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Abstract

Die Wirkungszone der französischen Jesuitenmission im frühneuzeitlichen Südindien lag größtenteils jenseits der Einflusszone der französischen Handelskompanie. Deshalb mussten die Patres sich umso mehr an die Verhältnisse ihrer Umgebung anpassen (Akkommodation) und wurden zu Grenzgängern. Ihr Wirken wurde in verschiedenen Briefsammlungen veröffentlicht. Der Aufsatz untersucht, welche Art von Grenzen die Missionare in diesen Darstellungen überschritten werden konnten und wie die Jesuiten sich dadurch selbst verorteten. Vier Grenzen werden beschrieben: 1. die Grenze durch die Lebensweise, 2. die moralische, 3. die soziale und schließlich 4. die religiöse. Die Definitionsmacht über die ersten drei lag bei den indischen Eliten; durch sie wurde die Grenze Europäer-Inder konstruiert. Sie konnte und musste sogar im Gegensatz zur Grenze Christ-Nichtchrist überschritten werden, um missionarisch erfolgreich zu sein. Diese Abgrenzung von einer europäischen Identität zeigt zum einen, dass die Relevanz einer europäischen Identität historisiert werden muss, und zum anderen, dass Mission nicht immer als Zivilisierung Verstanden werden konnte.

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Eines Tages, um die Wende zum 18. Jahrhundert, betraten im südindischen Pondicherry drei Soldaten der französischen Ostindienkompanie eine Jesuitenkirche, die vor allem für neubekehrte indische Christen eingerichtet worden war. Die drei Soldaten wurden unter dem Vorwand, der Gottesdienst fände erst später statt, weggeschickt. Misstrauisch versteckten sie sich im hinteren Teil der Kirche und konnten von dort aus eine seltsame Zeremonie beobachten: Der Priester betrat mit seiner üblichen Kleidung, dem Chorhemd, der Stola und dem Manipel, den Altarraum und legte sich vor dem Altar auf den Boden. Im Anschluss fielen alle Neubekehrten vor ihm auf die Knie, beugten ihren Kopf dreimal bis zum Boden und küssten beim vierten Mal den großen Finger des Priesters. Befremdet verließen die Soldaten die Kirche, eilten zu den Kapuzinern, dem anderen in Pondicherry wirkenden Missionsorden, und erzählten einem der Patres von der beobachteten Zeremonie. Sie betonten, so etwas, wie das dort von den Jesuiten Aufgeführte, hätten sie noch nie gesehen. [1]

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Die Art der Jesuiten, die Messe zu feiern, erschien ihnen seltsam, fast häretisch, zumindest die katholische Praxis verfälschend. So zeichnet diese Geschichte, die sich in der Storia do Mogor, der vierbändigen Indienbeschreibung des Italieners Niccolo Manucci findet, ein wenig freundliches Bild von der Jesuitenmission in Südindien. Hintergrund der den französischen Soldaten so seltsam erscheinenden Praxis war eine jesuitische Missionsstrategie, die in der Literatur meist als 'Akkommodation' bezeichnet wird und eine Anpassung der Jesuiten an ihre Umgebung beschreibt. Bereits die Verfassung des Jesuitenordens wies die Priester an, sich in Nahrung, Kleidung und Lebensweise danach zu richten, was die sie umgebende Gesellschaft als angemessen für ehrenwerte Priester ansah. [2] Doch in der Asienmission entwickelten sich Formen, die über eine einfache Anpassung hinausgingen. [3] Von Alessandro Valignano für Japan entwickelt, wurde diese Strategie vor allem für China bekannt, wo sie mit dem Namen Matteo Ricci verbunden ist; zu Beginn des 17. Jahrhunderts schuf der italienische Jesuit Roberto de Nobili für den indisch-brahmanischen Kontext etwas Vergleichbares.

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Aus jesuitischer Perspektive klingen Beschreibungen dieser Praxis freundlicher als im Eingangsbeispiel aus der Feder Manuccis. Vor allem werden sie aber als Notwendigkeit für eine erfolgreiche Indienmission dargestellt. Der französische Jesuit Pierre Martin, der im Mittelpunkt dieses Aufsatzes steht, vergleicht in einem Brief aus dem Jahre 1708 die alte Form der Mission in Indien, bei der die Jesuiten als Europäer und in ihrem gewohnten schwarzen Kleid auftraten, mit der von Roberto de Nobili in Indien eingeführten Akkommodationsstrategie, der zufolge "die Unserigen, weil die Europäer allhier verhasst und verachtet sind, sich in der Kleidung, Nahrung, Sitten und in allen übrigen Sachen/so viel es der christliche Glaub zulässt, fürhin sollten aufführen, wie die Indianische Brachmänner und Sanias oder Heydnische Ords-Geistliche". [4] Diese Veränderung habe vielen Patres zunächst nicht gefallen, doch sie habe sich als erfolgreich erwiesen.

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In seinem Brief erzählt Martin weiter, wie er die indische Westküste bereist und dort auch Pater Emmanuel Lopez besucht habe, den letzten Jesuiten "so sich in Malabarien in einem solchen Kleid, als wir in Europa tragen, hat sehen lassen". Als Emmanuel Lopez nach Indien gekommen war, war Nobilis Missionsstrategie erst dabei, sich unter den Jesuiten durchzusetzen. Er verweigerte sich ihr, was ihn nun – so fuhr Martin fort – reute, "sintemal er um dieser Ursach willen sich in Malabarien, allwo er als Europäer bekannt ist, nicht darff blicken lassen, auf dass er nemlich unsere Missionarios allda nicht um all ihre Ehre und Ansehen bringe, welches zweiffels ohne erfolgen würde, wann die Indianer vermercken sollten, daß sie mit einem Europäer Gemeinschaft pflegten". [5]

<5>

So führte Emmanuel Lopez, der als Europäer und Jesuit erkennbare Missionar, ein einsames Leben und war sogar aus der Gemeinschaft der Jesuiten mehr oder weniger ausgeschlossen, die sich 'angepasst' hatten und als "Sanias aus dem Norden" [6] verkleidet im Landesinneren missionierten.

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Mission und noch mehr die Missionsstrategie, die de Nobili entwickelt hatte, bedeuteten vielfältige Grenzüberschreitungen. Das Überschreiten von Grenzen und die Konflikte, die daraus entstehen, sind produktive Situationen mit Blick auf die Herstellung von Sinn und von Identität. Identität oder die Illusion kultureller Stabilität bildet nach wie vor oder sogar wieder verstärkt ein Gegengewicht zu den vielen Studien, die die Kontingenz und Instabilität von Kultur betonen. [7] Dem Phänomen der Grenzgänger, Go-Betweens, Brokers wird vor allem deshalb in der Forschung besondere Aufmerksamkeit zuteil, weil sie die zentralen Träger der Zirkulation von Wissen und Waren sind. Darüber hinaus sind sie aber auch langfristig liminale Figuren, denn sie überschreiten die Grenzen immer wieder, sind dadurch doppelt entfremdet. [8] Dadurch werden diese Figuren im Sinne Turners gefährlich oder zumindest mehrdeutig. [9] Die Gefährlichkeit der Grenzgänger begründen Andreas Höfele und Werner Koppenfels mit deren Verharren in einer bicultural oder biconceptual reality. [10] Es ist zu überlegen, ob es nicht ebenso ihre Existenz jenseits der festgefügten Gruppenkonstruktionen war, die gefährlich erschien. Denn transkulturelle Akteure stellen die sicher geglaubte Gruppenidentität in Frage. [11]

<7>

Diese Gefährlichkeit und Verunsicherung muss umso mehr für frühneuzeitliche Missionare gelten, denn ihr Grenzgängertum berührte die existenzielle Grenze zwischen den Religionen und damit zwischen Heilsgewissheit und Verdammnis. In einer transkulturellen Perspektive stellt sich die Frage, ob Grenzgängertum zwischen Religionen zu einem Verwischen religiöser Grenzen oder gar zur Schaffung transreligiöser Phänomene oder Gemeinschaften führte. Im der konfessionell aufgeladenen Stimmung in Europa wären solche Mischformen als gefährliche Abweichung von der Orthodoxie gesehen worden und es ist fraglich, ob diese noch in den Bereich des zeitgenössisch 'Sagbaren' integrierbar gewesen wären. [12] Für außereuropäische Religionskontakte scheint die Situation aber etwas anders zu liegen, wie die eingangs geschilderte Begebenheit suggeriert.

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Das Phänomen der Grenzüberschreitung durch Jesuitenmissionare in Südindien soll hier am Beispiel des französischen Jesuiten Pierre Martin untersucht werden, der um die Wende zum 18. Jahrhundert dort wirkte. Er wurde 1665 in Limoges geboren und Mitte der 1680er Jahre in den Jesuitenorden aufgenommen. [13] Ende des 17. Jahrhunderts reiste er auf dem Landweg nach Bengalen. [14] Dort lernte er einige indische Sprachen und studierte an einem brahmanischen Zentrum, wahrscheinlich Nabadwip. [15] Doch Martins größter Wunsch war es, der Madura-Mission beizutreten, also der Jesuitenniederlassung, die der durch Nobili entwickelten Missionsstrategie am konsequentesten folgte; und "welche meines [Martins, A. F.] Erachtens in der gantzen Welt die schönst ist". [16] 1700 kam er diesem Wunsch näher, als er das erste Mal Avur besuchte, ein Dorf nahe Tiruchirappali. Bis hierhin hatte Nobili seine Jurisdiktion ausgedehnt, und der französische Jesuit Venantius Bouchet hatte am Ende des 17. Jahrhunderts eine katholische Siedlung gegründet. [17] Einige Jahre später schrieb Martin, dass ihm eine Stelle in der Mission in Madura zugesichert worden sei. [18]

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Pierre Martin gehörte zu den wenigen Jesuitenmissionaren aus Asien, die nach Europa zurückkehrten: 1716 starb er als Missionsprokurator in Rom. [19] Die Person Pierre Martins steht im Schatten anderer französischer Jesuiten, die in Südindien tätig waren, wie Venantius Bouchet oder Guy Tachard, die beide wichtige Positionen in der Karnatischen Mission inne hatten, durch größere Veröffentlichungen hervortraten oder als wichtige Akteure im Wissenstransfer angesehen wurden. [20] Doch immerhin wählte Joseph Stöcklein sieben von Martins Briefen aus dem Zeitraum von 1699 bis 1713 für die Veröffentlichung in seiner bekannten Kompilation von Jesuitenbriefen, dem Neue Welt-Bott, aus. [21] Pierre Martin wird im Folgenden weniger als Individuum mit einem spezifischen Lebensweg und seinen Erfahrungen behandelt, sondern als Beispiel, wie Darstellungen jesuitischen Grenzgängertums gezielt einem größeren Publikum präsentiert und damit öffentlich 'sagbar' wurden.

