Großteil um fotografisch illustrierte Karten handelt, ist – wie beschrieben – kein Zufall. Schließlich war Fotografie um 1900 diejenige Aufzeichnungsmethode, die als die realitätsnächste galt, auch wenn sich die Zeitgenossen der medialen Beschränkungen bewusst waren und mit Retuschen rechneten. Wie die Sammlung Feller, aus der im Folgenden Beispiele herangezogen werden, eindeutig zeigt, sind keinerlei bilderlose Postkarten (die es im behördlichen und geschäftlichen Verkehr häufig gab) in ihr zu finden. Es ging also vor allem um den Austausch von Ansichten zur Erweiterung der jeweiligen Sammlungen.

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Postkarten als Vermittler von Wissen und Vorstellungen, das gilt – ohne dass dies überraschen kann – auch für Postkarten aus Osteuropa. Der international vernetzte Schweizer Postkartensammler Adolf Feller (1876-1931) knüpfte 1899 einen Kontakt nach Reval. Feller war ein Schweizer Kaufmann und besaß ab 1909 eine Fabrik für elektrische Apparate. [11] Er hatte von Berufs wegen transnationale Kontakte und war finanziell unabhängig. Er wohnte außerdem zeitweise fern der Schweiz, so zur Ausbildung von 1897 bis 1900 in England, dann in Italien, wo er 1900-1908 ein Handelsunternehmen mit aufbaute, was zeitgleich mit seiner erwachenden Sammelleidenschaft liegt. Seine Sammlung entstand, indem er weltweit Kontakte zu Gleichgesinnten knüpfte, die ihm schließlich von überall her Karten sandten. Im Austausch schickte er Karten von seinem jeweiligen Aufenthaltsort zurück. [12]

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Auf Anfrage Fellers hin antwortete sein Kontaktmann in Reval, Arthur Gebert (über den nichts weiter bekannt ist): "Bin gerne bereit mit ihnen Karten zu tauschen und sehe ihren z[ukünftigen?]. Zusendungen entgegen. […]" [13] Als Motiv hatte Gebert die Aleksandr-Nevskij-Kathedrale gewählt, die auf dem zentralen Hügel, dem Domberg, in Reval thront und zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz vollendet war (Abb. 1, Bauzeit 1895 bis 1900, Weihe am 30. April 1900). Der Baukörper erhebt sich rechts neben einer diagonal verlaufenden Straße hinter kleinen Bäumen. Ein Gebäude verdeckt die unteren Teile der Kirche, die Türme mit ihren Hauben sind deutlich zu sehen. Schnee bedeckt Straßen und Dächer. Die Fotografie der Postkarte war recht aktuell, wohl erst Winter 1898/99 aufgenommen worden. Es lässt sich noch der Bauzaun ausmachen. Zweifellos war für Gebert ausschlaggebend gewesen, eine Aufnahme des neuesten und spektakulärsten Bauwerks in Reval, das zudem auch noch als Symbol einer Russifizierung gelten konnte, an Feller zu senden, waren die Esten doch protestantisch, wenngleich sich unter ihnen auch bedeutende Minderheiten anderer Konfessionen fanden.

Abb. 1a

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Verlegt war die Karte von "Th. Jacobson" aus Reval. Ganz der Zeit entsprechend war der Aufdruck der Karten durch eine Sprachenmixtur gekennzeichnet: Hier teils russisch, teils französisch, teils deutsch (Vgl. Abb. 1a und 1b). Das entsprach den Konventionen des Weltpostvereins, verdeutlicht aber gleichzeitig die beabsichtigte Internationalität des Objekts. Den Druck der Karte hatte eine deutschstämmige Firma, Scherer Nabholz & Co. aus Moskau besorgt. Diese Kombination eines ortsansässigen Verlegers – der wohl auch für die fotografische Aufnahme gesorgt hatte – mit einer spezialisierten Druckerei fern des Verlagsortes ist im Postkartengeschäft nicht ungewöhnlich. Auch, dass insbesondere deutsche oder deutschstämmige Unternehmen den Markt dominierten, gilt nicht nur für diese spezielle Karte, sondern begegnet um 1900 häufiger.

