Ausgehend vom "Canzoniere di Isabella d’Este", einer preziösen Sammlung mit weltlichen französischen Chansons, die Herzog Ercole I. d’Este seiner Tochter wahrscheinlich als Verlobungsgeschenk 1480 mit an den Hof von Mantua gab, wird gezeigt, warum und wie die Este-Tochter als verheiratete Markgräfin von Mantua Musik zu ihrem besonderen Herrschaftsinstrument entwickelte. Dies geschah einerseits durch die musikikonographische Ausgestaltung eines studiolo und einer grotta in ihren persönlichen Räumen des Palazzo ducale in Mantua, andererseits durch die Förderung der musikalisch-literarischen Gattung der Frottola, die sie als frühe Petrarkistin bereits um 1500 durch gezielte Vertonungsaufträge zu nobilitieren suchte. Von ihrem persönlichen Hofmusiker Bartolomeo Tromboncino ist die Vertonung der letzten Canzone aus Petrarcas Canzoniere "Vergine bella, che di sol vestita" überliefert, die sich ideal in das Bild einer tugendhaften Herrscherin fügt. Am Beispiel der musikalischen Selbstinszenierung auf der Hochzeit ihrer Schwägerin und Konkurrentin Lucrezia Borgia mit Isabellas Bruder Alfonso d’Este in Ferrara 1502 zeigt sich die Überlagerung musikalischen und kulturpolitischen Handelns.
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Unter den Musikhandschriften, die aus der Regierungszeit von Ercole I. d’Este, Herzog von Ferrara, überliefert sind, gibt es eine einzige weltliche Sammlung, die heute als "Canzoniere di Isabella d’Este" bekannt ist. Man geht davon aus, dass es sich um ein Geschenk von Herzog Ercole zur Verlobung seiner Tochter Isabella mit Francesco Gonzaga 1480 handelt, mit der deren Zukunft als Markgräfin von Mantua entschieden war. [1] Ihrer Verlobung im Alter von sechs Jahren folgte zehn Jahre später die Heirat. Von 1490 bis zu ihrem Tod 1539, also fast 50 Jahre lang, prägte Isabella d’Este Gonzaga den benachbarten Hof in Mantua, und dies bis 1519 als Gattin des Markgrafen Francesco, anschließend als Mutter von Herzog Federico Gonzaga.
Abb. 1a und b
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Gleich am unteren Rand der ersten Seite des Canzoniere fällt der Blick auf ein Wappen, in dem die Familienwappen der Este und der Gonzaga zusammengeführt werden. Anders als man es von einer Heirat traditionsgemäß erwartet, steht das Wappen der Verlobten, das der Este, auf der rechten, der für uns gesehen linken Seite, und das der Familie des Bräutigams, der Gonzaga, auf der linken. [2] Man zögert in der Forschung, dieser Anordnung des Wappens weitere Bedeutung in dem Sinn zuzumessen, dass es ein Zeichen von Dominanz sein könnte, das Este-Wappen hier rechts zu platzieren. In jedem Fall aber ist hier der Zusammenhang bezeichnend, dass es sich um eine Musiksammlung, sozusagen um eine musikalische Visitenkarte des Hauses handelt, mit der sich diese Familie den Gonzaga vorstellt. Die Este scheinen über die Musik demonstrieren zu wollen, dass sie einst mächtiger als die Familie des Bräutigams waren. Auch die verheiratete Markgräfin Isabella d’Este Gonzaga berief sich in der späteren Wappen- und Emblemgestaltung auf den höheren Rang ihrer Herkunftsfamilie und erinnerte stets daran, auch als eingeheiratete Gonzaga eine Este geblieben zu sein. [3]
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Tatsächlich hatten die Este schon seit Ercoles Regentschaft (1471-1505) die Herzogswürde inne, während die Gonzaga diese erst mit der Regentschaft von Isabellas Sohn Federico (Markgraf 1519-1530, Herzog 1530-1540) erhielten. Für unsere Thematik des politischen Handelns adliger Frauen zeigt sich die Ehe der Isabella d’Este Gonzaga damit als ein Fall, in dem es zu einem produktiven Konflikt zwischen der Normierung durch Geschlecht und der durch Adelsrang kommt: Nach Geschlecht war Isabella ihrem Mann untergeordnet, als Este ihm jedoch übergeordnet. Was Heide Wunder an einem anderen, aber vergleichbaren Beispiel des deutschsprachigen Raums aufgezeigt hat, greift also auch hier: Die Markgräfin Isabella d’Este Gonzaga brachte als gebürtige Este Voraussetzungen in die Ehe mit, die zu einer Mehrpoligkeit in der Normierung der Geschlechterordnung führten und Handlungsräume eröffneten, in denen Geschlechterstereotypen durch solche der Geschlechterordnungen überlagert wurden. [4]
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Das Verlobungsgeschenk von Ercole zeigt uns dabei, warum der Fall gerade musikwissenschaftlich von Interesse ist: Der Canzoniere verweist wie ein väterlicher Wink mit dem Zaunpfahl darauf, wie Isabella ihre Standesüberlegenheit in ihrer Ehe strategisch nutzen und an Autorität gewinnen konnte. In der Tat lag für Isabella nichts näher, als sich auf die musikalische Autorität der Este-Tradition zu berufen und diese in dem ihr gegebenen institutionellen Rahmen so umzuformen, dass sie zu einem besonderen, musikbezogenen Herrschaftsinstrument wurde. Es wird zu zeigen sein, wie Isabellas Beherrschung der Musik zur Inszenierung von Herrschaft führte, die wiederum ein mehrpoliges Bild abgibt, in Berufung auf weibliche Vorbilder und im Rekurs auf den adligen Rang. Wenn Niccolò da Correggio, der sie als Hofdichter und Günstling noch aus Ferrara kannte und ihr verbunden blieb, Isabella d’Este als "prima donna del mondo" huldigte, [5] ist unklar, inwiefern er die Este-Fürstentochter, die Markgräfin oder die Frau Isabella ehrte, in jedem Fall aber stand der Titel für eine kulturelle Souveränität, in der der Musikbezug eine Schlüsselfunktion innehatte. In diesem Sinn ist auch an William Prizers Interpretation anzuknüpfen, Musik habe für Isabella d’Este die Rolle einer "idée fixe" gespielt. [6] Hofmusik wurde strategisch geschickt als Distinktionsmittel eingesetzt, zusammen mit literarischen und ikonographischen Symbolen auf die Person der Markgräfin bezogen und ließ dadurch einen genuin musikalischen Herrschaftsraum entstehen.