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Die Frage der 'Sagbarkeit' von religiösen Mischformen stellt sich für diese Untersuchung umso mehr, da sie auf Briefen beruht, die für eine deutschsprachige Öffentlichkeit im Neuen Welt-Bott veröffentlicht wurden. Bei der Untersuchung der Texte muss also eine doppelte Brechung berücksichtigt werden: Zum einen mussten die Autoren der Briefe nicht nur das Erlebte für ihr Publikum übersetzen und rechtfertigen, [22] sondern sie setzten ihre Narrative auch argumentativ ein, zur Förderung der Jesuitenmission und auch für ihre eigene Selbstverortung in der Situation des Kulturkontakts und damit ihres eigenen self-fashionings. Zum anderen sind Eingriffe und gezielte Überarbeitungen durch die Herausgeber der Briefsammlungen zu bedenken, hier vor allem durch den Jesuitenpater Joseph Stöcklein, der sowohl Teile der französischen Lettres édifiantes et curieuses übersetzte, diese Sammlung aber auch durch weitere Jesuitenbriefe aus aller Welt ergänzte, die er selber zusammenfasste, kürzte und erläuterte. [23] Der von ihm begonnene und von 1726-1761 publizierte Neue Welt-Bott ist eine wichtige Quelle für die deutschsprachige Wahrnehmung Außereuropas. [24] Wichtiger als die Informationsvermittlung war für Stöcklein die Erbauung des katholischen Publikums und das Werben um finanzielle Unterstützung weiterer Missionsunternehmungen.

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Im Folgenden sollen das Phänomen des jesuitischen Grenzgängertums und die verschiedenen Grenzen in der Form untersucht werden, in der sie für das deutschsprachige Publikum durch die Veröffentlichung von Briefen aus Südindien repräsentiert wurden. Hierzu soll zunächst der Kontext der französisch dominierten Karnatischen Mission beschrieben werden. In einem zweiten Schritt werden die drei Grenzen, die die Jesuiten und Martin selbst in ihren Briefen beschreiben, nachgezeichnet, nämlich eine in Bezug auf den Lebensstil, eine moralische und eine soziale, um dies anschließend in einem dritten Schritt mit der religiös definierten Grenze zu kontrastieren. Eine Überschreitung letzterer wurde von den Jesuiten bestritten, von ihren Gegnern aber geradezu herausgestrichen.

1. Pondicherry und die 'Karnatische Mission'

<12>

Der französische König Ludwig XIV. hatte gegen Ende des 17. Jahrhunderts Jesuitendelegationen an den siamesischen Hof gesandt. Diese diplomatische Mission musste wegen politischer Veränderungen in Siam abgebrochen werden. Auf dem Rückweg über das südindische Pondicherry beschlossen die Patres zu bleiben, um dort zu missionieren. Dazu gründete Pater Tachard die sogenannte 'Karnatische Mission', die sowohl im wie auch jenseits des französischen Einflussgebietes missionierte und die zerstreuten katholischen Gemeinden der Region pastoral betreute. [25] Pondicherry war zu diesem Zeitpunkt der wichtigste Standort der französischen Ostindienkompanie auf dem indischen Subkontinent. [26] Ihre Faktorei in Surat, der wichtigsten Hafenstadt des Mogulreichs, hatte ihnen nicht mehr ausgereicht, vor allem weil sie hier unter der direkten Kontrolle des Moguls standen. Deshalb strebten die Franzosen einen Stützpunkt an, über den sie die territoriale Oberherrschaft hatten. 1672 kauften sie dafür das Dorf Pondicherry vom Sultanat Bijapur. [27]

<13>

Der Jesuit Pierre Martin hatte nicht zu der ursprünglichen Gruppe um Pater Tachard gehört, sondern sein Lebensweg kreuzte immer wieder die Grenze der portugiesisch und französisch dominierten Indienmission. Seine Briefe wurden von Stöcklein trotzdem zusammen mit den Briefen der Karnatischen Mission veröffentlicht. Daher war dies der Kontext, in dem die Leser Martin verorteten. Um die Jahrhundertwende war die französische Handelskompanie unter François Martin nach einem kurzen niederländischen Zwischenspiel dabei, ihre Herrschaft in Pondicherry wieder zu stabilisieren. Sie stellte aber noch keinen in das Hinterland wirkenden Machtfaktor dar, sondern war vielmehr in ein komplexes Machtsystem eingebunden. Neben den niederländischen und englischen Handelskompanien sind verschiedene indische Machtträger zu berücksichtigen: das indische Mogulreich, das immer weiter in den Süden expandierte, das Sultanat Bijapur, die Rajas von Pudukottai und verschiedene Nayak-Herrschaften. [28]

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Auf eine genauere Beschreibung der französischen Ostindienkompanie sowie ihrer Institutionen in Südindien verzichtete Stöcklein in seiner Kompilation ebenso wie auf eine Schilderung der politischen Umstände anlässlich Gründung der Karnatischen Mission und der vorherigen Mission nach Siam im Namen des französischen Königs. [29] Plausibel erscheint diese Auslassung, wenn man davon ausgeht, dass es Stöcklein nicht erstrangig um die Vermittlung von politischen Ereignissen und Machtstrukturen ging, sondern um die Darstellung der Einheit des Jesuitenordens. [30] Zudem nahm der europäische bzw. französische Einfluss immer weiter ab, je weiter man sich von der Küste entfernte. Daher mag Stöcklein den Kontext der französischen Ostindienkompanie als nicht zentral für das Verständnis der Briefe angesehen haben. Die Missionare der Karnatischen Mission konnten sich außerhalb Pondicherrys kaum auf europäisch-herrschaftliche Unterstützung verlassen, vielmehr waren sie auf sich gestellt und auf die Unterstützung indischer Herrschaftsträger angewiesen. [31]

2. Grenzen und Grenzüberschreitungen: Ebenen, Elemente und Deutungsweisen

<15>

Die französischen Jesuiten in Südindien hatten sich unter der Leitung Guy Tachards entschieden, der Missionsstrategie zu folgen, die Roberto de Nobili um 1600 für den indischen Kontext entwickelt hatte und die von den Missionaren eine besonders starke Anpassung an die brahmanischen Lebensweisen verlangte. [32] Danach konnten zum Christentum konvertierte Brahmanen zentrale Gebräuche wie Speisevorschriften, Kleidung (zum Beispiel die Brahmanenschnur), aber auch die Praktiken zur Herstellung sozialer Distinktion beibehalten und die Jesuitenpatres ihrerseits hatten sich an die Brahmanen angepasst, um von ihnen als Ihresgleichen anerkannt zu werden. Theologisch war diese Strategie von Nobili durch eine Trennung von religiöser Praxis und sozialen Bräuchen gerechtfertigt worden. Als religiös wurden dabei die Glaubenssätze und Praktiken verstanden, die direkt für das Heil der Menschen notwendig waren. [33]

<16>

Entsprechend der Selbstdarstellung der Jesuiten hatten sie sich nur an die sozialen Bräuche angepasst, aber keinesfalls religiöse Praktiken übernommen. [34] Im Neuen Welt-Bott oder in den Briefen, die hier veröffentlicht wurden, spielte diese Unterscheidung allerdings kaum eine Rolle, sieht man von Randbemerkungen ab. So erklärte Pierre Martin, die Jesuiten hätten sich an Kleidung, Nahrung und Sitten soweit angepasst, "so viel es der christliche Glaub zulässt." [35] Stattdessen wurde die von den Missionaren überschrittene Grenze explizit als europäisch-indische bzw. "indianische" Differenz bezeichnet. Doch was bedeuten "indianisch" und europäisch in diesem Kontext? Betrachtet man die Narrative in den Briefen Pierre Martins, wird deutlich, dass genau hier die Legitimität wie die Relevanz verschiedener Grenzen und ihrer Überschreitungen verhandelt wurde.

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Vier Möglichkeiten der Grenzziehung, Grenzüberschreitung und damit auch der Selbstverortung der Jesuiten bzw. Pierre Martins erscheinen dabei besonders wichtig: 1. die Grenze, die durch Kleidung, Essgewohnheiten und weiteres lebensweltliches Herkommen beschrieben wurde, 2. die moralische Grenze, die Inder zwischen sich und den Europäern zogen, 3. die sozialen Grenzen der indischen Gesellschaft, zu denen sich die Missionare verhalten mussten und schließlich 4. die religiöse Grenze.

