Albrecht von Haller sah die Nützlichkeit des Reisens respektive der Reiseberichte einerseits in der Menschenbildung mittels Horizonterweiterung und andererseits im Vergleich und im Transfer regionaler Formen der Naturaneignung. In diesen beiden Dimensionen bewegte sich Hallers vielfältige Mittlertätigkeit, namentlich als Dichter der Alpen, als Schlüsselfigur im sich globalisierenden Pflanzentransfer sowie als Rezensent von Reiseberichten und Landesbeschreibungen. Seit seiner ersten Alpenreise vereinte er in seiner Person den idealisierenden Blick auf die fremde Kultur mit dem wissenschaftlichen Forscherdrang nach der unbekannten Natur. Gerade beim Transfer von Kulturpflanzen waren Natur und Kultur eng miteinander verknüpft, ging es doch nicht nur um den Austausch von Samen, Wurzeln und Setzlingen, sondern ebenso um Praktiken und Wissensbestände der regionalen Kultur und Ökonomie.
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Albrecht von Haller (1708-1777) war nicht nur der wegweisende Embryologe, Physiologe, Botaniker und Wissenschaftsorganisator, sondern auch ein europäischer Vermittler regionaler Kultur und Ökonomie. Diese Rolle übte er auf unterschiedlichsten Feldern und in verschiedensten Lebensabschnitten aus, so als Dichter der Alpen (1), als Schlüsselfigur im sich globalisierenden Pflanzentransfer (2) sowie als Rezensent von Reiseberichten und Landesbeschreibungen (3). Zur Orientierung erfolgt zuerst ein kurzer Durchgang durch Hallers Lebensstationen mit Akzent auf seinem Grenzgängertum , gefolgt von seinen Überlegungen zum Nutzen des Reisens, aus denen sich die beiden Dimensionen seiner Mittlertätigkeit entwickeln lassen.
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Nach Jugendjahren in Baden, Bern und Biel begann Haller das Studium der Medizin an der Universität Tübingen, das er in Leiden fortsetzte und 1727 mit dem Doktorat abschloss. [1] Es folgten Studienreisen nach London und Paris, mithilfe derer er seine medizinische Ausbildung komplettierte und wichtige Kontakte zu Gelehrten knüpfte, die den Nukleus seines europaweiten Korrespondenznetzes bildeten. Zudem nahm Haller von diesen Reisen zahlreiche ökonomische und kulturelle Anregungen mit, die er später an seinen Wirkungsorten zu integrieren suchte, so das Franckesche Waisenhaus in Halle, die große öffentliche Wertschätzung der Gelehrten in England und die intensive Agrarwirtschaft in Holland. [2]
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Zurück in der Schweiz, unternahm der 19jährige Haller eine erste Alpenreise, aus deren Eindrücken sein berühmtes Alpengedicht hervorging (Abb. 1). Es folgten einige Jahre praktischer Tätigkeit als Arzt und Bibliothekar in seiner Heimatstadt Bern, ehe er 1736 als Professor der Anatomie, Botanik und Chirurgie an die Universität Göttingen berufen wurde. Trotz aller Leistungen und Erfolge wurde Haller dort nicht glücklich. [3] Neben familiären Schicksalsschlägen machte ihm das Leben fernab der Heimat grundsätzlich zu schaffen. Er litt an der "Schweizerkrankheit", damals nachgerade ein Synonym für Heimweh. [4] Einem Freund schrieb er, die Briefe seien seine einzige Konversation, [5] einem anderen, er fühle sich als "Fremdling unter Fremden". [6] In ihren Antworten versuchten ihn die fernen Berner Freunde und Verwandten zu trösten: "Es bedauert mich, dass der Hr. Vetter so gar wenig auf den Landseinwohnern haltet und keinen Freund unter selbigen zu finden verhoffet. Vielleicht ist dieses nur ein starkes wegen etwann bemerkten verschiedenen Umbständen angenommenes Vorurtheil, so die Zeit bishar umb so viel weniger auszulöschen vermöcht, als er keine Gelegenheit gesucht anständiger Persohnen Gemüthsneigungen gründlich auszuforschen." [7] Wenigstens sprachlich versuchte sich Haller aber durchaus zu assimilieren. 1743 hielt er fest: "ich habe seit sechs Jahren mehr Gelegenheit gehabt, mir das Deutsche bekannt zu machen, das zwar einigermassen meine Mutter-Sprache ist, aber in meinem Vaterlande viel unreiner und fast seltener gesprochen wird als das ganz fremde Französische." [8] Tatsächlich lässt sich feststellen, dass Haller, der seine frühen Briefe in einem mit Helvetismen durchsetzten Stil verfasst hatte, in seinen Briefen aus Göttingen einen rhetorisch geschliffenen, am Ostmitteldeutschen orientierten Sprachgebrauch entwickelte. [9] Auch bemühte er sich in seiner Gedichtsammlung von Auflage zu Auflage, seine Sprache von Helvetismen zu befreien. [10]
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1753 kehrte Haller nach Bern zurück und nahm zunächst den Posten eines Rathausammanns an, später wirkte er als Direktor der bernischen Salinen in Roche, als Sanitätsrat und als Präsident der 'Oekonomischen Gesellschaft'. Während der junge Haller die Alpen und ihre Bewohner zuvor mit den Augen des Dichters und Forschungsreisenden betrachtet hatte, beschäftigte er sich mit ihnen jetzt aus der Perspektive des Magistraten und ökonomischen Patrioten: konkret mit den Bergwäldern, die er als Direktor der Salinen zwecks Sicherung ihres großen Energiebedarfs rationeller zu bewirtschaften suchte; mit der alpinen Viehwirtschaft, die er als Sanitätsrat zwecks Verhinderung von Viehseuchen einer strengen viehpolizeilichen Kontrolle unterstellte; mit der alpinen Flora, die er als Agronom zur Verbesserung der Futterbasis intensiver nutzen wollte. [11]
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Seit seiner Jugend sah Haller im Reisen die Grundform aller Vergrößerung des Erfahrungsbereiches. [12] In seiner methodischen Abhandlung über den Nutzen der wissenschaftlichen Hypothese argumentierte er mit dem Bild der Entdeckungsreise: "Aber wäre kein Colon, kein Magelhaens aus Spanien abgesegelt, so wären viele Schiffbrüche vermieden, aber auch keine neue Welt entdekt worden." [13] In einer gewissen Folgerichtigkeit beteiligte sich Haller an der Herausgabe einer elfbändigen 'Sammlung neuer und merkwürdiger Reisen zu Wasser und zu Lande', die unter anderem Berichte der Reisen von Henry Ellis an den Hudson Meerbusen (1750), Johann Georg Gmelin nach Sibirien (1751/52), John Armstrong nach Minorca (1754) und Pehr Kalm nach Nordamerika (1754/57/64) enthält. In der Vorrede (1750) betont Haller seine langjährige Neigung für die 'Aufsäze vernünftiger und wissensbegieriger Reisenden". Erstens erfahre man darin für jedes Land die "Ertragenheit", die "Übereinstimmung" und die "Verschiedenheit" seiner "Früchte aus den drey Reichen" (Flora, Fauna, Mineralien). [14] Zweitens gelange man zur Kenntnis seiner selbst: "Wir werden in einem Lande unter Bürgern erzogen, die alle einen gleichen Glauben, gleiche Sitten und überhaupt gleiche Meinungen haben; diese flechten sich nach und nach in unsre Sinnen ein, und werden zu einer falschen Überzeugung. Nichts ist fähiger, diese Vorurtheile zu zerstreuen, als die Kenntnis vieler Völker, bey denen die Sitten, die Geseze, die Meinungen verschieden sind…. ." [15]
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Aus diesem hier von Haller formulierten Doppelnutzen des Reisens respektive der Reiseberichte ergeben sich die beiden grundlegenden Dimensionen seines vielfältigen Wirkens als Mittler: Vergleich und Transfer von Techniken der Naturaneignung einerseits und Menschenbildung mittels Horizonterweiterung andererseits.
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Am wirkungsmächtigsten war Hallers Mittlertätigkeit als Dichter der Alpen, prägte er doch wesentlich das Bild, das sich ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ganz Europa von der alpinen Kultur und Ökonomie in der Schweiz machte. [16] Er veröffentlichte 'Die Alpen' erstmals 1732 in seiner Gedichtsammlung 'Versuch Schweizerischer Gedichten', die zu seinen Lebzeiten elf autorisierte Neuauflagen und zahlreiche freie Nachdrucke sowie Übersetzungen ins Französische, Italienische, Englische, Holländische, Schwedische und Russische erlebte. [17] Im Zentrum dieses europaweiten Erfolgs stand das Alpengedicht. [18] Ein wichtiger Grund für dessen außerordentliche Wirkungsgeschichte liegt im spezifischen Mischungsverhältnis von Idealisierung und Lokalisierung: Haller gab dem zeitlosen arkadischen Ideal einen konkreten Ort.