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Mit dem "Canzoniere di Isabella d’Este" gab Herzog Ercole seiner Tochter eine Visitenkarte des Hauses Este mit nach Mantua: Es handelt sich um eine preziöse Sammlung mit 123 französischsprachigen Chansons, deren Komponisten ursprünglich aus Städten jenseits der Alpen kamen: Ercoles langjähriger Kapellmeister Johannes Martini kam aus Brabant in Flandern; und lange umwarb der Herzog dessen Landsmann Jacob Obrecht aus Gent, der als Sänger in der Kathedrale von Antwerpen tätig war, bevor er schließlich 1504 Kapellmeister in Ferrara wurde und dort ein Jahr später, 1505, im selben Jahr wie der Herzog selbst, starb. Fünf Kompositionen stammten von dem Flamen Johannes Ockeghem, der Sänger in der Kapelle des französischen Königshofs war. Zudem waren im Chansonnier Werke von Komponisten aus den Kapellen von Cambrai und aus Burgund vertreten, die wie die chapelle royale Frankreichs damals zu den renommiertesten in Europa gehörten.
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Viele im Chansonnier vertretene "oltremontani" waren in diesen Jahren allerdings bereits an italienischen Höfen tätig, so z.B. der berühmte Josquin Desprez oder Loyset Compère am Hof der Sforza in Mailand. Als Ercole I. d’Este bei seinem Amtsantritt 1471 als eine seiner ersten Handlungen bestimmt hatte, die Ferrareser Kapelle auszubauen zu einer "capellam celeberrimam" mit "Cantores Musicos prestantissimos", [7] konnte er bereits auf die bewährte Familientradition aufbauen, sich über eine Kapelle ein Ansehen zu verschaffen, das hinter jenem mächtigerer Herrscher nördlich der Alpen kaum zurückstand. Ercole war darin besonders erfolgreich. Seine Hofkapelle war Ende des 15. Jahrhunderts die größte in Italien. 1503 konnte er sogar Josquin Desprez als Maestro di capella gewinnen, [8] einen der wenigen Musiker, dessen Autorität schon zu Lebzeiten so hoch war, dass von ihm ein Holzschnitt mit einer Kopfbedeckung in humanistischer Manier überliefert ist. [9] Josquin verewigte die herzogliche Herrschaft in der "Missa Hercules Dux Ferrariae". [10]
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Es war dieses musikalische Prestige des elterlichen Hofs, das Isabella als Mitgift in die Ehe nach Mantua gegeben wurde. Doch konnte ein Canzoniere mit weltlichen Chansons nur einen milden Abglanz der Autorität einer Messe vermitteln, in der der Name eines Herrschers im liturgischen Rahmen zelebriert wurde. Das Verlobungsgeschenk an Isabella verweist damit auf die Crux, dass es für eine Adlige weiblichen Geschlechts ohne rechtmäßigen Anspruch auf die Patronage einer Kapelle wesentlich schwieriger war, ihre Macht erfolgreich zu inszenieren. Zugleich zeigt der weltliche Zuschnitt dieser Sammlung dann aber auch den Rahmen auf, in dem adlige Frauen musikalischen Einfluss nehmen konnten. Da die Förderung liturgischer Musik dem männlichen Herrscher vorbehalten war, hatten sich Frauen neben außerliturgischer geistlicher Musik auf die weltliche Musik zu konzentrieren. So wie in dem Canzoniere namhafte Kapellmusiker wie Johannes Martini und Josquin Desprez mit weltlichen Sätzen vertreten sind, schloss die Kapellpraxis weltliche Musik generell mit ein.
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Für die Musikpflege adliger Frauen heißt das, dass sie trotz der Norm, über keine eigene Kapelle zu verfügen, sehr wohl von der Existenz einer Kapelle profitieren konnten. [11] Fürstengattinnen und Regentinnen konnten Kapellmusiker für die Gestaltung spezieller Festanlässe engagieren und aus eigenen Mitteln bezahlen. Bevor wir uns damit bereits der Frage nähern, wie Isabella d’Este die musikalische Autorität ihrer Herkunftsfamilie für eigene Zwecke in Mantua nutzen konnte, ist noch vorauszuschicken, dass sich die Musikförderung der Este nicht auf repräsentative Zwecke beschränkte, sondern gleichermaßen eine profunde musikalische Erziehung der Kinder, auch der Töchter, einschloss, denn im Kontext humanistischer Studien hatte sich ein Bewusstsein von den persönlichkeitsbildenden Qualitäten des Musizierens gebildet.