Kleidung, Essen, Sprache, Wissen

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Die offensichtlichsten Grenzüberschreitungen der Jesuitenmissionare, die der Akkommodationsstrategie folgten, waren das Erlernen der jeweiligen Sprachen und die äußerliche Anpassung an die Lebensweise der indischen Elite. Pierre Martin konnte bereits Arabisch und Türkisch, als er nach Indien kam, und in Bengalen hatte er die "Sprache der Abgötter" gelernt. Erst danach "war ich im Stand mich zu verkleyden" und unter die Einheimischen zu mischen. [36] Mit Sprache, Kleidung und der Übernahme der Essgewohnheiten allein war es jedoch noch nicht getan. Um als "Nord-Brahmane" von den indischen Gelehrten anerkannt zu werden, mussten die Jesuiten sich auch mit deren Wissen vertraut machen. Und so hatte Martin zwei bis drei Jahre lang das Wissen der Brahmanen studiert. [37]

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Als er erfuhr, dass er eine Position in der Mission von Madura erhalten würde, begann er sofort, weitere Sprachen zu lernen, nämlich das 'Tamulische' und das Malabrische, "ohne welche Wissenschaft keinem erlaubt wird, einen Tritt in Madura zu thun. Sonst würden wir uns bald selbst für Europäer verrathen, hiedurch aber alles verderben." [38] Diese Anpassung wurde vor allem als Verkleidung dargestellt. Diese wird fast zu einem rite de passage stilisiert, wenn Martin beschreibt, wie er in das Gebiet der Madura Mission gelangte. Wegen der kriegerischen Auseinandersetzungen dort hatte man ihm geraten vorerst abzuwarten. Doch Pierre Martin ließ sich nicht aufhalten. Er las noch die Messe an seinem bisherigen Wirkungsort und gab anschließend vor, Kranke besuchen zu wollen, schlich aber stattdessen davon: "bey einfallender Nacht […], legte ich das gewöhnliche Jesuiten-Kleid ab, und verkleidete mich nach der Art der Missionarien von Madura". [39]

<20>

Die besondere Kleidung, die Martin nun trug – mit der er sich "verkleidete" – stellte zusammen mit der spezifischen Ernährung ein wichtiges Element der Anpassung an die "indianischen" Sitten dar, wie sie die Akkommodationsstrategie in Madura charakterisierte. Pierre Martin hatte das Aussehen der Madura Missionare in einem früheren Brief bereits beschrieben: "Sie haben öfters keine andere Kleidung/als ein Stuck Leinwand/in welches sie ihren Leib einwickelen. Sie tragen höltzerne Stock-Schuhe/[…] welche an den Fuß nicht angebunden/sondern von denen zwey vordern Zähen mittelst eines hölzernen Knopfs angehalten wird". In diesem Brief erläutert er auch die besonderen Ernährungsvorschriften, an die die Missionare sich halten mussten: "Sie enthalten sich nicht alleine von Wein und Fleisch/sondern auch von Eyern/Fisch und Brod. Sie dörffen nichts essen/als Reis und Erden-Gewächs/alle beyde ungesaltzen/ungeschmaltzen/und ohne alles Gewürz." [40]

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Kleidung, Sprache und Essen sind nicht zu unterschätzende Instrumente der Identitätsversicherung. Mit dieser Veränderung, mit dem Verkleiden wie dem Umstellen der Essgewohnheiten, überschritten die Jesuiten eine grundlegende kulturelle Grenze. Bei Pierre Martin wird diese Grenze als jene zwischen Europäern und "Indianern" bzw. "indianischen Brachmännern" bezeichnet. Als Ziel der Umstellung nannte er die Verschleierung der Tatsache, "daß sie aus Europa seynd". Denn die "Indianer" fühlten den "Europäern" oder "Pranky" gegenüber ein "unversöhnliches/aber auch in wichtigen ursachen wohlbegründetes Abscheuheit". Statt wie europäische Missionare verhielten sich die Jesuiten daher wie "indianische" Heilige Männer und nannten sich deshalb auch "Nord-Bramen/das ist Lehrer/die von denen Landschafften gegen Mitternacht herkommen seynd das Gesatz deß eintzigen wahren GOttes zu verkündigen". [41]

<22>

Eine simple Verkleidung und das Erlernen der jeweiligen Sprachen kann noch als relativ üblich für Jesuitenmissionen überall auf der Welt gelten. Die einfache Lebensweise passt zu auch im Christentum verbreiteten asketischen Idealen. Doch die Beschreibung in den Briefen lädt sie mit Bedeutung auf. Hier kommt diese Missionsstrategie allerdings nicht nur einer Anpassung an die lokalen Bräuche und Normen gleich, sondern impliziert darüber hinaus eine Leugnung der eigenen europäischen Herkunft, und dies kann durchaus als Unterschied zur jesuitischen Akkommodation in anderen Weltregionen angesehen werden. Während ein Interesse an der fremden Kultur, ihrer Sprache wie ihrer Denkgebäude zu fast jeder Missionsstrategie gehörte, überstieg ein Grenzübertritt wie jener der Jesuiten in China, Japan und eben Südindien eine bloße Empathie für die andere Lebenswelt doch deutlich. [42] Diese Grenzüberschreitung und die mit ihr verbundene Abwendung von den europäischen Sitten lag weniger in einer inneuropäischen Selbstkritik oder in der Erfüllung christlich-asketischer Idealvorstellungen begründet. Die Missionare mussten sich vielmehr auf die Deutungsmuster der sozial höher stehenden Inder einlassen, mussten sich deren Distinktionskriterien unterwerfen und anpassen. Hier musste die alte (europäische) Identität tatsächlich verleugnet werden.

<23>

Aus diesem Grund scheinen der Herausgeber oder auch der Briefschreiber eine Notwendigkeit erkannt zu haben, dass dem Adressatenkreis diese Verleugnung der eigenen europäischen Herkunft näher erklärt werden musste. Als wichtigste Begründung für die neue Strategie, wie sie sich im Neuen Welt-Bott darstellt, wurde die große Abneigung der "Indianer" gegenüber den Europäern angeführt, die die christliche Mission erschwerte, wenn nicht unmöglich machte. Pierre Martin beschreibt, dass die Missionare bald bemerkten, dass sie gegen das negative Urteil der "Indianer" nicht anpredigen konnten und gleichzeitig ihre Missionserfolge rückläufig waren. Deshalb versuchten sie "denen Europäischen Sitten ab[zu]sagen" und sich stattdessen wie beschrieben an die "indianischen" anzupassen. [43] Wie ein roter Faden zieht sich die Angst, als Europäer oder Pranky erkannt zu werden, durch alle Briefe. Die Bedeutung dieser Grenzüberschreitung für den Missionserfolg wurde in zahlreichen Anekdoten illustriert, in denen jeweils einem Missionar vorgeworfen wurde, ein Pranky oder Europäer zu sein. Im besten Fall konnten sie diesen Vorwurf entkräften, oder mussten lange daran arbeiten, ihr Ansehen und ihre Ehre wiederherzustellen. Manchmal mussten sie den Ort auch ganz verlassen und den Missionsversuch abbrechen. [44]

Die 'moralische' Grenze

<24>

Es gab verschiedene Gründe, weshalb die "Indianer" nichts mit Europäern zu tun haben wollten. Im Welt-Bott wird diese Abscheu vor allem in eine Sprache der Moral gefasst. Pierre Martin findet in fast allen seinen Briefen drastische Worte für diese moralische Grenze. Schon 1699 strich er den großen Unterschied zwischen Europäern und "Indianern" heraus: "dann sie [die Indianer, A. F.] haben mit den Europäern keine Gemeinschafft/welche durch ihre Wollüsten/Muthwillen und ärgerlichen Leben die gesamte Christenheit durch gantz Ost-Indien in den Grund verderbt haben". [45]

<25>

Ähnlich drastisch formulierte es Peter Martin in einem späteren Brief. Die Inder hielten die Europäer für "ein liederliches/ schlechtes/ schandhafftes/ mit tausenderlei närrischen/ ungereimten/ und abscheulichen Gebräuchen beschmutztes Reißler-Gesind". [46] Die Inder warfen den Europäern ihre "Raub- und Mordthaten" vor, verwerflicher waren jedoch ihre Wollüste, ihre "mancherley fleischliche Laster" und ihr ganzes "ärgerliches Leben". Am schlimmsten seien aber der Alkoholkonsum und Fleischgenuss – "vollsauffen und Fleisch essen". Wer das tue, würde in Indien für "unehrlich" gehalten! [47] Martin zeichnet ein entsprechend positives Gegenbild der Inder: Sie lebten maßvoll, trieben keinen Handel, sondern begnügten sich mit dem, was der Boden ihnen bot, also der Landwirtschaft. [48]

<26>

Diese moralische Grenze wurde immer wieder beschrieben, sie passt zu allgemeinen Kritiken des moralischen Lebenswandels, [49] aber auch zu dem traditionellen Topos, die scheinbar andächtigen und gläubigen Heiden den angeblich verderbten Christen als Beispiel vorzuhalten. Doch im Kontext der Karnatischen Mission geht die drastische Kritik an den Europäern über das sonst Bekannte und Übliche hinaus.

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Vergleicht man die Beschreibung dieser moralischen Unterschiede in den Briefen mit dem Paratext im Neuen Welt-Bott, ist ein signifikanter Unterschied festzustellen: In der Vorrede zum ersten Band des Neuen Welt-Bott wird zwar die strenge Lebensweise der jesuitischen Missionare, die den Normen der "Heidnischen Saniassi oder büssenden Brachmänner" folgten, hervorgehoben. Während aber die Briefe vor allem die Vorwürfe der "Indianer" thematisierten, um die Anpassung und die Verkleidung der Missionare zu rechtfertigen, zog Stöcklein die moralische Grenze zwischen den Missionaren und den heidnischen Brahmanen viel deutlicher. Letztere lebten nicht wirklich nach ihren Normen, sondern schwelgten heimlich in allen erdenklichen Sünden, die uns aus der religiösen Polemik bekannt sind: "Ein Missionarius hingegen wandert in der Gegenwart GOttes: er befleißigt sich auf alle Weise in der That und heimlich ohne Gleißnerey ein solcher zu seyn/für welchen er äußerlich angesehen wird." [50] Offenbar musste der Herausgeber, der in den deutschsprachigen und europäischen Diskurs viel enger eingebunden war als die Briefeschreiber, die Grenze zwischen den jesuitischen "Brahmanen des Nordens" und den "heidnischen" Brahmanen Indiens stärker hervorheben, damit eben nicht der Eindruck des Aufgehens in der indischen Gesellschaft entstand.