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Aus literaturwissenschaftlicher Sicht sind in 'Die Alpen' drei Textebenen zu unterscheiden. [19] Auf einer ersten zeichnete Haller das Ideal der einfachen Hirtenkultur, die er zum alpinen Arkadien überhöhte. Hier herrscht ein nahezu geschichtsloser Zustand gesellschaftlichen Glücks, in dem niemand den persönlichen oder gesellschaftlichen Fortschritt anstrebt (93-94). [20] Zentral ist der Freiheitsbegriff, der sich zum einen auf das Fehlen von starren gesellschaftlichen Konventionen bezieht (121-122). Zum anderen ist die Freiheit eine Voraussetzung für die blühende Ökonomie der Alpenbewohner, die wesentlich auf ihrer intakten Arbeitsmoral basiert (59). [21] Negatives Gegenbild ist die verfeinerte städtische Kultur, in der "Ehrsucht", "Eigennutz", "Neid" und "Wollust" regieren (75, 87, 442, 460, 464). Mit dieser Gegenüberstellung zielte der junge Haller auf bestimmte Strömungen in seiner Heimatstadt Bern. Im Visier hatte er die verfeinerte französische Hofkultur, die von Teilen des bernischen Patriziats zunehmend nachgeahmt wurde. Mit der kulturellen verband sich die politische Kritik an der wachsenden Vorherrschaft einiger mächtiger – in der Regel profranzösischer – Familien. [22]
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Auf der zweiten Ebene verarbeitete Haller im Alpengedicht grundlegende Anregungen der literarischen Tradition. Zu nennen ist der Einfluss der antiken Schriftsteller Horaz, Lukrez, Ovid und Vergil; wie Letzterer in seiner 'Georgica' hielt Haller in 'Die Alpen' der dekadenten Stadtgesellschaft die ländliche Idylle als Spiegel vor. [23] Dabei scheint die Vermittlung der antiken Autoren über den Text 'Della perfetta poesia italiana' (1708) von Ludovico Antonio Muratori erfolgt zu sein. [24] Unmittelbarer Vorgänger für Hallers Stil in 'Die Alpen' war Friedrich Rudolphe von Canitz mit seinen posthum veröffentlichten Gedichten (1727). [25] Hallers politische Stoßrichtung prägte Beat von Muralt, der in seinen 'Lettres sur les Anglois et les François' (1725) die verfeinerten französischen Sitten und deren Nachahmung in den schweizerischen Republiken einer scharfen Kritik unterzog. [26] Die wichtigste Inspirationsquelle war wohl der Zürcher Universalgelehrte Johann Jakob Scheuchzer. Wenn Haller formulierte, "die mässige Natur allein kann glücklich machen" (450), so folgte er dabei der zentralen Annahme von Scheuchzers Anthropologie des Alpenmenschen, wonach die harten Umweltbedingungen in den Bergen zu einem gesunden, genügsamen, sittlichen und damit glücklichen Leben führten. [27] Gerade in diesem Punkt, der mit dem Willen zur Arbeitsamkeit verknüpft ist, unterscheiden sich Hallers 'glückliche Hirten' grundlegend von den 'edlen Wilden' eines Jean-Jacques Rousseau. [28]
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Eine dritte Textebene findet sich in Hallers Bestreben, die Leser vom dokumentarischen und realistischen Charakter seiner poetischen Beschreibung zu überzeugen. Hallers Alpenbewohner, deren Leben im Zentrum des Gedichts steht, lassen sich nicht mit den Phantasiewesen der Bukolik eines Salomon Gessner vergleichen, spürt man doch hinter der Darstellung der Hirten und ihrer Beschäftigung so etwas wie eigene Erfahrung. [29] Vermutlich dachte Haller an seine eigenen Versuche als junger Dichter, als er 1775 in einer Buchbesprechung Homer mit folgendem Argument über Alexander Pope setzte: "Und wir finden, es war mehr Kunst nöthig, das Düngen und die Erziehung der Rinder edel zu beschreiben, als Schlachten zu schildern." [30]
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Die Betonung des Realismus geschah teilweise in bewusster Verschleierung der literarischen Vorbilder. In seiner Strophe zur Produktion von Frisch- und Ziegenkäse zitierte Haller nicht die lateinische Originalpublikation von Scheuchzer (1706/1708) sondern die deutsche Übersetzung von Johann Georg Sulzer (1746), was mindestens für den flüchtigen Leser die Chronologie umdrehte. [31] Und die Gämsjäger, die bei Scheuchzer geradezu die Verkörperung der tugendhaften und heroischen Charaktereigenschaften des 'homo alpinus' darstellen, [32] erscheinen bei Haller gar ohne jeglichen Verweis auf diesen. Auch bei seiner berühmten Beschreibung eines Wasserfalls fehlt die Referenz auf das literarische Vorbild. Haller besang nämlich ursprünglich den schon von Scheuchzer beschriebenen Pissevache bei Martigny im Wallis, die Zuordnung zum Staubbach im Lauterbrunnental nahm Haller erst 1748 in der vierten Auflage vor. [33] Ein ähnlicher Vorgang lässt sich bei Hallers Darstellung festlicher Wettkämpfe erkennen, die für ihn Sinnbilder für die zugleich einfache und heroische Hirtenkultur sind und die er in direkte Verbindung zum antiken Ideal setzt (105-120). Wiederum erst in der vierten Auflage lokalisierte er diese Spiele mit der Anmerkung: "diese ganze Beschreibung ist nach dem Leben gemalt. Sie handelt von den so genannten Bergfesten, die unter den Einwohnern der Bernischen Alpen ganz allgemein." [34]
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Solche Lokalisierungsprozesse, die Haller zum einen auf das gesamte Berner Oberland, zum anderen auf einzelne Täler wie das Lauterbrunnental, das Oberhasli ("Weißland") und das Simmental ("Siebenthal") bezog, [35] begünstigten, dass die wachsende Leserschaft 'Die Alpen' als realistische Beschreibung der alpinen Gesellschaft verstand. Die 'Nouvelle Bibliothèque Germanique' schrieb 1750 enthusiastisch, nach der Lektüre des Gedichts sehe man das glückliche Leben in den Alpen geradezu vor sich und möchte am liebsten selber dort leben. [36] Aus Paris wurde 1752 berichtet, dass die Offiziere der Schweizergarde die Gedichte Hallers auswendig lernten und der alte General Zurlauben über dem Alpengedicht in Tränen ausgebrochen sei. [37] Vor allem aber begannen ganze Scharen von Fremden die klassischen Orte mit Haller in der Hand zu besuchen, das Alpengedicht transformierte sich zum 'Reiseführer'. [38] Dabei finden sich neben euphorischen Reiseberichten, in denen sich Dichtung und Realität nahezu decken, auch Zeugnisse von Reisenden, die bei ihrer Suche nach Arkadien enttäuscht wurden. So begegnete Christian Cay Lorenz Hirschfeld 1769 den von Haller besungenen idealen Schweizern nur noch auf einigen Gebirgshöhen, nur dort ließen sich "Spuren der alten Einfachheit der Sitten und Tugenden" nachweisen. [39]
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Gerade an den klassischen Orten des entstehenden Alpentourismus bemerkte man zunehmend die Einflüsse der fremden Besucher auf das Verhalten der Einheimischen. Ein Reisender hielt 1778 detailliert fest, wie man in Grindelwald versuchte, den Fremden das Geld aus der Tasche zu ziehen, indem ihnen von den Kindern auf Schritt und Tritt gesammelte Blumen, Waldbeeren und Kristalle angeboten wurden. [40] Beobachtet wurde zudem das eifrige Bemühen der Einheimischen, die Reisenden mit ihren nicht zuletzt von Haller inaugurierten Vorstellungen nicht zu enttäuschen: Auf Wunsch sangen Hirten den Kuhreihen, führten traditionelle Tänze vor und zeigten traditionelle Wettkämpfe wie Schwingen und Steinstoßen (Abb. 2). [41] Könnte man hier analog zur 'Invention of Tradition' (Hobsbawm) von einer Art 'Invention of Otherness' sprechen? [42]