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Auch in diesem Punkt war für Isabella d’Este die väterliche Kapelle von entscheidendem Vorteil: Sie hatte als Mädchen bei Kapellmeister Martini Gesangsunterricht in der schriftlichen Tradition erhalten; zudem ist davon auszugehen, dass sie schon früh ein Tasteninstrument erlernte. Dass Isabella ihre Musikstunden nach der Einheiratung in Mantua allerdings fortsetzte, ja sogar weiter ausbaute, wäre ohne die Nähe zu Ferrara nicht denkbar gewesen, auch wenn es ihr zur Ausstattung eines eigenen Hofstaats nicht an finanziellen Mitteln mangelte: [12] Allein drei verschiedene Gesangslehrer, meist ‘oltremontani‘, ließ sie sich über Kapellmeister Martini oder aus der Kapelle ihres Bruders Kardinal Ippolito d’Este in Ferrara vermitteln. Dass ihr dies wichtig war, begründete sie noch im Jahr der Heirat, 1490, ihrem Mann gegenüber mit den Worten "… ne ho preso grande piacere, parendome virtute molto laudabile". [13] Neben dem Clavichord ließ sie offenbar keine Gelegenheit aus, auch die damals üblichen Zupf- und Streichinstrumente zu erlernen, die vihuela da mano, die lira da braccio und Ende der 1490er Jahre die damals neue viola da gamba. [14]
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Isabella konnte in Mantua nicht nur auf die in Ferrara gelegten Grundlagen zurückgreifen, sondern räumlich und personal weiterhin an ein früher entstandenes dichtes Netzwerk von Dichtern, Humanisten und Musikern anknüpfen. Damit gelang es ihr, nach der Heirat den Niveauunterschied auszugleichen, den das Musikleben in Mantua gegenüber dem am elterlichen Hof zweifellos bedeutete. [15] In Mantua gelang es Isabella erst 1510, zwanzig Jahre nach ihrer Ankunft in der Stadt, eine eigene Kapelle zu begründen, und dies wiederum in Abhängigkeit von Ferrara: Zu diesem Zeitpunkt war die Ferrareser Kapelle wegen einer politischen Krise, dem Konflikt mit Papst Julius II., in Auflösung begriffen, ihre Musiker waren daher leicht abzuwerben. [16] Doch auch ohne den Rückgriff auf eine repräsentative Kapelle gelang es Isabella, Musik erfolgreich ins Zentrum ihrer Selbststilisierung zu rücken. Dazu zwei Beispiele:
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In den viel diskutierten Studierzimmern, studiolo und grotta, die sich Isabella d’Este Gonzaga nach Urbiner Vorbild als erste adlige Frau in ihren Räumlichkeiten im Mantuaner Palast einrichten ließ, durchzieht Musik wie ein roter Faden die Ikonographie, für die sich die Markgräfin von namhaften Humanisten beraten ließ. [17] Vor allem zwei Funktionen übernimmt hier die Musik: Über den Rückgriff auf antike, vor allem platonische Traditionen wird Musik zum Inbegriff eines Refugiums, eines Otiums, das der nötigen Erholung vom neg-otium, den Staatsgeschäften dient. Zudem wird Isabella als eine humanistische Gelehrte stilisiert, die souverän über diese Räume herrscht.
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Das praktische Musizieren, das hier seinen Platz hatte und über Intarsienarbeiten musikalischer Instrumente ikonographisch präsent ist, [18] wird in differenzierten Rekursen auf antike Traditionen zurückgeführt und als musica mundi an die kosmischen, philosophisch-theoretischen Ursprünge von Musik gebunden, die sie als Teil des Quadriviums aus dem Mittelalter mitbrachte. [19] Dass es Isabella persönlich war, die über diese himmlische Sphäre herrschte, wird ikonographisch vielfältig vermittelt, auf einfachste Weise durch ihr Monogramm "IS" im Deckengewölbe, [20] aber auch über allegorische Darstellungen: In einem der Marmormedaillons in der Tür zur Grotta, die Gian Cristoforo Romano zugeschrieben wird, sieht man zum Beispiel die Muse Euterpe sitzen, die sich den Künsten widmet (Abbildung 2). Die Musik ist über die Flöte präsent, neben ihr weist ein Buchständer mit einem angelehnten geschlossenen Buch auf die Lektüre, in der Hand hält die Muse wahrscheinlich einen Malstab. Dass diese Frau Herrscherin über ein musikalisches Otium ist, während die Regierungsgeschäfte ruhen, veranschaulicht zu ihrer Rechten ein mit musikalischen Mensurzeichen gezierter Thron, auf dem eine Krone abgelegt ist
Abb. 2
Abb. 3
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Isabella gab zudem sechs Gemälde für ihr studiolo in Auftrag; eines darunter, das Lorenzo Costa zwischen 1504 und 1506 malte, ist im Hinblick auf die musikbezogene Inszenierung ihrer Herrschaft besonders interessant. Die Titel, die man dem Gemälde zugeschrieben hat – "Isabella, von Amor gekrönt" oder "Krönung einer Dame", zielen auf die zentrale Szene ab, die in einem umzäumten, erhöhten und bewachten Hintergrund stattfindet und damit der Anlage des studiolo ähnelt, das vom vordergründigen Geschehen im Palast abgeschirmt ist (Abb. 3): Ein Amor-Putto legt einer in rot und weiß gekleideten Dame vom Schoß einer blau-weiß gekleideten Dame, die dadurch als Venus erkennbar wird, einen Myrtenkranz auf den geneigten Kopf. Sie wird umkreist von Frauen und Männern, die sich Musik und Poesie widmen und deren Darstellung farblich auf diese Krönungsszene abgestimmt ist. Von außen betrachtet links im Hintergrund von Venus spielt ein junger Mann eine Viola und blickt dabei zum Himmel; womöglich repräsentiert er Apollo. Rechts der Gekrönten spielt eine junge Frau eine Zither; im Vordergrund rechts und links spielen zwei Männer mit Turban weitere Seiteninstrumente. Zweifellos handelt es sich hier um eine Adaptation mythischer Allegorien, die Isabella als Herrscherin über einen Musenhof huldigen. [21]
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Hinter dieser Selbststilisierung Isabella d’Estes stecken moralisierende und strategische Absichten, für deren Klärung es jüngst Stephen Campbell gelungen ist, neue Quellen zu rekonstruieren: Demnach lieferte die sogenannte "Tabula Cebetis", ein Traktat über die Qualitäten einer Malerei, die als philosophischer Diskurs zu lesen ist, die ethische Grundlage des Bildes Die Tabula beschreibt, wie es einem treuen Befolger der antiken Lehren von Pythagoras und Parmenides gelang, am Ende einer beschwerlichen Reise – einem Sinnbild des Lebens an sich – in ein eingezäuntes Gehege zu gelangen, wo ihn die Göttin Beatitudine für seine Weisheit krönte. Nachweislich kursierten Versionen des Traktats im engeren Umfeld Isabella d’Estes. [22] Doch um die Tabula auf Isabella zuzuschneiden, bedurfte es noch einer passenderen Vorlage für das entscheidende Gendering, dass bei Costa kein Mann für seinen Tugendpfad gekrönt werden sollte, sondern eine Frau.
