|
Zu dieser Ausgabe
|
|
<1>
Die Beiträge, die hier publiziert werden, sind aus einem am
11. und 12. Mai 2001 vom Deutschen Studienzentrum in Venedig (Centro
Tedesco di Studi Veneziani) veranstalteten Symposium hervorgegangen.
Für die Organisation dieser Veranstaltung gebührt mein
Dank Frau Dr. Susanne Winter als Leiterin des Studienzentrums und
Frau Giovanna Dettin. Der äußere Anlass der Tagung war
eine später auch in Dresden gezeigte Ausstellung über
Anton Raphael Mengs in der Fondazione Palazzo Zabarella in Padua,
die zur Finanzierung des Kolloquiums einen wichtigen Beitrag leistete,
für den dem Präsidenten der Fondazione, Herrn Federico
Bano, gedankt sei.
|
|
<2>
Die Idee zu einem die Ausstellung begleitenden wissenschaftlichen
Kolloquium entstand aus dem Defizit an Kenntnissen über die vielfachen
Berührungspunkte zwischen dem römischen Klassizismus, dem
Mengs zugerechnet wird, und dem Kulturraum Venedigs. Ausgangspunkt
dieser Erkundungen sind die für die Dresdner Hof- und Kunstwelt
essentiellen reziproken Kontakte nach Venedig, das auch als kulturelle
Schnittstelle im Hinblick auf Rom Bedeutung erlangte. Dies lässt
sich gerade im Werdegang und im Gedankengut von Mengs konkret nachweisen
– es ist kein Zufall, dass er der Wiederentdecker der Bedeutung
Tizians als Kolorist ist. Über den Einzelfall hinaus offenbart
diese Konstellation jedoch ihre epochale Tragweite, wenn man sie in
einen größeren Kontext stellt. Das war das Ziel des Symposiums,
das einen zweiten Schwerpunkt in der architektonischen Rezeption der
Antike und in der Druckgraphik hatte. |
|
<3>
Die hier versammelten Texte gehen insgesamt von einer anderen Sichtweise
aus als sie bisher für die Betrachtung der künstlerischen
Beziehungen Venedigs zum Norden und nach Rom verbreitet ist. Die Bemühungen
um die kunstgeschichtliche Aufarbeitung der Kontakte zwischen Venedig
und dem Norden im 18. Jahrhundert konzentrierten sich bislang vor
allem auf die Tätigkeit bedeutender venezianischer Künstler
an den Höfen nördlich der Alpen und um den mittelbaren Einfluss,
den die venezianische Malerei auf diese Weise auf die europäische
Entwicklung genommen hat. Unter dem Titel 'The Glory of Venice' wurde
dies 1994 durch eine Ausstellung in der Londoner Royal Academy visualisiert.
Der für die Kunst befruchtende kosmopolitische Charakter Venedigs
im 18. Jahrhundert wird in der Kunstwissenschaft heute vorwiegend
auf der Basis der von Francis Haskell gelegten Spur rezipiert. So
sind die engen kulturellen und künstlerischen Beziehungen Venedigs
zum europäischen Norden, insbesondere nach England, hinlänglich
thematisiert, während Darstellungen, die die Situation aus der
deutschen Perspektive betrachten, etwa die Reisen der sächsischen
Kurfürsten nach Venedig und die sächsischen Kunstkäufe
in Venedig, bisher nur in Ansätzen vorliegen; zu erwähnen
ist etwa der Katalog der Dresdner Ausstellung von 1999 über den
ab 1755 in Dresden und später in St. Petersburg tätigen
venezianischen Maler Pietro Rotari. |
|
<4>
Aus der Sicht der Nordländer war Venedig, das vor oder nach Rom
besucht wurde, das erste und neben Rom und Neapel auch das wichtigste
Ziel der Reise nach Italien und nicht nur eine von vielen Stationen.