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Ähnliche Spannungen zwischen Ideal und Wirklichkeit finden sich in den durch die 'Oekonomische Gesellschaft' angeregten 'Topographischen Beschreibungen', von denen im Berner Oberland zwischen 1760 und 1790 insgesamt elf Stück entstanden. [43] Verfasser waren in der Regel ortsansässige Pfarrer, die naheliegenderweise ihre Kirchgemeinden oder ihre Amtsbezirke weniger verklärt darstellten als Dichter oder fremde Besucher. Mit dem Topos des glücklichen Hirten setzten sich diese Verfasser auf unterschiedliche Weise auseinander. Johannes Sprüngli stellte seiner Arbeit über das Haslital (1760) einen Vers aus 'Die Alpen' als Motto voran und wurde von den Gutachtern der 'Oekonomischen Gesellschaft' für seine zahlreichen Referenzen auf Haller gelobt. [44] Johann Rudolf Nöthiger rühmte in seiner Darstellung des Lauterbrunnentals (1783) auf der einen Seite die "einfache und unverdorbene Lebensart" der Bewohner des abgelegenen Dorfes Gimmelwald, lebten diese doch in "Einfalt und im Frieden, vergnügt mit demme was ihnen ihr Land und Vieh zum Unterhalt verschafft". [45]
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Auf der anderen Seite kritisierte er die Lebensweise der ihm aus der Nähe bekannten Bewohner seiner Kirchgemeinde; er ging davon aus, dass der Einfluss der städtischen Lebensart sich negativ auf die Bergbewohner auswirkte. Auch Haller selbst bedauerte die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung seit der Entstehung von 'Die Alpen'. Einem Vertrauten schrieb er von den "üppig gewordenen Alpen … wo die Sitten mir recht zum Trutze verdorben sind", und doppelte in einem weiteren Brief ein Jahr später nach, er sehe die Alpenleute am Luxus zu Grunde gehen, sie seien "gar nicht mehr … was sie waren, wie ich sie a. 1728 besang." [46]
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Wie Haller gingen wohl die meisten Verfasser der 'Topographischen Beschreibungen' mehr oder weniger explizit davon aus, dass 'Die Alpen' ein realistisches Bild der Hirtenkultur im Berner Oberland zeichnen. Dazu hat die erwähnte nachträgliche Lokalisierung entscheidend beigetragen, denn erst sie erlaubte das "unmerkliche Changieren zwischen Poesie und Wirklichkeit, Fiktion und Realität", das für die Herstellung der Glaubwürdigkeit entscheidend war. [47] Wenn aber die Realität dann doch zu stark vom literarischen Bild abwich, deutete man dies einfach historisch, indem die Alpenidylle als Vergleichsfolie zur Gegenwart herangezogen und das glückliche Hirtenleben in die Vergangenheit zurückprojiziert wurde. Zudem entwickelte das arkadische Ideal seinerseits – unabhängig von seinem eigenen Realitätsgehalt – nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf die Realität. Karl Kasthofer zog 1818 als amtierender Oberförster des Berner Oberlands den alarmierenden Schluss, dass den "oberländischen Gebirgsgegenden" in wenigen Jahren eine "ernste Krisis" bevorstehe: Zum einen hätten die von der Alpenidylle angezogenen "Scharen der fremden Lustwandler mit ihren Beuteln" eigentliche "Pandoren-Büchsen unter dem Hirtenvolke" geöffnet, zum anderen sei durch die "lange verbreiteten Täuschungen von Idyllen-Unschuld in diesen Thälern" der ungetrübte Blick auf die "Blössen des Landes und des Volkes" verhindert worden. [48]
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Hallers erste Alpenreise war nicht nur der Ausgangspunkt für sein Alpengedicht, sondern auch für seine lebenslange Beschäftigung mit der schweizerischen Pflanzenwelt (Abb. 3). [49] In seinen Reiseberichten erkennt man sogar einen Haller, der weniger die alpine Kultur – wie aufgrund von 'Die Alpen' zu vermuten wäre –, sondern die alpine Natur zu suchen schien. [50] Haller stellte seine Alpenreisen, die er in der Folge nahezu jährlich unternahm, in die Traditionslinie der naturgeschichtlichen Forschung, das heißt des Beobachtens und Sammelns von Informationen und Naturalien vor Ort. [51] Obschon Haller im Gegensatz zu Vorgängern wie Johann Jakob Scheuchzer nicht auf eine umfassende naturgeschichtliche Erfassung zielte, sondern sich im Sinne der beginnenden Spezialforschung auf die Pflanzen beschränkte, konnte diese erste wissenschaftliche Flora der Schweiz (1742, 2. Auflage 1768) "weder Sache eines einzigen Mannes noch eines einzigen Lebens" sein. [52] Die Resultate von Hallers eigenen Forschungsreisen wurden durch Pflanzenbelege und Fundortsangaben von seinen Helfern wesentlich ergänzt. [53]
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Zudem ließ sich Haller zur Artenbereinigung Vergleichsmaterial aus ganz Europa und darüber hinaus aus Afrika, Sibirien, Nordamerika und der Südsee schicken. [54] Die vergleichende Analyse der wichtigsten Korrespondenznetze von Botanikern im 18. Jahrhundert lässt Haller zusammen mit Carl von Linné als Zentralfigur in einem Netz von Netzen erscheinen, das sich über ganz Europa spannte und dabei sowohl die Gelehrtenrepublik als auch die agrarökonomische Reformbewegung umfasste. [55] Dabei beobachtete Haller, dass viele Alpenpflanzen auch in Lappland, Sibirien sowie "auf den höchsten Gebirgen von Asien" anzutreffen sind. [56] Dies führte ihn zur Analogie der alpinen Höhenstufen mit den geographischen Breitenzonen der Nordhalbkugel. [57] Er begann damit, auch den schweizerischen Raum aus einer europäischen Perspektive zu betrachten: "Helvetien stellt beynahe alle Länder von Europa, von dem entfernten Spizbergen weg bis nach Spanien vor. Bey den Gletschern und in den höchsten Thälern der Alpen hat die Luft eine gleiche Beschaffenheit wie in Spizbergen. Der Sommer währet hier aufs höchste vierzig Tage, und wird dazu noch oft durch den Schnee unterbrochen. Den ganzen übrigen Theil des Jahres beherrschet ein rauer Winter. Daher wachsen auch um die Gletscher herum die meisten Pflanzen, die Friderich Martens in Spizbergen gefunden hat." [58]
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Hallers grundlegende pflanzengeographische Erkenntnis weist in ihrer Bedeutung über die botanische Fachdisziplin im engeren Sinne hinaus auf die ökonomische Anwendung. Der Berner Ökonom Karl Emanuel von Graffenried leitete seine 'Abhandlung von der Naturalisation fremder Pflanzen und Bäume in der Schweiz' (1762) mit folgenden Worten ein: "Herr von Haller, dieser grosse Kräuterkenner, hat auch auf seinen zahlreichen und mühsamen Kräuterreisen auf den allerhöchsten Schweizergebirgen, nicht selten Kräuter und Pflanzen gefunden, welche sonst bishieher nur von Martens auf den Spitzbergen, in Italien und in den mittäglichen Provinzen von Frankreich von den Kräuterkennern angetroffen werden. Die neuern Entdekungen eines Kalms in dem nördlichen Amerika, Kämpfers in Japan und Asien, Hasselquists in Palästina und Egypten, eines Osbeks in China, des Ritters Linnäus in seiner schonischen Reise, in seiner Flora lapponica, &c. werden diesen Saz auch nicht weniger bekräftigen." [59]
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Graffenried, der in seinem Versuchsgarten an die 400 fremdländische Kulturpflanzen erfolgreich auf ihre mögliche Einführung in die Schweiz testete, [60] spielte hier auf die ökonomisch motivierten Forschungsreisen im Umfeld Carl von Linnés und der schwedischen Akademie der Wissenschaften an, mittels derer seit den 1730er-Jahren im ganzen schwedischen Territorium, aber auch in Nord- und Südamerika sowie dem Nahen Osten systematisch die natürlichen Ressourcen und deren Verwendung durch die ortsansässige Bevölkerung inventarisiert wurden. [61] In dieser Hinsicht war Schweden für die Berner Ökonomen um Haller das immer wieder genannte Vorbild (Abb. 4). [62] Mit dem angestrebten globalen Pflanzeninventar verknüpfte Graffenried die Erkenntnis Hallers, wonach dieselbe Pflanze gleichzeitig in mehreren geographisch entfernten Gebieten vorkommen kann, wenn nur die Standortbedingungen ähnlich sind. Dies eröffne für den Pflanzentransfer buchstäblich grenzenlose Möglichkeiten, besonders bei einem vielfältigen Territorium wie dem bernischen, da in diesem "von dem Gipfel des Schrekhorns bis zum zähmsten Orte des Aergöws oder der Landschaft Waadt … vielleicht eine so grosse Verschiedenheit in denselben [ist], als in denen, welche von Spizbergen an bis in Provence angetroffen werden". [63]