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Zum Inventar von Isabellas Bibliothek gehörte Jacopo Foresti da Bergamos Kompendium "De claris scelestisque mulieribus" aus dem Jahr 1497, das ihr sicherlich viel bedeutete, enthält es doch auch eine Biographie ihrer Mutter Eleonora d’Aragona und damit auch Berichte über sie selbst und ihre Geschwister. In anderen Biographien von Frauen aus Legenden und Geschichte führt Foresti zweimal Sappho auf, die griechische Sängerin, Musikerin und Autorin von Liebespoesie aus Lesbos, die auch als Begründerin eines Parnasses bekannt war. Zwei Holzschnitte zeigen die Sappho bei Foresti, einer die gelehrte Frau Sappho mit erhobenem Zeigefinger und geöffnetem Buch, einer die Nymphe Sappho, die das Plektrum erfand: Sie trägt eine Blumenkrone. [23] Mit diesen Attributen eignete sich diese Dichterfürstin in der Tat als Identifikationsfigur für Isabella, zumal Sappho um 1500 von ihrer ambivalenten Fama rehabilitiert war, die sie als Künstlerin und Sängerin von Liebesliedern ursprünglich hatte. [24]
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Wie also entsteht in Costas Krönungsgemälde und in Isabellas Räumlichkeiten generell das Bild musikalischer Herrschaft, und wie wird es mit der Person der Markgräfin verknüpft? Vor allem antike Machtsymbole, der Thron und die Krönung, der Zugang zu himmlischem Wissen und Gelehrsamkeit werden mit der musikalischen Ikonographie verbunden und lassen das Bild der Herrschaft über einen gesonderten, kulturellen Bereich entstehen. Nun ist das Otium als humanistisches Pendant zum Neg-Otium nicht notwendigerweise weiblich besetzt, so wie auch ein studiolo keine weibliche Erfindung ist. Erst der Rekurs auf die antiken weiblichen Autoritäten, auf die Musen, auf Sappho, vor allem aber auf Venus konstruiert den Herrschaftsraum der Isabella letztlich auch als einen spezifisch weiblichen Ort.
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Bei dem kurzen Rekurs auf Sapphos umstrittene Tugendhaftigkeit ist angeklungen, dass die weiblich besetzten Traditionen des Musizierens moralisch umstritten waren. In der Tat hatten jene Musikbereiche, die sich weiblicher Patronage erfreuen konnten, vergleichsweise wenig Renommee, so dass auch der Herrschaftsraum der Isabella d’Este in seinem Einfluss begrenzt war. Die außerliturgischen Bereiche des Musiklebens, und diese beinhalteten neben spiritueller Andachtsmusik vor allem musikalische, volkssprachliche Liebespoesie, waren schon seit der Antike immer wieder auch deswegen hinterfragt worden, weil sie stärker als die im gelehrten Latein verfasste liturgische Musik die Gefahr sinnlicher Verführung zu bergen schienen. [25]
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In der Musikpraxis war Isabella d’Este ebenso auf Liebeslieder und damit auf eine vergleichsweise niedrig konnotierte Kunst verwiesen, als Sängerin, Musikerin und Mäzenin. Neben dem französischen Chanson, den sie noch aus Ferrara kannte, war an ihrem Hof die Frottola in Mode, ein Strophenlied italienischer Prägung, das traditionsgemäß auf scherzhafter Poesie im italienischen volgare basierte und meist einstimmig zur Laute gesungen wurde. [26] Doch selbst in dieser Gattung fand Isabella Mittel und Wege zu einer konsequenten musikalischen Selbsterhöhung, die sich in die besagten Bilder fügt.