Abb. 1b

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War schon die Entstehung der Karte gewissermaßen durch große geographische Räume gekennzeichnet (Reval liegt über 1.000 km von Moskau entfernt), so legte sie per Post nochmals eine große Entfernung nach Leicester zurück. An sich ist dies für das Jahr 1900 nicht ungewöhnlich und war für die Beteiligten Feller und Gebert sicherlich reizvoll. Wichtig ist jedoch vor allem, sich die darüber hinaus gehenden Verknüpfungen zu vergegenwärtigen, die auf diese Weise virtuell hergestellt wurden: Der Schweizer Sammler Feller erhielt an seinem Aufenthaltsort in England von einem deutschsprachigen Mann aus Reval eine in Moskau gedruckte Postkarte. Diese zeigt eine recht aktuelle Fotografie eines neu errichteten Monuments in Reval (welches dort eine besondere Bedeutung hatte, derer Feller sich wahrscheinlich nicht bewusst war).

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Dieses Bauwerk war aber vorstellbar, seine urbane Situation begreifbar, auch für jemanden, der Reval nicht kannte. Erzeugt wurde dies einerseits durch die Bildform nebst der Beschriftung einschließlich des Aufdrucks. Die Karte bewegte sich ferner durch einen geographischen Großraum (Ost- plus Westeuropa), der auf diese Weise als verknüpft und gemeinsam erfahren werden konnte. Das wird nochmals deutlich anhand einer weiteren Karte, die Gebert am 14. September 1899 an Feller sendete: "Habe mich sehr über die hübsche Karte gefreut. Die Ähnlichkeit unserer St. Olav [St. Olaikirche, J.J.] Kirche wird Ihnen mit der dortigen St. Mary's Church gewiss auch auffallen." Offenbar bezog sich Gebert hier auf ein Postkartenmotiv, welches Feller ihm aus Leicester geschickt hatte. Dies hatte die Assoziationen ausgelöst, die er auf seiner Antwortkarte vermerkte. [14] Tatsächlich sind die Türme beider Kirchen einander recht ähnlich, sodass sie wie verwandte Bauwerke wirken. Und genau solche Assoziationen von Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten wurden durch fotografische Postkarten gefördert. Leicester und Reval rückten auf diese Weise "enger" zusammen. Dadurch wurde der Eindruck verstärkt, in einem gemeinsamen sozialen wie kulturellen Raum zu agieren. Unterschwellig verstärkten Postkarten die Überzeugung, so ließe sich überspitzt formulieren, dass die Welt für Europäer verfügbar und formbar sei.

Abb. 2a

Abb. 2b

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Postkarten sind insgesamt ebenso ein Medium, welches Ähnlichkeiten zeigen kann, wie auch ein Mittel, das Unterschiede suchen lässt. Ersteres wurde schon durch die Motivwahl begünstigt: Sakralbauten waren (und sind noch heute) wichtige Postkartenmotive; sie verweisen auf einen christlich-abendländischen Kontext, auf Gemeinden als Grundeinheit von Siedlungen, vermitteln Ideen von Zivilisation, teils – je nach baulicher Situation – von Urbanität. Damit wird ein Grundmuster bestätigt, welches für den europäischen Siedlungsbau typisch ist und sich auch in den Kolonien und ehemaligen Kolonien europäischer Staaten spiegelt.

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Bei aller Betonung von Ähnlichkeit, die sich nicht nur aufs Motiv beschränkt, sondern durch die Form der Postkarte bereits angedeutet ist, vermögen Postkarten aber auch durchaus Unterschiede zu vermitteln. Schließlich war eine Idee des Postkartensammelns, möglichst viele verschiedene Ansichten der Welt zu erhalten. Dies aber – wie nun schon mehrfach betont – in einer sehr ähnlichen Form. Dafür stand das Bild der Aleksandr-Nevskij-Kathedrale. Dieser russisch-orthodoxe Bau dürfte schwerlich seine Entsprechung in Leicester gefunden haben, blieb aber trotz seiner Andersartigkeit vorstellbar.

