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Abstract:

Im vorliegenden Essay wird eine Lesart des viel diskutierten Paris-Berichts von Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī vorgestellt. Kontrastierend zu der Annahme, Ṭahṭāwī habe eine Reise aus einer Kultur in eine andere unternommen, soll hier dargelegt werden, wie sich aus dem Text des Ägypters ein eigenes Kulturverständnis erschließen lässt. Besonders Ṭahṭāwīs Bemühungen um die Übersetzung des französischen Begriffs 'civilisation' deuten auf ein plurales Verständnis von 'Kultur'. Denn im Text lassen sich diejenigen Dimensionen des Begriffs 'Kultur' finden, die auch aus der europäischen Geistesgeschichte rekonstruiert werden können: Kultur als bestimmter Lebensstil, als Prozessbegriff zur Beschreibung gesellschaftlicher Entwicklung und als kreative oder künstlerische Aktivität.

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"So verfehlte ich denn nicht, während meiner Reise eine kleine Reisebeschreibung zu verfassen […] Ich schmückte sie aus mit mancherlei nützlichen Exkursen und überzeugenden Demonstrationen und machte sie zum Sprachrohr, indem sie die muslimischen Lande anregen soll, nach den fremden Wissenschaften, den Künsten und Fertigkeiten zu streben." [1] Wie aus diesen Zeilen aus dem Vorwort des Reiseberichts hervorgeht, versteht sich ihr Autor im engeren Sinne selbst nicht als Vermittler einer anderen 'Kultur' in die "muslimischen Lande", sondern eher als jemand, der zur Beschäftigung mit Wissenschaften, Künsten und Fertigkeiten anregt. Dass und wie er dennoch als Kulturvermittler verstanden werden kann, soll Gegenstand dieses Essays sein. Damit möchte ich eine Lesart dieser Paris-Reise anbieten, die sich gegen eine übliche Tendenz richtet, nämlich den Text vor dem Hintergrund von 'Kultur' zu deuten und den Autor damit in erster Linie als Mittler zwischen zwei unterschiedlichen 'Kulturen' darzustellen. Ich werde hingegen erörtern, dass sich in dem Text auf der Grundlage von Beobachtungen zu Inhalt und Form ein vielschichtiges individuelles Kulturverständnis erkennen lässt. Dieses Verständnis besteht erstens in der Feststellung unterschiedlicher Lebensstile im Sinne spezifischer 'Kulturen', zweitens in der Annahme einer universellen Entwicklung hin zu einem zivilisierten Gesellschaftszustand und drittens in einer künstlerischen Textgestaltung. Den Ausführungen zum Kulturbegriff vorangestellt, folgt nun zunächst eine Vorstellung des Autors und seines Werkes.

Der Autor und sein Text

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Es handelt sich bei diesem Autor um den berühmten ägyptischen Modernisierer Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī (1801-1873), der hier wie auch an vielen anderen Stellen auf den einleitenden Seiten seines Buches erklärt, warum es für ihn und die anderen Studenten der Mission, mit der er geschickt wurde, nötig war, nach Europa, "in das Land der Franken", zu reisen. Sein Bericht ist das Ergebnis eines fünfjährigen Studienaufenthalts in Paris und trägt nach der deutschen Übersetzung von Karl Stowasser den Titel: "Die Läuterung des Goldes in einer zusammenfassenden Darstellung von Paris". [2] Der Aufenthalt in Paris folgte, wie Ṭahṭāwī in seinem Vorwort betont, staatlichen Interessen. So war es Muḥammad ʿAlī, der damalige ägyptische Herrscher (1805-1848), der ihn 1826 im Rahmen seines Modernisierungsprogramms mit dieser Studienmission nach Paris entsandte. [3] Nach seiner Rückkehr blieb Ṭahṭāwī im Dienste des Staates aktiv. Ṭahṭāwī war fast sein ganzes Leben an der Entwicklung der nationalen Bildung und Erziehung beteiligt. [4] Als Leiter der von Muhammad ʿAlī 1835 gegründeten Sprachenschule in Kairo (madrasat al-alsun) förderte er zeitlebens besonders intensiv die Übersetzungsarbeit aus dem Französischen. [5]

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Schon vor seiner Paris-Reise hatte Ṭahṭāwī in Kairo in einem Milieu Fuß gefasst, das mit der Präsenz von Europäern vertraut war. [6] Geboren wurde er im Süden des Landes in eine Familie gehobenen Standes, die wegen der sozioökonomischen Umwälzungen im frühen 19. Jahrhundert ihre Heimat verlassen musste. Ṭahṭāwīs Studium an der Azhar, einer früher wie heute berühmten islamischen Universität in Kairo, verschaffte ihm eine umfassende sprachliche wie religiöse Ausbildung. Nebenbei, so wird erzählt, habe er Privatlektionen von dem Universalgelehrten Ḥasan al-ʿAṭṭār (1760-1836) erhalten. [7] Jener al-ʿAṭṭār war selbst auf der "Suche nach Wissen" [8] in verschiedene Gebiete des Osmanischen Reiches gereist, beschäftigte sich mit Medizin und Naturwissenschaften, beteiligte sich an theologischen Diskussionen und war als Literat überaus produktiv. Er kam mit den Franzosen in Kontakt, als jene Ägypten im Zuge der napoleonischen Expedition von 1798 bis 1801 besetzt hielten. [9] Al-ʿAṭṭār ist es zu verdanken, dass Ṭahṭāwī Prediger in der neuen Armee Muḥammad ʿAlīs wurde, in der in jener Zeit vermutlich auch europäische Ausbilder zugegen waren. [10] Muḥammad ʿAlī suchte nämlich Fachwissen vor allem technischer und militärischer Art, das bei seinem Versuch helfen sollte, die Infrastruktur des Landes nach osmanischem Vorbild auszubauen. Die Entsendung von Studienmissionen sollte dazu dienen, eine zukünftige bürokratische und militärische Elite aus der einheimischen Bevölkerung zu gewinnen.

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Muḥammad ʿAlī soll damit nicht in erster Linie ein französisches Vorbild als vielmehr, wie Daniel Newman zeigt, den schnellen Ertrag zugunsten seiner reformorientierten Politik verfolgt haben. [11] Der bereits erwähnte al-ʿAṭṭār hat auch dafür gesorgt, dass sein Schüler als Vorbeter und Prediger mit 43 weiteren Musterschülern diese Bildungsreise mit antreten durfte. [12] Er war es auch, der Ṭahṭāwī dazu anhielt, seine Erfahrungen zu notieren, wie der Reisende selbst berichtet. [13] Während die anderen Studenten also mit spezifischen Aufträgen – dem Erlernen von Zivil- und Militärverwaltung, Ingenieursberufen und Diplomatie oder auch Agrikultur und Naturgeschichte – versehen wurden, zog der gerade 25-jährige Ṭahṭāwī vermutlich ohne konkreten Lernauftrag nach Paris. [14] Dass er tatsächlich als Vorbeter und Prediger aktiv war, lässt sich nicht belegen. [15] Vermutet wird, dass er eigentlich mit dem Studium der Übersetzung beauftragt worden war. [16] Was allerdings sehr deutlich aus dem Taḫlīṣ hervorgeht, ist, dass er sich in Paris verschiedenen Wissensbereichen zuwenden konnte, die er als interessant und vor allem als nützlich für sein Heimatland erachtete. Ferner verpflichtete er sich auch mit seinem Buch, das er selbst zwar als Reisebericht (riḥla) bezeichnete, in der Hauptsache und ganz im Sinne des Staatsauftrags der Zweckmäßigkeit. [17]

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Diese Zweckmäßigkeit des Buches zeigt sich auch in der Organisation des Textes. Es handelt sich bei diesem wohl nicht in erster Linie um sofort niedergeschriebene Erfahrungen des Erzählers. [18] Denn diese "kleine Reisebeschreibung" ist nicht chronologisch gegliedert, sondern vielmehr im Stile einer "Encyclopédie Portative" [19] weitgehend thematisch geordnet. Nach einem kurzen Vorwort und einer ausführlichen Einleitung folgen sechs verschiedene detaillierte, eigenständige Abhandlungen und ein Fazit. Allein die ersten beiden kurzen Abhandlungen des Hauptteils und das Schlusswort geben Auskunft über die eigentlichen Reiseerlebnisse. Im Taḫlīṣ finden sich mehrere wohl geordnete Abschnitte über die Sitten und Gebräuche der Pariserinnen und Pariser (zum Beispiel zu Kleidung, Wohnen, Ernährung) sowie Informationen zum öffentlichen Leben und seiner Organisation – die Aufzählung bzw. Beschreibung von Parks, Restaurants, Tanzveranstaltungen und Theatern, Ausführungen zu Politik, Wohlfahrt, Wissenschaften und Hygiene. Die letzte Abhandlung des Buches schließlich umfasst eine gesonderte systematische Übersicht über die Wissenschaften und Künste bei den Franzosen.

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In der vorletzten Abhandlung schildert Ṭahṭāwī chronologisch die Geschehnisse um die Juli-Revolution von 1830. Außerdem diskutiert er sehr häufig verschiedene Termini im Französischen und hat in das Kapitel über die Organisation des französischen Staates eine kommentierte Übersetzung der französischen Charte Constitutionelle von 1814 eingefügt; auf die Ausführungen "über die Pflege der medizinischen Wissenschaften in Paris" [20] folgt die Übersetzung eines medizinischen Ratgebers. Allerdings gibt er auch Auskunft über die Organisation des Unterrichts, den er und die anderen ägyptischen Studenten in Paris genossen, und seine persönlichen Lernerfolge. In diesem Zusammenhang gewährt er ebenfalls einen Einblick in die Literatur, die er mit seinen französischen Lehrern gelesen und in Teilen übersetzt hat sowie in seinen Briefwechsel mit französischen Wissenschaftlern, vornehmlich Orientalisten. Als längste Abhandlung stellt sich jedoch jene dritte dar, die dem städtischen Leben in Paris gewidmet ist und in ihrer inhaltlichen Dichte und Vielseitigkeit auffällt.

Vermittlung zwischen Bekanntem und Unbekanntem

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Nicht nur die Haltung, von Europa nützliches Wissen erlernen zu können, sondern vielmehr die Offenheit gegenüber dem politischen, gesellschaftlichen und intellektuellen Leben dort ermöglichen es, ausgehend von diesem Text einen Bruch in der (Literatur-)Geschichte der arabischen oder islamischen Länder zu behaupten. [21] Mit Ṭahṭāwīs Reise wie auch mit seiner späteren Tätigkeit als Übersetzer französischer Texte soll nach dieser gängigen Lesart einer der wichtigsten Anfangspunkte für den Einzug moderner Ideen in die arabische Welt gesetzt worden sein. [22] Doch wird Ṭahṭāwī in jüngeren Deutungen weniger als jemand betrachtet, der europäische Ideen in die arabische Welt einführt, denn vielmehr als jemand, der angefangen mit dem Taḫlīṣ eine arabische Deutung von Moderne begründet. [23] Schließlich bezeichnen ihn ägyptische Autoren als "Vater der ägyptischen Demokratie", [24] als "Pionier der Aufklärung" [25] oder sehen in ihm eine zentrale Figur der Nahḍa, [26] der "arabischen Renaissance". [27] Außerdem versteht man ihn als jemanden, der eine demokratische oder humanistische moderne Richtung im Islam einleitet. Damit gebe er den besten Nachweis für die Vereinbarkeit von Moderne, säkularem Denken oder Liberalismus auf der einen Seite und dem Islam auf der anderen. [28]