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Namentlich förderte Isabella eine der ersten Vertonungen von Petrarcas Liebeslyrik, da diese um 1500 neue Verbreitung fand. Dies ist zunächst ein weiteres Zeugnis ihrer Selbststilisierung als Humanistin: Dass sie Petrarca kannte und exklusiv vertonte, zeichnete sie vor anderen als Teilhaberin an einer neuen Gelehrsamkeit aus. Doch hat man in der Petrarkismus-Forschung zudem erkannt, dass die Petrarca-Mode des 16. Jahrhunderts nicht nur die Wahrnehmung für die Qualität von Poesie schärfte und ästhetische Entwicklungen beeinflusste, sondern auch für soziale Prozesse bedeutend war. Besonders Petrarcas Zyklus des Canzoniere, mit dem in poetisch einzigartiger Dichte und Schönheit die Geliebte Laura besungen wird, belebte im 16. Jahrhundert das literarische Bild der geliebten und ersehnten Madonna. [27] Die unüberbrückbare Distanz zur höher stehenden, abweisenden Frau konnte der Autorität von Herrscherinnen zugute kommen und spielte in diesem Sinn eine Rolle in der Entwicklung des ‘Absolutismus‘. [28] Dies dürfte in besonderem Maß für die Wirkung der letzten Canzone Petrarcas aus dem Canzoniere gelten, in der die Idealisierung der geliebten Frau zur tugendhaften, unerreichbaren Jungfrau in der Anrufung der höchsten aller Jungfrauen, der Himmelskönigin gipfelt. Hier rücken die ohnehin häufigen Überschneidungen zwischen geistlicher und weltlicher Verehrung in den Vordergrund. Und so verwundert es nicht, dass eine Vertonung dieser Petrarca-Canzone "Vergine bella, che di sol vestita" von Bartolomeo Tromboncino tradiert ist, der bis 1505/06 Isabella d’Este Gonzagas persönlicher Hofkomponist, -lautenist und -sänger in Mantua war. Die Frottola ist 1510 in Rom publiziert worden. [29]
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Francesco Petrarca: Vergine bella, Canzoniere CCCLXVI [30]
Vergine bella, che di sol vestita, |
Oh schöne Jungfrau, in Sonne gekleidet, |
Coronata di stelle, al sommo Sole |
Von Sternen gekrönt, der höchsten Sonne so wert, |
Piacesti si che ‘n te sua luce ascose: |
Daß ihr Licht auf dich herabgeflossen: |
Amor mi spinge a dir di te parole, |
Amor drängt mich von dir zu sprechen, |
Ma non so ‘ncomminciar senta tu’aita |
Doch vermag ich es nicht ohne deine Hilfe |
Et di colui ch’amando in te si pose. |
Und ohne die desjenigen, der sich liebend auf dich ergossen. |
Invoco lei che ben sempre rispose |
Nach ihr verlangt mich, die stets dem Antwort gab, |
Chi la chiamò con fede. |
Der sie im Glauben rief. |
Vergine, s’a mercede |
Oh Jungfrau, wenn sich dir je |
Miseria estrema de l’umane cose |
Das tiefe Elend der Welt erschlossen, |
Già mai ti volse, al mio prego t’inchina, |
So neige dich herab zu meinem Flehen. |
Soccorri a la mia guerra |
Hilf mir in meinem Kampf, |
Ben ch’i sia terra e tu del ciel regina. |
obwohl ich Erde und du des Himmels Königin. |
Wir wissen nicht, ob die Markgräfin diese Vertonung in Auftrag gab; möglich ist es. Der Rekurs auf die Gestalt der "Vergine bella" fügt sich ideal in das Bild einer tugendhaften keuschen Herrscherin, das im studiolo ebenso präsent ist. Stärker noch als weibliche Vorbilder aus der Antike vermittelt "die schöne Jungfrau" ein Bild der Unantastbarkeit und Askese, das politische Wirkung entfalten konnte.
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Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach möglichen politischen Implikationen der musikbezogenen Herrschaftsinszenierung Isabellas, für deren Diskussion abschließend ein Fallbeispiel vorgestellt werden soll: Zu den Quellen über Isabellas musikalisches Auftreten in der Öffentlichkeit gehören Berichte über die Hochzeit von Isabellas Bruder Alfonso d’Este mit Lucrezia Borgia, der Tochter von Papst Alexander VI. im Februar 1502. Abgesehen davon, dass mit Lucrezia eine weibliche Konkurrentin nach Ferrara kam, die Isabella in ihrem Zugriff auf heimatliche Gefilde behindern musste, war ihr der Familienverbund zwischen den Borgia und den Este offenbar ein Dorn im Auge, da er die politische Handlungsfreiheit für sie und ihren Mann Francesco Gonzaga einschränkte. Sie waren fortan gezwungen, politischen Opfern der Borgia-Politik die Unterkunft zu verweigern. [31] Isabella zeigte ihrer Schwägerin nicht nur eine so kalte Schulter, dass Lucrezia schon im Juni davon sprach "50.000 Dukaten dafür [bezahlen zu wollen, S.M.], sie nie kennen gelernt zu haben" [32]; Isabella demonstrierte gleich auf der Hochzeit ihre soziale und kulturpolitische Handlungshoheit, und zwar über die Musik: Nach einem Abendessen lud sie nebst der zentralen Hochzeitsgesellschaft den französischen Botschafter zum Essen – im Hinblick auf den Einfluss Karls VIII. von Frankreich eine politisch bedeutende Person – und sang ihm zunächst vor der Festgesellschaft, dann auch im intimen, exklusiven Rahmen Lieder zur Laute "mit größter Süße" vor, um ihm "mehr Liebkosung und Ehre zukommen zu lassen". [33]
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Um musikalische Souveränität als soziales Distinktionsmittel einzusetzen, [34] bezog Isabella auf diesem Fest selbst die Kleidung ein, auf die sie "quella inventione di tempi & pause", ein komplexes musikalisches Emblem aus Mensur- und Pausenzeichen, hatte nähen lassen, mit dem auch ihre Grotte dekoriert war. [35] Nur Eingeweihte konnten seine Symbolik entziffern.
Dass Isabella einen musikalischen Auftritt wählte, um die Machtbereiche gegenüber der potenziellen Gegnerin Lucrezia abzugrenzen, verweist darauf, dass musikalisches Handeln hier die Funktion von Unterhaltung und Bildung überschreitet und zu einem Politikum wird, das maßgeblich von Isabellas musikalischer Exklusivität lebt. Wenige Jahre später konnte es Isabella d’Este gleichwohl nicht verhindern, dass sich ihr persönlicher Musiker Tromboncino nach über fünfzehn Jahren Dienst an ihrem Hof ausgerechnet an den konkurrierenden Hof Lucrezia Borgias abwerben ließ. Man darf annehmen, dass dieser menschliche Verlust für eine Herzogin, die Musik zu ihrem Herrschaftsinstrument gemacht hatte, auch den herben Beigeschmack einer kulturpolitischen Niederlage hatte. [36]
[1] Lewis Lockwood (Hg.): A Ferrarese Chansonnier. Roma, Biblioteca Casanatense 2856, "Canzoniere di Isabella d’Este", Lucca 2002, XIf.