Dass die Attraktivität der Lagunenstadt für die hochstehenden
Reisenden aus dem Norden in nicht geringem Maße auf den Spektakeln
der barocken Festkultur und des Karnevals beruhte, zeigt der Beitrag
von Wiebke Fastenrath Vinattieri. Ihr
Bericht über die Kavaliersreise des sächsischen Kurprinzen
(1738-1740) macht aber auch deutlich, welche künstlerischen und
kulturellen Anregungen ein Reisender seines Standes aus der Begegnung
mit Italien zog. Nicht nur die bildende Kunst war von den kulturellen
Beziehungen zwischen Dresden und Venedig betroffen, sondern auch die
Musik und die Literatur. Die sächsische Kurprinzessin und geborene
bayerische Prinzessin Maria Antonia wurde ab 1747 durch ihre vielseitigen
musikalischen und literarischen Interessen zu einer zentralen Persönlichkeit
in diesem transalpinen Austausch, für den Namen wie Johann Adolf
Hasse, Nicola Porpora und Pietro Metastasio stehen. Diesem Thema gilt
der Beitrag von Christine Fischer, der auf
der Grundlage einer monographischen Bearbeitung der musikalischen
Produktion der Kurprinzessin die musikalischen Querverbindungen zwischen
Dresden und Venedig auf dem Gebiet der Opera seria in den Blick nimmt.
Einer der wichtigsten Vermittler zwischen Venedig und dem deutschen
Norden war Francesco Algarotti, der zwischen seinen beiden Aufenthalten
am Hof Friedrichs II. von Preußen ein folgenreiches Zwischenspiel
in Dresden gab, das sich sowohl auf das dortige Musikleben wie auch
auf die zukünftige Förderung der bildenden Kunst auswirkte.
1741 berief August III., der ebenso wie Algarotti ein Liebhaber der
Pastellmalerei war, Felicitas Sartori, eine Schülerin und Mitarbeiterin
von Rosalba Carriera, nach Dresden. Mit dem qualitätvollen und
bisher noch kaum erforschten Œuvre, das die Sartori in Dresden
geschaffen hat, beschäftigt sich der nachträglich eingelieferte
Beitrag von Helga Puhlmann, der aus ihren
in den Dresdner Sammlungen durchgeführten Forschungen hervorging
und der so gut in das Thema der Tagung passte, dass er in der Publikation
nicht fehlen durfte. |
|
<5>
Ein für den Kulturtransfer des 18. Jahrhunderts essentieller
Aspekt, der bisher nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat, betrifft
das Verhältnis zwischen Venedig und Rom. Dass die Hauptstadt
des Kirchenstaates aus politischen und kulturellen Gründen traditionell
als Antipode der 'Serenissima' galt, und zwar auch und vor allem in
ihrer künstlerischen Ausrichtung, entspricht einer seit der Romantik
etablierten Betrachtungsweise, die der Realität des 18. Jahrhunderts
nicht unbedingt gerecht wird. Mein Beitrag
versucht, die Vorstufen und die Folgen des auf Vasari zurückgehenden
Antagonismus von 'disegno' und 'colore' in den Blick zu nehmen und
hierbei sowohl die praktischen wie die kunsttheoretischen Auswirkungen
und Veränderungen dieses 'concetto' während des 18. Jahrhunderts
zu erkunden. |
|
<6>
Tatsächlich gab es mehr Berührungspunkte zwischen Rom und
Venedig im 18. Jahrhundert als heute bewusst ist. Dies zeigt sich
vor allem, wenn man das zum Staatsgebiet der 'Serenissima' gehörige
Veneto hinzunimmt, das mit Städten wie Padua, Bassano und Vicenza
ein erhebliches politisches Gewicht und kulturelles Potential besass.
Die von hier ausgehenden Bestrebungen zur Wiederbelebung klassischer
Normen in der Architektur sind bekannt und erhalten Nachdruck durch
die Namen Carlo Lodoli, Francesco Algarotti und Tommaso Temanza. Ein
bedeutsamer früher Protagonist für die Ausrichtung Venedigs
nach römischen Maßstäben war Filippo Farsetti, der
von 1749 bis 1753 in Rom eine umfangreiche und qualitätvolle
Skulpturen- und Abgusssammlung erwarb. Diese Sammlung war ab 1755
in Venedig öffentlich zugänglich und gab unter anderem dem
jungen Canova wichtige Anregungen. In S. Maria di Sala bei Padua ließ
sich Farsetti ab 1753 von dem aus Siena stammenden römischen
Architekten Paolo Posi eine Villa römischen Stils errichten,
deren ideelles Vorbild die Villa Albani in Rom war. Das Aussehen dieser