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Die Postkarte legte zudem die allgemeine Zugänglichkeit der Ansichten nahe, hob die potenzielle Verfügbarkeit der Bilder für jeden hervor. Darüber hinaus konnten sie vorhandenes Wissen bestätigen oder ergänzen sowie Wünsche verdeutlichen, so wie es ein weiterer Korrespondenzpartner Fellers, der in Buenos Aires ansässige Engländer John Uteda, 1905 ausdrückte: "Dear Sir, I am very pleased with the views you have sent me as they confirm the opinion I had of your country. It would be a luck if some day I am able to see by myself." [15] Hier wird nochmals deutlich, dass die fotografische Ansicht gleichsam als Beweis, als wahrhaftige Ansicht galt, der man vertrauen konnte.

II. Medium Postkarte

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Es wäre sicherlich zu einfach, die Postkarte auf ein rein westeuropäisches Phänomen zu reduzieren, welches allein entsprechende Sehweisen und Blickregime reproduziert – also gleichsam dem dargestellten Objekt und den lokalen Bildproduzenten jeglichen "Eigensinn" abspricht. Postkarten (wie auch zahlreiche andere populäre Bildformen) sollten aber als eine adaptionsfähige, globale Repräsentationsform angesehen werden, die zwar durchaus ihren europäisch-westlichen Ursprung transportierte, generell aber in ihren Nutzungs- und Rezeptionsmöglichkeiten nicht darauf beschränkt blieb.

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Im Fall Osteuropas (oder auch Südamerikas) lassen sich aus den zirkulierenden Bildern grundsätzliche Einstellungen gegenüber dem Kontinent (oder Teilen davon) destillieren. Dass dies als ein transnationaler Prozess zu verstehen ist, indem sich die mediale Wirklichkeit und damit die Vorstellungswelten im Austausch zwischen Objekt, Bildproduzent, Bildnutzern und Rezipienten gleitend und veränderlich bildeten, zeigt sich hier. Bilder – und gerade marktgängige Bilder – waren Bestandteil wie Indikator dieser Austauschprozesse, die auf diese Weise deutlich nachzuverfolgen sind.

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Auch wird die inhaltliche Ebene greifbar. Indem Bilderproduzenten und Rezipienten in einem Verhältnis von Nachfrage und Angebot stehen (ohne dies rein ökonomisch zu begreifen), zeigen die Bilder auch thematische Orientierungen und Ausrichtungen des Kommunikationsflusses, wie er durch den Medienwandel seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestimmt wurde. Das heißt, dass viele Postkartenmotive auf jeden Fall an gängigen Geschmacksmustern orientiert sind, sie also oftmals zeigen, was einem breiteren gesellschaftlichen Konsens entsprach.

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Es ist wichtig, anstatt von einem autonomen Bildautor auszugehen (etwa einem einzelnen Fotografen oder Grafiker), sich verstärkt mit den "Verteilern" von Bildern zu befassen. Dies waren im 19. und frühen 20. Jahrhundert vor allem Bildagenturen, deren Kataloge und Anzeigen, sowie Gelehrte oder Kaufleute, die sich länger vor Ort aufhielten. Unter "Bildagentur" ist hier eine unternehmerische Form zu verstehen, die den Zweck verfolgt, Bildmaterial an Unternehmen, Forschungsinstitutionen oder Privatpersonen zu verkaufen. Das sind nicht allein Agenturen nach heutigem Verständnis (wie etwa Getty oder Corbis), sondern häufig auch einzelne Bilderhändler oder Fotografen, die dies als Haupt- oder Nebenerwerb betrieben.

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Mit Gelehrten und Kaufleuten sind jene Personen gemeint, die auf Forschungsreisen oder durch längere (teils jahrelange Aufenthalte) eine Vielzahl an Objekten und Bildern in ihre Herkunftsländer vermittelten. Hier werden die transnationalen Aspekte nochmals deutlich. Wie schon anhand der Karten aus Reval gezeigt, lassen sich solche Beziehungen schon am Objekt nachweisen. Ein weiteres Beispiel soll dies nochmals genauer darlegen.