[2] Die Anordnung ist damit anders als bei Hochzeitswappen, auf denen das Familienwappen des Bräutigams "on the dexter half", der rechten Seite in der heraldischen Terminologie, das heißt vom Betrachter aus links steht. ‘Rechte‘ und ‘linke‘ Hälften beziehen sich auf Waffen, die aus der Perspektive desjenigen gesehen werden, der sie trägt. Seit einer Stellungnahme Hans Davids aus dem Jahr 1964 geht man davon aus, dass der Waffenmantel auf der ersten Seite des Canzoniere den Este gehört, so Lewis Lockwood in der Einleitung der kritischen Ausgabe des Canzoniere. Vgl. Lockwood: A Ferrarese Chansonnier (wie Anm.1), XXVIII.
[3] Vgl. z.B. das Wappen in der Grotte der Isabella d'Este in Daniele Bini (Hg.): Isabella D’Este. La Primadonna del Rinascimento (= Quaderno di Civiltà Mantovana, Ergänzung zu 112), Mantua 2001, 186.
[4] Heide Wunder: Normen und Institutionen der Geschlechterordnung am Beginn der Frühen Neuzeit, in: dies. / Gisela Engel (Hg.): Geschlechterperspektiven. Forschungen zur Frühen Neuzeit, Königstein 1998, 57-78, hier: 64. Heide Wunder exemplifiziert hier einen Patronatskonflikt, der bei der Wahl eines Pastors in Apensen auf der Stader Geest zustande kommt: Eine Witwe, die aufgrund ihres Geschlechts nicht wählen dürfte, darf sich an der Wahl aufgrund ihrer Rangzugehörigkeit beteiligen.
[5] "Il 26 novembre 1494 Alessandro da Baesio, avvertendo da Vigevano Isabella della venuta di Chiara di Monpensier, aggiungeva che parlandosi ‘nanzi Madama Ciara, dove era Messer Nicolò da Corezo et altri omeni de bene, d’alcune donne de Italia, el fu dito che la Signoria Vostra era la prima donna del mondo". ("Alessandro da Baesso, der Isabella aus Vigevano von dem Kommen Chiara di Monpensiers unterrichtete, sprach vor Frau Chiara von einigen Frauen in Italien, und zugegen waren auch Herr Nicolò da Corezo und andere würdige Männer, und es wurde gesagt, dass Eure Herrschaft die führende Frau der Welt sei".) Alessandro da Baesio an Isabella d’Este Gonzaga, Brief vom 24. November 1494. Archivio di Stato Mantova, fondo Gonzaga, zitiert nach Alessandro Luzio / Rodolfo Renier: Mantova e Urbino. Isabella d’Este ed Elisabetta Gonzaga nelle relazioni famigliari e nelle vicende politiche, Torino / Roma 1893, 239.
[6] William F. Prizer: ’Una Virtù molto conveniente a madonne’: Isabella d’Este as a Musician, in: Journal of Musicology 17 (1999) 1, 10-49, hier: 12.
[7] "Inter ceteras provisiones quas facere cupimus in principio nostre assumptionis ad hunc nostrum ducatum, statuimus pro nostra spirituali recreatione, Instituere Capellam celeberrimam, in qua ad divinam cultum et officia celebranda habeamus Cantores Musicos prestantissismos, quos undique perquirimus." Ercole I. d’Este an Bischof Hermann von Konstanz, Brief vom 10. Dezember 1471, Archivio di Stato Modena, Epist. Reg. 1471-75, folio 87, zitiert nach Lewis Lockwood: Music in Renaissance Ferrara 1400-1505, Oxford 1984, Anhang 2, Dokument 1.
[8] Schon in den 1440er Jahren hatte Leonello d’Este eine Hofkapelle mit ‘oltremontani‘ begründet und damit versucht, den damals bestbesetzten Kapellen jenseits der Alpen, namentlich des burgundischen Hofs und des französischen Königshofs nachzueifern. Vgl. dazu Alessandro Roccatagliati: Art. "Ferrara", in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. neubearbeitete Ausgabe, hg. von Ludwig Finscher, Sachteil 3, Kassel 1995, 396-411. Für Ercole gestaltete sich die Konkurrenz zu anderen zwar Höfen hart: Galeazzo Maria Sforza konnte 1473 in Mailand viermal so viel Geld in die Hofmusik investieren; zudem gab es die renommierte Kapelle von Papst Sixtus IV. Allerdings arbeitete die Zeit für Ercole; nach der Ermordung Sforzas 1479 und dem Krieg gegen Venedig war er der Herrscher mit der größten Hofkapelle Italiens. Josquin Desprez war von 1503 bis 1504 Kapellmeister am Ferrareser Hof, Jacob Obrecht 1504, nach dem Weggang von Josquin. Zu Josquin vgl. Lewis Lockwood: La Musica a Ferrara nel Rinascimento. La creazione di un centro musicale nel XV secolo, Bologna 1987, 248-253, zu Obrecht ebd. 254-256.
[9] Josquinus Pratensis: Holzschnitt, in: Petrus Opmeers Opus chronographicum orbis universi, Antwerpen 1611, verfügbar unter: http://media-2.web.britannica.com/eb-media/01/10601-004-CB515C82.jpg <6.5.2009>
[10] Klaus Hortschansky: Musikleben, in: Ludwig Finscher (Hg.): Die Musik des 15. und 16. Jahrhunderts (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft 3), Laaber 1989/1990, 23-128, hier: 111f.