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In der Geschichte des Pflanzentransfers stellt die Mitte des 18. Jahrhunderts eine doppelte Zäsur dar. Erstens begann der Transferraum den gesamten Globus zu umfassen, zweitens wurde der bis dahin weitgehend unsystematische, wenig organisierte und oft undokumentierte Transfer abgelöst durch einen systematisch organisierten, gut dokumentierten und meist institutionell abgestützten Transfer. [64] Ein typischer Träger dieses Wandels war die zeitweilig durch Albrecht von Haller präsidierte 'Oekonomische Gesellschaft Bern', die dem Transfer von Kulturpflanzen im Rahmen ihres Programms einer umfassenden Agrar- und Forstmodernisierung eine große Bedeutung zuwies. [65]
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Will man bestimmte Pflanzen, oder auch nur das Wissen über diese, aus dem unmittelbaren räumlichen Kontext herauslösen, so muss eine Referenzierung mit Namen erfolgen, die auch in übergreifenden räumlichen Einheiten eindeutig sind. [66] Im Umfeld der 'Oekonomischen Gesellschaft' erstellte man zu diesem Zweck zwischen 1762 und 1782 elf systematische Verzeichnisse von Nutzpflanzen, die insgesamt 656 verschiedene Arten oder Sorten aufführten und dabei die lateinisch-universellen mit den regional- und dialektsprachlichen Pflanzennamen in konsistente Verbindung zueinander setzten. [67] In diesem großangelegten und vielköpfigen Unternehmen war Haller nicht nur mit seinem pflanzengeographischen Grundlagenwissen die Schlüsselfigur. Als hauptsächliches botanisches Referenzwerk diente Hallers Flora der Schweiz. Zudem stand Haller zu sämtlichen Verfassern der Pflanzenkataloge in enger Beziehung, mehreren war er ein botanischer Lehrer. Drei der Verzeichnisse stammen von Haller selbst. [68] Zu deren Entstehungshintergrund nannte er die bedauerliche Tatsache, dass der ökonomische Rat aus dem einen Lande in einem anderen schon nicht mehr zu verstehen sei, so "als wenn er in hebräischer Sprache wäre verfertigt worden". [69] Dagegen wolle er dazu beitragen, "durch die Botanik jede nüzliche Pflanze solchergestalt zu bestimmen, auf dass jedermann durch ganz Europa, sobald er eine Pflanze nennen hört, sogleich wissen könne, welche Gattung darunter verstanden werde". [70]
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Als Beispiel eines sich über lange Zeit hinziehenden, vielschichtigen Pflanzentransfers sei das Bird grass (Poa cenisia) genannt, dessen Samen Haller 1755 von einem ehemaligen Schüler aus Nordamerika zugeschickt bekam. [71] Darauf nahm Haller in seiner Abhandlung zu den Futterpflanzen (1770) explizit Bezug. [72] Auch referenzierte er auf die Briefe zweier englischer Ökonomen, in denen diese von ihren Erfahrungen mit dem Anbau des Bird grass berichteten, und die 1766 durch die 'Oekonomische Gesellschaft' auf Deutsch und Französisch veröffentlicht wurden. [73] Um Verwechslungen zu vermeiden, hob Haller zudem die Unterschiede zu ähnlichen Gräsern hervor, so aus seiner eigenen Flora zu Poa pratensis, dessen "Blumen um etwas dichter und deutlicher" scheinen; oder aus derjenigen von Linné zu Panicum capillare: "Allein der Halm desselben ist ganz haaricht, und die Blätter sein wie Borsten, aus welchem Baue sich niemals ein Überfluss von Heu erwarten lässt." [74] Das Bird grass ist auch vertreten im 'Verzeichnis derjenigen Schweizer-Pflanzen welche vorzüglich zu der Nahrung des Viehs dienen' (1764), das von Hallers Schüler Johann Jakob Dick veröffentlicht wurde. [75] Die Informationen zur Futtereignung dieser insgesamt 76 Pflanzen hatte Dick aus schwedischen Publikationen entnommen, beispielsweise beim Schafschwingel (Festuca ovina), der im Amt Aigle, wo Dick als Hauslehrer der Familie des hier als Salzdirektor amtierenden Haller mehrere Jahre lebte, häufig vorkommt, und der "nach dem Bericht der schwedischen Haushälter das beste und angenehmste Futter für Schafe" sei. [76] Dick forderte seine Landsleute auf, mit diesen Pflanzen Fütterungsversuche zu machen, "damit man sich versichern könne, dass solche ökonomischen Erfahrungen, die in andern Ländern angehen, auch in unserem Lande ihre Richtigkeit haben." [77]
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Bei solchen Transfervorgängen ging es offensichtlich nicht nur um Samen, Wurzeln und Setzlinge, sondern immer auch um regionale Wissensbestände und Praktiken. Der Pflanzentransfer ist deshalb auch als Kulturtransfer zu sehen. [78] Davon zeugt auch Hallers Flora der Schweiz, in der rund ein Viertel aller Pflanzen mit Angaben zu ihrer ökonomischen und pharmazeutischen Verwendung versehen ist. [79] Welch geographisch weiten Raum Haller dabei integrierte, zeigen schon einige seiner Angaben: Der Rosskümmel (Laserpitium siler) werde von den Bewohnern der Alpen gegen Zahnschmerzen eingesetzt, die Königskerze (Verbascum thapsus) brauche man in Norwegen als Mittel gegen Schwindsucht, mit dem Sonnentau (Drosera rotundifolia) lasse man in Schweden die Ziegenmilch gerinnen, der Kälberkropf (Chaerophyllum silvestre) finde in Kamtschatka als Nahrungsmittel Verwendung und die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) diene in den nördlichen Ländern als Färbemittel. [80]
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Eine dritte Form der Vermittlung regionaler Ökonomie und Kultur praktizierte Haller als Rezensent. Zeit seines Lebens verfasste er rund 9.000 Rezensionen für die 'Göttingischen Gelehrten Anzeigen', zudem rund einhundert längere Besprechungen in Zeitschriften wie der 'Bibliothèque raisonnée'. [81] Darunter befinden sich auch zahlreiche Reiseberichte und Landesbeschreibungen. [82] Haller ging es dabei immer auch um die Moderation und die Qualitätssicherung: "Nicht alle Reisebeschreibungen sind nützlich, und viele können würklich schaden," betont er in der erwähnten Vorrede zur Sammlung ausgewählter Reiseberichte, dann nämlich, wenn die Verfasser "weder die Sprache, noch die Geseze, noch die Natur der Länder gekannt haben." [83]
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Hallers erstes Auswahlkriterium zur ausführlichen Besprechung eines Reiseberichts, einer Landesbeschreibung oder allgemein einer ökonomischen Schrift war deren Gemeinnützigkeit. Über die 'Oeconomischen Nachrichten' (Leipzig 1749) schrieb er: "Sie sind so gemeinnützig, dass wir ihnen eine etwas längere Stelle auf unsern Blättern nicht missgönnen können." [84] Aus Samuel Urlspergers Bericht über Salzburgische Auswanderer nach Nordamerika (Augsburg 1740-1752) zog Haller das "Gemeinnutzigste" heraus. [85] Und auch aus dem Publikationsorgan der Société Royale d'Agriculture in Tours (1765) sollten nur die "gemeinnützigsten Abhandlungen" angezeigt werden. [86] Diese gesellschaftliche Nützlichkeit konkretisierte sich in zahlreichen Einzelbeobachtungen, die Haller aus der zu besprechenden Publikation referierte, was Hallers allgemein starker Gewichtung der Informationsfunktion der Rezension entspricht. [87] Aus David Pontins 'Arboretum Suecitum' (Uppsala 1759) vermerkte er, dass man in Schonen aus der Rinde der Salweide (Salix caprea) feine Handschuhe herstelle. [88] Aus der Dissertation von Samuel Salvius erwähnte er den grünen Flachs, den man im Kirchspiel Orichwesi in Finnland anbaue und der weicher und haltbarer sei als der gewöhnliche weiße. [89] Es ging ihm dabei nicht zuletzt darum, auf der Ebene der Einzelbefunde als Wahrheitsrichter den Spreu vom Weizen zu trennen.