niemals ganz vollendeten Villa wird von Loris
Vedovato auf der Grundlage der Entwürfe und der Beschreibungen
rekonstruiert. Der wohl bedeutendste Teil dieser Villa sollte ein
römischer 'Circus' sein, den Farsetti bei Clerisseau in Auftrag
gab. Der hier publizierte Beitrag weist voraus auf die umfangreiche
Monographie, die der Verfasser über die Villa von Sala vorbereitet. |
|
<7>
Ein weiteres bedeutendes und auf jeden Fall das folgenreichste Kapitel
in der Geschichte der Beziehungen zwischen Venedig und dem Veneto
auf der einen sowie Rom und dem Kirchenstaat auf der anderen Seite
wurde durch die Familie Rezzonico geschrieben. Den künstlerischen
Folgen dieser neuen politischen Verbindungen zwischen Venedig und
Rom galt der Beitrag von Giuseppe Pavanello, der nicht in dieser Sammlung
enthalten ist, der aber mit einer etwas anderen Gewichtung (Rapporti
tra Venezia e Roma in età neoclassica) in einem Sammelband
publiziert wurde, in dem es um eine ähnliche Thematik und Zielsetzung
geht, wobei der Akzent allerdings stärker auf die Kontakte Roms
zu Venedig und Neapel gelegt wurde: Enzo Borsellino / Vittorio Casale
(Hg.): Roma: „il tempio del vero gusto“. La Pittura del
Settecento romano e la sua diffusione a Venezia e a Napoli, Florenz
2001. |
|
<8>
Clemens XIII. Rezzonico, der von Mengs porträtiert wurde, weihte
1762 die Villa Albani ein, die als Symbol der neuen klassischen Ideale
gilt und in der sich die Vorstellungen von Winckelmann und von Mengs
konkretisiert haben. Vor seiner Wahl zum Papst (1758) war er fünfzehn
Jahre lang Bischof von Padua gewesen und er hat seine ehemalige Diözese
nach seiner Erhebung auf den Stuhl Petri mit opulenten Gaben bedacht,
von deren Qualität die prachtvollen Paramente aus einer römischen
Manufaktur Zeugnis ablegen. Leider stand das vom Konservator des 'Museo
Diocesano' in Padua, Andrea Nante, zu diesem Thema gehaltene Referat
des Symposiums für die Publikation nicht zur Verfügung.
|
|
<9>
Einer der ersten, die das Kunstpatronat der Rezzonico propagierten
und die von ihm gleichermaßen als Graphiker und als Architekt
profitierten, war Giovanni Battista Piranesi, der jedoch schon viele
Jahre zuvor nach Rom gekommen war. Er ist der prominenteste Künstler,
der in das von der Tagung angeschnittene thematische Spektrum der
Wechselbeziehungen zwischen Venedig und Rom gehört, ein Aspekt,
der jedoch in der intensiven und stets zu neuen Ansätzen führenden
Piranesi-Forschung erstaunlicherweise selten thematisiert wird. Jörg
Garms gibt in seinem Beitrag, der aus dem abschließenden
Abendvortrag der Tagung hervorging, eine Synthese der vielfältigen
und während der römischen Jahre andauernden Bezugnahmen
Piranesis auf die Kunst seiner Heimatstadt, der er auch insofern verbunden
blieb als er sich immer 'architetto veneziano' nannte. |
|
<10>
Piranesis Beispiel folgte eine Generation später der Stecher
Giovanni Volpato aus Bassano. Seine Laufbahn, die in der dortigen
Buchdruckerei Remondini begonnen hatte, führte ihn über
Venedig und Parma 1771 nach Rom. Ist Piranesi die Erschaffung eines
die Antike monumental und romantisch verklärenden Rombildes zu
verdanken, das die Reiselust und die Phantasie anregte, so galt Volpatos
Wirken der Verbreitung der klassischen Bildungsgüter Roms auf
den Gebieten der Malerei und der Skulptur. Seine Veduten des neuen
päpstlichen Museums, seine Biskuitporzellane nach Antiken, vor
allem aber die Stiche nach den Loggien Raffaels generierten einen
neuen Geschmack in der Dekoration. Corinna Höper
zeichnet die Stationen von Volpatos ungewöhnlich erfolgreicher
Tätigkeit nach und arbeitet am Beispiel der Stiche nach den Loggien
Raffaels den eigenständigen Anteil des Stechers an den Bordüren
heraus, die ein wesentlicher Grund für ihren Erfolg im späten
18. Jahrhundert waren. Volpato war außerdem einer der wesentlichen
Förderer des jungen Canova, in dessen Wirken sich schließlich
der tradierte Antagonismus zwischen Rom und Venedig aufheben sollte.