[11] Sabine Ehrmann-Herfort: Art. "Kapelle/capella", in: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie, 35. Auslieferung (2003), 1-21, hier: 7.
[12] Zu Beginn ihrer Ehe 1490 verfügte sie über circa 100 Bedienstete bzw. einen Etat von 6000 Dukaten pro Jahr, wobei der Fürstenhof ihres Mannes Francesco zunächst für die Verpflegung aufkam. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verfügte sie dann über 8000 Dukaten Etat bei circa 150 Bediensteten. Siehe Sabine Meine: Die Frottola: Musik im Diskurs an italienischen Höfen 1500-1530, London 2009 (Druck in Vorbereitung).
[13] "Ich habe dabei großes Vergnügen gehabt, [und] es [das Singen, S.M.] scheint mir eine sehr lobenswerte Tugend". Isabella d’Este Gonzaga an Francesco Gonzaga. Sermide, Brief vom 10. Dezember 1490, Archivio di Stato Mantova, fondo Gonzaga, busta 2106, fol. 420. Der Brief ist ebenso zitiert bei Prizer: ‘Una Virtù…’ (wie Anm. 6), 47.
[14] Für detaillierte Darstellungen der musikalischen Ausbildung und Praxis von Isabella d’Este Gonzaga vgl. die Biographie in: Sabine Meine: Isabella d’Este Gonzaga, in: MuGi (Musik und Gender im Internet), (http://mugi.hfmt-hamburg.de/grundseite/grundseite.php?id=isab1474) und dies.: Die Frottola: Musik als Diskurs (wie Anm. 12); sowie Prizer: ‘Una Virtù…’ (wie Anm. 6).
[15] Nicht nur im Bereich der Musik war der Hof der Este dem der Gonzaga an Besitz und Ansehen überlegen und galt als der politisch stabilste in Norditalien aufgrund enger Beziehungen zum Papst in Rom, zumal angesichts der Verunsicherung des politischen Klimas nach dem Einmarsch Karls VIII. von Frankreich 1494. Mantua dagegen genoss zwar zwischenzeitlich, vor allem nach dem außenpolitischen Sieg Francesco Gonzagas von 1495, besonders hohes Ansehen, das aber im Kräftedreieck zwischen Mailand und Venedig nicht von Dauer war. Für eine prägnante Darstellung der außenpolitischen Situation Mantuas um die Jahrhundertwende vgl. Jürgen Herold: Mattheo Sacchetti, genannt Antimachus. Das Schicksal eines Sekretärs in den Diensten der Markgrafen von Mantua 1475-1505, in: Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Hg.): Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert (= Residenzenforschung 17), Ostfildern 2004, 263-287, hier: 273f.
[16] Bis dato hatte Mantuas Hofmusik nur eine instrumentale alta cappella aufzubieten und eine kleine Bläser- und Schlagwerkgruppe aus trombetti, pifari, tromboni und tamburi, die seit den 1460er Jahren nachgewiesen ist. Vgl. Iain Fenlon: Music and Patronage in sixteenth-century Mantua, 2 Bde, (= Cambridge Studies in Music), Cambridge 1980, 14.
[17] Abbildungen der Räumlichkeiten finden sich zum Beispiel bei Judith Henning und Tanja Döring: http://www.sts.tu-harburg.de/projects/WEL/Teaching/SeminarWiSe9900/studiolo/StudioloCorteVecchia2.jpg. < zuletzt eingesehen am 06.05. 2009
[18] Vgl. die Abbildungen in Claudio Gallico: La musica all’epoca di Isabella, in: Bini: Isabella D’Este (wie Anm. 3), 203-207, hier: 204f, Ausschnitte in: http://www.denzilwraight.com/italpolyrectvirg.htm/t <6.5. 2009>
[19] Adalberto Genovesi: Due imprese musicali di Isabella d’Este, in: Atti e memorie dell’ Accademia nazionale Virgiliana 61 (1993), 73-102. Kürzere Kommentare zu den Emblemen bei Giancarlo Malacarne: Il segno di Isabella. Stemmi, motti, imprese, in: Bini: Isabella d’Este (wie Anm. 3), 185–201, hier: 192f.
[20] Eine Abbildung der Impresa in: Bini: Isabella d’Este (wie Anm. 3), 185.
[21] So basieren auch die Titel des Bildes auf einer eigens für das Studiolo erdichteten invenzione des Hofdichters Paride de Ceresara, die zwar als Quelle nicht mehr erhalten, aber in ihrer zentralen Bedeutung durch die Lektüre des Gemäldes selbst rekonstruierbar ist. Vgl. Sylvia Ferino-Pagdens Analyse des Bildes, die wesentlich auf der unveröffentlichten Dissertation von C. M. Brown über Lorenzo Costa (Columbia University 1966) aufbaut, in: Sylvia Ferino-Pagden (Hg.): "La prima donna del mondo". Isabella d’Este. Fürstin und Mäzenatin der Renaissance, Wien 1994, 229-234. Browns These, in dem Kreis um die gekrönte Dame Pietro Bembo, Baldessare Castiglione zu sehen sowie Paride de Ceresara , der für die Anlage des Bildes verantwortlich war, muss man dabei nicht folgen.