<28>

Dieser Paratext verdeutlicht aber auch die Einordnung der jesuitischen Lebensweise in ein self-fashioning als Helden, eine Einschreibung, die durch Grenzgängertum besonders gut funktionierte. [51] Dies trifft allerdings noch mehr für die vielen Darstellungen der Verfolgung und Misshandlung durch indische Herrscher zu. [52] Die europäische Lebensweise, vor allem der Alkohol- und Fleischkonsum, wurde moralisch aufgeladen und verurteilt. Die vegetarische Lebensweise dagegen war nicht nur eine moralische Frage, sondern auch ein soziales Distinktionsmerkmal.

Die soziale Grenze zwischen "Indianern" und Europäern

<29>

Die Europäer waren in Indien auf eine deutlich hierarchisierte Gesellschaftsordnung gestoßen. Dies war im 16. und 17. Jahrhundert zwar eher ein Element der Ähnlichkeit mit ihren eigenen Erfahrungen einer ständischen Gliederung. Allerdings verstörte sie die Erfahrung, selber ausgegrenzt zu werden, und so die soziale Gleichrangigkeit abgesprochen zu bekommen. Darüber hinaus spiegelt sich in vielen Reiseberichten ein Wundern über die Drastik der sozialen Distinktion, vor allem die strenge Einhaltung der getrennten Mahlgemeinschaften und die Verunreinigung des eigenen Status durch Interaktion mit sozial niedrigeren Gruppen. [53]

<30>

Für die Missionare als Grenzgänger, die mit der besuchten Gesellschaft interagieren mussten, stellten diese Praktiken der sozialen Distinktion bzw. die Konsequenzen, wenn man sie nicht akzeptierte, ein besonderes Problem dar. Pierre Martin sieht in dem Umstand, dass die frühen Portugiesen in Indien Umgang mit "armen und schlechten" Leuten hatten, den wichtigsten Grund für deren missionarische Misserfolge. Der soziale Umgang, vor allem, dass man sie als Diener angestellt, mit ihnen gegessen, sie beherbergt hatte "oder sie in unsere Häuser und Kirchen" hatte eintreten lassen, [54] hatte den Ruf der Europäer völlig verdorben und hatte sie zu Unreinen gemacht, mit denen die höheren Schichten oder Kasten [55] nicht verkehren konnten. Nur von den aus Europa bekannten Praktiken sozialer Distinktion ausgehend, waren die sozialen Grenzen in Indien fast unwiderruflich überschritten worden; die Europäer waren nun indischerseits sozial als Randgruppe oder Unterschicht fremdverortet worden.

<31>

Die Notwendigkeit, diese strikte soziale Distinktion oder sogar Segregation in der täglichen Arbeit der Missionare zu beachten, erläutert Martin in verschiedenen Anekdoten. So war ein heidnischer Adliger von der Idee des Christentums überzeugt worden, hätte sich eigentlich bekehrt, konnte jedoch seine Abscheu vor den Europäern und den Angehörigen niedrigerer Kasten nicht verhehlen. Da schickt ihn Pater Martin nach Madura: "allwo, wie wir ihm weiß machten, er adeliche Sanias oder Christliche Ordens-Leute antreffen würde, welche gleich ihm von höheren Zünften oder Casten ersprossen wären, von denen er auch ohne Nachtheil seiner Ehre könnte getaufft werden; weil wir, als welche von schlechteren Casten herstammeten, viel tauglicher wären, mit gemeinen Leuten, so auf denen Meer-Küsten wohnen". [56]

<32>

In den meisten bisher zitierten Texten im Neuen Welt-Bott wurde eine Anpassung an die indischen Sitten thematisiert, doch wie am letzten Beispiel deutlich wurde, gab es nicht die eine Form indischer Sitten, sondern diese waren sozial differenziert. Da die Hauptzielgruppe der Jesuitenmission auch in Indien in den Eliten bestand, wurde auf sie das besondere Augenmerk gerichtet. Ihre Sitten wurden angenommen und von ihnen wollten die Missionare als sozial gleichrangig anerkannt werden. Wohl gerade, weil der Fokus auf die Brahmanen und andere hohe Kasten gerichtet war, wurde die pastorale Betreuung anderer gesellschaftlicher Gruppen in den Briefen aus der Karnatischen Mission nicht ausführlich thematisiert, aber auch nicht verschwiegen.

<33>

Peter Martin beschrieb, wie er bei einer Reise durch ein Paria-Dorf kam. Da die verschiedenen sozialen Gruppen der dort lebenden Inder nicht gemeinsam missioniert werden konnten, sogar getrennte Kirchen gebaut werden mussten und es nicht genügend Katecheten gab, konnten Dörfer wie dieses nicht missioniert werden. Das zumindest Martin dies als Problem ansah, zeigt seine Bemerkung: "allein ihre Seelen sind eben so kostbar vor GOtt, als andere von höhern Casten". [57] Als sein Vorgänger, Venantius Bouchet, nach Avur gekommen sei, so berichtet Pierre Martin, habe es dort nur eine "Paria-Kirche[n]" gegeben, "das ist / solche Gottes-Häuser/ in welche allein die verächtlichen Leute zu gehen sich würdigen". Bouchet habe dann "die Sach so weit gebracht/ daß vier Kirchen für die vornehmere Zünfften allda anzutreffen seynd". [58] Diese Entwicklung, also verschiedene Kirchen für die Angehörigen der unterschiedlichen Kasten, beschrieb Martin als Fortschritt, und man kann davon ausgehen, dass er diese Praxis weiter führte, als er die Gemeinde in Avur übernahm. Die tiefgreifende soziale Segregation in der religiösen Praxis wurde dagegen nicht als hinderlich empfunden.

<34>

In den von Stöcklein veröffentlichten Briefen von Pater Martin klingt nur wenig Kritik an. Vielmehr zeigt sich Zustimmung zu dieser Gesellschaftsorganisation und Lebensweise. Diese Zustimmung kann auch pragmatisch verstanden werden als Abwägung, wonach diese Ungerechtigkeit dem großen Ziel der Christianisierung untergeordnet wurde. In diese Richtung argumentierte zum Beispiel Pater Mauduit, der schrieb: "Wer diese Ordnung wolte umstoßen, würde hier zu Lande alles über den Hauffen werfen". [59] Neben der Nützlichkeit, wenn nicht sogar Notwendigkeit der sozialen Distinktion für die Missionsarbeit mochte die eigene Verortung als soziale Elite auch vielen Jesuiten angemessen vorkommen. Nobili selbst war adliger Herkunft gewesen. Martin betonte, auch sein Mitbruder Borghese entstamme einem hochadligen, römischen Haus. [60]

<35>

Eine ganz andere Frage ist indes, inwieweit die Bemühungen der Patres um Akkommodation erfolgreich waren, ihnen also die Einordnung in die oberen Ränge der sozialen Hierarchie ihrer Gastgesellschaften gelang. Die besondere Verehrung einzelner Jesuiten durch regionale Herrscher wurde in den Briefen immer wieder erwähnt, so zum Beispiel die Lobpreisung, aber auch die spätere Verfolgung von Pierre Martins Vorgänger Venantius Bouchet in Avur. Martin berichtet, wie diesem "nicht weniger Ehr/ als einem Bottschaffter erwiesen" wurde und wie er als ein "fremder Lehrer" nach der Audienz "in der schönsten Hof-Senfften durch die gantze Stadt mit einem Wehren-Gepräng und Hof-Musice" getragen wurde, "damit jedermann erkennet/ daß ihnen die königliche Herrschaften in hohen Ehren halten/ und wider seine Feind schützen wollen". [61]

<36>

In den im Welt-Bott veröffentlichten Briefen erscheinen die Ehrungen wie die andere Seite der Verfolgungen, dienen der Repräsentation einzelner Jesuitenpatres als Helden des Kulturkontakts. Doch es gibt auch andere Interpretationen: Der Ort Avur war nicht nur einer der zentralen Orte der Karnatischen Mission. Er lag auch in einer Schlüsselregion der Auseinandersetzungen der lokalen Herrscher. Die historisch arbeitende Ethnologin Susan Bayly interpretiert diese Quellen deshalb etwas anders. Für sie wurden die Jesuitenpatres als "Christian Gurus" in das regionale Patronagesystem eingeordnet und es wurde sich ihrer als symbolisches Sakralkapital für die eigene Herrschaftssicherung bedient. [62] Solch eine Position an einem indischen Hof kann mehr als eine Grenzüberschreitung gewesen sein. Sie kann auch als erfolgreiche Integration in die Gastgemeinschaft verstanden werden. Es liegt jenseits der Aussagekraft der vorliegenden Quellen, zu beurteilen, wie die jeweiligen Jesuitenpatres selbst ihre gesellschaftliche Position an den südindischen Höfen verstanden haben.