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Es ist ein Beispiel aus Südamerika, welches aber möglicherweise seine Entsprechung in Osteuropa finden kann, da auch dort deutsche Forscher und Wissenschaftler Anteil am Aufbau von gelehrten Institutionen oder universitären Einrichtungen hatten. [16] Der deutsche Anthropologe Robert Lehmann-Nitsche betrieb in argentinischen Diensten Forschungen und war ab 1897 am Forschungsinstitut des Museo de La Plata (La Plata) Leiter der Abteilung Anthropologie. Er fotografierte und kaufte Fotografien von Indigenen an, verbreitete die Ergebnisse einerseits in der wissenschaftlichen Gemeinschaft innerhalb Argentiniens, dann aber auch in einem weitgespannten deutsch-europäischen Netzwerk. [17] Zudem kooperierte er mit einem kommerziellen Postkartenverleger, Robert(o) Rosauer, der aus Österreich-Ungarn stammte. [18] So wurden die zunächst als anthropologische Befunde aufgefassten Bilder einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Rosauer war nicht irgendein Verleger in Buenos Aires, sondern um 1900 einer der wichtigsten und erfolgreichsten Postkartenproduzenten im Land.

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Die Tatsache, dass Postkarten nicht allein als Grußkarte oder Reisesouvenir versendet wurden, sondern durchaus genutzt wurden, um anthropologische Forschungserträge zu kommunizieren, war keine südamerikanische Spezialität. Die sogenannte "Typenfotografie" [19] war ethnologischen Ursprungs und hatte den Zweck, Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen in ihrer alltäglichen Kleidung (gegebenenfalls mit Arbeitsgeräten) und in ihrer "normalen" Umgebung zu dokumentieren. [20] Aus dieser Praxis entstand ein populäres Postkartengenre, welches von der Darstellung indigener Menschen aller Kontinente bis hin zu Trachtenbildern reichte. Hier ist nachweisbar, dass der Übergang vom "Forscher" zum Bildagenten fließend sein kann. Wenn nun noch die Nutzerebene betrachtet wird, so erschließt sich die Vielschichtigkeit der Effekte, die eine Fotografie von indigenen Gruppen oder lokaler Architektur mit sich bringen konnte. Zu denken wäre dabei an die potenzielle Versendung der Postkarte (oder einer Fotografie) von jedem beliebigem Ort in alle Welt, genauso wie an deren Aufnahme in – teils private, weltweit angelegte – anthropologische Sammlungen. In der popularisierten Form als Postkarte werden Bildinformationen transportiert, die ohne weitere Kenntnis der geographischen Verhältnisse nicht mehr zuzuordnen waren.

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Folgende Leitfragen könnten hieraus abgeleitet werden: Wie wirkten die nun mehr und mehr fotografisch produzierten Bilder aus Osteuropa auf Vorstellungswelten vor Ort oder in Westeuropa ein? In welchem Verhältnis standen sie zu den grafischen Abbildungstraditionen? Veränderte sich der "Stellenwert" Osteuropas im Rahmen der europäischen Aufmerksamkeitsökonomie? Veränderten sich die "Bilder" Osteuropas innerhalb der einzelnen Länder und Regionen – wurden sie differenzierter, vielfältiger? Hierbei ist die Binnendifferenzierung innerhalb der Länder zu berücksichtigen, die durch große Unterschiede im Zugang zum globalen Verkehrs- und Kommunikationsnetz gekennzeichnet war. Es ist aber auch zu bedenken, dass man die Medien als Kontaktzone, als "Third Space" (Homi Bhabha) betrachten kann, in denen sich Dichotomien auflösen bzw. die teilnehmenden Elemente in neue (gleichwohl fragile) Ordnungen zusammengeführt werden. [21]

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Und daran anschließend drängt sich die Frage auf, welche Identitätsentwürfe und -konstruktionen vor allem visuell gestützt – also mit einer besonderen Evidenz versehen – vorgenommen wurden.

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Die einströmende Vielfalt der Bildeindrücke vermittelte einerseits die Vorstellung davon, nun erstmals scheinbar umfassende Kenntnis der fernen Gegenden zu gewinnen. Andererseits mag gerade dadurch die Ausschnitthaftigkeit des Abgebildeten deutlicher hervorgetreten sein. Die Vielfalt der Bilder verwies aber auch auf das bislang Nicht-Abgebildete, Unbekannte, Fremde. Das konnte neugierig machen auf weitere Bilder, aber auch Wünsche nach eigener Erfahrung bestärken – so wie es 1905 John Uteda (bezogen auf die Schweiz) ausgedrückt hat. An dieser Stelle kann nur auf die Rolle der wachsenden Tourismusindustrie hingewiesen werden, die an positiv besetzten Bildern von Reisezielen großes Interesse hatte. Sie war geradezu darauf angewiesen, solche Bilder zu erzeugen und zu verbreiten, um die Menge potenzieller Reiseziele zu vermehren. Wichtig ist aber in jedem Fall die spezifische Medialität der fotografischen Postkarte, die meines Erachtens diese Effekte erst zur Entfaltung brachte:

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Zum einen sei – nochmals – auf die Tatsache hingewiesen, dass Fotografie als das wahrheitsgetreueste Medium mit einem Anspruch auf Evidenz versehen war, verstärkt durch die Bürgschaft des Versenders (wahlweise auch abgeschwächt, sollte dieser sich kritisch über die Darstellung äußern). Zweitens, die Karte als ästhetisches Objekt war mit Anspruch auf Wohlgefallen und Begehren (zuweilen auch Exotik und Erotik) versehen. Sie war so konzipiert, dass sie vergleichsweise einfach zu konsumieren war, kein komplexes Vorwissen erforderte und daher möglichst allgemein verständlich war. Dazu dienten auch begleitende Beschreibungen, die Ort und Ansicht kurz kennzeichneten. Als Sammlerobjekt konnte die einzelne Karte als wichtiger Teil eines Ganzen begriffen werden und besaß eine emotionale Qualität.

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Insgesamt ergab sich durch die große Verbreitung der Postkarte eine Kommunikationsverdichtung. Durch Produktion, Distribution und Versand wurde ein Eindruck von Gleichzeitigkeit und Zugehörigkeit zu einer größer gewordenen Welt vermittelt. Hierbei kommt in meinen Augen gerade der Vermittlung visueller Eindrücke eine besondere Bedeutung zu. Zuvorderst die den fotografischen Medien eigentümliche Form der vermittelten Augenzeugenschaft produziert den Effekt des quasi "Dabei-Seins" oder besser: des potenziellen "Dabei-Seins". Allerdings ist dies keine naive Position. Denn sie ist abgefedert durch das Bewusstsein, dass es sich um eine mediale Vermittlungsform handelt.

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Allerdings stehen die "modernen" Bildmedien in einem visuellen Zusammenhang mit älteren Darstellungen. Sie nehmen auf sie Bezug, teils bewusst, oft unbewusst. Auf diesen Zusammenhang haben Horst Bredekamp und Gerhard Paul oft verwiesen. [22] Damit ist angesprochen, dass die Bildformen und Motive nicht gänzlich "neu" aufgrund eines Medienwandels entstehen, sondern in ihren Bedeutungsmöglichkeiten stets in Verbindung mit älteren Darstellungen betrachtet werden müssen. [23] Trotz solcher Zusammenhänge ist dennoch offensichtlich, dass mit der explosionsartigen Erweiterung bildmedialer Möglichkeiten ab Mitte des 19. Jahrhunderts sowohl die Menge als auch das Spektrum der Bilder erheblich verbreitert wurde.

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Dabei wurden ältere Bildtraditionen aufgenommen, aber durch alternative Bilder relativiert. Und dafür sind fotografische Verfahren besonders wichtig: Sie besitzen Evidenz, gelten – jedenfalls bei Klarheit über die Herkunft des Bildes – als zuverlässige Informationen über ihren Gegenstand. Das ist bei der Postkarte oft sehr transparent. Oft werden neben dem Absender noch Bildautor (Fotograf), Verlag, manchmal auch die Druckanstalt genannt. Sie stellen moderne Kommunikationsinstrumente dar, die intensiv kommunikativ-medial verflochten sind. Welche Beobachtungen oder Effekte lassen sich nun durch den medialen Wandel bezüglich dessen, was in Europa/Deutschland von "Osteuropa" präsent war, exemplarisch am Beispiel Reval skizzieren? Es sind im Wesentlichen fünf Punkte:

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1. Mit Fotografie und Postkarte kommt es zu einer Vervielfältigung visueller Vermittlungsformen. Die Zugänglichkeit von Bildern mit einem hohen Realitätsanspruch erhöht sich, immer breitere gesellschaftliche Schichten können daran teilnehmen.