[22] Campbell zufolge stellt sich die Tabula selbst als Substrat der ethischen und pädagogischen Lehren der frühesten Anhänger des Pythagoras dar. Die erste lateinische Edition erschien 1497 in Bologna durch Filippo Beroaldo den Älteren. Darin fanden sich auch allegorische und pädagogische Schriften, die Dosso Dossi zu einem mythologischen Gemälde angeregt haben. V.gl. Stefano Benedetti: Itinerari di Cebete. Tradizione e ricezione della Tabula in Italia dal XV al XVIII secolo, Roma 2001; Reinhart Schleier: Tabula Cebetis oder ’Spiegel des menschlichen Lebens, darin Tugent und untugend abgemalet ist‘. Studien zur Rezeption einer antiken Bildbeschreibung im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 1973. Schon 1496 war Isabella durch den 22jährigen Giovan Battista Pio da Bologna eine Paraphrase dieser Tabula gewidmet worden. In ihrer Bibliothek gab es eine volkssprachliche Version des Textes unter dem Titel "Medaglii del Sebetto", siehe Stephen Campbell: The cabinet of Eros. Renaissance Mythological Painting and the studiolo of Isabella d’Este, New Haven / London, 197.
[23] Abbildungen in Campbell: The cabinet of Eros (wie Anm. 22), 202.
[24] Isabellas literarischer Berater Paride da Ceresara, der die Vorlage für Costas Bild erstellte, konnte dafür auf eine noch naheliegendere Huldigung Sapphos zugreifen: 1504 war eine Ausgabe von Giovanni Boccaccios Eklogen erschienen, in der die Poetin Sappho auch angesichts ihrer ursprünglichen Ambivalenz aufgewertet wird: In Ekloge 12 heißt es "Lorbeeren kränzen und umschleiern ihr würdiges Gesicht / sie ist es, die wir Musenschwestern achten, / zu ihr singt der schöne Gott Apollo." Ihre Kritiker, so die Ekloge weiter, seien nur nicht fähig, ihre Liebeslieder zu verstehen. Vgl. Campbell: The cabinet of Eros (wie Anm. 22), 203.
[25] Diese diskursive Tradition klingt zumBeispiel in der erwähnten Ekloge Boccaccios an, wo Sapphos Tugendhaftigkeit besonders verteidigt wird, da sie Liebeslieder singt. Vgl. auch Anm. 24.
[26] Meine: Die Frottola (wie Anm. 12).
[27] Sabine Meine: "Vergine bella" – "Vergine sacra". Weltliche Modelle für die Marienverehrung in der italienischen Renaissancemusik, in: Martina Bick u.a. (Hg.): Modell Maria. Beiträge der Vortragsreihen Gender Studies 2004–2006 an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Hamburg 2007, 111–132, hier: 111-13 und 127-132.
[28] Gary Tomlinson verweist dazu auf die Arbeiten von Nancy Vickers und Roland Greene, die die Übertragung petrarkistischer Idealisierungs- und Erhöhungsstrategien der unerreichbaren Geliebten auf Herrschaftshuldigungen im Absolutismus diskutieren. Gary Tomlinson: Giaches de Wert and the discourse of Petrarchism, in: Culturas musicales del Mediterraneo y sus ramificaciones. Actas del congreso de la Sociedad Internacional de Musicología (= Revista de Musicología 16 (1993)), 1, 552-560, hier: 559.
[29] In: Canzoni novi con alcune scelte di varii libri di canto, hg. von Andrea Antico, Roma 1510, fol. 38v–40r. Aufnahme auf CD: Vergine bella. Italian Renaissance Music, Chandos early music 2002. Klangausschnitt unter: http://www.emusic.com/album/VERGINE-BELLA-VERGINE-BELLA-MP3-Download/11152655.html <6.5. 2009>.
[30] Francesco Petrarca: Canzoniere, hg. von Sabrina Stroppa, Torino 2005, CCCLXVI, Verse 1–13, 577 und 580–582. Eigene Übersetzung.
[31] Diesbezüglich existiert eine Minuta Francesco Gonzagas an Giovanni Gonzaga vom 2. Februar 1501, in der er sich darüber beklagt, Flüchtlinge aus Mailand den französischen Truppen ausliefern zu müssen. Vgl. Alessandro Luzio: Isabella d’Este e i Borgia, Mailand 1915, 62.
[32] Der Brief von Bernardino de’ Prosperi, Hofberichterstatter aus Ferrara, ist hier zitiert nach Luzio / Renier: Mantova e Urbino (wie Anm. 5), 125.
[33] "…la prefata signora marchexana col leuto in mano cantò diverse canzonette con melodie e suavità grandissima, quale havea servate per fare magiore careze e honore al prefato signore Oratore". Botschaftssekretär Nicolò Cagnolo in: Giuseppe Pardi: Diario Ferrarese di Bernardino Zambotti dall’ anno 1476 sino al 1504 (= Rerum Italicorum scriptores, oridinata da Lodovico Antonio Muratori, 24,7), Bologna 1937, 327. Eigene Übersetzung.
[34] "… che questi signori furono tanto contenti che più non se potria dire". Marchesa di Crotone an Francesco Gonzaga. Brief vom 6. Februar 1502, zitiert nach Luzio: Isabella d’Este (wie Anm. 31), 81.
[35] Eleonora Orsini del Balzo (Marchesa di Cotrone) an Francesco Gonzaga. Brief vom 2. Februar 1502, Archivio di Stato Mantova, fondo Gonzaga, busta 1238, fol. 355-356. Eine Abbildung des Emblems findet sich zum Beispiel in Malacarne: Il segno di Isabella (wie Anm. 19), 195.
[36] Hintergründe dazu in Meine: Die Frottola (wie Anm. 12).
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Meine : Hofmusik als Herrschaftsraum. Das Beispiel der Isabella d’Este Gonzaga , in: zeitenblicke 8, Nr. 2, [30.06.2009], URL: https://www.zeitenblicke.de/2009/2/meine/index_html, URN: urn:nbn:de:0009-9-19677
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