<37>

In den von Stöcklein veröffentlichten Briefen finden sich keine entsprechenden Selbstbeschreibungen und es ist auch fraglich, ob Briefeschreiber wie Herausgeber solch eine Grenzüberschreitung ihren Lesern hätten zumuten wollen. Wie auch immer, als "Christian Gurus" konnten die Jesuiten auch als transreligiöse Fachleute betrachtet und verstanden werden. Susan Bayly interpretiert das hier entstehende Christentum als ein assimiliertes, das nicht mehr als etwas Fremdes – "no longer just the faith of the 'parangi kulam'" – verstanden wurde. [63] Diese Assimilierung kann durch die von Joanne Punzo Waghorne beschriebenen strukturellen Ähnlichkeiten von religiösen Praktiken der Hindus und der Christen vom 18. Jahrhundert bis heute in eben dieser Gegend unterstützt werden. [64] Ines Županov formte daher auch den Begriff eines "tropical catholicism" für die (portugiesische) Jesuitenmission in Indien. [65] Damit kommen wir zur vierten und für die Zeitgenossen problematischsten Grenze: der religiösen.

3. Überschreiten der Grenze zwischen den Religionen?

<38>

Das Eingangsbeispiel aus dem Bericht Nicolo Manuccis zeigt, dass Zeitgenossen, wenngleich Feinde der Jesuiten, auch im Bereich des Religiösen eine Grenzüberschreitung wahrgenommen und beschrieben hatten. Schon Roberto de Nobili hatte sich für seine besondere Strategie der Mission verteidigen müssen. Er konnte auf Vorbilder verweisen: Nicht nur Valignano oder Ricci in Japan und China, auch Franz Xaver hatte sich bei der Missionierung der indischen Fischerküste schon auf viele regionale Bräuche eingelassen. [66] Doch ein völliges Aufgehen in der Aufnahmegesellschaft war nicht das Ziel. So wurde schon früh hinterfragt, ob die in Asien praktizierte Akkommodation sich nicht bereits zu weitgehend an die nicht-christliche Umgebung assimiliert hatte, nicht bereits im "Heidentum" aufgegangen sei.

<39>

Roberto de Nobili verstand unter Religion die Dinge, die für die innere Rettung des Menschen, also sein Seelenheil, notwendig waren, alles andere war dagegen rein äußerlich – sozial und kulturell – und insofern akkommodierbar. Diese Unterscheidung wurde kaum in den Briefen, wie Stöcklein sie im Neuen Welt-Bott veröffentlichte, berührt. Die katholisch-christliche Praxis wurde vielfältig beschrieben, kirchliche Hochfeste, Taufen und andere pastorale Tätigkeiten der Jesuiten. Aber so oft die Grenzüberschreitung in der Lebensweise auch beschrieben wurde, so selten wurden die Verweigerung einer religiösen Grenzüberschreitung oder die Probleme einer "korrekten" katholischen, religiösen Praxis in diesem Umfeld thematisiert.

<40>

Denn geht man vom christlich-katholischen Kult aus, musste die Einhaltung der beschriebenen Grenzen ebenfalls zu Problemen führen, da zum Beispiel eine Eucharistiefeier den Gebrauch von Wein einschloss, die Inder aber Alkohol verabscheuten und der Alkoholgenuss neben dem Fleischverzehr, wie dargestellt, eines der moralischen Abgrenzungskriterien war. [67] In den veröffentlichten Briefen wurden solche Probleme meist ausgeklammert. An einer Stelle wird vom Vorwurf gegen einen Jesuitenpater berichtet, er benutze Alkohol bei seinen Riten. Die Antwort wurde dagegen bezeichnenderweise nicht überliefert. [68] Auch Pater Martin beschrieb nur die Mühen und Probleme, unter den Bedingungen der indischen Diät Wein für die Eucharistie und Mehl für die Hostien zu bekommen und zu verwenden, schwieg aber bezüglich der Frage des generellen Verzichts auf Alkohol als Teil der jesuitischen Akkommodationsstrategien in Indien. [69]

<41>

Ausführlicher geht im Neuen Welt-Bott eigentlich nur Pater Friedrich Czech, der um 1700 die westindische Fischerküste besuchte, auf diese Grenze ein. Er zählt viele der Kritikpunkte der Inder gegen die Europäer auf und berührt dabei auch kultisch anmutende Aspekte. Das Essen mit der linken Hand, das Gebot, sich die Füße nach dem Essen zu waschen, die Abscheu vor toten Körpern oder interkulturell verschiedene Formen der sozialen Respektbezeugung können als vorrangig sozial verstanden werden. Czech geht aber auch ausführlich auf Aspekte ein, die ins Kultische oder Spirituelle hinüberreichen, wie die Notwendigkeit, die Fußböden mit Kuhmist zu überstreichen, und Stirn, Brust und Arme mit Asche "zierlich" zu bemalen. [70]

<42>

In den veröffentlichten Selbstbeschreibungen der Jesuiten wurde die religiöse Grenze nicht überschritten, sondern als unüberschreitbar dargestellt. So sehr sich die Missionare in diesen Selbstbeschreibungen darum bemühten, den moralisch-sozialen Normen zu genügen, so radikal und wenig umgänglich präsentierten sie sich, wenn es um die indische Glaubenspraxis ging. Verschiedene Anekdoten in den veröffentlichten Briefen berichten von expliziten Angriffen auf Tempelstatuen, dem Vollzug christlicher Riten in Tempeln, dem Aufhängen eines Kruzifixes vor dem verhängten Götzenbild. Solch demonstrative Ausübung christlicher Praktiken sowie die Nichtbeachtung des gastgebenden Gottes und des indigenen Kultus wurden nicht als Problem verstanden, selbstredend nicht von den Jesuiten, aber in dieser Darstellung eben auch nicht von den lokalen Brahmanen. Diesen Verhalten führte zu Ärger, aber nicht zu Ausgrenzung. Pater Martin beschrieb nahezu begeistert, wie Venantius Bouchet eine Kirche an einem heidnischen Wallfahrtsort gebaut hatte "und in den Thurm ein kleine Gloggen gehenckt/welche in denen Ohren dern Götzen-Pfaffen/so dem Tempel vorstehen / so über klangen / daß sie (doch bisher vergebens) / besagtes Kirchlein zu verbrennen öfters getrachtet haben". [71]

<43>

Die strenge Abgrenzung gegenüber den indischen religiösen Riten und Praktiken war noch viel stärker in Pondicherry, also unter direkter französischer Herrschaft. Es ist bezeichnend, dass sich François Martin, der französische Generalgouverneur in Pondicherry, im Laufe des frühen 18. Jahrhunderts immer größere Sorgen machte, dass der Erfolg Pondicherrys als Handelsplatz durch den religiösen Eifer der Missionare, Kapuziner wie Jesuiten, erschwert oder verhindert würde. Ausführlich schrieb auch Nicolo Manucci, der Autor des Eingangsbeispiels, über solch ein radikales Verhalten der Jesuiten in Pondicherry: 1705 hätten die Jesuiten anlässlich eines religiösen Festivals die Türen zu einem Tempel in Pondicherry gewaltsam aufgebrochen, die Brahmanen mit ihren Schuhen geschlagen und an den Haaren gezogen, was als besonders schlimme Ehrbeleidigung galt; anschließend hätten sie die Götterbilder im Tempel zerstört. Daraufhin habe die gesamte "heidnische" Bevölkerung, laut Manucci 40.000 Personen, sich versammelt und beschlossen, Pondicherry zu verlassen. Gouverneur François Martin hätte die Tore schließen müssen und die Bevölkerung mit Gewalt zum Bleiben gezwungen, und schließlich durch vernünftige Verhandlungen eine Lösung gefunden. [72]

<44>

Martin klagte 1701 demnach, der Handelserfolg der Niederländer und Engländer beruhe gerade auf ihrer Toleranz gegenüber Hindus und Moslems, während in Pondicherry die einheimischen Kaufleute und Weber durch das Verhalten der Jesuiten vertrieben würden. [73] Manucci bezeichnete die Jesuiten in Pondicherry als religiöse Eiferer, die ihre Grenzen nicht kennen und so das Gemeinwesen schädigen würden. [74] Er sparte auch nicht mit weiteren Vorwürfen, wie sie aus der konfessionellen Polemik bekannt sind. [75] Während Manucci den Jesuiten einerseits religiöses Eiferertum vorwarf, kritisierte er andererseits ihre Missionspraxis als religiöses Grenzgängertum. Im Kontext der heftigen Auseinandersetzungen zwischen Jesuiten und Kapuzinern in Pondicherry beklagten letztere, die von ihnen als legitimen Hirten zum Christentum bekehrten Heiden wären unter der Leitung der Jesuiten wieder vom wahren Glauben abgefallen. Sie beschmierten sich mit heidnischen Zeichen am ganzen Körper, beerdigten ihre Toten wie die einheimischen Heiden und nicht wie die Christen. Die Männer trügen Ohrringe, die ihre falschen Götter repräsentierten, die Frauen Talis, das sind Halsketten, sowohl mit einem Kreuz wie auch mit einem heidnischen Idol. [76]

<45>

Manucci war kein Freund der Jesuiten, in deren Auseinandersetzung mit den Kapuzinern stand er ganz auf der Seite von letzteren und seine Erzählungen über einzelne Jesuiten sind als Polemik zu verstehen. Doch seine Geschichten stehen nicht allein da, sondern werden durch ein geistliches Edikt aus dem Jahre 1704 gestützt. Dieses Edikt, in Pondicherry erlassen von Charles-Thomas Maillard de Tournon, zeigt, welche Probleme die verschiedenen römischen Oberen mit der Missionspraxis der Jesuiten hatten. Es verbot, bei der Taufe Elemente wie Spucke wegzulassen und Namen aus dem einheimischen Pantheon statt der römischen Martyrologien zu vergeben. Das Edikt betonte, dass das Kruzifix gezeigt werden müsse und nicht in einer verfälschenden Art erklärt werden dürfe, und hob das Verbot, dass Frauen während ihrer Regel nicht beichten und die Kirche nicht besuchen durften, auf. [77]

<46>

Sowohl in der Deutung Baylys als auch in derjenigen der Kapuziner hatten die Jesuiten also auch die religiöse Grenze überschritten oder zumindest erschien der von ihnen verbreitete christliche Glauben als ein transkulturell veränderter. Aspekte wie diese mussten aus Sicht der verschieden christlichen, vor allem aber der -katholischen Theologie problematisch sein und führten langfristig auch zum Verbot jener Praktiken in der Bulle Omnium solicitudinum Papst Benedikts XIV. von 1744.