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2. Die Motivpalette verbreitert sich. Das ist auf Reval bezogen zunächst nicht mehr als eine Vermutung, doch allgemeine fotografiehistorische Befunde legen dies durchaus nahe, da das Bilderspektrum sich allgemein in jeder Weltregion erweitert hat, die von Fotografie und Postkarte "abgedeckt" werden. [24] Gleichzeitig kann es zu einer Verstärkung dichotomischer Betrachtungen kommen. So kann in der Repräsentation Revals auf der einen Seite die "typische" europäische Stadtkultur inklusive aller Sakral- und Profanbauten hervorgehoben werden. Auf der anderen Seite können die (relative) Fremdheit estnischer Natur, die ethnische Besonderheit des ländlichen Estland als Kontraste hervorgehoben werden – auch wenn Estland hier sicherlich nicht das beste Beispiel für ein solch dichotomisches Bild Osteuropas abgibt. [25]

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3. Wie die Staaten Südamerikas werden auch osteuropäische Länder als Regionen ökonomischer, teils auch kolonialer Möglichkeiten in Szene gesetzt. Darin spiegelt sich etwas, das als eine grundsätzlich "koloniale Haltung" bezeichnet werden kann. Denn die ökonomischen Potenziale werden vor allem im Hinblick auf (west)europäische Investition gesehen, nicht so sehr als eigene Entwicklungsfähigkeit. Aber die genannten Regionen sind auch Orte vordergründig "neutralen" wissenschaftlichen oder kulturellen Interesses sowie hinsichtlich ihres eigenen großen Potenzials (kultivierbare Natur) im Blickfeld. Dieses ist nicht auf Europa beschränkt, sondern spiegelt auch die ambivalente Selbstwahrnehmung innerhalb Osteuropas oder Südamerikas – damit ist die mediale Bilderwelt ein echter Grenzraum, in dem beides gleichermaßen präsent ist und aufeinandertrifft.

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4. Die vermittelte Augenzeugenschaft rückt das Baltikum näher an das eigene Leben, macht es vorstellbarer, zugänglicher, scheinbar verständlich, da sich gerade in den Postkartenwelten die Ähnlichkeiten zum Vertrauten leichter erkennen lassen als die Unterschiede. Zwar birgt dies ein kritisches Potenzial durch die Anregung zu Vergleichen und dem Hinterfragen bisheriger Vorstellungen, doch wird im Ergebnis die Zugehörigkeit zur eigenen Erfahrungswelt nicht infrage gestellt.

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5. Insgesamt führt die mediale Erweiterung der kommunizierten Inhalte in ihrer Gesamtheit zu einer Verbreiterung des Wissens – hier als die Gesamtheit dessen aufgefasst, was als gesicherte Erkenntnis der Welt gilt. Und gleichzeitig kann damit das Bewusstsein für Wissenslücken geschärft werden, denn die Alltagserfahrung der Zeitgenossen umfasst auch die Einsicht, dass nicht alles im Alltag Sichtbare (an Gebäuden, "Typen", geographischen und topographischen Eigentümlichkeiten) abgebildet wird. Anders ausgedrückt: Jede Postkarte einer Kirche macht deutlich, dass man über Straßen und Gebäude jenseits der Bildränder nichts erfährt, sie aber dennoch vorhanden sind. So schaffen die Postkarten eine Erweiterung der Welt, die für die Vorstellungen eben dieser Welt eine Rolle spielte. Gerade in ihrer Banalität steckt das große Potenzial für die Forschung.

Autor:

PD Dr. Jens Jäger
Heisenberg-Stipendiat
Universität zu Köln
Historisches Institut
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
E-Mail: jens.jaeger@uni-koeln.de



[1] Diesen Hinweis verdanke ich Anne-Kathrin Heinen, Universität zu Köln, die an einem Projekt zur schwedischen Postkarte arbeitet. Pelle Snickars: Svensk film och visuell masskultur 1900, Stockholm 2001, 95; Download des Buches möglich unter: URL: http://pellesnickars.se/index.php?id=91 <13.08.2011>.