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So stellte er beispielsweise eine Mengenangabe aus dem 'Journal Oeconomique' (Paris 1759) in Frage: "Auch sind 135 Centner Heu von einem mit Hörnerklee besäten Morgen eine allzureiche Rechnung." [90] Aus Engelbert Jörlins Abhandlung über die Färberpflanzen (Upsala 1759) referierte er zuerst, der gemeine Wolfstrapp (Lycopeus europaeus) färbe sehr schön schwarz und aus der gemeinen Glockenblume lasse sich unter Beifügung von Alaun eine grüne Tinte gewinnen, um anschliessend zwei Angaben aus der besprochenen Publikation richtig zu stellen: "Vom Kreuzdorne wird hier gesagt, die Beeren färben roth, sie geben aber eigentlich das bekannte Saftgrün. Die Sandbeere wird hier als zur grauen Farbe dienlich angeführt, sie färbt aber schön schwarz." [91]
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Gemeiner Nutzen war für Haller nicht nur eine Frage des Inhalts, sondern auch der wissenschaftlichen Qualität. Der Reisebericht von Kalkutta nach Bengalen (London 1758) wäre "gemeinnütziger", kritisierte Haller, wenn der Verfasser "von der Naturgeschichte einige Kenntniss besessen hätte". [92] Bei einem Autor in den 'Oeconomischen Nachrichten' (Leipzig 1749) erkannte er fehlende Vertrautheit mit der aktuellen botanischen Fachliteratur: "Dass die Pappeln eine Art Weiden und keinen Saamen tragen, ist zu unsern Zeiten fast nicht mehr erlaubt zu sagen". [93] In einer Landesbeschreibung Sibiriens (Paris 1764) bemängelte er den falschen lateinischen Namen der Schneehühner. [94] Dabei war für Haller die korrekte Bezeichnung kein bloßer Selbstzweck, sondern die Grundlage für Vergleich und Transfer. Als im 'Handlingar' der schwedischen Akademie der Wissenschaften von einer bienenschädigenden Raupe die Rede war, fügte Haller an, dass es sich hier um exakt die gleiche handle, die auch der Naturforscher Réaumur in Paris und die Bienenforscherin Cathérine-Elisabeth Vicat-Curtat in Lausanne beschrieben hätten. [95] Eine analoge Bedeutung gab Haller den vergleichbaren Maßangaben. So rühmte er beim ersten Jahrgang des Publikationsorgans der 'Oekonomischen Gesellschaft', dass gleich zu Beginn ein Verzeichnis aufgeführt werde, das die bernischen Maße in den internationalen Vergleich setze. [96]
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Ebenso sehr wie die Techniken und Objekte der Naturaneignung interessierten den Rezensenten Haller die Menschen in den unterschiedlichen Kulturen. Dabei legte er Wert darauf, Entstehungsgeschichte und Verfasserstandort offen zu legen. Bei einer Landesbeschreibung von Guyana (Paris 1763) erkannte Haller den Grund ihrer Entstehung im nationalen Interesse: "Wir müssen sehr irren, wann der wahre Zweck dieses Buches nicht gewesen ist, eben jetzt, da man Guyane aufs neue zu bevölkern sucht, dieses bis hier ziemlich verabsäumte Land angenehm und beliebt zu machen." [97] Für problematisch erachtete Haller ein nationales Interesse dann, wenn es die Wertungen in der Darstellung beeinflusste. Einem Verfasser der 'Allgemeinen Historie der Reisen zu Wasser und zu Lande' (Leipzig 1759) warf er vor, dass "er durchgehends sein Vaterland nicht verleugnen kann". [98] Umgekehrt rühmte er bei einem Bericht über eine Russlandreise (Kopenhagen 1747), in dem man vieles "zur Ausrechnung der Russischen wahren Macht" finde, er sei "unpartheyisch aufgezeichnet". [99] Auch bei einer Dissertation zu Ökonomie und Sitten der Samen (Abo 1754) erkannte er beim Verfasser zwar "eine grosse Liebe zum Vaterland", was ihn aber nicht daran hinderte, seine Glaubwürdigkeit zu rühmen: "Er ist ein Augenzeuge von allem, was er erzählt." [100]
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Unter den Rezensenten der 'Göttingischen Gelehrten Anzeigen' hatte Haller neben inhaltlichen auch geographische Schwerpunkte. Dank seiner guten Sprachkenntnisse und seiner starken Vernetzung in verschiedenen Sprachräumen besaß er einen besonders guten Zugang zu den Publikationen aus Frankreich, Italien und Schweden. [101] Er hatte eigens Schwedisch gelernt, um die Abhandlungen der schwedischen Akademie der Wissenschaften im Original zu lesen. [102] Indem Haller unzählige Rezensionen schwedischer Publikationen verfasste, ist seine diesbezügliche Bedeutung offensichtlich, keineswegs aber unproblematisch. Der schwedische Akademiepräsident Pehr Wilhelm Wargentin war für Haller über Jahre die wichtigste Kontaktperson, die ihm die schwedischen Neuerscheinungen zukommen ließ. [103] 1764 kritisierte Wargentin unvermittelt, Haller rezensiere mangels genauer Sprachkenntnis die schwedischen Publikationen oft nur oberflächlich und nur nach ihren Titeln. [104] Später schlug Wargentin dem Göttinger Professor Johann Andreas Murray – einem gebürtigen Schweden – vor, einen Teil der Besprechungen schwedischer Publikationen von Haller zu übernehmen, da dieser aus sprachlichen Gründen die Meinung der Autoren manchmal nicht ganz richtig erfasse. [105] Dass Hallers Vermittlungstätigkeit in Schweden aber insgesamt doch hoch eingeschätzt wurde, zeigt die Verleihung des Nordsternordens. [106] Haller war derart stolz darauf, dass er ihn nachträglich auf sein schon bestehendes Porträt aufmalen ließ (Abb. 5). [107]
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Über die Sprache hinaus stößt der Vermittler Haller auch im Weltanschaulichen an gewisse Grenzen. Schon Zeitgenossen bemängelten beim älteren Haller eine zunehmende Starrheit und wünschten sich, er könnte "ohne Vorurtheile und Privat-Absichten urtheilen"; insbesondere im Hinblick auf die Schriften von Rousseau, Voltaire und der französischen Aufklärung überhaupt. [108] Der Literaturwissenschaftler Karl S. Guthke konnte in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Verschiebung nachweisen: In den früheren Rezensionen untermauere Haller anhand der Reiseberichte die Gesellschaftskritik, in den späteren würdige er die Zivilisation. [109] Guthke erkennt darin eine Spitze gegen Rousseau, der behauptete, das gesamte zivilisatorische Elend des Menschen stamme daher, dass er aus dem Stand der Natur in den Stand der Gesellschaft getreten sei. Haller ging dagegen von einer Degenerationsvorstellung aus, wonach etwa die nord- und südamerikanischen Indianer einmal ein höheres Kultur- und Zivilisationsniveau besessen hätten, als die Forschungsreisenden es im 18. Jahrhundert zu Gesicht bekämen. [110] In diese Vorstellung konnte der alte Haller auch seine eigene Enttäuschung einbetten, dass die Alpenbewohner nicht mehr so seien, wie er sie als junger Dichter einmal beschrieben hatte.
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Dieselbe ideologische Selbstversicherung im Umgang mit Reiseberichten ist auch in Hallers Korrespondenz zu beobachten. Von seinem langjährigen Londoner Korrespondenten John Pringle erhielt Haller detaillierte Informationen über die Reisen von James Cook, die Pringle seinerseits in London aus erster Hand von dessen Begleiter Joseph Banks erfahren hatte. Haller interessierte sich besonders für die Ureinwohner von Feuerland und reichte deren Beschreibung mit anderer Gewichtung an seinen Genfer Freund Charles Bonnet weiter. Auch hier scheint es sich um eine Abgrenzung gegenüber Rousseau zu handeln, versuchte Haller doch, darin alles zu vermeiden, was die Feuerländer zu 'Edlen Wilden' machen könnte. [111]
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Albrecht von Haller interessierte sich für den alpinen Kulturraum zum einen als Kritiker der in seinen Augen dekadenten Städter, denen er die einfachen und naturnahen Hirten als Spiegel vorhielt. Sein Gedicht 'Die Alpen' entfaltete eine europaweite Wirkung durch eine spezifische Mischung von Ideal und lokalisierbarer Wirklichkeit, die es zum Reiseführer werden ließ. Die in der Folge offensichtlich werdende Diskrepanz zwischen Idealbild und Realität wurde von Haller und anderen zeitgenössischen Beobachtern historisch gedeutet. Die unschuldige Hirtenkultur sei seit dem Erscheinen des Gedichts unter dem Einfluss der städtischen Zivilisation degeneriert. Einen wesentlichen Anteil daran sprach man dem Idealbild selbst zu, das die unzähligen fremden Besucher erst in die Täler des Berner Oberlands gebracht hatte.