<47>

In der Selbstwahrnehmung der Jesuiten sah dies anders aus. Sie waren zwar bereit, die Grenze zwischen Indern und Europäern in puncto Lebensweise zu überqueren und beugten sich in einer extremen Art und Weise den asketischen Normen der zu missionierenden Kultur. Die religiöse Grenze dagegen wurde streng beachtet. Pierre Martin zitiert in einem seiner Briefe den Missionsheiligen Franz Xaver, schon dieser habe sich beklagt, wie schwer es sei, die Inder zu missionieren: "dann die Indianer/gleichwie alle andere Völcker betrachten nicht allein das Evangelium, sondern auch die Rinnen durch welches es zu ihnen fließt". [78] Stöckleins Briefe und Berichte, die im Neuen Welt-Bott in Auswahl veröffentlicht wurden, wollten genau dieses Bild vermitteln: Die "Rinne" habe man angepasst, aber nicht den für das Heil der Menschen nötigen theologischen Inhalt, den die Missionare vermittelten.

4. Ergebnisse

<48>

Pierre Martin musste als jesuitischer Missionar in Südindien viele und verschiedenartige Grenzen überschreiten und beachten. In den durch Joseph Stöcklein veröffentlichten Briefen zeigt sich eine Hierarchie der Grenzen und ihrer Relevanz. Die erste war die zwischen Indern und Europäern. Symbolisiert und repräsentiert wurde sie durch die Lebensweise. Die Jesuiten passten sich hier vor allem durch ihre Kleidung und ihre Diät an. Diese Grenzüberschreitung wurde als Bürde, als Prüfung, aber nicht als Problem empfunden; sie war auch deshalb weniger schwierig, da sie als Verkleidung dargestellt werden konnte und somit als rein äußerlich und jederzeit umkehrbar.

<49>

Die zweite Grenze war moralischer Art. Sie wurde von den Indern definiert und trennte diese ebenfalls von den Europäern. Moral, die sich in der Lebensweise ausdrückte, war in der jesuitischen Darstellung ein zentraler Faktor der indischen oder brahmanischen Identitätskonstruktion, ein Faktor der "Blockierung" im Sinne Greenblatts. [79] Dieses negative Verständnis der europäischen Lebensweise begründete erst, dass die Jesuiten die erste Grenze überhaupt überschreiten mussten.

<50>

Die erste und die zweite Grenze hingen zusammen, sie symbolisierten aber auch die dritte, die soziale Grenze. Die Grenzüberschreitung der Jesuiten durch ihre Verkleidung und die Anpassung ihrer Lebensweise sollten sichern, dass die soziale Grenze zwischen den indischen Eliten und den niederen sozialen Gruppen nicht überschritten wurde, sondern die Jesuitenmissionare von den Indern als auf der "richtigen" Seite der sozialen Grenze stehend akzeptiert wurden, nämlich als "Brahmanen aus dem Norden". Die obligatorische Anpassung an die soziale Segregation der Gastkultur mag ein gewisses Unbehagen ausgelöst haben, wie das Zitat Martins, die Seele der Parias sei für Gott ebenso kostbar wie die anderer Menschen, belegt. Doch innerhalb der europäischen ständischen Gesellschaft und mit Blick darauf, wie viele dieser jesuitischen Missionare dem europäischen Adel angehörten, wurde die strikte soziale Segregation selten kritisiert. Während die Einschätzung der moralischen Grenze und ihres Zusammenhangs mit der Lebensweise von anderen Orden und von Missionaren anderer Konfessionen geteilt wurde, [80] wurde die strikte Übernahme dieser sozialen Segregation durch die Jesuiten von anderen kritisiert. Diese Grenzüberschreitung erwies sich als problematischer als die ersten zwei.

<51>

Die am heftigsten diskutierte Grenze aber war die religiöse. Der Kern der jesuitischen Akkommodation bestand in der Deutung, dass nur soziale oder kulturelle aber keine religiösen Grenzen überschritten wurden. Die theologische Bedeutung dieser Trennung wurde im Neuen Welt-Bott nicht thematisiert. Doch durch das Überschreiten der ersten Grenze, der Lebensweise, entstanden ganz offensichtlich Probleme, die religiöse Identität ohne Abstriche beizubehalten, beispielsweise der Gebrauch von Alkohol bei der Eucharistie. Solche Aspekte wurden in den veröffentlichten Briefen meist ausgeklammert. Häufiger wurde die deutliche Abgrenzung von heidnischen Bräuchen beschrieben, wie die Zerstörung von Götterstatuen. Geht man von der jesuitischen Selbstdarstellung aus, nutzten sie geschickt den Unterschied zwischen der indischen binären Wahrnehmung (Europäer-Inder) und ihrer eigenen (Christen-Nicht-Christen), um in dem entstehenden Zwischenraum missionieren zu können.

<52>

In der Selbstdarstellung der Jesuiten war die Grenze zwischen Christen und Nicht-Christen nicht überschreitbar und auch nicht verhandelbar. Aber sie war, und das ist ein nicht zu unterschätzender Unterschied, auch nicht deckungsgleich mit der Grenze zwischen Europäern und Indern. Während in vielen anderen Missionskontexten Christianisierung und Zivilisierung zusammen gedacht wurden, war dies in Indien – wie auch in China – nicht möglich. Denn die kulturelle Identität, an der diese Zivilisierung hing, musste ja verheimlicht werden. Jesuiten, die Europa verließen, mögen noch solchen Gedanken angehangen haben – auch im Vorwort des Neuen Welt-Botts werden solche Konzepte vertreten, aber in den Briefen aus Indien spielen Europäisierung und Zivilisierung nicht nur keine Rolle, sondern werden durch die ständige Europakritik praktisch verdrängt.

<53>

Während die Jesuiten betonten, die Grenze zwischen Christen und Heiden immer eingehalten zu haben, setzte hier aber auch die Kritik anderer Orden und verschiedener Kritiker der Jesuiten an. Ihre kulturell und sozial angepassten Praktiken wurden von vielen als zu weitgehend, als nicht mehr orthodox katholisch angesehen. Sicherlich war vieles an dieser Kritik in einer anti-jesuitischen Haltung begründet, wurden Anekdoten ebenso als Argument gegen die Jesuiten verwandt, wie sie selber andere zu ihrer Legitimierung nutzten. Neuere ethnohistorische Arbeiten [81] haben aber auch gezeigt, wie viel stärker Jesuiten und die von ihnen missionierten Christen jenseits der europäischen Einflussbereiche in die regionalen sozialen Gefüge eingebunden waren, ihre religiösen Praktiken mit denen anderer Religionen verflochten haben. Diese Forschungsergebnisse zeigen damit auch, wie groß die Leerstellen der jesuitischen Selbstdarstellung waren, wie eng die Grenzen des Sagbaren. Weitere Forschungen aus transkultureller Perspektive sind notwendig, um der Möglichkeit transreligiöser Phänomene und Praktiken nachzugehen, um zu fragen, inwieweit es sich bei den Jesuitenmissionaren in Indien "nur" um Grenzgänger handelte, oder ob durch die Mission nicht transreligiöse Praktiken jenseits der beschriebenen Grenzen entstanden sind.

Autorin:

PD Dr. Antje Flüchter
Exzellenzcluster Asia and Europe in a Global Context
Karl Jaspers Centre for Transcultural Studies
Voßstr. 2
69115 Heidelberg
fluechter@asia-europe.uni-heidelberg.de



[1] Niccolò Manucci: Mogul India, or Storia do Mogor, übersetzt von William Irvine, 4 Bd., London 1907-1908 (Neudruck Delhi 1990), Bd. IV, 75. Dieser für die Forschung zum frühneuzeitlichen Indien so wichtige Text wurde erst im frühen 20. Jahrhundert in einer quellenkritischen Form veröffentlicht. Bekannt war der Reisende den Zeitgenossen durch eine französische Übersetzung des Textes aus dem Jahr 1705. Diese Fassung war allerdings durch den Jesuiten François Catrou einschneidend bearbeitet und dessen Agenda angepasst worden, vor allem die den Jesuiten gegenüber kritischen Passagen waren dabei entfernt worden. Vgl. zu dieser Veröffentlichungsgeschichte: Pompa Banerjee: Postcards from the Harem: The Cultural Translation of Niccolao Manucci's Book of Travels, in: Palmira Johnson Brummett (Hg.): The 'Book' of Travels: Genre, Ethnology, and Pilgrimage, 1250-1700, Leiden 2009, 241-282, besonders: 243-244.

[2] Vgl. Birgit Emich: Jesuiten in Europa seit der Frühen Neuzeit, in: Klaus J. Bade (Hg.): Enzyklopädie Migration in Europa: vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 2007, 710-715, hier: 713.

[3] Dies ist allerdings in letzter Zeit hinterfragt worden. Michael Müller hat herausgestellt, es gäbe nicht die eine, global gleiche Akkommodation an und für sich, "sondern eine situationsgemäße, den geographischen, ethnographischen, kulturellen und politischen Bedingungen vor Ort Rechnung tragende Flexibilität". Michael Müller: Eine "deutsche Elite" im Zeichen des Kreuzes – zentraleuropäische Jesuitenmissionare in Ibero-Amerika im 17./18. Jahrhundert, in: Markus Denzel (Hg.): Deutsche Eliten in Übersee (16. bis frühes 20. Jahrhundert), St. Katharinen 2006, 139-172, hier: 170.