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Die Vorstellung einer Mittlerposition folgt so vor allem aus seinen Vergleichen zwischen ägyptischen, islamischen oder arabischen Sitten auf der einen und europäischen, französischen oder denen in Paris auf der anderen Seite. [29] So schreibt Ṭahṭāwī, dem sich trotz der strengen Kontrolle in seiner Lehrinstitution in Paris manchmal die Möglichkeit zum Amüsement geboten haben muss: "Jedermann in Frankreich liebt den Tanz, und er gilt nicht als unmoralisch, sondern als etwas Zierliches und Elegantes. Daher verstößt er auch nie gegen die Gesetze des Anstands, zum Unterschied vom Tanz in Ägypten, wo er eine Spezialität der Frauen ist, weil er die Leidenschaften erregt." [30] Neben der Betonung ihrer Tugendhaftigkeit hebt er auch die Sauberkeit der Franzosen hervor. [31] Andernorts hingegen bemerkt er die mangelnde Eifersucht französischer Männer [32] oder schreibt über die hochstehende Moral der Araber: "Gewiß, sie [die Franzosen, J.S.] verwehren ihren Freunden nicht, wenn diese etwas zu entleihen wünschen – aber es zu schenken, niemals, es sei denn, sie sind sich einer Kompensation sicher! Sie sind in Wahrheit eher geizig als großzügig. […] In Wirklichkeit ist der eigentliche Grund der, dass Großzügigkeit [eben nur] bei den Arabern zu finden ist." [33]

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Die Idee, ihn als Vermittler nicht nur von profanem Wissen, sondern als Mittler zwischen zwei 'Kulturen' aufzufassen, könnte sich also auf seine genau beschreibende und vor allem vergleichende Rede gründen, nach der mal das Ägyptische oder das Arabische als die 'eigene Kultur', mal das Französische oder Europäische als die 'andere Kultur' gewürdigt wird. Der Autor verpflichtet sich allerdings gleich im Vorwort auf bestimmte Grundsätze: "Gott, der Gepriesene und Allerhöchste soll mein Zeuge sein, dass ich in allem, was ich zu berichten habe, nicht vom Wege der Wahrheit abweichen werde und dass ich, soweit es mein Gewissen erlaubt, ein günstiges Urteil über manche Dinge und Gebräuche des Landes offen aussprechen werde, so es die Umstände erfordern. Selbstverständlich billige ich nur das, was nicht in direktem Widerspruch steht zum Text des rechten Weges nach Muḥammad (naṣṣ aš-šarīʿa al-muḥammadīya) – ihm beste Segenswünsche und würdigsten Gruß." [34] Gerade diese Selbstpositionierung, die an verschiedenen Stellen des Buches auftaucht und die man als islamisch auffassen mag, hat immer wieder Anlass gegeben, ihn trotz seiner aufgeschlossenen Haltung als jemanden zu verstehen, der gewissen Regeln 'seiner Kultur' oder 'seiner religiösen Tradition' [35] treu blieb – nach Ḥusayn Nağğārs Worten daher jemand, in dessen Kopf und Herz sich Orient und Okzident treffen. [36]

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Diese Art der Idee von 'Kulturvermittlung' bietet eine offensichtlich sehr nahe liegende Möglichkeit, Ṭahṭāwīs Text zu verstehen. Diese Deutung erfolgt aber meistens weniger aus einer begrifflichen Analyse des Textes, denn vielmehr aus der unausgesprochenen Annahme, dass im Text Erfahrungen mit 'Kultur' zu erkennen seien. [37] Um die Art der Vermittlung mit dem Begriff 'Kultur' erkenntnisgewinnend zu historisieren, sollte jedoch zunächst untersucht werden, welches Verständnis von 'Kultur' im Text überhaupt auffindbar ist. Da sich keine eindeutige Übersetzung des Begriffs im taḫlīṣ findet, ist eine offene Definition von 'Kultur' nötig. So soll hier 'Kultur' als Begriff zur Deutung menschlichen Handelns in der Welt verstanden werden. Mit der Frage nach der 'Kultur' des taḫlīṣ möchte ich Aspekte aus Roxanne Eubens umfassender Darstellung aufnehmen. Euben interpretiert Ṭahṭāwīs Text als multiple Vermittlung (multiple mediation). [38]

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Ich behaupte, dass diese vielschichtige Vermittlung sich sehr gut durch eine Interpretation des Kulturverständnisses im Text nachweisen lässt. Denn 'Kultur' als Konzept zur Deutung menschlichen Handelns trägt bekannterweise verschiedene Dimensionen an Bedeutungen. So seien hier Raymond Williams' begriffshistorische Ausführungen aus seinen berühmten "Keywords" (erstmals 1976) aufgenommen. Williams beschreibt hier eine Dimension des Begriffs als "particular way of life". Diese Dimension ist mit den oben genannten Beispielen zu Tanz und Tugenden weitgehend angesprochen. Sie ergibt sich aus den vielen Gegenüberstellungen und Vergleichen im Text zwischen den Sitten und Gebräuchen unterschiedlicher Gruppen: Araber und Europäer, Muslime und Christen, Ägypter und Franzosen. Eine weitere Dimension, die Williams nennt, ist 'Kultur' als "[t]he independent and abstract noun which describes a general process of intellectual, spiritual and aesthetic development". [39] Auch diese Idee eines allgemeinen Entwicklungsprozesses wird im taḫlīṣ eingeführt. Ich werde sie im Folgenden als die zweite Dimension von 'Kultur' bezeichnen.

Vermittlung von Kultur als Imaginaire vom menschlichen Fortschritt

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Diese zweite Dimension von 'Kultur' findet sich in der Einleitung des Buches. Die Einleitung hat trotz ihrer grundlegenden Bedeutung für das Nachvollziehen von Ṭahṭāwīs vergleichender Methode bislang wenig Aufmerksamkeit erhalten. [40] Der Autor gibt schon in der Überschrift des ersten Kapitels der Einleitung Auskunft darüber, dass angesichts verschiedener Nachteile – vorherrschender "Unglaube und Starrsinn" unter "den Franken", eine "beträchtliche[n] Entfernung" und "hohe[n] Preisen" [41] – die Reiseabsicht in seiner Heimat, wenn nicht auf Widerstand, so doch auf Vorbehalte gestoßen sein muss. Ṭahṭāwī schien sich offenbar begründeten Bedenken ausgesetzt zu fühlen, als er nach Frankreich aufbrach. Möglicherweise haben allgemein negative Vorurteile gegenüber Europäern besonders hinsichtlich ihrer religiösen und sittlichen Auffälligkeit bestanden. [42] Es muss außerdem eine Gruppe muslimischer Gelehrter im damaligen Kairo gegeben haben, die der bürokratischen Reformpolitik Muḥammad ʿAlīs skeptisch gegenüber stand. [43] Wie Ṭahṭāwī mit der Wahl seiner Schwerpunkte somit beschwichtigend aufzeigt, interessieren ihn die christlichen Aspekte des französischen Lebens kaum. [44] So gibt er auch rechtfertigend zu verstehen, dass in Frankreich die Ausübung jedes religiösen Bekenntnisses toleriert werde. [45] Für einen Studenten islamischen Bekenntnisses seien in Frankreich also offenbar keine Einschränkungen bei der Durchführung religiöser Praktiken zu erwarten.

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In der Einleitung ist er somit bemüht zu zeigen, dass das, was folgt, eine andere als die bis dato übliche Sicht auf "die Länder der Franken" zum Inhalt haben wird. So beginnt er seine Ausführungen: "Ich möchte sagen, dass dies einiger einführender Worte bedarf, nämlich: Der Mensch war zu Anfang schlicht und einfach, jeglichen Schmuckes bar, entsprechend seiner ursprünglichen Naturveranlagung kannte er nur Gefühle. Sodann widerfuhren einigen Menschen plötzliche Erkenntnisse – ohne Vorläufer, vielmehr enthüllt durch Zufall und von ungefähr oder dank der Eingebung und göttlicher Inspiration." [46] Dann, heißt es, hätten die Menschen verschiedene Techniken entdeckt, die ihnen das Leben erleichterten, wie das Färben von Kleidung oder die Zubereitung von Nahrung durch Feuer. Diese Lebenstechniken seien daraufhin verfeinert worden, so dass der Erzähler schließen kann: "So lässt sich denn, je weiter man in der Zeit zurückgeht, ein Rückstand der Menschen in menschlichen Fertigkeiten und städtischen Wissenschaften konstatieren, und je weiter man die Zeit nach vorne verfolgt, zumeist ein Aufstieg und Fortschritt (taqaddum) der Menschen in diesen Dingen." [47] Die Menschheit lasse sich nach dem Grad ihrer Entwicklung in drei Stufen einteilen, erstens die "Wilden", zweitens die "Barbaren" und drittens jene – folgt man Walid Hamarnehs Übersetzung dieser Passage –, die als "civilized, cultured, literate, and urban" [48] gelten.

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Diese Einteilung erinnert an die seit dem 18. Jahrhundert in Westeuropa verbreiteten Entwicklungs- oder Stufentheorien menschlicher Organisation. [49] Damit treten zwei Dinge aus oben Genanntem deutlich hervor: Erstens wird menschliche Entwicklungsfähigkeit hier nicht nur historisch begründet, sondern auch zugleich universell aufgefasst. Es wird vom Menschen in seinem "Urzustand" (al-ḥāla al-aṣlīya) [50] gesprochen. Die Kategorien zur Bestimmung verschiedener Grade scheinen sich auf die gesamte Weltbevölkerung zu beziehen, wobei er schon hier den größten Textanteil, die europäischen Länder eingeschlossen, jenen Menschen auf der dritten Stufe widmet. Schließlich soll es auch im Hauptteil seines Buches mit Frankreich um ein Land dieser dritten und höchsten Stufe gehen. Die Menschen der höchsten Stufe fänden sich allerdings ebenso in Ägypten, dem Osmanischen Reich, Persien, Nordwestafrika und Nordamerika. [51] Zweitens können die Zugänge auf den Weg des Fortschritts somit verschiedener Natur sein. So erklärt er in der Einleitung, der Mensch sammle Erfahrung durch "Zufall", durch "Eingebung" oder durch "göttliche Inspiration" (siehe oben). Das historische Narrativ, das Ṭahṭāwī hier entwirft, beginnt mit dem Menschen in seiner natürlichen Verfassung auf dieser Welt. Er bemüht hier also eine Vorstellung linearer und homogener Zeit – weder zwangsläufig auf eine religiöse Ursprungsgemeinschaft gegründet noch an einen göttlichen Schöpfungsakt oder irgendeine Form jenseitiger Ewigkeit geknüpft. [52] Auf Grundlage dieses allgemeinen und universellen Zeit- und Weltverständnisses kann er begründen, warum es trotz anklingender religiöser oder sittlicher Vorbehalte sehr vielversprechend sei, nach Frankreich zu reisen: Die Ägypter befänden sich in ihrer Lebensweise auf der gleichen Entwicklungsstufe wie die Europäer. So sei es auch gerechtfertigt und angebracht, von letzteren zu lernen.

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In einem weiteren Teil der Einleitung stellt Ṭahṭāwī außerdem eine ganze Globalgeographie seinen Reise-Erfahrungen voran. Die Kontinente werden darin nicht nur topographisch eingeordnet, sondern auch in eine Art Rangordnung gebracht. Diese Rangordnung der Kontinente ergebe sich nach dem Islam und "dem Gesichtspunkt […] des offenbarten Gesetzes und der persönlichen Würde, welche durch das göttlich Gegebene als auch durch andere Dinge gedeckt ist". [53] Demnach schneidet Europa an dritter Stelle nach Asien und Afrika relativ gut ab, weil ein großer Teil des Osmanischen Reiches, insbesondere Istanbul als dessen Hauptstadt, sich darin befinde. Europa als zu bereisender Kontinent wird so zwar als distinktes Gebiet bestimmt, aber zugleich als nah und ähnlich dargestellt, da es zumindest – wenn auch nicht im Falle Frankreichs – zum Teil islamisch und osmanisch sei. Gemäß Alain Roussillon wird hiermit die französische Gesellschaft in eine gemeinsame Temporalität der Menschheit integriert. [54] Der 'Islam' wird also als Variable zur Ordnung der Welt bemüht, aber nicht unabhängig gedacht, sondern mit "Würde" und "anderen Dingen" in Verbindung gebracht. Er wird damit nicht zum determinanten, aber wohl zu einem wichtigen Teil des Narrativs vom universellen menschlichen Fortschritt. In der Einschätzung verschiedener Bereiche des Pariser Lebens spielt er allerdings nur eine Nebenrolle, wie sich im Folgenden zeigen lässt.