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Mindestens so sehr wie die Hirtenkultur suchte Haller auf seinen Alpenreisen die Pflanzenwelt. Er vereinte in seiner Person den idealisierenden Blick auf die fremde Kultur mit dem wissenschaftlichen Forscherdrang auf die unbekannte Natur, was für das 18. und frühe 19. Jahrhundert nicht untypisch ist (Scheuchzer, Humboldt). Hallers Interesse an der alpinen Pflanzenwelt weist in doppelter Weise über den Alpenraum hinaus. Erstens war er als Botaniker zur Bereinigung der Arten auf den globalen Austausch angewiesen; und er erkannte auf der Grundlage solcher Vergleiche die bahnbrechende pflanzengeographische Analogie der alpinen Höhenstufen zu den geographischen Breitenzonen. Zweitens war er eine Schlüsselfigur beim seinerzeit einsetzenden globalen Austausch von Nutzpflanzen. Sein Interesse an der Pflanzenwelt ist auch im Rahmen einer übergreifenden Tendenz zur 'Ökonomisierung der Natur', [112] die gerade auch periphere Räume zu erfassen begann, zu verstehen. Vom Simmental bis Spitzbergen inventarisierte man die regionalen Pflanzenressourcen und tauschte diese Lokalbefunde europaweit aus. Dabei ging es nicht nur um Natur (Samen, Wurzeln, Setzlinge), sondern ebenso um Praktiken und Wissensbestände der regionalen Kultur und Ökonomie.
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Als Rezensent von Reiseberichten und Landesbeschreibungen formulierte Haller die Kriterien, die einen Regionalbefund austauschwürdig respektive austauschfähig machen: Er hat gesellschaftliche Nützlichkeit ('Gemeinnützigkeit') aufzuweisen, er muss vergleichbar sein, indem er die Lokalbegriffe (Maßeinheiten, Nomenklatur) mit der wissenschaftlichen Terminologie in Konkordanz setzt, und er darf nicht von persönlichen oder nationalen Interessen oder Vorurteilen geprägt sein. Dieser letzten Forderung wurde allerdings auch Haller selbst nur eingeschränkt gerecht. Sowohl in seiner Darstellung der Hirtenkultur im Berner Oberland als auch in seiner Beurteilung der nord- und südamerikanischen Indianerkulturen lassen sich deutliche Spuren von Hallers eigenen gesellschaftspolitischen Positionen erkennen.
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Hallers Mittlertätigkeit war von den Strömungen der Zeit geprägt, was nichts so schön illustriert wie die Tatsache, dass sich in allen drei hier präsentierten Formen Bezüge zu seinem ideologischen Widersacher Rousseau nachzeichnen lassen. Als Alpendichter wird Haller von der Forschungsliteratur oft gemeinsam mit Rousseau als Schöpfer des idealisierten Bildes der Schweiz genannt, wobei sich seine 'glücklichen Hirten' gerade bezüglich ihrer Arbeitshaltung entscheidend von Rousseaus 'glücklichen Wilden' unterscheiden. Beim Lesen und Kommentieren von Reiseberichten war für Haller die Abgrenzung gegenüber Rousseaus 'edlen Wilden' eine zentrale Motivation. Am wertfreisten scheint sich die dritte Form der Vermittlung vollzogen zu haben: Über all ihre ideologischen Gegensätze hinweg tauschten Haller und Rousseau – in einer indirekten Austauschbeziehung – Pflanzen aus. [113]
Dr. Martin Stuber
Historisches Institut der Universität Bern
Projekt "Geschichte der Burgergemeinde Bern" /
SNF-Projekt "Nützliche Wissenschaft, Naturaneignung und Politik" /
Redaktion Berner Zeitschrift für Geschichte BEZG
Zähringerstrasse 25
CH-3012 Bern
martin.stuber@hist.unibe.ch
[1] Zu Haller allgemein: Hubert Steinke / Urs Boschung / Wolfgang Proß (Hg.): Albrecht von Haller. Leben – Werk – Epoche, Göttingen 2008.
[2] Albrecht von Hallers Tagebücher seiner Reisen nach Deutschland, Holland und England 1723-1727, hg. von Erich Hintzsche, Bern / Stuttgart / Wien 1971, 31, 61, 93/94.
[3] Albrecht von Haller in Göttingen. Briefe und Selbstzeugnisse, ausgewählt, übersetzt und hg. von Urs Boschung, Bern / Stuttgart / Toronto 1994.
[4] Urs Boschung: Heimweh, die "Schweizer Krankheit", in: Schritte ins Offene (1988, 1), 15-20.
[5] Brief Albrecht von Hallers an Johann Rudolf Sinner, 11.2.1742, in: Von und über Albrecht von Haller. Ungedruckte Briefe und Gedichte Hallers sowie ungedruckte Briefe und Notizen über denselben, hg. von Eduard Bodemann, Hannover 1885, 113.
[6] Brief Albrecht von Hallers an Johannes Gessner, 14.12.1736, in: Boschung: Haller in Göttingen (wie Anm. [3]), 26.
[7] Brief Isaak Steigers an Albrecht von Haller, 5.5.1741, in: Isaak Steiger. Biographien eines Zeitgenossen Hallers, hg. von C. Steiger, in: Berner Taschenbuch auf das Jahr 1879, Bern Jg. 28 (1878), 1-64, hier: 46-50.
[8] Nach Ludwig Hirzel (Hg.): Albrecht von Hallers Gedichte, 2 Bde., Frauenfeld 1882, hier: Bd. 2, 245.
[9] Claudia Profos: Die "ungelenksame" deutsche Sprache und der "babylonish dialect". Zur inneren und äusseren Mehrsprachigkeit in der Korrespondenz Albrecht von Hallers, in: Martin Stuber / Stefan Hächler / Luc Lienhard (Hg.): Hallers Netz. Ein europäischer Gelehrtenbriefwechsel zur Zeit der Aufklärung, Basel 2005, 411-440.
[10] Karl S. Guthke: Konfession und Kunsthandwerk. Werlhofs Anteil an Hallers Gedichten, in: ders.: Haller im Halblicht. Vier Studien, Bern / München 1981, 29-48.
[11] Martin Stuber / Regula Wyss: Der Magistrat und ökonomische Patriot, in: Steinke / Boschung / Proß: Albrecht von Haller (wie Anm. [1]), 347-380.
[12] Richard Toellner: Albrecht von Haller. Über die Einheit im Denken des letzten Universalgelehrten, Wiesbaden 1971, 99.
[13] Albrecht von Haller: Vorrede vom Nuzen der Hypothesen, zu Buffons Naturgeschichte T. I. [1751], in: Sammlung kleiner Hallerischer Schriften, Bd. I, Bern 1772, 47-77, hier: 73.
[14] Albrecht von Haller: Vorrede zur Sammlung neuer und merkwürdiger Reisen zu Wasser und zu Lande [1750], in: Sammlung kleiner Hallerischer Schriften, Bd. 1, Bern 1772, 133-141, hier: 133.
[15] Haller: Vorrede Sammlung (wie Anm. [14]), 135, 136; siehe analog Urs Boschung: Albrecht Hallers Rede über den Nutzen des Reisens, Göttingen 1745, in: Acta Historica Leopoldina 45 (2005), 213-232, hier: 225, 227.
[16] Holger Böning: "Arme Teufel an Klippen und Felsen" oder "Felsenburg der Freiheit"? Der deutsche Blick auf die Schweiz und die Alpen im 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: Jon Mathieu / Simona Boscani Leoni (Hg.): Die Alpen! Les Alpes! Zur europäischen Wahrnehmungsgeschichte seit der Renaissance, Bern u.a. 2005, 175-190, hier: 177; Claude Reichler: La découverte des Alpes et la question du paysage, Chêne-Bourg / Genève 2002, 9.
[17] Dieses Kapitel folgt: Hubert Steinke / Martin Stuber: Hallers Alpen – Kontinuität und Abgrenzung, in: Simona Boscani Leoni (Hg.): Wissenschaft – Berge – Ideologien. Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) und die frühneuzeitliche Naturforschung, Basel 2010, 235-257, hier 240-245; grundlegend zu Hallers Alpen: Urs Boschung: Haller botaniste et poète à la découverte des Alpes, in: Jean-Claude Pont / Jan Lacki (Hg.): Une cordée originale – Histoire des relations entre science et montagne, Chêne-Bourg / Genf 2000, 96-119.
[18] Franz Kempf: Albrecht von Hallers Ruhm als Dichter, New York / Bern / Frankfurt a. M. 1986; Martin Stuber / Stefan Hächler / Hubert Steinke: Albrecht von Hallers Korrespondenznetz. Eine Gesamtanalyse, in: Stuber / Hächler / Lienhard: Hallers Netz (wie Anm. [9]), 1-216, hier: 136-140.
[19] Ute Heidmann Vischer: Idealisiert, mythologisiert und "nach dem Leben gemalt". Zur Darstellung des Schweizer Alpenvolks in Albrecht von Hallers "Alpen", in: Guy P. Marchal / Aram Mattioli (Hg.): Erfundene Schweiz. Konstruktionen nationaler Identität, Zürich 1992, 149-160.
[20] Im Folgenden verweisen Klammern mit arabischen Ziffern auf die nummerierten Verse in der historisch-kritischen Ausgabe: Albrecht von Haller: Die Alpen, in: Hirzel: Gedichte (wie Anm. [8]), Bd. 1, 20-42.