[4] Joseph Stöcklein (Hg.): Der Neue Welt-Bott oder Allerhand so lehr-als geist-reiche Brief, Schrifften und Reis-Beschreibungen, welche von denen Missionariis der Gesellschafft Jesu aus beyden Indien, und andern über Meer gelegenen Ländern, seit Ann. 1642 [...] in Europa angellangt seynd. Jetzt zum erstenmal theils aus handschrifftlichen Urkunden, theils aus den französischen Lettres édifiantes verteutscht und zusammen getragen [...], Bd. 1, Augsburg / Graz 1726, Brief Nr. 73, 42.

[5] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 42.

[6] So die Formulierung eines anderen Jesuiten. Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 76, 66.

[7] Stephen Greenblatt: Cultural Mobility: An Introduction, in: ders. (Hg.): Cultural mobility. A manifesto, Cambridge u.a. 2010, 1-23, hier: 16.

[8] Andreas Höfele / Werner von Koppenfels: Introduction, in: dies. (Hg.): Renaissance Go-Betweens. Cultural Exchange in Early Modern Europe, (= Spectrum Literaturwissenschaft 2), Berlin / New York 2005, 1-14, hier: 6.

[9] Dies zeigt sich besonders deutlich in der unterschiedlichen Bewertung der Malinche in der mexikanischen Geschichte. Claudia Leitner: Der Malinche-Komplex. Conquista, Genus, Genealogien, München 2009; Sabine Schülting: Wilde Frauen, fremde Welten. Kolonisierungsgeschichten aus Amerika, Reinbek bei Hamburg 1997. Aber auch die unterschiedliche Bewertung der jesuitischen Missionsstrategie in den Eingangsbeispielen deutet darauf hin.

[10] Höfele / Koppenfels: Introduction (wie Anm. 8), 6; mit Bezug auf D. Emily Hicks: Border Writing: The Multidimensional Text, Ann Arbor 1991, besonders: XXIV-XXV.

[11] Mit dem Konzept der Transkulturalität lehne ich mich hier an Almut Höfert an: Geschlecht und transkulturelle Perspektiven, in: Anja Rathmann-Lutz u.a. (Hg.): Gender in Trans-it. Transkulturelle und transnationale Perspektiven. Beiträge zur 12. Schweizerischen Tagung für Geschlechtergeschichte, Zürich 2009, 17-29; sowie an das Programm des Clusters Asia and Europe in a Global Context in Heidelberg. Zur Identitätskonstruktion vgl. Antje Flüchter: "Deutsche" in der Vereenigde Oost-Indische Compagnie oder: Welche Identität konstruiert man in einer "transnationalen" Gemeinschaft, in: Christoph Dartmann / Carla Meyer (Hg.): Identität und Krise? Zur Deutung vormoderner Selbst-, Welt- und Fremderfahrungen, Münster 2007, 155-186.

[12] Zum Begriff des Sagbaren vgl. Achim Landwehr: Geschichte des Sagbaren. Einführung in die Historische Diskursanalyse (= Historische Einführungen 8), 2. Aufl., Tübingen 2004.

[13] Vgl. Julia Lederle: Mission und Ökonomie der Jesuiten in Indien: intermediäres Handeln am Beispiel der Malabar-Provinz im 18. Jahrhundert, Wiesbaden 2009, 171; sowie J. Correia-Afonso: Jesuit Letters and Indian History, 1542-1773, Oxford 1969, 67.

[14] Vgl. Stöcklein: Der Neue Welt-Bott(wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 97.

[15] Vgl. Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 97; Ludo Rocher (Hg.): Ezourvedam. A French Veda of the 18th Century, Amsterdam / Philadelphia 1984, 34.

[16] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 98.

[17] Vgl. Joanne Punzo Waghorne: Chariots of the God's: Riding the Line between Hindu and Christian, in: Selva J. Raj / Corinne G. Dempsey (Hg.): Popular Christianity in India Riting between the Lines, Albany, NY 2002, 11-37, hier: 16.

[18] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 45.

[19] Vgl. Lederle: Mission (wie Anm. 13), 171; sowie Correia-Afonso: Jesuit Letters (wie Anm. 13), 67.

[20] Guy Tachard leitete zwei französische Botschaften nach Siam, veröffentlichte Berichte darüber, die übersetzt und in größere Reiseberichtssammlungen übernommen wurden. Auch Leibniz bezog sich auf ihn. Vgl. Gottfried Wilhelm Leibniz: Der Briefwechsel mit den Jesuiten in China (1689-1714). Französisch / lateinisch-deutsch / Gottfried Wilhelm Leibniz. Hg. und mit einer Einleitung versehen von Rita Widmaier, Hamburg 2006, 58, 215, 225, 617, 628. Zu Venantius Bouchet vgl. zum Beispiel Dhruv Raina: The French Jesuit Manuscripts on Indian Astronomy: The Narratology and Mystery Surrounding a Late Seventeenth – Early Eighteenth Century Project, in: Florence Bretelle-Establet (Hg.): Looking at it from Asia: The Processes that Shaped the Sources of History of Science, Heidelberg 2010, 115-140; Francis X. Clooney: Fr. Bouchet's India. An 18th Century Jesuit's Encounter with Hinduism (= Satya Nilayam Endowment Lectures Series 6), Chennai 2005. Briefe Tachards und Bouchets wurden auch von Schwabe in seine Allgemeine Historie aufgenommen. Vgl. Johann J. Schwabe: Allgemeine Historie der Reisen zu Wasser und Lande oder Sammlung aller Reisebeschreibungen, welche bis itzo in verschiedenen Sprachen von allen Völkern herausgegeben worden, Bd. 11, Leipzig 1753, 320-328.

[21] Dabei handelt es sich um die Nummern: 58, 63, 73, 75, 78, 123 und 143 in Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1. Zu seinen Briefen in den Lettres édifiantes et curieuses und zwei Dissertationen über die Missionen, die er verfasst haben soll, vgl. Robert Streit / Johannes Dindinger: Bibliotheca Missionum Bd. 5: Asiatische Missionsliteratur: 1600-1699, 2. unveränderte Aufl., Aachen 1964, 208-209; dies.: Bibliotheca Missionum Bd. 6: Missionsliteratur Indiens, der Philippinen, Japans und Indochinas: 1700-1799, 2. unveränderte Aufl., Aachen 1964, 3-4, 6, 23, 27, 47. Zudem taucht Martins Name im Kontext eines Manuskripts des Musée d'Histoire Naturelle in Paris auf. Vgl. Rocher: Ezourvedam (wie Anm. 15), 48.

[22] Vgl. dazu Susanna Burghartz: "Translating Seen into Scene?" Wahrnehmung und Repräsentation in der frühen Kolonialgeschichte Europas, in: Susanna Burghartz / Maike Christadler / Dorothea Nolde (Hg.): Berichten – Erzählen – Beherrschen. Wahrnehmen und Repräsentation in der frühen Kolonialgeschichte Europas, Frankfurt a. M. 2003, 161-175.

[23] Renate Dürr: Der "Neue Welt-Bott" als Markt der Informationen? Wissenstransfer als Moment jesuitischer Identitätsbildung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 34 (2007), 441-466; zur grundlegenden Bearbeitung der Briefe vgl. Galaxis Borja Gonzáles: Die jesuitische Berichterstattung über die Neue Welt. Zur Verbreitungsgeschichte von Amerika-Nachrichten im Alten Reich am Beispiel der Briefe des Dominikus Mayer, in: Johannes Meier (Hg.): Sendung – Eroberung – Begegnung. Franz Xaver, die Gesellschaft Jesu und die katholische Weltkirche im Zeitalter des Barock, Wiesbaden 2005, 355-382, hier: 361; Mirco Mitrovich: Deutsche Reisende und Reiseberichte im 17. Jahrhundert. Ein kulturhistorischer Beitrag, Urbana, Illinois 1963, 245.

[24] Gonzáles: Berichterstattung (wie Anm. 23), 360.

[25] Die französisch geprägte Karnatische Mission steht missionsgeschichtlich immer noch im Schatten der portugiesischen Mission in Indien. Vgl. Stephen Neill: A History of Christianity in India, Bd. 2: 1707-1858, Cambridge 1985, 90-93; Domenico Ferroli, S. J.: The Jesuits in Malabar, Bd. 2, Bangalore 1951, 425-429.

[26] Die französische Monarchie hatte sich erst relativ spät zu einer Beteiligung am Welthandel entschieden. Vor allem Finanzminister Colbert sah dessen große Bedeutung als Quelle für die Staatsfinanzierung. Vgl. Jürgen Nagel: Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien, Darmstadt 2007, 127-129; Aniruddha Ray: The Merchant and the State. The French in India, 1666-1739, 2 Bde., New Delhi 2004.

[27] Dieses Sultanat wurde nur wenige Jahre später, 1686, vom Mogul Aurangzeb erobert, der aber den französischen Erwerb Pondicherrys nicht in Frage stellte.

[28] Vgl. zum politischen Kontext John F. Richards: The Hyderabad Karnatik. 1687-1707, in: Modern Asian Studies 9 (1975), 241-260.

[29] Es ist nicht anzunehmen, dass sämtlichen Zeitgenossen um 1700 dieser Kontext bekannt war. Sogar der französische Gouverneur in Pondicherry zu dieser Zeit, François Martin, bemerkte, es sei sehr schwer zu verstehen, was wirklich in Siam passiert sei. Vgl. François Martin: India in the 17th Century (Social, Economic and Political). Memoirs of François Martin (1670-1694), 4 Bde., New Delhi 1981-1985, Bd. II/1, 1096.