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Wie damit der universelle Kulturbegriff – 'Kultur' als Ausdruck menschlicher Entwicklung – den anderen Begriff, 'Kultur' als spezifische Lebensform, zwar integrieren, aber dennoch dominieren kann, möchte ich an zwei Beispielen zeigen: Ṭahṭāwī ist so an mehreren Stellen seines Textes bemüht, manche Wissenschaften bei den Franzosen zu erklären sowie seiner Bewunderung gegenüber der kreativen Geschäftigkeit und gegenüber den Bildungsinstitutionen in Paris Ausdruck zu verleihen. [55] Mit seinen Ausführungen in der dritten Abhandlung zum Beispiel verdeutlicht Ṭahṭāwī, dass bei den Franzosen nicht nur viele Wissenschaften fortschrittlicher als in Ägypten betrieben würden, sondern auch ein anderes Verständnis von wissenschaftlichen Institutionen vorherrsche: "Nun sollte man nicht etwa meinen, dass die Wissenschaftler bei den Franzosen die Priester seien, denn die Geistlichen sind lediglich Gelehrte in der Religion. Gelegentlich mag unter den Geistlichen einer sein, der zugleich auch Wissenschaftler ist, aber wenn man allgemein von jemandem als 'Wissenschaftler' spricht, so ist es einer, der sich in den intellektuellen Wissenschaften auskennt, zu denen Rechts- und Politikwissenschaften gehören. Denn die Wissenschaftler sind sehr wenig im Bereich der Religion bewandert. Wenn man daher in Frankreich sagt, jemand sei ein Wissenschaftler, so versteht man darunter nicht, dass er sich in seiner Religion auskennt, sondern dass er in einer der anderen Wissenschaften Bescheid weiß. Man wird also die Überlegenheit dieser Christen in den Wissenschaften erkennen und zugleich einsehen, dass es viele von diesen in unseren Ländern gar nicht gibt, obschon dort die ehrwürdige Azhar-Moschee in Kairo, die Umayyadenmoschee in Damaskus […] usw. allesamt in brillanter Weise die Überlieferungswissenschaften sowie gewisse Verstandeswissenschaften wie die, die mit der arabischen Sprache zu tun haben, Logik und weitere Hilfswissenschaften, vertreten. Die Wissenschaften in Paris schreiten tagtäglich voran." [56]

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In dieser Beobachtung schlägt sich Ṭahṭāwīs Weltsicht aus der Einleitung nieder. Nach dieser stellt wissenschaftliches Treiben, sei es religiös, philosophisch oder empirisch begründet, ein Indiz für einen hohen Fortschrittsgrad dar. Doch geht hieraus keineswegs eine scharfe Verurteilung der Wissenschaftsinstitutionen in den islamischen Ländern, geschweige denn in den europäischen hervor. Vielmehr ist Ṭahṭāwī auf der Basis eines allgemeinen, in der arabischen Tradition bekannten Verständnisses von verschiedenen Wissenschaftsarten und -typen [57] bemüht aufzuzeigen, dass die institutionelle Aufteilung in Geistliche und Wissenschaftler auch für Ägypter plausibel erscheinen sollte.

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Angesichts des Fortschritts, den die Europäer damit erzielten, wäre diese vielleicht gar erstrebenswert. Nicht die komplette Änderung des Wissenskanons schwebt dem Erzähler also vor, sondern eine gewisse Neuordnung, eine Erweiterung und eine verstärkte Spezialisierung. Schließlich wollte Muḥammad ʿAlī, sein Landesherr und Auftraggeber, die Spezialisierung schon mit der Entsendung der Studienmission anstoßen, und Ṭahṭāwī hat sie in den staatlichen Institutionen Ägyptens später selbst gefördert. Die Legitimation für die Aneignung dieser "fremden Wissenschaften" findet sich auch in der Einleitung; denn, so erklärt der Erzähler mit Verweis auf die mittelalterliche Rezeption klassisch-arabischen Gedankenguts, die "Franken" stünden den "islamischen Ländern" zu, dass sie "einstmals ihre Lehrer in allen Wissenschaften waren". "Zur Zeit der Kalifen", so setzt Ṭahṭāwī fort und meint damit vor allem die Wissenschaftsförderung in der frühen Abbasiden-Zeit (ab 8. Jahrhundert n. Chr.), "waren wir das vollkommenste aller Länder". [58] Es erscheint also als das gute Recht der Ägypter und Muslime, an dem teilzuhaben, was sie selbst einst vorangebracht hatten. Die modernen europäischen Wissenschaften sind nicht allein europäisch, sondern beruhen auf einem universellen menschlichen Erbe, an dessen Weiterentwicklung die Muslime einst maßgeblich beteiligt waren.

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An anderer Stelle betont Ṭahṭāwī, dass sowohl das materielle Leben als auch Ideale wie Hygiene, Zweckmäßigkeit und Sittlichkeit von einem universalen Standpunkt aus beurteilt werden könnten: "Die Bäder in Paris sind von mannigfacher Art. Um die Wahrheit zu sagen: Sie sind sauberer als die Badehäuser in Kairo, doch sind hinwiederum die Bäder von Kairo im großen und ganzen zweckmäßiger, besser gebaut und hübscher. Ein Bad in Paris besteht nämlich aus mehreren Kabinen. In jeder Kabine steht eine Badewanne aus Kupfer, in der gerade ein Mann Platz hat. […] Sie kennen kein Gemeinschaftsbecken von der Art, wie es in Ägypten üblich ist, doch hat diese Sitte ihr Gutes hinsichtlich der Scham, denn es gibt keine Möglichkeit, daß der eine des anderen Blöße sieht." [59] Aufgrund seines universellen Fortschrittsverständnisses scheint sich für ihn keine Notwendigkeit zu ergeben, auf eine kulturelle Spezifität der Einrichtung Bad hinzuweisen. Er unterscheidet sich in diesem Fall mit seiner Schreibweise von jener mancher Orient-Reisender, die durch Aufnahme des Fremdworts (ḥamām) eine grundlegende Differenz solcher Phänomene suggerieren, wie anderswo schon dargelegt wurde. [60] Mit Ṭahṭāwīs Lesart, könnte man einwenden, bestehe im Grundverständnis des Bades jedoch kein Unterschied. So fasst dieser seine Beschreibungen unter dem sehr allgemeinen Aspekt der "Gesundheit der Körper" und nicht unter dem "französischen Bad". [61] Auf Basis dieser Gemeinsamkeit kann er in manchen Details Unterschiede erkennen und somit die jeweiligen Besonderheiten hervorheben. [62]

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Anhand solcher Beispiele zeigt sich, dass Ṭahṭāwī, indem er auf seiner eingangs erwähnten erklärenden Erzählung über den menschlichen Fortschritt aufbaut, selbst eine Art Kultur zu vermitteln weiß. In dieser Kultur bilden zum Beispiel Wissenschaften und wissenschaftliche Differenzierung sowie Hygiene und Schambewusstsein wichtige Beurteilungsmaßstäbe, die allgemein verständlich, damit also universeller, nicht islamischer oder ägyptischer Art sind. [63] Die Idee vom menschlichen Fortschritt bietet also eine Art Theorie für seine sehr durchdachte Beschreibung und Interpretation des städtischen Lebens in Frankreich. Auf der Suche nach einem Kulturbegriff sollte aber noch genauer in Betracht gezogen werden, wie Ṭahṭāwī als Übersetzer mit dem französischen Fortschrittskonzept jener Zeit, nämlich 'civilisation' umgegangen ist. Liefert Ṭahṭāwī eine arabische Übersetzung für 'civilisation' und damit einen neuen arabischen Terminus, mit dem er seine neue Weltsicht vermitteln kann?

Zur Übersetzung von 'civilisation'

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In der Einleitung tauchen fünf Ausdrücke auf, die vor dem Hintergrund der zweiten Dimension von 'Kultur' mit Vorstellungen von fortschrittlicher Sittlichkeit oder 'Zivilität' in Verbindung gebracht werden können. Ṭahṭāwī definiert, wie schon erwähnt, die Menschen der dritten und höchsten Entwicklungsstufe als die "Leute der Bildung (adab) und der sittlichen Feinheit (ẓarāfa), die Sesshaften (ahl at-taḥaḍḍur), die sich wie Städter benehmen und in der städtischen Lebensweise vorangekommen sind (ahl at-tamaddun wa-t-tamaṣṣur al-mutaṭṭariqīn)." [64] Angesichts der Tatsache, dass das Konzept der 'Zivilisation' zurzeit von Ṭahṭāwīs Paris-Aufenthalt in Frankreich so präsent war, könnte man davon ausgehen, dass er hier förmlich die ideale Übersetzung für diesen Begriff zu suchen scheint. Es mutet ohnehin unwahrscheinlich an, dass er als Student der französischen Sprache und Literatur, der mit vielen europäischen Wissenschaftlern Kontakt hatte, von 'civilisation' nichts erfahren haben sollte. [65] Der Umgang mit diesem Konzept ist hier bemerkenswert, da bekannterweise häufig auf die große semantische Schnittmenge und die historische Nähe zur Entwicklung von 'Kultur' hingewiesen wurde. [66]

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Um herauszufinden, ob es sich hierbei tatsächlich um einen Übersetzungsversuch handelt, und warum dieser so vielseitig ausfällt, ist es angebracht, einen Blick in Georges Bernard Deppings "Aperçu historique sur les mœurs et coutumes des nations" (erstmals 1826) zu werfen, das in den Augen vieler als Modell für Ṭahṭāwīs Abhandlungen im Taḫlīṣ gedient hat. [67] Die enge begriffliche Beziehung der beiden Texte zueinander wurde aber im Detail kaum untersucht. [68] Ṭahṭāwī übersetzte das gerade neu erschienene Buch, das ihm vermutlich vom Leiter der Mission, Edme Jomard, empfohlen wurde, schon in Paris. [69] Im Jahr 1833, also noch vor der Veröffentlichung des Taḫlīṣ, ließ er es übersetzt ins Arabische und mit einem ausführlichen Glossar französischer Termini herausgeben. Bei Deppings Buch handelt es sich um eine kurze Abhandlung, in der die Sitten etlicher Völker (peuples) gesammelt und verglichen werden. Neben der Schilderung von Themen, von denen sich viele auch in dem Reisebericht Ṭahṭāwīs finden, offenbart sich hierin auch immer wieder eine weitergehende Beschreibung von Völkern und Lebensweisen als "barbare", "sauvage" oder "civilisé".

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In manchen Arbeiten wurden Ṭahṭāwīs Sprache und seine Übersetzungsstrategien für französische Termini untersucht. Dabei wurde vor allem auf seine sprachlichen Innovationen abgehoben. Ṭahṭāwīs Umgang mit zentralen modernen Bewegungsbegriffen [70] wie 'Aufklärung', ' Moderne' oder 'Zivilisation', auf die er schon in Deppings Text gestoßen sein muss, fand allerdings keine Berücksichtigung. [71] In seinem Glossar zum "Aperçu historique" gibt Ṭahṭāwī verschiedene für die arabischen Leser neue Begriffe wieder, deren Eingang in die arabische Sprache er wünscht. [72] Hierbei konzentriert er sich aber zuvorderst auf Länder- und Ethnienbezeichnungen und einige technische Vokabeln. Ṭahṭāwī lenkt damit die Aufmerksamkeit des Lesers vor allem auf die praktische und empirische, weniger auf die theoretische und gewiss auch in seinen Augen kompliziertere Ebene. In Ṭahṭāwīs Übersetzung von Deppings Text finden sich neben weiteren, jedoch auch alle Varianten für "civilisation" und "peuple civilisé", [73] die ich oben angeführt habe – nämlich Bildung, sittliche Feinheit, sesshaftes und fortschrittliches städtisches Leben – in unterschiedlicher Häufigkeit an mehreren Stellen wieder.