[21] Siehe zu Hallers Freiheitsbegriff, der sich von demjenigen Rousseaus ebenso fundamental unterscheidet wie von demjenigen des liberalen Volksstaats des 19. Jahrhunderts: Eric Achermann: Dichtung, in: Steinke / Boschung / Proß: Albrecht von Haller (wie Anm. [1]), 121-155, hier: 130-136.
[23] Anna Ischer: Albrecht von Haller und das klassische Altertum, Bern 1928, 84-110.
[24] Wolfgang Proß: Haller und die Aufklärung, in: Steinke / Boschung / Proß: Albrecht von Haller (wie Anm. [1]), 415-458, hier: 438-440.
[27] Siehe Michael Kempe: Wissenschaft, Theologie, Aufklärung. Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) und die Sintfluttheorie, Epfendorf 2003, 291, 296; Guy P. Marchal: Johann Jakob Scheuchzer und der schweizerische 'Alpenstaatsmythos', in: Leoni: Wissenschaft (wie Anm. [17]), 179-194.
[28] Boschung: Haller (wie Anm. [17]), 104; Burghard Dedner: Vom Schäferleben zur Agrarwirtschaft. Poesie und Ideologie des 'Landlebens' in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts, in: Klaus Garber (Hg.): Europäische Bukolik und Georgik, Darmstadt 1976, 347-390.
[29] Christoph Siegrist: Albrecht von Haller, Stuttgart 1967, 26.
[30] Albrecht von Hallers Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller und über sich selbst. Zur Karakteristik der Philosophie und Religion dieses Mannes, Zweyter Theil, Bern 1787, 48 (Besprechung von Johann Georg Sulzers Theorie der schönen Künste).
[32] Andreas Bürgi: Höhenangst, Höhenlust. Zur Figur des Gemsjägers im 18. Jahrhundert, in: Thomas Busset / Jon Mathieu (Hg.): Mobilité spatiale et frontières / Räumliche Mobilität und Grenzen, Zürich 1998, 267-278.
[33] Ferdinand Vetter: Der 'Staubbach' in Hallers Alpen und der 'Staubbach' in der Weltliteratur, in: Festgabe zur LX. Jahresversammlung der Allg. Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz, dargeboten vom Historischen Verein des Kantons Bern, Bern 1905, 311-362.
[35] Siehe dazu eingehend Vetter: Staubbach (wie Anm. [33]); und Heidmann Vischer: Idealisiert (wie Anm. [19]), 155.
[36] Cunche, Gabriel: La renommée de A. de Haller en France: influence du poème des alpes sur la littérature descriptive du XVIIIe siècle, Neuchâtel [1921].
[37] Brief Johann Friedrich von Herrenschwands an Albrecht von Haller, 5.12.1752, in: Briefe Albrecht von Hallers an den Nationalökonomen Jean Herrenschwand, hg. von Heinrich Türler, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 26 (1937), 107-123, hier: 118-120.
[38] Uwe Hentschel: Mythos Schweiz. Zum deutschen literarischen Philhelvetismus zwischen 1700 und 1850, Tübingen 2002.
[40] Rudolf Rubi: Vom Bergbauerndorf zum Fremdenort, Gastgewerbe und Alpinismus (= Im Tal von Grindelwald 2), Grindelwald 1986, 23.
[41] Uwe Hentschel: Von Hallers Alpen bis zu Claurens Mimili. Zur Stilisierung und Funktionalisierung einer Landschaft in der deutschen Literatur, in: Rückert-Studien XIV, Würzburg 2002, 45-65, hier: 53; die entsprechenden Verse in Haller: Die Alpen (wie Anm. 20), 105-106, 115-118, 271-276.
[42] Eric Hobsbawm / Terence Ranger: The Invention of Tradition, Cambridge 1992.
[43] Dieses Kapitel folgt: Gerrendina Gerber-Visser / Martin Stuber: Brachliegende Ressourcen in Arkadien. Das Berner Oberland aus der Sicht Albrecht von Hallers und der Oekonomischen Gesellschaft Bern, in: Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern, Neue Folge, 66 (2009), 61-83; siehe umfassend: Gerrendina Gerber-Visser: Der ökonomisch-patriotische Blick. Statistik und Volksaufklärung in den Topographischen Beschreibungen der Oekonomischen Gesellschaft Bern, Phil. Diss. Bern 2010 (Publikation für 2012 vorgesehen).
[44] Johannes Sprüngli: Beschreibung des Hasle-Lands im Canton Bern, in: Der Schweitzerischen Gesellschaft in Bern Sammlungen von landwirthschaftlichen Dingen, Zürich 1760, 4. Stück, 859-885.
[45] Johann Rudolf Nöthiger: Raritetenkasten von Lauterbrunnen, das ist Phisisch Topographische Beschreibung der Thalschaft Lauterbrunnen 1783, in: Jahrbuch des Schweizer Alpenclubs 1921, hg. von O. Gruner, 103-124, hier: 110.
[46] Briefe Albrecht von Hallers an Eberhard Friedrich von Gemmingen, 18.11.1775, 6.12.1776, in: Briefwechsel zwischen Albrecht von Haller und Eberhard Friedrich von Gemmingen nebst dem Briefwechsel zwischen Gemmingen und Bodmer, hg. von Hermann Fischer, Tübingen 1899 (Neudruck Königstein/Taunus 1979), 86-87, 107-109; siehe auch Hirzel: Gedichte (wie Anm. [8]), CDXCIII-CDXCV.
[47] Günter Oesterle: Die Schweiz – Mythos und Kritik. Deutsche Reisebeschreibungen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, in: Hellmut Thomke et al. (Hg.): Helvetien und Deutschland. Kulturelle Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland in der Zeit von 1770-1830, Amsterdam / Atlanta 1994, 79-100, hier: 93.
[48] Karl Kasthofer: Bemerkungen über die Wälder und Alpen des Bernerischen Hochgebirgs. Ein Beitrag zur Bestimmung der Vegetationsgrenze schweizerischer Holzarten, des Einflusses der Waldungen auf die Kultur des Hochgebirgs, des Verhältnisses der Forstwirthschaft zur Landwirthschaft und der Bedinge für Verbesserung der Alpenwirthschaft, 2. Aufl., Aarau 1818.
[49] Jean-Marc Drouin / Luc Lienhard: Botanik, in: Steinke / Boschung / Proß: Albrecht von Haller (wie Anm. [1]), 292-314; Luc Lienhard: Haller et la découverte botanique des Alpes, in: Jean-Claude Pont et al. (Hg.): Une cordée originale: histoire des relations entre science et montagne, Chêne-Bourg / Genève, 120-138.
[50] Albrecht von Haller: Premier Voyage dans les Alpes et autres textes, 1728-1732, édition établie, annotée et présentée par Aurélie Luther sous la direction de Claire Jaquier avec collaboration de Laure Chappuis Sandoz et Luc Lienhard, Genf 2008.
[52] Brief Albrecht von Hallers an Christoph Jakob Trew, 24.11.1733, in: Der nützliche Brief. Die Korrespondenz zwischen Albrecht von Haller und Christoph Jakob Trew 1733-1766, hg. von Hubert Steinke, Basel 1999, 57.
[53] Luc Lienhard: "La machine botanique". Zur Entstehung von Hallers Flora der Schweiz, in: Stuber / Hächler / Lienhard: Hallers Netz (wie Anm. [9]), 371-410.
[54] Stefan Hächler: "Avec une grosse boete de plantes vertes" – Pflanzentransfer in der Korrespondenz Albrecht von Hallers (1708-1777), in: Regina Dauser et al. (Hg.): Wissen im Netz. Botanik und Pflanzentransfer in europäischen Korrespondenznetzen des 18. Jahrhunderts, Berlin 2008, 201-218.
[55] Martin Stuber / Stefan Hächler / Lothar Krempel / Marion Maria Ruisinger: Exploration von Netzwerken durch Visualisierung. Die Korrespondenznetze von Banks, Haller, Heister, Linné, Rousseau, Trew und der Oekonomischen Gesellschaft Bern, in: Dauser et al.: Wissen (wie Anm. [54]), 347-374.
[56] Albrecht von Haller: Vorrede zu dem Werke von den helvetischen Pflanzen [1768]. Aus dem Lateinischen übersetzt, in: Sammlung kleiner Hallerischer Schriften, Bd. III, Bern 1772, 117-154, hier: 147-148; siehe dazu das Fallbeispiel: Martin Stuber: Forschungsreisen im Studierzimmer. Zur Rezeption der Grossen Nordischen Expedition (1733-1743) bei Albrecht von Haller und Samuel Engel, in: Gesnerus 57 (2000), 168-181.