[30] So argumentiert Gonzáles: Berichterstattung (wie Anm. 23), 362-363. Nichtsdestotrotz nutzten viele Leser den Neuen Welt-Bott als Informationsquelle für die große weite Welt. Und auf dieses Ziel verwies Stöcklein auch explizit in seinem Vorwort. Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Allgemeine Vorrede des Verfassers, unpaginiert. Welche Informationen geliefert wurden, wurde wesentlich durch die Motivation der Veröffentlichung und den intendierten Rezipientenkreis bestimmt. Die Herausgeber der Allgemeinen Historien zu Wasser und zu Lande, die drei Briefe aus der Sammlung 1753 erneut abdruckten, entschieden sich daher auch anders und meinten diesen Kontext genauer erläutern zu müssen. Vgl. ebd., 28. Kapitel: Nachrichten von Carnate, in: Schwabe: Allgemeine Historie 11 (wie Anm. 20), 320-328.

[31] Daher ist fraglich, ob die französischen Ostindienkompanien als Schutzherren für die Karnatische Mission auftreten konnten und diese damit als Handlanger eines frühen französischen Kolonialismus gelten können, so beispielsweise die Argumentation von Jose Kalapura: India and East-West Interaction. The Jesuite Contribution. 16-18th Centuries, in: XI Congreso International de Aladaa, Jose Kalapura India and East-West Interaction; http://ceaa.colmex.mx/aladaa/imagesmemoria/josekalapura.pdf <13.6.2009>, 4.

[32] Neill: History (wie Anm. 25), 90.

[33] Niedergelegt hat Nobili dies vor allem in seiner Schrift Narratio Fundamentorum (1619). Vgl. Savarimuthu Rajamanickam: Roberto De' Nobili / Savarimuthu Rajamanickam: Adaptation (Narratio Fundamentorum quibus Madurensis Missionis Institutum caeptum est et hucusque consisit 1619) Palayamkottai 1971; vgl. dazu auch Chockalingam Joe Arun: Religion as Culture: Anthropological Critique of de Nobili's Approach to Religion and Culture, in: ders. (Hg.): Interculturation of Religion. Critical Perspectives on Robert de Nobili's Mission in India, Bangalore 2007, 19-41.

[34] Vgl. Ines G. Županov / Ronni Po-Chia Hsia: 30. Reception of Hinduism and Buddhism, in: Ronni Po-Chia Hsia (Hg.): The Cambridge History of Christianity (Reform and Expansion 1500-1600), Cambridge 2007, 577-597, hier: 584.

[35] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 42.

[36] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 59, 97.

[37] Vgl. Anm. 16.

[38] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 45.

[39] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 54.

[40] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[41] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[42] Hier lässt sich ein Desiderat der vergleichenden Missionsforschung ausmachen, eines allerdings, das allmählich angegangen wird, beispielsweise zuletzt durch die Tagung "The Rites Controversy in the Early Modern World", die kürzlich von Ines Županov und Pierre-Antoine Fabre veranstaltet wurde (25-28. Mai 2011).

[43] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 43-44.

[44] Vgl. zum Beispiel die Berichte von Pierre Martin. Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 97; ebd., Brief Nr. 143, 72; ähnlich P. Mauduit. Ebd., Brief Nr. 68. Oder Pater de la Lane. Ebd., Brief Nr. 120, 98.

[45] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[46] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 44.

[47] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[48] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[49] Ähnlich formulierte es auch Johannes Grüber. Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 34, 112.

[50] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Vorrede, )()(av #?#.

[51] Höfele / Koppenfels: Introduction (wie Anm. 8), 5.

[52] Dürr: Welt-Bott (wie Anm. 23), 452-453; Peter Burschel: 'Actiones sacrae'. Das Martyrium auf den Bühnen der Jesuiten, in: Vasilios N. Makrides / Jörg Rüpke (Hg.): Religionen im Konflikt. Vom Bürgerkrieg über Ökogewalt bis zur Gewalterinnerung im Ritual, Münster 2005, 61-72.

[53] Entsprechende Berichte über die strikt getrennten Mahlgemeinschaften finden sich bei vielen, zum Beispiel beim deutschen Johann Jacob Merklein, ein Angestellter der niederländischen Ostindienkompanie, dem italienischen Weltreisenden Pietro della Valle oder dem französischen Edelsteinhändler Jean Baptiste Tavernier. Vgl. Johann Jacob Merklein: Reise nach Java, Vorder- und Hinter-Indien, China und Japan. 1644-1653. Neu hg. nach der zu Nürnberg im Verlag von Endter gedruckten und verbesserten Ausgabe (1672), Haag 1930, 54; Pietro della Valle: Reiß-Beschreibung in unterschiedliche Theile der Welt. Erstlich [...] in Jtalianischer Sprach beschrieben, und in 54 Send-Schreiben [...] verf. [...], Bd. 4: In sich haltend eine Beschreibung der anmercklichsten Städte, und Oerter in Indien, und denen Höfen jhrer Fürsten, Genf 1674, 1. Sendschreiben, 29 und öfter; Jean Baptiste Tavernier: Reisen zu den Reichtümern Indiens. Abenteuerliche Jahre beim Großmogul, 1641-1667, hg. von Susanne Lausch / Felix Wiesinger, Darmstadt 1984, 118, 124, 133.

[54] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Brief Nr. 73, 42. Ähnlich Czech in ebd., Brief Nr. 62, 102.

[55] Der Begriff der 'Kasten' ist lange als grundlegend für das Verständnis der hinduistischen Gesellschaft Indiens angesehen worden. Vgl. Louis Dumont: Homo hierarchicus. Le système des castes et ses implications, Paris 1979, wurde durch die postkoloniale Forschung relativiert. Vgl. Nicholas D. Dirks: Castes of Mind. Colonialism and the Making of Modern India, Princeton 2001. Der Begriff der Kaste kommt aus dem Portugiesischen, war aber im deutschen System lange nur eine Möglichkeit, die einzelnen Gruppen zu benennen. Vgl. dazu Antje Flüchter: "Religions, Sects and Heresy". Religion on the Indian Subcontinent in Early Modern German Texts, in: Comparativ 20/4 (2010), 58-74.

[56] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 48.

[57] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 78, 75.

[58] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 63, 110.

[59] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 76, 64.

[60] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 73, 53; und erneut Nr. 126, 117; zu Borghese: Bouchet in Brief Nr. 61, 104.

[61] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Martin in Brief Nr. 53, 109-110; ähnlich Bouchet in Brief Nr. 92, 56-57; P. Diaz über die Gunst des Kriegspräsidenten für Jesuitenpater ebenfalls in Avur, in Brief Nr. 96, 109.

[62] Susan Bayly: Saints, Goddesses, and Kings. Muslims and Christians in South Indian Society. 1700-1900, Cambridge 1992, 396-398.

[63] Bayly: Saints, Goddesses, and Kings (wie Anm. 62), 397.

[64] Waghorne interpretiert dies selber allerdings explizit nicht als Aufgehen christlicher Ideen im Hinduismus. Vgl. Waghorne: Chariots (wie Anm. 17), 13-19, gegen eine Verschmelzung der Religionen besonders: 15.

[65] Ines G. Županov: Missionary Tropics. The Catholic Frontier in India (16th-17th century). History, Languages, and Cultures of the Spanish and Portuguese Worlds, Ann Arbor 2005, besonders: 24-27.

[66] Vgl. zu einer entsprechend maßgeschneiderten Mission der Paraver an der indischen Westküste Županov: Missionary Tropics (wie Anm. 65), 14-15, 268-270.

[67] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[68] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr 95, 106.

[69] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 58, 99.

[70] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 62, 106.

[71] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Bd. 1, Brief Nr. 63, 111.

[72] Manucci: Mogul (wie Anm. 1), Bd. IV, 214-216.

[73] Ray: Merchant (wie Anm. 26), besonders: 375, 379, 382.

[74] Manucci: Mogul (wie Anm. 1), Bd. IV, 144.

[75] Die Jesuiten seien intrigant in ihrer Informationsbeschaffung, wofür sie das Beichtgeheimnis brächen und die Redseligkeit der Frauen nutzten, kurz: "By these means they govern the world and courts, as we see them do in Europe.", Manucci: Mogul (wie Anm. 1), Bd. IV, 227, ähnlich: ebd., 260.

[76] Manucci: Mogul (wie Anm. 1), 381-382

[77] Domenico Ferroli, S.J.: The Jesuits in Mysore, Bangalore 1955, 430-431. Bei der Abreise Tournons aus Europa war das zugrundeliegende Dekret Cum Deus Optimus noch nicht veröffentlicht, doch der Apostolische Visitator muss seinen Inhalt gekannt haben. Vgl. Claudia Collani: Art. "Tournon, Charles-Thomas Maillard de", in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 12, Herzberg 1997, 374-377.

[78] Stöcklein: Der Neue Welt-Bott (wie Anm. 4), Brief Nr. 73, 43.

[79] Stephen Greenblatt: Wunderbare Besitztümer. Die Erfindung des Fremden: Reisende und Entdecker, Berlin 1994, 185-186.

[80] Vgl. beispielsweise bei dem pietistischen Missionar Bartholomäus Ziegenbalg: Johann Ernst Gründler / Bartholomäus Ziegenbalg / Kurt Liebau (Hg.): Die malabarische Korrespondenz. Tamilische Briefe an deutsche Missionare. Eine Auswahl (= Fremde Kulturen in alten Berichten 5), Sigmaringen 1998, 53-55.

[81] Vor allem Bayly: Saints, Goddesses, and Kings (wie Anm. 62).

Empfohlene Zitierweise:

Antje Flüchter : Pater Pierre Martin – ein „Brahmane aus dem Norden“. Jesuitische Grenzgänger in Südindien um die Wende zum 18. Jahrhundert , in: zeitenblicke 11, Nr. 1, [07.11.2012], URL: https://www.zeitenblicke.de/2012/1/Fluechter/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-33959

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