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Der Übersetzer Ṭahṭāwī hat offenbar vor Schwierigkeiten gestanden, was an der problematischen Semantik des Terminus 'civilisation' gelegen haben kann. In einschlägigen begriffshistorischen Wörterbüchern wird 'civilisation' ähnlich vielschichtig charakterisiert, wie es der französische Historiker François Guizot in seiner bekannten Vorlesung von 1828, als Ṭahṭāwī bereits zwei Jahre in Paris war, definiert hat. Schon Guizot fasst den Begriff als komplex und schwierig auf und beschreibt 'die Zivilisation' sowohl als den Entwicklungsstatus einer Gesellschaft und eines Individuums, darüber hinaus aber auch als die Bewegung hin zu diesem Zustand. [74] Ṭahṭāwīs Angebot an Termini kann nach Guizot als Versuch verstanden werden, diese Dimensionen des Zivilisationskonzepts nachzuvollziehen: "Sittliche Feinheit" und "Gebildet-Sein" auf der einen Seite, "Sesshaftwerdung" und "Städterwerdung" auf der anderen. Der Unterschied ist, dass Guizot einen "fait de la civilisation" [75] zu entwickeln weiß, Ṭahṭāwī hingegen führt die verschiedenen Phänomene noch nicht unter einer einzelnen Bezeichnung zusammen.

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So lässt sich diese Zusammenführung von Termini zwar noch nicht als Begriff fassen, jedoch als eine Zusammenstellung verstehen, die auf einem bestimmten Imaginaire beruht. Mit dem Konzept des 'imaginaire sociale' oder des 'social imaginary', das ich im Folgenden benutzen werde, beziehe ich mich auf Überlegungen des Philosophen Charles Taylor. Denn für Taylor kristallisiert sich in der europäischen Geschichte an der Entwicklung von einem Zivilitätsideal zu einer Vorstellung von Zivilisation (als universeller Prozess) die Entstehung dessen, was er als 'modern social imaginary' bezeichnet. [76] Als Imaginaire ist 'Zivilisation' deshalb aufzufassen, weil sie auf einem historischen Narrativ beruht, das sich nicht auf konkrete Erfahrungen gründet, sondern auf gewisse Vorstellungen vom menschlichen Leben in der Welt. Die lineare Entwicklung von einer wilden Ursprungsgemeinschaft zu einer städtischen Industriegesellschaft gibt das beste Beispiel für derartig retrospektive Imaginationen. Das moderne Imaginaire der Zivilisation ist zudem an eine gesellschaftliche Gesamtheit gerichtet – daher ergibt sich der Zusatz 'sozial'. So wird ein soziales Imaginaire zwar in seinen Anfängen von einer bestimmten Elite entworfen, ist jedoch prinzipiell mit dem Ziel universeller Geltung verbunden. Drittens gibt die Vorstellung einer Entwicklung zum Besseren einen normativen Impetus, so dass soziale Imaginaires Grundlagen für (politisches) Handeln bieten. [77]

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All diese Elemente des modernen Imaginaires finden sich in Ṭahṭāwīs verschiedenen Übersetzungstermini. Jedoch führt er die Elemente nicht in einem arabischen Terminus zusammen. Er scheint vielmehr mögliche Übersetzungen zu sammeln, die allesamt Dimensionen der 'civilisation' ansprechen. [78] Dass Ṭahṭāwī aber tatsächlich bemüht war, eine möglichst genaue und möglicherweise auch eindeutigere Übersetzung zu finden, zeigt sich an einer zentralen Stelle seiner Übersetzung des "Aperçu historique sur les mœurs et coutumes des nations". Depping widmet einen großen Abschnitt den Frauen und bezeichnet ihre gute Behandlung, die in Frankreich die vortrefflichste sei, als einen Indikator für einen hohen Grad an Zivilisation. [79] Ṭahṭāwī gibt dieses lange Kapitel wieder und leistet sich – wie er es manchmal in dieser Übersetzung tut – in einem Abschnitt, in dem es um die Ehescheidung in den konfessionell unterschiedlich geprägten Ländern Europas geht, einen eigenen Einschub. Dieser kann als erklärender Kommentar zum Zusammenhang zwischen 'Zivilisation' und 'Frauen' verstanden werden: [80] "Es wird gesagt, dass jede Nation (ṭāʿifa) ihre Angelegenheit nach ihrem Belieben regelt und versucht jenes auszubessern, das ihr zusagt an Genüssen und Reizen und sich in diese bis zum Unendlichen vertieft und den Weg der Leichtigkeit einschlägt und des Wohlstands. So nennt man dieses 'Städterwerdung (tamaddun), sittliche Feinheit (ẓarāfa) und Bildung (adab)'. Sie [die Europäer, J.S.] nennen ihre Länder die Länder der Städterwerdung, der sittlichen Feinheit und der Bildung und sie sagen über andere sie seien unkultivierte Barbaren. Je weiter die Länder in der sittlichen Feinheit, der Bildung und der Städterwerdung vorangehen, desto besser sei auch in ihnen der Umgang der Männer mit den Frauen. Es unterscheidet sich [also] die Nachgiebigkeit gegenüber den Frauen je nach Unterschied der Gesetze der Länder und ihrer Gewohnheiten." [81]

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Ṭahṭāwī versucht hier, den Begriff der 'Zivilisation' in seiner Vielschichtigkeit mit drei verschiedenen Termini zu übertragen: "Städterwerdung, Bildung und sittliche Feinheit". Sein vorsichtiger und distanziert wirkender Umgang mit dem Konzept erscheint auch dann verständlich, wenn man das intellektuelle und politische Umfeld der Paris-Reise betrachtet. Denn oben erwähnter Guizot hat die französische Zivilisation innerhalb der "Civilisation Européenne" als die beste und fortschrittlichste beschrieben, und die Debatte um 'Kultur' und 'Zivilisation', die im späten 18. Jahrhundert einsetzt, verdeutlicht die innereuropäische Uneinigkeit über das Konzept, seine genaue Bedeutung und seinen idealen Ort. [82] Ṭahṭāwī muss diesen 'Kultur-Zivilisation-Konflikt' wahrgenommen haben. So konnte er sich wohl gar nicht zurückhalten, den arabischen Lesern in irgendeiner Form über diesen in Frankreich so präsenten Begriff Auskunft zu geben. Zudem spricht aus Guizots Zivilisationsbegriff – deutlich mehr noch als aus Deppings – das Gefühl europäischer Überlegenheit, das Ṭahṭāwī wohl gekannt haben muss, aber im Bericht über seine Paris-Reise kaum an die Oberfläche treten lässt.

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Der Historiker Ian Coller bemerkt in seiner Studie "Arab France", in der sich der ägyptische Paris-Aufenthalt in die intellektuelle und politische Landschaft Frankreichs eingebettet findet, zur Entwicklung von 'civilisation' im frühen 19. Jahrhundert: "The Enlightenment conception of European superiority among a plurality of 'civilizations' shifted toward a monolinear conceptualization of 'civilization' as a single process of development […] A new kind of 'Orientalism' drew an absolute and qualitative distinction between European and 'Oriental' societies. It was in this atmosphere that the Egyptian students arrived in Paris […]". [83] Nach Coller entsteht die Vorstellung von der europäischen Zivilisation gegenüber einem kaum entwicklungsfähigen Orient im Frankreich der 1820er Jahre. [84]

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Die Unterscheidung von nun asymmetrisch entworfenen 'Kulturen' (Europa gegenüber dem Orient) im Kontrast zur Annahme universeller Entwicklungsstufen (menschlich zivilisiert gegenüber barbarisch) findet man in einer unterhaltsamen Erzählung illustriert. Hier kommt das europäische Kulturbewusstsein gegenüber einem universalistischen zumindest ansatzweise zum Vorschein. Nachdem Ṭahṭāwī im Kapitel über "die Ess- und Trinksitten der Franzosen" auf den hohen Alkoholkonsum in den Spelunken der unteren Gesellschaftsschichten zu sprechen kommt, erzählt er davon, dass ihm eines Nachts auf der Straße von einem Betrunkenen "He, du Türke!" nachgerufen worden sei. Er habe den Mann dann, nachdem dieser sich ihm genähert habe, gepackt und in ein Süßwarengeschäft geführt. Er fährt fort: "[…] und so betrat ich mit dem Mann den Laden, setzte ihn auf einen Stuhl und sagte scherzweise zu dem Ladenbesitzer: 'Wollen sie mir nicht diesen Mann für Zuckerwerk und kandierte Nüsse abkaufen?' Darauf sagte der Ladeninhaber: 'Hier ist es nicht so wie in ihrem Lande, wo man willkürlich über Menschen verfügt!' Worauf ich ihm bloß erwiderte: 'Dieser Betrunkene hier ist in seinem Zustand nicht zu den Menschen zu zählen!'" [85]

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Anhand dieser Anekdote kann man in Ansätzen zwei Vorstellungen vorfinden, die als Bestandteile des modernen Kulturbegriffs aufgefasst werden können. Die Aussage des Erzählers beruht hier auf einer universalistischen Vorstellung von Zivilität: Wirklich menschliches Verhalten entspricht nicht dem Verhalten Betrunkener. Hingegen gleicht die Position, die der Verkäufer vertritt, der Vorstellung von Kultur als auf bestimmte Regionen beschränkte Lebensform: Dort (im Orient) herrscht Willkür, hier (in Frankreich) die Menschlichkeit. [86] Durch die Schilderung der Anekdote wird noch einmal deutlich, dass Ṭahṭāwī der Idee einer universellen Entwicklung den Vorrang vor 'Kultur' als spezifischem, zum Beispiel europäischem Lebensstil gewährt. Es ist zu vermuten, dass Ṭahṭāwī derartige Konfrontationen mit einem exklusiv europäischen Kulturverständnis häufiger selbst oder aber aus Erzählungen erfahren hat. Wie er in einem der ersten Kapitel über die Anreise berichtet, hatte sich in Frankreich, besonders in Marseille, im Gefolge der napoleonischen Expedition eine Gruppe von Arabern eingerichtet. [87] Coller untersucht deren intellektuelles Wirken wie insbesondere auch das der zweiten Generation arabischer Franzosen und rekonstruiert ihren reibungsvollen Umgang mit der entstehenden "Civilisation Européenne" wie auch einem neuen, imperialen französischen Nationalbewusstsein. Ṭahṭāwī, der selbst nur sehr wenig Auskunft über diese Kontakte gibt, müsse nach Coller intensiven Austausch mit diesen arabischen Franzosen gehabt haben und sich allein schon daher der strittigen Aspekte des Kultur- bzw. Zivilisationsverständnisses bewusst gewesen sein. [88]

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Als tatsächliche arabische Variante von 'Zivilisation' kommt erst viele Jahre nach der Paris-Reise in den Schriften arabischer Reformdenker ein Begriff zum Tragen, nämlich 'tamaddun'. Auch Ṭahṭāwī hat diesen Begriff in späteren Schriften so verwendet. [89] In seinem Paris-Reisebericht taucht 'tamaddun' bereits auf; [90] doch dessen Erwähnung zusammen mit vieldeutigen Synonymen erhält offenbar noch Vorrang. Die meistens etwas unbeholfen wirkende Übertragung von 'civilisation' im Taḫlīṣ erscheint somit nicht einem uneindeutigen arabischen Stil geschuldet. Es dürfte ebenso wenig an der Unfähigkeit des Übersetzers gelegen haben. Wohl eher hatte dieser Mühe, die eigenwillige Dinghaftigkeit dieses Konzepts den Lesern in seiner Heimat plausibel zu machen; vielleicht aber wollte er dieses Konzept in seiner europäischen Exklusivität auch ganz bewusst nicht in die Diskussion bringen. Die Gründe lassen sich nicht genauer überprüfen. So bleibt zunächst die Beobachtung, dass die Entwicklungsvorstellung wie auch jene, nach der 'Kultur' nur bestimmte menschliche Lebensformen bezeichnet, bei Ṭahṭāwī nicht zu einem "fait" (nach Guizot) verschmolzen werden, sondern im Taḫlīṣ als unabhängig zu benennende Dimensionen bestehen bleiben. Seine Übersetzungsversuche sind somit nicht als ungenau aufzufassen, sondern spiegeln vielmehr die Ungenauigkeit des auch in Europa noch sehr jungen Konzepts 'civilisation' wider.