[59] Karl Emanuel von Graffenried: Abhandlung von der Naturalisation fremder Pflanzen und Bäume in der Schweiz, in: Abhandlungen und Beobachtungen durch die oekonomische Gesellschaft zu Bern gesammelt (im Folgenden AB), 1762, 3. Stück, 39-60, hier: 44-45.
[60] Martin Stuber / Luc Lienhard: Nützliche Pflanzen. Systematische Verzeichnisse von Wild- und Kulturpflanzen im Umfeld der Oekonomischen Gesellschaft Bern 1762-1782, in: André Holenstein / Martin Stuber / Gerrendina Gerber-Visser (Hg.): Nützliche Wissenschaft und Ökonomie im Ancien Régime. Akteure, Themen, Kommunikationsformen (= Cardanus Jahrbuch für Wissenschaftsgeschichte 7), Heidelberg 2007, 65-106, hier: 75-78.
[61] Lisbet Koerner: Linnaeus: Nature and Nation, Cambridge u.a. 1999.
[62] Zum Beispiel Albrecht von Haller: Vorrede, zu: Auserlesene Sammlung zum Vortheil der Staatswirtschaft, der Naturforschung und des Feldbaus. Mit beyfall der löbl. oekonomischen Gesellschaft in Bern aus dem Schwedischen übersetzt von Gottlieb Sigmund Gruner, 2 Bde, Basel 1762-1768 [Vorrede unpaginiert]; siehe auch Stuber / Lienhard: Nützliche Pflanzen (wie Anm. [60]), 67-71.
[63] Albrecht Stapfer: Von der besten Manier das Futter zu vermehren, durch Ansäung, es sey fremder oder einheimischer Grasarten, nach der Verschiedenheit des Bodens, in: AB 1762, 4. Stück, 3-127, hier: 47-48.
[64] Norbert Ortmayr: Kulturpflanzen: Transfer und Ausbreitungsprozess im 18. Jahrhundert, in: Margarete Grandner / Andrea Komlosy (Hg.): Vom Weltgeist beseelt. Globalgeschichte 1700-1815, Wien 2004, 73-101; William Beinart / Karen Middleton: Plant Transfers in Historical Perspective: A Review Article, in: Environment and History 10 (2004), 3-29.
[65] Martin Stuber: Kulturpflanzentransfer im Netz der Oekonomischen Gesellschaft Bern, in: Dauser et al.: Wissen im Netz (wie Anm. [54]), 229-269.
[66] Siehe Staffan Müller-Wille: Ein Anfang ohne Ende. Das Archiv der Naturgeschichte und die Geburt der Biologie, in: Richard van Dülmen / Sina Rauschenbach (Hg.): Macht des Wissens. Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft, Köln / Weimar 2004, 587-605, hier: 598f.
[68] Albrecht von Haller: Verzeichnis der in Helvetien wild-wachsenden Bäume und Stauden, in: AB 1763, 2. Stück: 3-40; ders.: Abhandlung über die Futterkräuter der Neuern, in: AB 1770, 1. Stück: 1-48; ders.: Beschreibung der Geschlechter, Arten und Spielarten des Getreydes, in: Neue Sammlung physisch-ökonomischer Schriften hg. von der oekonomischen Gesellschaft in Bern, Zürich 1782, 1-94, hier: 3f.
[71] Brief von Johann Christoph Bornemann an Albrecht von Haller, 27.12.1755 (Burgerbibliothek Bern).
[73] AB 1766, 4. Stück, 128-143.
[75] Johann Jakob Dick: Verzeichnis derjenigen Schweizer-Pflanzen welche vorzüglich zu der Nahrung des Viehs dienen, in: AB 1764, 2. Stück, 126-160, hier: 138, 155.
[78] Zusammenfassend: Hans-Jürgen Lüsebrink: Kulturtransfer – methodisches Modell und Anwendungsperspektiven, in: Ingeborg Tömmel (Hg.): Europäische Integration als Prozess von Angleichung und Differenzierung, Opladen 2001, 213-226.
[80] Hier nach: Materia Medica oder Geschichte der Arzneyen des Pflanzenreichs aus des Herrn von Hallers Beschreibung der Schweizerischen Pflanzen gezogen von Herrn Vicat. Aus dem Französischen. Erster Theil, Leipzig 1782, 173, 223-224, 260, 279, 307-308.
[81] Hubert Steinke / Claudia Profos: Bibliographia Halleriana. Verzeichnis der Schriften von und über Albrecht von Haller, Basel 2004, 196-208; Claudia Profos Frick: Gelehrte Kritik. Albrecht von Hallers literarisch-wissenschaftliche Rezensionen in den 'Göttingischen Gelehrten Anzeigen', Basel 2009.
[82] Karl S. Guthke: Der Blick in die Fremde. Das Ich und das andere in der Literatur, Tübingen / Basel 2000, 22.
[84] Die Göttingischen Gelehrten Anzeigen – Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen (1739-1752), Göttingische Anzeigen von Gelehrten Sachen (1753-1801) – werden als GGA zitiert; die folgenden Ausführungen basieren auf den Stichjahren 1750 und 1755 (Identifikation von Hallers Verfasserschaft anhand des Handexemplars in der Burgerbibliothek Bern) sowie 1760 und 1765 (Identifikation von Hallers Verfasserschaft durch: Wolfgang Schimpf: Die Rezensenten der Göttingischen Gelehrten Anzeigen 1760-1768, Göttingen 1982.)
[85] GGA 13.2.1755, 19. St., 167.
[86] GGA 2.5.1765, 52. St., 422.
[88] GGA 1.9.1760, 105. St., 901.
[89] GGA 5.4.1760, 41. St., 367.
[90] GGA 4.8.1760, 93. St., 804.
[91] GGA 1.9.1760, 105. St., 899.
[92] GGA 8.5.1760, 55. St., 477.
[93] GGA Mai 1760, 49. St. 391.
[94] GGA 11.2.1765, 18. St., 138.
[95] GGA 25.5.1765, 62. St., 500.
[96] GGA 1.11.1760, 131. St., 1124.
[97] GGA 7.1.1765, 3. St., 19.
[98] GGA 28.1.1760, 12. St., 97.
[99] GGA 1750, 13. St., 101.
[100] GGA 12.6.1755, 70. St., 645.
[101] Martin Stuber: Journal and Letter: the Interaction between Two Communication Media in the Correspondence of Albrecht von Haller, in: Hans-Jürgen Lüsebrink / Jeremy D. Popkin (Hg.): Enlightenment, Revolution and the Periodical Press, Oxford 2004, 114-141, hier: 120-121.
[103] Urs Boschung et al. (Hg.): Repertorium zu Albrecht von Hallers Korrespondenz 1724-1777, Basel 2002, Bd. 1, Nr. 1134.
[104] Sten Lindroth: Kungl. Svenska Vetenskapsakademiens Historia 1739-1818, Stockholm 1967, 191-199, hier: 194.
[107] Hubert Steinke / Martin Stuber: Haller und die Gelehrtenrepublik, in: Steinke et al.: Haller (wie Anm. [1]), 381-414, hier: 392.
[108] Brief von Georg Friedrich Brandes an Christian Gottlob Heyne, 21.5.1765, in: Gustav Roethe: Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen, in: Festschrift zur Feier des hundertfünfzigjährigen Bestehens der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin 1901, 660; siehe zum Verhältnis von Haller zu Rousseau: Florian Gelzer / Béla Kapossy: Roman, Staat und Gesellschaft, in: Steinke et al.: Albrecht von Haller (wie Anm. [1]), 156-181, hier: 170-172.
[111] Fabienne Glatthard: Haller und die aussereuropäische Welt. Der Blick auf das 'Fremde' und das 'Eigene'. Unpublizierte Seminararbeit am Historischen Institut der Universität Bern (2008).
[112] Günter Bayerl: Die Natur als Warenhaus. Der technisch-ökonomische Blick auf die Natur in der Frühen Neuzeit, in: Sylvia Hahn / Reinhold Reith (Hg): Umwelt-Geschichte. Arbeitsfelder – Forschungsansätze – Perspektiven, Wien / München 2001, 14-52.
[113] Brief Abraham Gagnebin an Albrecht von Haller, 12.4.1769, in: Abraham Gagnebin de la Ferrière d'après sa correspondance, hg. von Gavin de Beer / Bernard Gagnebin, in: Bulletin de la société neuchâteloise des sciences naturelles 80 (1957), 45-79.
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Martin Stuber : Vom Simmental bis Spitzbergen. Albrecht von Haller als europäischer Vermittler regionaler Kultur und Ökonomie , in: zeitenblicke 11, Nr. 1, [07.11.2012], URL: https://www.zeitenblicke.de/2012/1/Stuber/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-33971
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