[2] Zum Beispiel Timm Starl / Eva Tropper (Hg.): Zeigen, grüssen, senden – Aspekte der fotografisch illustrierten Postkarte, 2010 (= Fotogeschichte 30, Nr. 118, 2010); Anett Holzheid: Das Medium Postkarte. Eine sprach- und kulturwissenschaftliche Studie (Philologische Studien und Quellen), Phil. Diss., Berlin 2011; Christraud M. Geary / Virginia-Lee Webb (Hg.): Delivering Views. Distant Cultures in Early Postcards, Washington D.C. / London 1998; Karin Walter: Die Ansichtskarte als visuelles Massenmedium, in: Kaspar Maase / Wolfgang Kaschuba (Hg.): Schund und Schönheit. Populäre Kultur um 1900, Köln / Weimar / Wien 2001, 46-61; Enrico Sturani: Das Fremde im Bild. Überlegungen zur historischen Lektüre kolonialer Postkarten, in: Fotogeschichte 21 (2001), H. 79, 13-24.

[3] Frank Bösch: Mediengeschichte, Frankfurt a. M. 2011, 7.

[4] Vgl. hierzu Elizabeth Edwards: Thinking materially / Thinking relationally, in: Michael Albrecht / Veit Arlt / Barbara Müller / Jürg Schneider (Hg.): Getting Pictures Right. Context and Interpretation (= Topics in African Studies 3), Köln 2004, 11-23.

[5] Karl Kraus: Zuckersteuer auf Ansichtskarten, in: Fackel (1899), H. 14, 12-14.

[6] Karin Walter: Postkarte und Fotografie. Studien zur Massenbild-Produktion, Würzburg 1994: Holzheid: Das Medium Postkarte (wie Anm. 2).

[7] Walter: Die Ansichtskarte als visuelles Massenmedium (wie Anm. 2), 52f.

[8] Vgl. Jens Jäger: Fotografie und Urbanität. Die Stadt vor der Kamera im 19. Jahrhundert, in: Tonis Liibek (Hg.): Modus vivendi III - das Bild der Stadt von 17. bis 19. Jahrhundert (= Vana Tallinn XXI), Tallinn 2010, 320-331.

[9] Die Nutzungsbandbreite dürfte – analog zu Briefen – sehr breit sein. Karten wurden gesammelt, als Wandschmuck verwendet, in Alben geordnet; sie wurden für den Schulgebrauch als Lehrmittel empfohlen und auch als Instrument allgemeiner Bildung wahrgenommen. Vgl. hierzu nur eine von zahllosen Stimmen: Jules Ally: Les cartes postales illustrés et L'Exposition, in: L' Exposition de Paris (1900), Bd. 2, Paris 1900, 99.

[10] Felix Axster: Die Welt sammeln. Strategisches Potenzial der Sportsemantik um 1900, in: Felix Axster / Jens Jäger / Kai Sicks / Markus Stauff (Hg.): Mediensport. Strategien der Grenzziehung, München 2009, 107-125.

[11] Zur Biographie Fellers vgl. Thomas Fuchs: Feller, Thomas, in: Historisches Lexikon der Schweiz, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D31337.php <31.07.2011>.

[12] Diese Leidenschaft sollte mehrere Jahrzehnte anhalten und sich auch auf seine Tochter übertragen. Am Ende hatten sich etwa 54.000 Karten aus jeder Weltgegend angesammelt, die Fellers Erben in den 1970er Jahren der Eidgenössisch-Technischen-Hochschule Zürich übereigneten. Die Sammlung Feller ist meines Wissens eine der größten gegenwärtig über das WWW frei zugänglichen privaten Postkartensammlungen.

[13] Der Text geht noch weiter. Er lautet: "Ist es ein Verwandter von Ihnen, der 1896/97 in Leipzig als Einj[ährig]. Freiw[illiger]. gedient hat?" Damit wird von Gebert auch ein persönlicher Bezug gesucht. Über die Antwort auf die Frage sind wir nicht informiert.

[14] Auch hier ist der Verleger: Th. Jacobson, Reval, Druck: Scherer Nabholz & Co., Moscow, Fotografie: E. Iwanow. Auch hier die sprachliche Vielfalt der Karten: Russisch, Deutsch, Französisch.

[15] John Uteda an Adolf Feller, 24. Juli 1905, ETH Zürich - http://www.e-pics.ethz.ch/index/ETHBIB.Bildarchiv/ETHBIB.Bildarchiv_Fel_038701-AL-RE_176043.html <5.8.2011>.