Montesquieu und Ibn Ḫaldūn

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Aufbauend auf dem Imaginaire in der Einleitung und der Zuordnung arabischer Begriffe kann dieses Kulturverständnis an Meilensteine arabischer wie französischer Literatur angeschlossen werden. Hiermit ergibt sich schließlich die Möglichkeit, Ṭahṭāwīs Text als Zusammenführung von Schreibtraditionen zu begreifen. [91] So gibt Ṭahṭāwī in einem Kapitel darüber Auskunft, was er an französischer Literatur gelesen habe. Neben Werken von Rousseau, Condillac und Voltaire hat er auch den im Folgenden beschriebenen Text gelesen und sich offensichtlich von ihm beeindrucken lassen: "Ich las auch zwei Teile eines Buches welches 'l'Esprit des Lois' heißt. Sein Verfasser ist bei den Franzosen sehr berühmt und heißt Montesquieu. Das Werk ist am ehesten vergleichbar mit einer Gegenüberstellung der verschiedenen rechtlichen und politischen Auffassungen und beruht auf dem Urteil des Verstandes. Sein Autor hat bei den Franzosen den Beinamen 'Ibn Ḫaldūn der Franken', so wie man Ibn Ḫaldūn bei ihnen auch den 'Montesquieu des Orients' das heißt 'den Montesquieu des Islams' nennen könnte." [92] Der berühmte tunesische Historiker (1332-1382), dessen weitreichende Wirkung im 19. Jahrhundert schon nachgewiesen wurde, gilt hier als Vergleichspersönlichkeit für Montesquieu, einer nicht minder wichtigen Referenz im 19. Jahrhundert. [93] Ṭahṭāwī mag damit ein wenig ironisierend die Rede des österreichischen Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall (1774-1856), ebenfalls bekannt in Paris, übernommen haben, der Ibn Ḫaldūn als "einen arabischen Montesquieu" [94] bezeichnete. Für seine ägyptischen Leser wollte Ṭahṭāwī somit in einer Umkehr wiederum das Unbekannte (Montesquieu) mit dem Bekannten (Ibn Ḫaldūn) verstehbar machen.

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Abgesehen von dieser Umkehrung des Verhältnisses von Orient und Okzident könnten beide großen Denker, wie schon Euben gezeigt hat, [95] tatsächlich einen Einfluss auf den jungen Mann in Paris gehabt haben. Wie ich ergänzen möchte, wird dies besonders sichtbar in der Art und Weise, wie die Differenz zu dem für Ṭahṭāwī so wichtigen städtischen, kultivierten und zivilisierten Leben bestimmt wird. [96] Ähnlich wie Montesquieu unterscheidet Ṭahṭāwī die höchste Lebensform von den 'Barbaren' und 'Wilden' und stellt genauso fest, dass die Wilden insbesondere zu einem geselligen Zusammenschluss nicht in der Lage seien, in verstreuten Horden leben und ferner keinen Ackerbau, nur das Jagen und Sammeln kennen würden. [97] Doch unter den Barbaren, der Zwischenstufe, gibt es nach Ṭahṭāwī schon "eine Art Gesellschaft" sowie Kenntnisse über den Bau fester Unterkünfte, Ackerbau und Viehzucht. [98] Die Fähigkeit zur Gesellschaftsbildung gäbe den entscheidenden Ausweis der Fortschrittlichkeit eines Volkes. Bezeichnenderweise nennt Ṭahṭāwī als einziges Beispiel für die barbarische Lebensweise jedoch die "Araber der Steppe". [99] In Ibn Ḫaldūns Muqaddima (der "Einleitung" in sein Geschichtswerk) bildet das Leben in der Steppe den zentralen Gegensatz zum Leben in der Stadt. [100] Ṭahṭāwī verwendet besonders in seiner Depping-Übersetzung mehrmals die binäre Terminologie nach Ibn Ḫaldūn, wenn er "(peuples) barbares" und "(peuples) civilisés" [101] mit "badw" (ländlich) und "ḥaḍar" (städtisch-sesshaft) [102] übersetzt und 'Zivilisation' auch allein stehend mit dem von "sesshaft" abgeleiteten "ḥaḍarīya" [103] wiedergibt.

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So wie Ṭahṭāwī von einem Prozess ausgehen muss, wenn er sein Fortschrittsimaginaire einführt, so schreibt auch Ibn Ḫaldūn über einen solchen: den Wandel von der ländlichen Lebensweise (ahl al-badw) zur städtischen (ahl al-ḥaḍar). Dieser Wandel soll in Ibn Ḫaldūns Text eine Erklärung für die seinerzeit vielen politischen Umbrüche im westlichen Nordafrika bieten. Er vollzieht sich danach aber nicht linear, sondern zirkulär. Das Stadtleben wird als Telos (ġāya) des Landlebens aufgefasst. Jedoch steht dieser Wandel nicht wie im Taḫlīṣ als Grundnarrativ eines Imaginaires am Anfang seines Werks, sondern ist der zentrale Gegenstand nahezu seiner gesamten Ausführungen. [104] Das städtische wie auch das ländliche soziale Leben möglichst genau darzustellen und in seinen Wechselbeziehungen zu analysieren, mag im Kern der Muqaddima stehen; sich vor allem über die städtische Gesellschaft in Europa zu äußern, erscheint demgegenüber als ein Kernanliegen Ṭahṭāwīs. Das soziale Leben als idealerweise städtisch, bürgerlich, gebildet und sittlich verfeinert erhält in seiner Entwicklungsfähigkeit damit normative Qualität und ist als Ziel des menschlichen Strebens vom Urzustand an zu verstehen. [105] Ṭahṭāwī bietet mit der Aufnahme des aufklärerisch-evolutionären Dreischritts eine Integration der ḫaldūnschen Terminologie in ein stärker lineares Zeitverständnis und in die wertenden Bezeichnungen des modernen Imaginaires der Zivilisation. [106]

Vermittlung von 'Kultur' als Zivilität und Bildung

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Die Muqaddima präsentiert sich als enzyklopädisches Werk. Parallelen zu ihrem rationalen Aufbau lassen sich im Taḫlīṣ finden: eine erkenntnistheoretische Einleitung, Beobachtungen zur sozialen und materiellen Ordnung, die Nennung und Erklärung von Wissenschaften zum Schluss. [107] Derartige enzyklopädische Werke können im Kontext der arabischen Literatur-Tradition zum 'adab' gezählt werden. Mit 'adab' ist allerdings in erster Linie Literatur gemeint, in der sowohl nützliches Wissen und unterhaltsame Anekdoten als auch Moral und Verhaltensstandards vermittelt werden. Diese Literaturtradition setzt sich dabei nicht nur aus arabischen, sondern aus verschiedenen literarischen Einflüssen zusammen. [108] Unabhängig davon, ob Ṭahṭāwī sich selbst als 'adīb' (Literat), also jemand der 'adab' produziert, bezeichnet hat, liegt es nahe, dass ihm diese Art des Schreibens mit seiner langen Tradition in der arabischen Literatur eine mögliche, allgemein verständliche und anerkannte Artikulationsform geboten hat. Sein Lehrer und Freund Ḥasan al-ʿAṭṭār zumindest hat ihn in seiner Vorrede zur ersten Ausgabe des Taḫlīṣ von 1834 als 'adīb' [109] gewürdigt.

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Als adab-Text ist der Taḫlīṣ gespickt mit Verszitaten aus verschiedenen Jahrhunderten. Diese geben Auskunft über die Belesenheit des Autors und wirken zuweilen auch sehr unterhaltsam; als Ṭahṭāwī zum Beispiel darüber berichtet, dass zu Musik und Tanz auf Volksfesten in Paris etwas zu Essen und "leichte Getränke" gereicht würden, fügt er zwei Weinverse ein. Während einer Rast auf der Schiffsreise über das Mittelmeer habe ihn das Glockengeläute eines Kirchturms gar zu eigenen poetischen Experimenten angeregt. Des Weiteren bindet Ṭahṭāwī zum Schluss des Buches eine alte arabische Legende ein, die verdeutlichen soll, welch hohen Stellenwert Freiheit, die sich als zentrale Parole der französischen Juli-Revolution Ṭahṭāwī aufgedrängt haben muss, auch bei den Arabern besitzt. [110]

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'Adab' als Darstellungsform, in der Humor und Ernst zusammentreffen, gründliche Erläuterungen, Ausschweifungen und narrative wie poetische Einschübe vorkommen dürfen, deutet damit auf eine weitere Ebene von 'Kultur': Kultur als Kunst, als "intellectual and especially artistical actitivity", die Williams als die dritte Kultur-Variante festhält. [111] Ebenso verweist 'adab' (wie 'Kultur') im Sinne tatsächlicher Bildung auch auf sittliches Verhalten, auf Gebildet-Sein und Moral. In diesem Sinne wurde 'adab' auch tatsächlich schon als 'humanité' oder 'culture' gedeutet. [112] Damit könnte es zumindest in Teilen auch mit der erwähnten ersten Dimension von 'Kultur' zusammenhängen. Das Wortfeld um 'adab' oder eine Abwandlung des Wortes schließlich böten somit auch eine Möglichkeit der Übersetzung von 'civilisation'. Nicht nur in Ṭahṭāwīs Sammlung von Zivilisationssynonymen wird 'adab' verwendet. 'Adab' wird tatsächlich als Übersetzung für 'civilisation' im Sinne des "état de ce qui est civilisé" und eine Ableitung von 'adab' (taʾdīb) für 'civilisation' als "action de civiliser" im ersten arabisch-französischen Wörterbuch, das der ägyptische Franzose Ellious Bocthor 1828 erstellt hat, verwendet. [113] Ṭahṭāwī soll dieses Wörterbuch gekannt haben; [114] er scheint diese Übersetzung allein offenbar jedoch für nicht ausreichend oder für seinen Zweck nicht dienlich gehalten zu haben.

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Warum dies der Fall ist, kann hier nicht ausgeführt, sondern nur sehr vage vermutet werden. Ṭahṭāwī führt 'adab' als zumindest eine Dimension von 'Zivilisation' ein, er versteht sie jedoch offenbar nur als Teil des komplexen sozialen Imaginaires. In seiner Paris-Reise taucht der Begriff insgesamt nur auffällig selten auf. Auch im Wörterbuch von Bocthor werden weitere Synonyme benannt. Vermutlich hat der Begriff in den Augen Ṭahṭāwīs mehr auf die Art seines Schreibens (nämlich auf seine literarischen und sprachlichen Fähigkeiten), verwiesen als auf das, was er beschreibt und was er zu Beginn als Ziel formuliert: die Förderung empirischer und praktischer Wissenschaften. Mit dem Begriff vermochte er vermutlich ebenso wenig, die Ganzheitlichkeit – und mit ihr besonders die moderne gesellschaftliche und materielle Dimension des Konzepts der Zivilisation – zu erfassen. In seinen Beschreibungen und der übersichtlichen Textorganisation orientiert sich Ṭahṭāwī schließlich sowohl an einem stilistisch und sprachlich anspruchsvollen Vorbild als auch, wenn nicht gar stärker, an dem Muster eines sozial-empirischen oder völkerkundlichen Schrifttums wie Deppings "mœurs et coutumes". [115]

<39>

Ṭahṭāwīs Text kann mit seinem enzyklopädischen Schreibstil als Lehrbuch aufgefasst werden, das sowohl allgemein Wissenswertes über die Welt ('Kultur' als Fortschritt und als spezifische Lebensform) als auch verschiedene Texttraditionen ('Kultur' als 'adab') vermittelt. [116] Die verschiedenen literarischen Traditionen, an die Ṭahṭāwī anschließt, mögen auch den unterschiedlichen Bedürfnissen, die an ihn herangetragen worden sind, geschuldet sein. So lässt sich diese 'multiple Vermittlung' auf der textlichen Ebene auch erklären: Ṭahṭāwī hat vermutlich nicht nur den Erwartungen seines Herrschers, dem er sich an verschiedenen Stellen gegenüber sehr treu gibt, zu entsprechen versucht, sondern auch den Erwartungen seines Freund und Lehrers Ḥasan al-ʿAṭṭār. Als weitere Zielgruppe jedoch wird, wie er mehrmals erwähnt, die Allgemeinheit der Ägypter angesprochen. [117]

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Der Anspruch seines Textes, seinen Landsleuten allgemein dienen zu wollen, stellt eine selbsterklärte Besonderheit des Taḫlīṣ dar. Dies erfährt seine Grundlegung in der Einleitung, in der ein Kulturverständnis vermittelt wird, nach dem Menschen sich graduell voneinander unterscheiden und vor allem als lern- und zivilisierungsfähig begriffen werden. Neues bietet der Taḫlīṣ darüber hinaus darin, dass er eine Hermeneutik dafür liefert, wie das nicht Traditions- und Sprachgebundene an 'Kultur' erfasst werden kann. Dem gemäß ist auch zu verstehen, warum Ṭahṭāwī die französische Charte im Anschluss an seine Übersetzung derselben so unbefangen kommentieren kann und die Ereignisse der Juli-Revolution schildert. Die politische Öffentlichkeit, die sozialen Konventionen, nicht zuletzt die Wissenschaften, die in Frankreich nach seiner Interpretation auf menschlicher Verstandesleistung statt auf göttlicher Offenbarung beruhen, [118] sollten offenbar von dem Standpunkte des Imaginaires der Zivilisation, und nicht von dem des Islams oder der ägyptischen Kultur her beurteilt werden – und erscheinen daher so neu und interessant.