Einer von Canovas wichtigsten Auftraggebern – auch er Mittler
zwischen Venedig und Rom – war Don Abbondio Rezzonico, der von
1765 bis 1809 als Senator von Rom im römischen Kapitol residierte,
das er zu einer glanzvollen, von Goethe bewunderten Residenz machte. |
|
<11>
Wie immer, wenn ein neuer Papst gewählt wurde, wirkte sich dessen
Herkunft auf die neue kulturpolitische Konstellation und damit auch
direkt auf die Kunst aus. Durch den Aufstieg der Rezzonico in die
höchsten sozialen Ränge wurden für die künstlerischen
Kontakte zwischen Venedig und Rom neue Wege und Möglichkeiten
geschaffen. Venezianische Künstler hatten nun in Rom eine Anlaufstelle,
die im Laufe der Jahre das Entstehen einer venezianischen Fraktion
begünstigte, die sich eng mit dem römischen Kunstbetrieb
und Kunstgeschmack liierte und die zum Teil auch wieder nach Venedig
zurückstrahlte, wie dies für den Maler Pier Antonio Novelli
gilt, der seine römischen Erfahrungen und Lektionen für
seine Tätigkeit in Venedig fruchtbar machte. Diesem bisher noch
wenig ausgeloteten Thema gilt der Beitrag von Michael
Brunner, dessen Forschungen zu diesem Bereich noch nicht abgeschlossen
sind. |
|
<12>
Stark von klassischen Vorbildern geprägt war auch das Wirken
von Andrea Memmo, auf den die Schaffung des 'Pra della Valle' in Padua
zurückgeht, eine Art von Freilichtpantheon vor den Toren der
Stadt und eine der ersten öffentlichen Promenaden im Geist der
Aufklärung. Memmo war auch Verleger der Schriften von Lodoli
und stand in Kontakt zu José Nicolas de Azara und Francesco
Milizia in Rom, die 1780 die Herausgabe der Schriften von Mengs besorgt
hatten. Susanna Pasquali widmet dem bisher
wenig beachteten Wirken Memmos als Theoretiker, Reformator und als
Herausgeber der Schriften des Padre Lodoli eine Untersuchung, die
deutlich macht, dass die intellektuelle Elite Venedigs die Ideale
der europäisch orientierten Aufklärung früh übernommen
hatte. |
|
<13>
Das angestrebte interdisziplinäre und bikulturelle Panorama der
Beiträge zu diesem Kolloquium, die sowohl in italienischer wie
in deutscher Sprache mit den entsprechenden Resümees veröffentlicht
werden, wäre nicht möglich gewesen ohne die Ausweitung auf
ein interkulturelles und literarisches Terrain. Um diese Dimension
zu erreichen, war niemand besser ausgewiesen und berufener als Lea
Ritter Santini, deren wissenschaftliche und literarische Arbeiten
den bis in das 20. Jahrhundert reichenden literarischen und kulturellen
Wechselwirkungen zwischen Italien und Deutschland gelten, die ihren
Ausgang in der Aufklärung nahmen. Sie hat sich mit Geduld und
Einfühlung meinen Fragen gestellt und mit ihren ebenso knappen
wie dichten Antworten den ganzen Reichtum ihres Wissens über
das bis heute faszinierende Kulturgeflecht ausgebreitet, in das sich
die deutschen Verbindungen des 18. Jahrhunderts zu Venedig einschreiben.
Dafür gilt ihr mein ganz besonderer und freundschaftlicher Dank.
|
|
<14>
Für die Initiative zu dieser Publikation danke ich Gudrun Gersmann
und Hubertus Kohle, die es ermöglicht haben, die Ergebnisse der
Tagung, die sonst unpubliziert geblieben wären, auf diesem zukunftsträchtigen
neuen Forum des wissenschaftlichen Austausches zu präsentieren,
und die mich großzügig und geduldig bei der Umsetzung der
Texte in das ungewohnte Medium unterstützt haben. Um die praktische
Seite dieser 'Übersetzung' haben sich Sabine Büttner von
der RWTH Aachen und Valentina Baldauf von der LMU München engagiert
und kompetent gekümmert. Ihnen gilt mein herzlicher Dank. Schließlich
aber danke ich den Autoren und Autorinnen, die viel Geduld aufbringen
mussten, um ihre Forschungsergebnisse publiziert zu sehen und die
sich dazu bereit erklärt haben, auf das gewohnte Medium des kompakten
Buches zu verzichten. Ich hoffe, dass sie dafür entschädigt
werden durch die erleichterte und größere Resonanz seitens
der angesprochenen 'scientific comunity' und dank der wachsenden Anhängerschar
des neuen Mediums. |
|
München, den 09. Dezember
2003
Steffi Roettgen |
|
|
|