[16] Als Beispiel schon für das 18. Jahrhundert kann herangezogen werden: Andreas Renner: Russische Autokratie und europäische Medizin: organisierter Wissenstransfer im 18. Jahrhundert, Wiesbaden 2010.

[17] Kathrin Reinert: Vernetzung durch Visualisierung. Wissenschaftliche Fotografie bei Max Uhle und Robert Lehmann-Nitsche (1892-1933)?, in: Thomas Bremer / Susanne Schütz / Martina Bender (Hg.): GILCAL-Arbeitspapiere zur Iberoromanischen Literatur- und Kulturwissenschaft, Band (8), Halle (im Druck).

[18] Ein weiterer wichtiger Postkartenverleger, Jacobo Peuser (Jakob Peuser), kam aus einer deutschen Einwandererfamilie.

[19] Paul Hempel: Facetten der Fremdheit. Kultur und Körper im Spiegel der Typenphotographie, in: ders. / Hans-Peter Bayerdörfer / Bettina Dietz / Frank Heidemann (Hg.): Bilder des Fremden. Mediale Inszenierungen von Alterität im 19. Jahrhundert (= Kulturgeschichtliche Perspektiven 5), Berlin 2007, 177-205; vgl. auch Henrick Stahr: Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter 1919-1939, Phil. Diss., Hamburg 2004.

[20] Vgl. Gustav Fritsch: Praktische Gesichtspunkte für die Verwendung zweier dem Reisenden wichtigen technischen Hilfsmittel: Das Mikroskop und der photographische Apparat, in: Georg Balthasar von Neumayer (Hg.): Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, Bd. 2, 3. völlig umgearbeitete und vermehrte Auflage, Hannover 1906, 777-779.

[21] Vgl. zum Konzept des "Third Space" Doris Bachmann-Medick (Hg.): Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek 2006, 284-328, besonders 297ff.

[22] Vgl. Horst Bredekamp: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2007, Frankfurt a. M. 2010; Gerhard Paul (Hg.): Das Jahrhundert der Bilder (Bde. 1 & 2), Bonn 2009/2010.

[23] Das lässt sich für das Beispiel Südamerika inzwischen gut nachvollziehen. Vgl. dazu Susanna Burghartz (Hg.): Berichten, Erzählen, Beherrschen. Wahrnehmung und Repräsentation in der frühen Kolonialgeschichte Europas, Frankfurt a. M. 2003; dies.: Inszenierte Welten. Die west- und ostindischen Reisen der Verleger de Bry, 1590-1630, Basel 2004; Christian Kiening: Das wilde Subjekt. Kleine Poetik der Neuen Welt (= Historische Semantik 9), Göttingen 2006; Teresa Pinheiro: Aneignung und Erstarrung: die Konstruktion Brasiliens und seiner Bewohner in portugiesischen Augenzeugenberichten 1500-1595, Stuttgart 2004.

[24] Jens Jäger: Plätze an der Sonne? Europäische Visualisierungen kolonialer Realitäten um 1900, in: Claudia Kraft / Alf Lüdtke / Jürgen Martschukat (Hg.): Kolonialgeschichten, Frankfurt a. M. 2010, 160-182; ders.: "Heimat" in Afrika. Oder: die mediale Aneignung der Kolonien um 1900, in: zeitenblicke 7, Nr. 2, [01.10.2008] URL: http://www.zeitenblicke.de/2008/2/jaeger/index_html , URN: urn:nbn:de:0009-9-15447 <05.08.2011>. Vgl. auch die Projektseite des DFG-Projekts Visionen und Visualisierungen. Südamerika in Bildmedien des 19. und 20. Jahrhunderts, http://www.phil-fak.uni-koeln.de/index.php?id=5679 <05.08.2011>.

[25] Vgl. hierzu Tõnis Liibek: Estonica: Heinrich Tiidermanni fotoalbum (Heinrich Tiidermann's Photoalbum), Tallinn 2009.

Empfohlene Zitierweise:

Jens Jäger : Globalisierte Bilder – Postkarten und Fotografie. Überlegungen zur medialen Verklammerung von "Ost" und "West" , in: zeitenblicke 10, Nr. 2, [22.12.2011], URL: https://www.zeitenblicke.de/2011/2/Jaeger/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-31938

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