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Abschließend ist festzustellen: Ṭahṭāwī vermittelt eine plurale Deutung menschlichen Handelns, die mit der Vielschichtigkeit des modernen Kulturbegriffs nachvollzogen werden kann. Erstens entwickelt er in der Einleitung des Taḫlīṣ das damit einhergehende säkulare moderne Imaginaire und berührt so eine Dimension des modernen Kulturbegriffs. Der taḫlīṣ ist als Werk konzipiert, in dem die Idee universellen Fortschritts und der Möglichkeit gesellschaftlicher Neuerung verkündet werden sollen. Zweitens beschreibt Ṭahṭāwī auf der Grundlage des Imaginaires die bürgerlich-materielle wie geistige Kultur der Franzosen – Sitten, Gepflogenheiten, Institutionen und Wissenschaften –, die er sich mittels seiner Beobachtungen und Lektüren erschließt und die er mit ihren Entsprechungen in Ägypten vielerorts zu vergleichen weiß. Hiermit vermittelt er nicht nur die französische Lebensweise als 'die andere Kultur', sondern präsentiert seinen Landsleuten auch Elemente einer arabischen Kultur. Damit entwickelt er auch Ansätze für ein ägyptisches Selbstbewusstsein, das es vorher so wohl kaum gegeben hat. [119] Dieser Vergleich ergibt schließlich wiederum die Aussage: "Nach längerem Nachdenken über die Sitten und die politischen Verhältnisse der Franzosen wurde mir klar, daß diese den Arabern ähnlicher sind als den Türken und anderen Rassen." [120]

<42>

Drittens schließlich rekurriert Ṭahṭāwī auf eine vielfältige Bildungstradition und deutet mit seiner Art der Darstellung im Sinne des adab-Schrifttums auf die künstlerische und intellektuelle Ebene von 'Kultur'. In diesem Sinne ist der Text selbst 'Kultur'. Sein Buch erinnert somit an die arabische Literaturtradition, in der durch Übersetzungen neue Elemente aufgenommen werden können, und ist als kleines Bildungskunststück zwischen Unterhaltung und Wissenschaft zu genießen. Diese vielschichtige, zuweilen etwas unentschlossen wirkende Perspektive, die der Taḫlīṣ vermittelt, kann damit auch heute noch Anlass geben, kulturalistischen Deutungen menschlichen Handelns, in denen die Unvergleichbarkeit und Unübersetzbarkeit hervorgehoben werden, konstruktiv zu begegnen. 'Kultur' als offenes hermeneutisches Konzept kann, so möchte ich vorschlagen, dazu dienen, die erkenntnistheoretischen Implikationen wie auch die künstlerische Form von Reisebeschreibungen genauer zu ermitteln. [121]

Autor:

Johannes Stephan M.A.
Universität Bern
Institut für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie
Falkenplatz 11
CH-3012 Bern
johannes.stephan@islam.unibe.ch



[*] Für Kritik, Hinweise und Tipps bei der Erstellung des Artikels sei Manuel Uebersax, Thomas Würtz, Frank Peter und nicht zuletzt Joachim Eibach herzlich gedankt.

[1] Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī: Taḫlīṣ al-ibrīz fī talḫīṣ bārīz, Kairo 1958, 56f. Im Folgenden zitiere ich diese Ausgabe, bei der es sich um eine Neuauflage der ersten Druckfassung von 1834 handelt (Verweis im Folgenden nur mit Kurztitel: Taḫlīṣ). In den deutschen Zitaten aus dem Taḫlīṣ orientiere ich mich im Wesentlichen an Karl Stowassers Übersetzung (im Folgenden stets nach dem Verweis auf das Original angezeigt mit 'Sto', wenn eigene Änderungen vorliegen 'Sto' in Klammern. Dieses Kürzel verwende ich auch parallel zu sonstigen Verweisen auf den arabischen Text). Vgl. Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī: Ein Muslim entdeckt Europa. Die Reise eines Ägypters im 19. Jahrhundert nach Paris, München 1988, 8. An manchen Stellen habe ich seine Vorschläge auch unter Heranziehung der englischen Übersetzung von Daniel L. Newman modifiziert: Rifāʿa Rāfiʿ aṭ-Ṭahṭāwī: An Imam in Paris. Account of a Stay in France by an Egyptian Cleric (1826-1831), London 2004. Ferner liegt eine französische Übersetzung von Anouar Louca vor, die ich hier nicht berücksichtigt habe. Vgl. Rifāʿa Rāfiʿ aṭ-Ṭahṭāwī: L'or de Paris: relation de voyage 1826-1831, Paris 1988.

[2] aṭ-Ṭahṭāwī: Ein Muslim entdeckt Europa (wie Anm. 1), 9.

[3] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 56 (Sto: 8).

[4] Altman liest daher sein Werk vor allem im Kontext der "bureaucratic reform", d.h. Reformen, die vom Staat zugunsten des Staates durchgeführt werden. Vgl. Israel Altman: The Political Thought of Rifāʻah Rāfiʻ al-Ṭahṭāwī: a Nineteenth Century Egyptian Reformer, Los Angeles 1976, 1-11.

[5] Vgl. Gilbert Delanoue: Moralistes et politiques musulmans, Band 2, Kairo 1982, 397ff.; und Albert Hourani: Arabic Thought in the Liberal Age 1798-1939, Cambridge 1983, 71ff.

[6] Vgl. Peter Gran: Tahtawi in Paris, in: Al-Ahram Weekly Online 568 (2002), http://weekly.ahram.org.eg/2002/568/cu1.htm <6.5.2011>.

[7] Zu Ṭahṭāwīs Leben bis zur Paris-Reise vgl. Gilbert Delanoue: Moralistes (wie Anm. 5), 384-386; und Daniel Newman: Introduction, in: aṭ-Ṭahṭāwī: An Imam in Paris (wie Anm. 1), 14-82, hier: 29-34.

[8] Roxanne Euben sieht in der "Suche nach Wissen" eine Art anthropologische Konstante, die sich sowohl in muslimischen wie auch in westlichen Reiseberichten nachzeichnen lasse. Vgl. Roxanne Euben: Journeys to the Other Shore: Muslim and Western Travelers in Search of Knowledge, Princeton 2008, 15. In ihrer Position könnte man eine Ergänzung zu Justin Stagls Feststellung einer Konstante der Sozialforschung seit der Antike erblicken. Stagl beschränkt sich nämlich allein auf europäische Reiseliteratur. Vgl. Justin Stagl: Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550-1800, Wien / Köln / Weimar 1995.

[9] Vgl. Newman: Introduction (wie Anm. 7), 34-38. Zu al-ʿAṭṭārs Werk vgl. außerdem Peter Gran: Ḥasan al-ʿAṭṭār (1766-1835), in: Joseph E. Lowry / Devin J. Stewart: Essays in Arabic Literary Biography 1350-1850, Wiesbaden 2009, 56-68. Dessen herausragende Persönlichkeit würdigt auch der berühmte britische Orientalist Edward W. Lane. Vgl. Edward W. Lane: An Account of the Manners and Customs of the Modern Egyptians: Written in Egypt during the Years 1833-1835, London 1978, 218.

[10] Vgl. Rotraud Wielandt: Das Bild der Europäer in der modernen arabischen Erzähl- und Theaterliteratur, Wiesbaden 1980, 35.

[11] Vgl. Newman: Introduction (wie Anm. 7), 17, 22-27.

[12] Zum weiteren Hintergrund der Reise vgl. Newman: Introduction (wie Anm. 7), 15-28.

[13] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 56 (Sto: 7f).

[14] Zu den Studienfächern und der Mission allgemein vgl. Alain Silvera: The First Egyptian Student Mission to France under Muhammad Ali, in: Middle Eastern Studies 16/2 (1980), 1-22, hier: 9; und Newman: Introduction (wie Anm. 7), 28. Eine Liste der Studierenden mit ihren Fächern findet sich bei Edme Jomard: L'École Égyptienne de Paris, in: Nouveau Journal Asiatique 2 (1828), 96-116, hier: 109-112. Zu den "gewünschten Wissenschaften" vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 66-68 (Sto: 19-21).

[15] Vgl. Imān as-Saʿīd Ğalāl: Al-muṣṭalaḥ ʿinda Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī bayna t-tarğama wa-t-taʿrīb, Kairo 2006, 25f.

[16] Vgl. Altman: Political Thought (wie Anm. 4), 80. Hinweise darauf finden sich schon bei Jomard: L'École Égyptienne (wie Anm. 14), 108, 112.

[17] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 58 (Sto: 9).

[18] Auf den Aspekt der "nachträgliche[n] Konstruktion" weist hin: Bekim Agai: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was (?) erzählen? Der Reisebericht als kulturübergreifende inszenierte Grenzerfahrung – Ein Vergleich der Reiseberichte des Ägypters Ṭahṭāwī, des Osmanen Muḥibb Efendi und des Preußen von Moltke, in: ders. / Zita Ágota Pataki: Orientalische Reisende in Europa – Europäische Reisende im Nahen Osten: Bilder vom Selbst und Imaginationen des Anderen, Berlin 2010, 13-38, hier: 21.

[19] So konzipierte Georges-Bernhard Depping seinen "Aperçu historique", den Ṭahṭāwī in Paris las und bereits dort ins Arabische übersetzte, "[d]ans un cadre aussi resserré que celui des volumes de l'ENCYCLOPÉDIE PORTATIVE". Georges-Bernhard Depping: Aperçu historique sur les mœurs et coutumes des nations, Paris 1842, 2.

[20] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 174 (Sto: 126).

[21] Ralf Elger weiß diese Haltung hinsichtlich der Literaturgeschichte zu relativieren. Vgl. Ralf Elger: Arabic Travelogues from the Mashrek 1700-1834. A Preliminary Survey of the Genre's Development, in: Christian Szyska / Friederike Pannewick: Crossing and Passages in Genre and Culture, Wiesbaden 2003, 27-40, hier: 27f.

[22] Vgl. Anouar Louca: Voyageurs et écrivains égyptiens en France au XIXe siècle, Paris 1970, 59f., 74; vgl. John Livingston: Western Science and Educational Reform in the Thought of Shaykh Rifaa al-Tahtawi, in: International Journal of Middle East Studies, 28/4 (1996), 543-564; vgl. Karl Stowasser: Aṭ-Ṭahṭāwī in Paris. Ein Dokument des arabischen Modernismus aus dem frühen 19. Jahrhundert, übersetzt, eingeleitet und erläutert, Münster 1968, 22; und Ibrahim Abu-Lughod: Arab Rediscovery of Europe. A Study in Cultural Encounters, Princeton 1963, 41, 49-57, 137ff.

[23] Vgl. Ulrike Freitag: Arabische Visionen von Modernität im 19. und frühen 20. Jahrhundert: Die Aneignung von Universalien oder die Übernahme fremder Konzepte?, in: Jörg Baberowski / Hartmut Kaelbe / Jürgen Schriewer: Selbstbilder und Fremdbilder. Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel, Frankfurt a. M. / New York 2008, 89-117, hier: 100f.; vgl. Birgit Schaebler: Civilizing Others. Global Modernity and the Local Boundaries (French/German, Ottoman and Arab) of Savagery, in: dies. / Leif Stenberg: Globalization and the Muslim World. Culture, Religion, and Modernity, New York 2004, 3-29, hier besonders: 3-7, 23. Alain Roussillon sieht hingegen in der Paris-Reise einen Versuch, eine osmanische Modernität zu begründen. Vgl. Alain Roussillon: "Ce qu'ils nomment 'liberté' ...": Rifāʿa al-Ṭahṭāwī, ou l'invention (avortée) d'une modernité politique ottomane, in: Arabica 48/2 (2001), 143-185. Auch wird Ṭahṭāwīs Werk nun in das Narrativ über den „kulturellen Hintergrund“ der arabischen Revolten von 2011 eingefügt. Vgl. Francesca Maria Corrao: Arab Revolutions. The Cultural Background, in: Archivo Antropologico Mediterraneo 12-13/13 (2011), 9-16.

[24] Lūīs ʿAwaḍ: Tārīḫ al-fikr al-miṣrī al-ḥadīṯ. Min al-ḥamla al-fransīya ilā ʿaṣr Ismāʿīl, Kairo 2002, 268.

[25] Muḥammad ʿImāra: Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī. Rāʾid at-tanwīr fī ʿaṣr al-ḥadīṯ, Amman 2009. In den Zusammenhang der Aufklärung ordnet ihn auch: Raouf Abbas Hamed: The Japanese and Egyptian Enlightenment: a Comparative Study of Fukuzawa Yukichi and Rifā'ah al-Ṭahṭāwī, Tokyo 1990.

[26] Vgl. Mahdī ʿAllām / Aḥmad A. Badawī / Anwar Lūqā: Muqaddima, in: Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 6.

[27] Zum Begriff vgl. Nadia Tomiche: Nahḍa, in: Encyclopédie de l'Islam, Band 7, 2. Aufl., Leiden 1993, 901.

[28] Vgl. Azzam Tamimi: Islam and Democracy from Tahtawi to Ghannouchi, in: Theory, Culture & Society 24/2 (2007), 39-58, hier: 42-44; und die sehr populär gehaltene Darstellung von Guy Sorman: Les enfants de Rifaa. Musulmans et modernes, Paris 2003, hier besonders: 15-39.

[29] Zu dieser Beobachtung der Vielschichtigkeit vgl. auch Euben: Journeys (wie Anm. 8), 117. Die Idee der Vermittlung zwischen zwei Seiten spricht hingegen auch aus: Anouar Louca: La médiation de Tahtâwî 1801-1873, in: Daniel Panzac / André Raymond: La France et l'Egypte à l'époque des vice-rois 1805-1882, Kairo 2002, 59-69. Ähnlich betrachtet Hasan Hanafi Ṭahṭāwīs Reiseerfahrung im Kontext einer Dialektik von "Islamic civilization" und "western world". Vgl. Hasan Hanafi: The Dialectis of the Ego and the Other: A Study of Tahtawi's Takhlis Al Ebriz, in: Taher Labib: Imagining the Arab other: How Arabs and non-Arabs View Each Other, London 2008, 157-182, hier besonders: 157-159; aus einer kulturkritischen Perspektive vgl. Sandra Naddaf: Mirrored Images: Rifā'ah al-Ṭahṭāwī and the West: Introduction and Translation, in: Alif: Journal of Comparative Poetics 6 (1986), 73-83, hier: 76f.

[30] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 168f., Sto: 122.

[31] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 121, 89, 117 (Sto: 78f., 41, 73 ).

[32] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 123 (Sto: 79).

[33] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 120, Sto: 76 (Klammern J.S.).

[34] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 57 (Sto: 9).

[35] Vgl. Stowasser: Aṭ-Ṭahṭāwī in Paris (wie Anm. 22), 17; vgl. Leon Zolondek: Al-Ṭahṭāwī and Political Freedom, in: Muslim World 54 (1964), 90-97, hier: 91, 96f. Schon Caussin de Perceval schrieb 1833, Ṭahṭāwī habe die Sitten und Institutionen nach "l'esprit oriental et les idées musulmanes" beurteilt. Vgl. de Perceval: Relation d'un voyage en France, par le cheikh Réfaa, in: Journal Asiatique 11/1 (1833), 222-251, hier: 222. Vgl. zu diesem Aspekt auch Roussillon: Ce qu'ils nomment 'liberté' (wie Anm. 23), 152.

[36] Vgl. Ḥusayn Fawzī an-Nağğār: Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī. Rāʾid fikra wa ʾimām nahḍa, Kairo [o.J.], 40.

[37] Agai deutet Ṭahṭāwīs Reise als "Kulturkontakt" und meint mit dem Begriff "Kulturkreis" offenbar auch Grenzen aus der Sicht der Reisenden zu erfassen. Vgl. Agai: Wenn einer eine Reise tut (wie Anm. 18), 13-16. Auch Euben spricht vom "travel from one culture to another". Euben: Journeys (wie Anm. 8), 108.

[38] Vgl. Euben: Journeys (wie Anm. 8), 114ff.

[39] Vgl. Raymond Williams: Keywords. A Vocabulary of Culture and Society, London 1983, 87-93, hier: 90.

[40] Ausführlich eingegangen auf die Inhalte der Einleitung ist jedoch: Delanoue: Moralistes (wie Anm 5), 390-391. Ähnlich mit ihr auseinandergesetzt, wie ich es hier vorschlage, haben sich in Ansätzen bereits Roussillon: Ce qu'ils nomment 'liberté' (wie Anm. 23), 159-163; und Nāğī Nağīb: Ar-riḥla ilā al-ġarb wa ar-riḥla ilā aš-šarq. Dirāsa muqārina, Beirut 1981, 11-15.

[41] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 59 (Sto: 11).

[42] Diese Vorurteile, falls Ṭahṭāwī sie hier implizit anspricht, beruhen womöglich auf der Beobachtung der Franzosen während ihrer dreijährigen Besetzung Ägyptens. Vgl. zur Wahrnehmung der Europäer oder Franzosen zum Beispiel Hayat el-Eid Bualuan: The Image of the European in Niqūlā al-Turk's Mudhakkarāt (Chronique d'Egypte 1798-1804), in: Bernard Heyberger / Carsten Walbiner: Les Européens vus par les Libanais à l'époque ottomane, Beirut 2002, 67-80, besonders: 76-79; vgl. Thomas Philipp: The French and the French Revolution in the Works of al-Jabarti, in: Daniel Crecelius (Hg.): Eigteenth Century Egypt. The Arabic Manuscript Sources, Claremont 1990, 127-140, hier besonders: 134-138; zur früheren Sicht auf 'Europa' vgl. auch Daniel L. Newman: Myths and Realities in Muslim Alterist Discourse: Arab Travellers in Europe in the Age of the Nahda (19th c.), in: Chronos 6 (2002), 7-76, hier: 8.

[43] Bei dieser Schicht muss es sich um die ägyptischen muslimischen Azhar-Gelehrten gehandelt haben, denn sie wurden kaum in den Reformprozess eingebunden. Die Reformen wurden vor allem von einer türkischen Bürokratenelite getragen. Hierzu vgl. Altman: Political Thought (wie Anm. 4), 38.

[44] Vgl. zur geringen Präsenz christlicher Religion in der Reise zum Beispiel Agai: Wenn einer eine Reise tut (wie Anm. 18), 32; und Myriam Salama-Carr: Negotiating Conflict: Rifā'a Rāfi' al-TahTāwī and the Translation of the "Other" in Nineteenth-Century Egypt, in: Social Semiotics 17/2 (2007), 213-227, hier: 220.

[45] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 79 (Sto: 30).

[46] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 59 (Sto: 11).

[47] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 60, Sto: 12 (Klammern J.S.).

[48] Walid Hamarneh: Rifāʿah Badawī Rāfiʿ al-Tahtāwī, in: Roger Allen: Essays in Arabic Literary Biography: 1850-1950, Wiesbaden 2010, 339-350, hier: 341.

[49] Als berühmte Stufentheorien vgl. Fergusons Entwicklung zur "civil society" von 1767 und "Morgans Credo" von 1878, in: Jörg Fisch: "Zivilisation, Kultur", in: Otto Brunner et al.: Geschichtliche Grundbegriffe, Stuttgart 1978, 679-774, hier: 721 bzw. 744. Vgl. zuletzt Thomas Nutz: "Varietäten des Menschengeschlechts". Die Wissenschaften vom Menschen in der Zeit der Aufklärung, Köln 2009, 143ff.

[50] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 60 (korrigiert unter Heranziehung des Erstdrucks von 1834), Sto: 12.

[51] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 60, Sto: 12.

[52] Zu seiner universalistischen Haltung vgl. auch Hamarneh: Rifāʿah (wie Anm. 48), 341; und Nağīb: ar-Riḥla (wie Anm. 40), 15.

[53] Taḫlīṣ (wie Anm. 1),. (Sto: 28f).

[54] Vgl. Roussillon: Ce qu'ils nomment 'liberté' (wie Anm. 23), 161.

[55] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1),, zum Beispiel: 119f., 276ff. (Sto: 74, 234ff).

[56] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 208f. (Sto: 150f).

[57] Die Aufteilung in Verstandes- und Überlieferungswissenschaften findet sich prominent zum Beispiel bei Ibn Ḫaldūn. Vgl. Muhsin Mahdi: Ibn Khaldūn's Philosophy of History: a Study in the Philosophic Foundation of the Science of Culture, London 1957, 73ff.

[58] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 61f., Sto: 14f.

[59] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 172, Sto: 125.

[60] Vgl. die Beschreibungen von Helmuth von Moltke: Unter dem Halbmond: Erlebnisse in der alten Türkei 1835-1839, Tübingen 1979, 59-61; und von schon erwähntem Edward W. Lane: Manners and Customs (wie Anm. 9), 337-342; mehr zum Literaturvergleich bei: Nağīb: ar-Riḥla (wie Anm. 40); und Agai: Wenn einer eine Reise tut (wie Anm. 18). Auf den unterschiedlichen Zugang zur 'Kultur' der anderen weist besonders deutlich hin: Sandra Naddaf: Mirrored Images (wie Anm. 29) 76f.

[61] Von Moltke spricht vom "Hamam oder türkische[n] Bad". Moltke: Unter dem Halbmond (wie Anm. 60), 59.

[62] Ebenfalls auf diesen Aspekt gehen auf ähnliche Weise ein: Salama-Carr: Negotiating Conflict (wie Anm. 44), 214; und Nadia Abu-Zahra: Al-Tahtawi as Translator of the Culture of Parisian Society: an Anthropological Assessment, in: Ekmeleddin İhsanoğlu (Hg.): Transfer of Modern Science and Technology to the Muslim World, Istanbul 1992, 419-424, hier: 419; sowie Wielandt: Das Bild der Europäer (wie Anm. 10), 43. Naddaf bietet in ihrer Übersetzung eine andere Stelle aus dem Taḫlīṣ, an der der Aspekt der grundlegenden Gemeinsamkeit deutlich wird. Vgl. Naddaf: Mirrored Images (wie Anm. 29).

[63] Auch Roxanne Euben weist auf den universellen Charakter des Textes hin und zeigt so, dass er keineswegs islamspezifisch gelesen werden muss. Vgl. Euben: Journeys (wie Anm. 8).

[64] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 60 (Sto: 13).

[65] Zur Bedeutung des Konzepts im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts vgl. Jörg Fisch: Zivilisation, Kultur (wie Anm. 49), 753-756.

[66] Vgl. Fisch: Zivilisation, Kultur (wie Anm. 65), 679-681; Williams: Keywords (wie Anm. 39), 88-90; Georg Bollenbeck: "Zivilisation", in: Joachim Ritter et al.: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 12, Basel 2006, 1365-1379, hier: 1365, 1370-1372.

[67] Vgl. zum Beispiel Nağīb: ar-Riḥla (wie Anm. 40), 27f.; Euben: Journeys (wie Anm. 8), 117; und ʿAllām et al.: Muqaddima (wie Anm. 26), 31.

[68] Imān as-Saʿīd Ğalāl sieht die Bedeutung des Textes, den er 2008 neu herausgeben ließ, besonders in seiner Verbundenheit mit dem Taḫlīṣ. Vgl. Imān as-Saʿīd Ğalāl: Alfāẓ al-ḥaḍāra fī Miṣr bi al-qarn at-tāsiʿ ʿašar, Kairo 2008, 10, 19.

[69] Vgl. Ğalāl: Alfāẓ al-ḥaḍāra fī Miṣr bi al-qarn at-tāsiʿ ʿašar (wie Anm. 68), 20.

[70] Vgl. Bollenbeck: Zivilisation (wie Anm. 66), 1365.

[71] Vgl. zu Ṭahṭāwīs Übersetzungen zum Beispiel Ğalāl: al-Muṣṭalaḥ ʿinda Rifāʿa (wie Anm. 15); Stowasser: Aṭ-Ṭahṭāwī in Paris (wie Anm. 22), 38-57.

[72] Vgl. Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī: Sābiqat al-kitāb, in: Ğalāl: Alfāẓ al-ḥaḍāra (wie Anm. 68), 2.

[73] Depping: Aperçu historique (wie Anm. 19), 3.

[74] Vgl. Georg Bollenbeck: Zivilisation (wie Anm. 66), 1367f.; Fisch: Zivilisation, Kultur (wie Anm. 49), 680; vgl. auch François Guizot: Histoire générale de la civilisation en Europe depuis la chute de l'empire romain jusqu'à la Révolution Française, Bruxelles 1838, hierin die Première leçon, 24-42, zur Komplexität: 28.

[75] Guizot: Histoire (wie Anm. 74), 28.

[76] Charles Taylor: Modern Social Imaginaries, Durham / London 2004, 35-39. Auch Euben bezieht sich auf Taylors "social imaginaries". Vgl. Euben: Journeys (wie Anm. 8), 12.

[77] Vgl. Euben: Journeys (wie Anm. 8), 23-30. Beispiele für "social imaginaries" nach Taylor wären die Ökonomie oder die Nation.

[78] Vgl. Roussillon: Ce qu'ils nomment 'liberté' (wie Anm. 23), 161.

[79] Vgl. Depping: Aperçu historique (wie Anm. 19), 54f., 68.

[80] Auch im Taḫlīṣ veranlasst ihn das Thema der Geschlechterbeziehungen zu Ausführungen zum Zivilisationsverständnis, das er begrifflich ganz ähnlich erfasst. Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 124 (Sto: 80).

[81] Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwi / Georges Bernard Depping: Qalāʾid al-mafāḫir fī ġarīb ʿawāʾid al-awāʾil wa-l-awāḫir, in: Ǧalāl: Alfāẓ al-ḥaḍāra (wie Anm. 68), 32.

[82] Vgl. Fisch: Zivilisation, Kultur (wie Anm. 49), 723-730, 753-756; auch Schaebler: Civilizing Others (wie Anm. 23), 6-9.

[83] Ian Coller: Arab France. Islam and the Making of Modern Europe, 1798-1831, Berkeley u.a. 2011, 181.

[84] Vgl. Coller: Arab France (wie Anm. 83), 177-181. Zum wachsenden Orientalismus in Paris vgl. auch Reinhard Schulze: Schauspiel oder Nachahmung? Zum Theaterbegriff arabischer Reiseschriftsteller im 19. Jahrhundert, in: Die Welt des Islams 34/1 (1994), 67-84, hier: 79f.

[85] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 162, Sto: 113.

[86] Auch Altman bindet diese Textstelle ein und sieht in der Bezeichnung "Türke" ein in der Zeit übliches kulturelles Symbol der Abgrenzung. Vgl. Altman: Political Thought (wie Anm. 4), 72; Sayyid Muḥammad Sayyid sieht in dieser Textstelle auch seine Erfahrung mit der "westlichen Kultur" ausgedrückt. Vgl. Sayyid: Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī wa taṭwīr an-naṯr al-fannī. Qirāʾat fī "taḫlīṣ", in: Ḥusayn Mahrān (Hg): Rifāʿa aṭ-Ṭahṭāwī 1801-1873. Al-kitāb at-tiḏkārī fī ḏikrā al-mīʾa wa-l-ʿišrīn, Kairo 1993, 247-262, hier: 258f.

[87] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 101f. (Sto: 55f).

[88] Coller: Arab France (wie Anm. 83), 190-193.

[89] Vgl. den Eintrag "tamaddun" in: Samīḥ Duġaym: Mawsūʿat muṣṭalaḥāt al-fikr al-ʿarabī wa-l-islāmī al-ḥadīṯ wa-l-muʿāṣir. al-ğuzʾ al-ʾawwal. 1700-1890, Beirut 2002, 321f.; vgl. auch Aḥmad Aḥmad Badawī: Rifa'a aṭ-Ṭahṭāwī Bik, Kairo 1950, 134-149; und Altman: Political Thought (wie Anm. 4), 69; sowie zu 'tamaddun': Schaebler: Civilizing Others (wie Anm. 23), 22-28.

[90] Vgl. zur Verwendung von 'tamaddun': Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 149.

[91] Zu einer Gegenperspektive, der Feststellung einer französischen intellektuellen Hegemonie, vgl. Shaden M. Tageldin: One Comparative Literature? "Birth" of a Discipline in French-Egyptian Translation, 1810-1834, in: Comparative Literature Studies 47/4 (2010), 417-445. Die gleiche Argumentation findet sich neuerdings auch in ders.: Disarming Words. Empire and the Seductions of Translation in Egypt, Berkeley / Los Angeles / London 2011.

[92] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 244 (Sto: 190 f).

[93] Vgl. Bruce B. Lawrence: Ibn Khaldun and Islamic Reform, in: ders.(Hg): Ibn Khaldun and Islamic Ideology, Leiden 1984, 69-88.

[94] Hammer-Purgstall zitiert nach Warren Gates: The Spread of Ibn Khaldûn's Ideas on Climate and Culture, in: Journal of the History of Ideas 28/3 (1967), 415-422, hier: 415.

[95] Vgl. Euben: Journeys (wie Anm. 8), 11f.

[96] Auch Altman erwähnt die Wirkung dieser beiden Autoren auf das Denken Ṭahṭāwīs. Vgl. Altman: Political Thought (wie Anm. 4), 70f.

[97] Zu Montesquieus Vorstellung von Barbarei und Wildheit vgl. Jürgen Osterhammel: Die Entzauberung Asiens: Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München 1998, 245.

[98] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 60 (Sto: 13).

[99] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 60 (Sto: 13).

[100] Vgl. Schaebler: Civilizing Others (wie Anm. 23), 16f., 23.

[101] Depping: Aperçu historique (wie Anm. 19), 18, 79.

[102] Aṭ-Ṭahṭāwī / Depping: Qalāʾid al-mafāḫir (wie Anm. 81), 10, 38.

[103] Aṭ-Ṭahṭāwī / Depping: Qalāʾid al-mafāḫir (wie Anm. 81), 15.

[104] Vgl. Schaebler: Civilizing Others (wie Anm. 23), 16f.; zu Leben und Werk vgl. außerdem Mohammed Talbi: Ibn Khaldūn, in: Encyclopédie de l'Islam, Band 3, 2. Aufl., Leiden 1990, 853.

[105] Ṭahṭāwī ließ Ibn Ḫaldūns Werk später drucken. Vgl. Delanoue: Moralistes (wie Anm. 5), 412f.

[106] Vgl. zu diesem Aspekt auch Euben: Journeys (wie Anm. 8), 113. Der Historiker Frederic Dale hat über die Referenz der antiken Philosophie auch Ansätze für eine westeuropäisch-arabische Genealogie aufgezeigt, die Ṭahṭāwī und Montesquieu über Ibn Ḫaldūn oder andere Rezipienten antiken Gedankenguts als sozialhistorisch denkende Autoren miteinander verbinden könnten. Vgl. Frederic Dale: Ibn Khaldun: The Last Greek and the First Annaliste Historian, in: Journal of Middle East Studies 38 (2006), 431-451.

[107] Vgl. Abdesselam Cheddadi: Introduction, in: ʿAbd ar-Raḥmān Ibn Muḥammad Ibn Ḫaldūn: Autobiographie, Muqaddima, Paris 2002, XXVf; und Talbi: Ibn Khaldūn (wie Anm. 104), 853.

[108] Vgl. F. Gabrieli: Adab, in: Encyclopédie de l'Islam, Band 1, 2. Aufl., Leiden 1990, 180; Seeger A. Bonebakker: Adab and the concept of belles-lettres, in: Julia Ashtiany: ʿAbbasid Belles-Lettres, Cambridge 1990, 16-30. Zu Ṭahṭāwīs Text als 'adab' vgl. auch Ewald Wagner: Die literarische Gestaltung von aṭ-Ṭahṭāwīs Bericht über seinen Aufenthalt in Paris (1826-1831), in: Xenja von Ertzdorff / Rudolf Schulz (Hg): Beschreibung der Welt: zur Poetik der Reise- und Länderberichte, Amsterdam / Atlanta 2000, 427-445, hier: 433 f.; und Euben: Journeys (wie Anm. 8), 115.

[109] Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 53.

[110] Taḫlīṣ (wie Anm. 1) 306ff., vorherige: 168, 94 (Sto: 270ff., 121, 46).

[111] Vgl. Williams: Keywords (wie Anm. 39), 90. Sayyid sieht im Taḫlīṣ verschiedene Schreibstile unterschiedlichen sprachlichen Niveaus verwirklicht, die von der inneren Spannung des Erzählers zeugten. Vgl. Sayyid: Taṭwīr an-naṯr (wie Anm. 86), 259-261.

[112] Vgl. Gabrieli: Adab (wie Anm. 108), 181.

[113] Ellious Bocthor: Dictionnaire Français-Arabe, Paris 1828, 159.

[114] So vermutet dies Muḥammad Sawāʿī: Azmat al-muṣṭalaḥ al-ʿarabī fī al-qarn at-tāsiʿ ʿašar, Damaskus 1999, 118f.; vgl. auch Ğalāl: al-Muṣṭalaḥ ʿinda Rifāʿa (wie Anm. 15), 35.

[115] Siehe Anm. 67; und die Verweise auf Depping im Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 89, 242 (Sto: 42, 188). Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Euben. Vgl. Euben: Journeys (wie Anm. 8), 259.

[116] Altman sieht in Ṭahṭāwīs politischer Theorie ebenso verschiedene Traditionen miteinander verbunden, wobei sich keine dieser als dezidiert islamisch erweise. Vgl. Altman: Political Thought (wie Anm. 4), 259.

[117] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 58, 306 (Sto: 10, 279f.).

[118] Vgl. Taḫlīṣ (wie Anm. 1), 124, 154 (Sto: 80, 102).

[119] Salama-Carr spricht von Ṭahṭāwīs "translation and representation project", das der Ausbildung einer nationalen ägyptischen Identität gedient haben soll. Vgl. Salama-Carr: Negotiating Conflict (wie Anm. 44), 218.

[120] Salama-Carr: Negotiating Conflict (wie Anm. 44), 303, Sto: 266.

[121] Mit diesem Vorschlag werden Elemente aus Jürgen Osterhammels Plädoyer für eine "Geschichte des Begreifens" aufgenommen, in deren Rahmen in erster Linie die Machart der Vermittlung von Distanzerfahrungen (in Reisetexten) untersucht werden müsse. Denn Distanzerfahrungen, so Osterhammel, seien doppelt vermittelt: "vermittelt durch die historisch spezifischen Strukturen der Wahrnehmung und ebenfalls historisch spezifischen Konventionen und Strategien der Darstellung." Vgl. Jürgen Osterhammel: Distanzerfahrung. Darstellungsweisen des Fremden im 18. Jahrhundert, in: Hans-Joachim König et al. (Hg.): Der europäische Beobachter außereuropäischer Kulturen. Zur Problematik der Wirklichkeitswahrnehmung, Berlin 1989, 9-42, hier: 42.

Empfohlene Zitierweise:

Johannes Stephan : Wie man die anderen verstehen soll und wie man über sie schreiben kann. Der Paris-Bericht Rifāʿa Rāfiʿ aṭ-Ṭahṭāwīs (1801-1873) als vielseitige Vermittlung von 'Kultur' , in: zeitenblicke 11, Nr. 1, [07.11.2012], URL: https://www.zeitenblicke.de/2012/1/Stephan/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-34209

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